Die Kastratin
Giulia singt wie ein Engel. Als ihr Vater, der Kapellmeister von Saletto, seine Tochter in Knabenkleider steckt und in seinem Chor auftreten lässt, riskiert er beider Kopf und Kragen. Denn Mädchen und Frauen dürfen in der Renaissance nicht...
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Produktinformationen zu „Die Kastratin “
Giulia singt wie ein Engel. Als ihr Vater, der Kapellmeister von Saletto, seine Tochter in Knabenkleider steckt und in seinem Chor auftreten lässt, riskiert er beider Kopf und Kragen. Denn Mädchen und Frauen dürfen in der Renaissance nicht öffentlich singen. Doch beide reisen quer durch Italien und Giulia begeistert, als "Kastrat" verkleidet, mit ihrer Stimme die Menschen. Dieses Spiel geht so lange gut, bis Giulia der Liebe begegnet.
Lese-Probe zu „Die Kastratin “
Die Kastratin von Iny Lorentz Leseprobe
Giulia wagte nicht, an die Folgen einer Entdeckung zu denken, die ihr Vater unnötigerweise immer wieder ausgemalt hatte. Die Angst saß ihr wie ein dicker Knoten im Bauch, und ihre Augen waren so verschleiert, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Als sie stolperte, packte ihr Vater sie am Arm, bewahrte sie davor, die Treppe hinabzustürzen, und funkelte sie zornig an. »Reiß dich zusammen, Giulio!« Seine Stimme klang leise, aber sehr scharf. »Denke daran, was Assumpta auf meine Anordnung mit dir gemacht hat. Also sei ganz vorsichtig. Wenn das Ding abfällt oder zerbricht, ehe wir die Begutachtung hinter uns haben, brennen wir beide. Hast du mich verstanden?«
Sie biss sich auf die Lippen, um kein böses Wort darüber schlüpfen zu lassen. Seit ihrer Flucht war der Name Giulia kein einziges Mal mehr über seine Lippen gekommen. Er nannte sie stets Giulio und schien vergessen zu haben, dass ihm je eine Tochter geboren worden war. Was Assumptas Werk betraf, konnte Giulia kaum an etwas anderes denken. Die Dienerin hatte ihr nämlich mit Harz einen winzigen Penis aus Wachs an die bei einem Jungen vorgesehene Stelle geklebt. Es ziepte bei jedem Schritt und war so störend, dass sie kaum richtig gehen konnte. Alles in ihr schrie danach, ihren Vater anzuflehen, sein Vorhaben fahren zu lassen, doch ihr Mund blieb verschlossen. Jedes Wort wäre sinnlos gewesen. So folgte sie ihrem Vater bis unter das Dach, wo unter der Schräge eine kleine Tür zum Vorschein kam.
Fassi klopfte daran, zuerst eher verhalten, und als sich nicht sofort etwas tat, um einiges fester, bis eine mürrische Stimme ihnen antwortete. »Ja, ja, ich komm ja schon!«
Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, und ein alter, hagerer Mann in einer Priestersoutane steckte den Kopf heraus.
Girolamo Fassi verbeugte sich
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schwungvoll. »Guten Tag, Hochwürden. Mein Name ist Girolamo Casamonte. Ich habe mein Erscheinen angekündigt.«
Giulia verzog das Gesicht, als sie den falschen Namen hörte. Irgendwie war mit dem Namenswechsel, den ihr Vater mit Hilfe gefälschter Papiere vorgenommen hatte, die letzte Verbindung zu ihrer Kindheit in Saletto zerschnitten worden. Sie fand, ihr Vater hätte besser einige Empfehlungsschreiben für sich fälschen sollen, um eine Stellung zu erhalten. Doch alles, was sie dazu gesagt hatte, war von ihrem Vater mit Vorwürfen, Klagen oder Spott zurückgewiesen worden.
Sie folgte ihrem Vater und dem Priester in den unbehaglichsten Raum, den sie je betreten hatte. Innen war es so dunkel, dass man kaum das Gesicht seines Gegenübers erkennen konnte, geschweige denn die spärliche Möblierung, die sich nur durch noch dunklere Schattierungen in der vorherrschenden Finsternis verriet. Ein winziges Fenster in der Dachschräge ließ kaum Licht herein. Darunter stand ein Tisch mit einem Stuhl, dem bereits ein Bein fehlte, und daneben an der glatten Wand standen ein paar Bücher auf einem primitiv geschreinerten Bord. Der Strohsack in der anderen Ecke verriet sich und sein ehrwürdiges Alter durch den Geruch, und die Tatsache, dass es auch noch eine Truhe gab, stellte Giulias Schienbein schmerzhaft fest.
Als der Priester neben dem Fenster stehen blieb, konnte sie sehen, wie schmutzig seine Soutane war. An seiner Nase hing ein Tropfen, der nach einer Weile herabfiel und sofort einem neuen Platz machte.
Der Priester zeigte mit dem dürren Zeigefinger seiner rechten Hand auf Giulia und sah Fassi beinahe angewidert an. »Ist dies der Knabe, um den es geht?«
Giulia fand seine Stimme unangenehm knarzend.
Ihr Vater nickte eifrig, verbeugte sich noch mehrmals und zog ein Blatt Papier unter seinem Wams hervor. »Das ist mein Sohn Giulio. Hier habe ich die Bestätigung des Barbiers und Chirurgen Francesco, genannt Dellarino aus Rocca, der die nötige Operation durchgeführt hat.« Er wollte dem Priester das gefälschte Attest reichen, doch dieser achtete nicht darauf.
Giulia fand den Humor ihres Vaters etwas arg derb, denn er hatte den Namen des Abtes von San Ippolito di Saletto verballhornt und ihm dem nicht existierenden Barbier verliehen, der einen ebenfalls nicht existierenden Knaben namens Giulio Casamonte kastriert hatte.
Der Priester setzte sich auf seinen Stuhl und balancierte dabei geschickt das fehlende Bein aus. »Wie seid Ihr eigentlich auf mich gekommen, Signore Casamonte? Schließlich ist bekannt, dass ich nicht gerade als Freund des Verschneidens von Knaben gelte. Wenn Gott gewollt hätte, dass es Kastraten gibt, hätte er sie selbst geschaffen und dieses Werk nicht den Messern irgendwelcher Stümper überlassen.«
Diese Aussage ließ Giulia den Priester beinahe sympathisch werden. Ihr Vater hingegen schluckte sichtlich und schien fieberhaft nach einer Antwort zu suchen. »Wir sind fremd in Mantua, Don Giantolo, und wurden von unserem Herbergswirt, dem braven Toldino Bandi, an Euch verwiesen. Wir sind auf die Bestätigung eines angesehenen Kirchenmanns angewiesen, damit Giulio zu Ehren Gottes singen kann.«
Der Priester murmelte etwas, was weder Giulia noch ihr Vater richtig verstanden, und warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Da es nun einmal geschehen ist, will ich es für euch tun. Zieh dich aus, mein Junge.«
Giulia versteifte vor Entsetzen. Wenn sie sich jetzt entkleidete, würde Don Giantolo ihren Busen sehen, den Assumpta mit einem breiten Leinenstreifen flach gebunden hatte. Warum hatte ihr Vater sie nicht vor einem Jahr zu einem Priester bringen können, als sie oben herum noch halbwegs flach gewesen war?, fuhr es ihr durch den Kopf.
Ihr Vater bemerkte ihre Verwirrung und versetzte ihr einen Rippenstoß. »Los, Giulio, zieh deine Hose herunter!«
Zitternd vor Scham gehorchte das Mädchen. Sie wandte den beiden Männern dabei den Rücken zu, stöhnte aber dann unter dem harten Griff auf, mit dem ihr Vater sie wieder herumdrehte. Sein Gesicht wirkte bis aufs Äußerste angespannt, und seine flackernden Augen sogen sich an ihrem nackten Unterkörper fest. Fast hoffte Giulia, der Priester würde den Betrug bemerken, so sehr ekelte sie sich in diesem Moment vor ihrem Vater. Don Giantolo warf jedoch nur einen kurzen Blick auf das verschrumpelte Ding, das Assumpta ihr angeklebt hatte, und bemerkte zutreffenderweise, dass die Hoden fehlen würden.
»Möge Gott gnädiger mit dir sein, als dein Vater es war, mein Sohn«, sagte er freundlich und forderte sie auf, sich wieder anzuziehen. Dann wandte er sich ab, um ein Pergament für die Bescheinigung hervorzukramen.
Giulia zog die Hose so rasch hoch, dass der künstliche Penis abriss. Es tat fürchterlich weh, doch war der Schmerz harmlos gegen die Qualen, in denen ihre Seele sich wand. Kurz darauf war der Priester fertig und reichte Girolamo Fassi-Casamonte das begehrte Schreiben.
Giulias Vater warf einen kurzen Blick darauf und steckte es mit triumphierender Miene ein. Mit dieser Bestätigung konnte er seine Tochter in jeder Kirche der katholischen Christenheit als Kastratensänger auftreten lassen. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, einen Priester zu finden, dem er das Mädchen als angeblich verschnittenen Knaben unterschieben konnte. Don Giantolo war nicht nur halb blind, sondern sah es auch als Sünde an, einen Knaben zu berühren, selbst wenn es ein Kastrat war. Andere Priester hätten hingegen ihr Geschlecht abgetastet, um die Kastrationsnarbe zu begutachten. »Ich danke Euch, ehrwürdiger Vater«, erklärte er zufrieden. »Ihr habt damit den Herzenswunsch meines seligen Weibes erfüllt, die unseren Sohn zur Ehre Gottes in den geweihten Kirchen singen hören wollte.«
Giulia kniff die Lippen zusammen, als ihre Mutter so leichthin verleumdet wurde. Sie singen zu hören, wäre das Letzte gewesen, was sich Maria Fassi gewünscht hätte. Ihrem Vater schien die Lüge nicht das Geringste auszumachen. Er zog seine Börse und reichte dem Priester gönnerhaft mehrere Scudi.
Don Giantolo starrte indigniert auf die Silbermünzen und schüttelte heftig den Kopf. »Für so etwas nehme ich kein Geld!« Es sah schon aus, als wollte er seine Besucher unhöflich rasch verabschieden, doch da wandte er sich noch einmal an Giulia. »Bevor du gehst, will ich doch hören, ob deine Stimme dieses Opfer wert war. Singe das Ave-Maria.«
Fassi-Casamonte gab seiner Tochter einen aufmunternden Stoß. »Mache dem ehrwürdigen Vater die Freude.«
Giulia schluckte und versuchte, ihre schwirrenden Gedanken so weit zu beruhigen, dass sie sich an den Text und die Melodie des Gebetes erinnern konnte. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich weit genug gefangen hatte. Ihr Vater wurde schon sichtlich nervös, während der Priester ihr begütigend zulächelte. Mit einem Mal wich der Klumpen in ihrem Hals, und sie holte tief Luft. Eigentlich hatte sie nicht laut singen wollen, doch nun wurde das Zimmer zu eng für die süßen, eindringlichen Töne.
Don Giantolo schien den Klang ihrer Stimme in sich aufsaugen zu wollen, so andächtig lauschte er. Als sie endete, räusperte er sich ein paarmal, ehe er zum Sprechen ansetzte. »Deine Stimme ist wirklich göttlich, mein Sohn.«
Er rang die Hände, als müsse er mit sich selbst einen Kampf ausfechten. Dann sah er Giulias Vater beinahe entschuldigend an. »Wenn Ihr mir wirklich danken wollt, so lasst Euren Sohn an diesem Sonntag in meiner Kirche die Messe singen.«
»Aber selbstverständlich, Hochwürden.« Fassi-Casamonte war sichtlich erleichtert, so billig davongekommen zu sein. Er verabschiedete sich überschwänglich von Don Giantolo und verließ den düsteren Raum wie auf Schwingen. Giulias Bewegungen glichen dagegen denen einer hölzernen Kinderpuppe, und so fühlte sie sich auch.
© Verlagsgruppe DroemerKnaur
Giulia verzog das Gesicht, als sie den falschen Namen hörte. Irgendwie war mit dem Namenswechsel, den ihr Vater mit Hilfe gefälschter Papiere vorgenommen hatte, die letzte Verbindung zu ihrer Kindheit in Saletto zerschnitten worden. Sie fand, ihr Vater hätte besser einige Empfehlungsschreiben für sich fälschen sollen, um eine Stellung zu erhalten. Doch alles, was sie dazu gesagt hatte, war von ihrem Vater mit Vorwürfen, Klagen oder Spott zurückgewiesen worden.
Sie folgte ihrem Vater und dem Priester in den unbehaglichsten Raum, den sie je betreten hatte. Innen war es so dunkel, dass man kaum das Gesicht seines Gegenübers erkennen konnte, geschweige denn die spärliche Möblierung, die sich nur durch noch dunklere Schattierungen in der vorherrschenden Finsternis verriet. Ein winziges Fenster in der Dachschräge ließ kaum Licht herein. Darunter stand ein Tisch mit einem Stuhl, dem bereits ein Bein fehlte, und daneben an der glatten Wand standen ein paar Bücher auf einem primitiv geschreinerten Bord. Der Strohsack in der anderen Ecke verriet sich und sein ehrwürdiges Alter durch den Geruch, und die Tatsache, dass es auch noch eine Truhe gab, stellte Giulias Schienbein schmerzhaft fest.
Als der Priester neben dem Fenster stehen blieb, konnte sie sehen, wie schmutzig seine Soutane war. An seiner Nase hing ein Tropfen, der nach einer Weile herabfiel und sofort einem neuen Platz machte.
Der Priester zeigte mit dem dürren Zeigefinger seiner rechten Hand auf Giulia und sah Fassi beinahe angewidert an. »Ist dies der Knabe, um den es geht?«
Giulia fand seine Stimme unangenehm knarzend.
Ihr Vater nickte eifrig, verbeugte sich noch mehrmals und zog ein Blatt Papier unter seinem Wams hervor. »Das ist mein Sohn Giulio. Hier habe ich die Bestätigung des Barbiers und Chirurgen Francesco, genannt Dellarino aus Rocca, der die nötige Operation durchgeführt hat.« Er wollte dem Priester das gefälschte Attest reichen, doch dieser achtete nicht darauf.
Giulia fand den Humor ihres Vaters etwas arg derb, denn er hatte den Namen des Abtes von San Ippolito di Saletto verballhornt und ihm dem nicht existierenden Barbier verliehen, der einen ebenfalls nicht existierenden Knaben namens Giulio Casamonte kastriert hatte.
Der Priester setzte sich auf seinen Stuhl und balancierte dabei geschickt das fehlende Bein aus. »Wie seid Ihr eigentlich auf mich gekommen, Signore Casamonte? Schließlich ist bekannt, dass ich nicht gerade als Freund des Verschneidens von Knaben gelte. Wenn Gott gewollt hätte, dass es Kastraten gibt, hätte er sie selbst geschaffen und dieses Werk nicht den Messern irgendwelcher Stümper überlassen.«
Diese Aussage ließ Giulia den Priester beinahe sympathisch werden. Ihr Vater hingegen schluckte sichtlich und schien fieberhaft nach einer Antwort zu suchen. »Wir sind fremd in Mantua, Don Giantolo, und wurden von unserem Herbergswirt, dem braven Toldino Bandi, an Euch verwiesen. Wir sind auf die Bestätigung eines angesehenen Kirchenmanns angewiesen, damit Giulio zu Ehren Gottes singen kann.«
Der Priester murmelte etwas, was weder Giulia noch ihr Vater richtig verstanden, und warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Da es nun einmal geschehen ist, will ich es für euch tun. Zieh dich aus, mein Junge.«
Giulia versteifte vor Entsetzen. Wenn sie sich jetzt entkleidete, würde Don Giantolo ihren Busen sehen, den Assumpta mit einem breiten Leinenstreifen flach gebunden hatte. Warum hatte ihr Vater sie nicht vor einem Jahr zu einem Priester bringen können, als sie oben herum noch halbwegs flach gewesen war?, fuhr es ihr durch den Kopf.
Ihr Vater bemerkte ihre Verwirrung und versetzte ihr einen Rippenstoß. »Los, Giulio, zieh deine Hose herunter!«
Zitternd vor Scham gehorchte das Mädchen. Sie wandte den beiden Männern dabei den Rücken zu, stöhnte aber dann unter dem harten Griff auf, mit dem ihr Vater sie wieder herumdrehte. Sein Gesicht wirkte bis aufs Äußerste angespannt, und seine flackernden Augen sogen sich an ihrem nackten Unterkörper fest. Fast hoffte Giulia, der Priester würde den Betrug bemerken, so sehr ekelte sie sich in diesem Moment vor ihrem Vater. Don Giantolo warf jedoch nur einen kurzen Blick auf das verschrumpelte Ding, das Assumpta ihr angeklebt hatte, und bemerkte zutreffenderweise, dass die Hoden fehlen würden.
»Möge Gott gnädiger mit dir sein, als dein Vater es war, mein Sohn«, sagte er freundlich und forderte sie auf, sich wieder anzuziehen. Dann wandte er sich ab, um ein Pergament für die Bescheinigung hervorzukramen.
Giulia zog die Hose so rasch hoch, dass der künstliche Penis abriss. Es tat fürchterlich weh, doch war der Schmerz harmlos gegen die Qualen, in denen ihre Seele sich wand. Kurz darauf war der Priester fertig und reichte Girolamo Fassi-Casamonte das begehrte Schreiben.
Giulias Vater warf einen kurzen Blick darauf und steckte es mit triumphierender Miene ein. Mit dieser Bestätigung konnte er seine Tochter in jeder Kirche der katholischen Christenheit als Kastratensänger auftreten lassen. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, einen Priester zu finden, dem er das Mädchen als angeblich verschnittenen Knaben unterschieben konnte. Don Giantolo war nicht nur halb blind, sondern sah es auch als Sünde an, einen Knaben zu berühren, selbst wenn es ein Kastrat war. Andere Priester hätten hingegen ihr Geschlecht abgetastet, um die Kastrationsnarbe zu begutachten. »Ich danke Euch, ehrwürdiger Vater«, erklärte er zufrieden. »Ihr habt damit den Herzenswunsch meines seligen Weibes erfüllt, die unseren Sohn zur Ehre Gottes in den geweihten Kirchen singen hören wollte.«
Giulia kniff die Lippen zusammen, als ihre Mutter so leichthin verleumdet wurde. Sie singen zu hören, wäre das Letzte gewesen, was sich Maria Fassi gewünscht hätte. Ihrem Vater schien die Lüge nicht das Geringste auszumachen. Er zog seine Börse und reichte dem Priester gönnerhaft mehrere Scudi.
Don Giantolo starrte indigniert auf die Silbermünzen und schüttelte heftig den Kopf. »Für so etwas nehme ich kein Geld!« Es sah schon aus, als wollte er seine Besucher unhöflich rasch verabschieden, doch da wandte er sich noch einmal an Giulia. »Bevor du gehst, will ich doch hören, ob deine Stimme dieses Opfer wert war. Singe das Ave-Maria.«
Fassi-Casamonte gab seiner Tochter einen aufmunternden Stoß. »Mache dem ehrwürdigen Vater die Freude.«
Giulia schluckte und versuchte, ihre schwirrenden Gedanken so weit zu beruhigen, dass sie sich an den Text und die Melodie des Gebetes erinnern konnte. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich weit genug gefangen hatte. Ihr Vater wurde schon sichtlich nervös, während der Priester ihr begütigend zulächelte. Mit einem Mal wich der Klumpen in ihrem Hals, und sie holte tief Luft. Eigentlich hatte sie nicht laut singen wollen, doch nun wurde das Zimmer zu eng für die süßen, eindringlichen Töne.
Don Giantolo schien den Klang ihrer Stimme in sich aufsaugen zu wollen, so andächtig lauschte er. Als sie endete, räusperte er sich ein paarmal, ehe er zum Sprechen ansetzte. »Deine Stimme ist wirklich göttlich, mein Sohn.«
Er rang die Hände, als müsse er mit sich selbst einen Kampf ausfechten. Dann sah er Giulias Vater beinahe entschuldigend an. »Wenn Ihr mir wirklich danken wollt, so lasst Euren Sohn an diesem Sonntag in meiner Kirche die Messe singen.«
»Aber selbstverständlich, Hochwürden.« Fassi-Casamonte war sichtlich erleichtert, so billig davongekommen zu sein. Er verabschiedete sich überschwänglich von Don Giantolo und verließ den düsteren Raum wie auf Schwingen. Giulias Bewegungen glichen dagegen denen einer hölzernen Kinderpuppe, und so fühlte sie sich auch.
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Autoren-Porträt von Iny Lorentz
Autoren-Porträt von Iny Lorentz Im Jahre 2003 veröffentlichte Iny Lorentz ihren ersten historischen Roman: „Die Kastratin“. Es folgten in rasantem Tempo weitere Titel, darunter Bestseller wie „Die Wanderhure“, „Die Feuerbraut“ und „Die Tochter der Wanderhure“. „Ganz nebenbei“ verfasst Iny Lorentz noch unter verschiedenen Pseudonymen Fantasy-Romane und sogar Heimatliteratur. Bevor der Leser sich ob dieses Fleißes nun allzu sehr wundert, sei verraten: Iny musste die Arbeit nicht allein erledigen, ihr Mann Elmar war und ist immer dabei. „Iny Lorentz“ ist ein Pseudonym, hinter dem sich das Schriftstellerehepaar Iny und Elmar verbirgt. Der Verlag kreierte aus ihrem Vornamen und dem Namen von Elmars Vater den Künstlernamen, kurz und einprägsam.
Iny wurde 1949 in Köln geboren, wo sie die Schule besuchte und eine Ausbildung als Arzthelferin absolvierte. Nach dem Abitur im Abendgymnasium begann sie ein Medizinstudium, das sie aber aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Sie wurde Programmiererin und zog 1980 nach München, um bei einer großen Versicherung zu arbeiten. Ihr Ehemann Elmar arbeitete seit 1981 ebenfalls dort. Er ist gebürtiger Bayer und stammt aus einem kleinen Bauerndorf mit gerade einmal fünf Höfen.
Beiden gemeinsam ist die große Leidenschaft für das Geschichtenerzählen. Elmar begann bereits in der Schule mit dem Schreiben, die Religionslehrerin erkannte und förderte sein Talent. Iny veröffentlichte schon in jungen Jahren Kurzgeschichten in Zeitschriften. Schließlich trafen sich die verwandten Seelen in einem Fantasy-Club und heirateten 1982, um von da an alles gemeinsam zu machen, auch das Schreiben. Zunächst arbeiteten sie viele Jahre abends und im Urlaub an ihren
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Büchern, nach den ersten Erfolgen widmeten sie sich dann ganz dem Schreiben.
Wie schon die Titel verraten (u. a. „Die Goldhändlerin“, „Die Pilgerin“, „Die Löwin“) sind immer Frauen die Hauptfiguren der historischen Romane. Iny und Elmar finden es einfach reizvoll, die „Geschichten von der schwächeren Seite aus aufzuzeigen, und über lange Jahrhunderte stellten Frauen aller Klassen diese schwächere Seite dar“. Man darf jedenfalls hoffen, dass noch viele weitere Geschichten folgen werden...
Wie schon die Titel verraten (u. a. „Die Goldhändlerin“, „Die Pilgerin“, „Die Löwin“) sind immer Frauen die Hauptfiguren der historischen Romane. Iny und Elmar finden es einfach reizvoll, die „Geschichten von der schwächeren Seite aus aufzuzeigen, und über lange Jahrhunderte stellten Frauen aller Klassen diese schwächere Seite dar“. Man darf jedenfalls hoffen, dass noch viele weitere Geschichten folgen werden...
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Bibliographische Angaben
- Autor: Iny Lorentz
- 2008, 1, 544 Seiten, Maße: 12,3 x 18,5 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3898979199
- ISBN-13: 9783898979191
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