Ich hab Dich im Gefühl
Eine wunderbare Liebesgeschichte - so romantisch, berührend und witzig, wie sie nur Cecilia Ahern schreiben kann.
Eigentlich beginnt alles mit einer Blutspende. Denn seit ihrem Unfall, den sie nur knapp überlebt hat,...
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Produktinformationen zu „Ich hab Dich im Gefühl “
Eine wunderbare Liebesgeschichte - so romantisch, berührend und witzig, wie sie nur Cecilia Ahern schreiben kann.
Eigentlich beginnt alles mit einer Blutspende. Denn seit ihrem Unfall, den sie nur knapp überlebt hat, fühlt sich Joyce irgendwie verändert. Warum kann sie sich auf einmal an Dinge erinnern, die sie nie erlebt hat? Justin, Gastdozent an der Uni in Dublin, fühlt sich im Grunde wahnsinnig einsam, würde es aber nie zugeben. Dann steht da plötzlich diese junge Frau vor ihm, die ihm irgendwie so bekannt vorkommt - doch woher kennt er sie?
Lese-Probe zu „Ich hab Dich im Gefühl “
Ich hab dich im Gefühl von Cecelia Ahern LESEPROBE
Ganz langsam öffne ich die Augen. Weißes Licht blendet mich. Langsam erkenne ich die Gegenstände um mich herum, und das weiße Licht verblasst. Jetzt ist es orangerosa. Ich bin in einem Krankenhaus. Ein Fernseher hängt an der Wand, weit oben. Der Bildschirm ist ganz grün.
Ich schaue genauer hin. Da sind Pferde. Sie laufen. Bestimmt ist Dad auch hier im Zimmer. Ich senke den Blick, und da ist er auch schon, auf dem Sessel, mit dem Rücken zu mir. Seine Faust klopft auf die Armlehne, er hibbelt auf und ab, und sein Kopf mit der Tweedkappe erscheint im gleichen Rhythmus über der Rückenlehne und verschwindet wieder. Unter ihm knarzen die Sprungfedern.
... mehr
Die Pferde rennen ohne Ton. Auch mein Vater gibt keinen Ton von sich. Wie einen Stummfilm, der vor meinen Augen läuft, beobachte ich ihn und frage mich, ob es an meinen Ohren liegt, dass ich ihn nicht hören kann. Plötzlich springt er aus dem Sessel hoch, schneller, als ich ihn seit langer Zeit erlebt habe, und schwenkt die Faust vor dem Fernseher, um sein Pferd anzufeuern. Dann wird der Bildschirm schwarz. Die Fäuste meines Vaters öffnen sich, er streckt die Hände in die Luft, blickt zur Decke und schickt ein Stoßgebet zum Himmel. Hektisch steckt er die Hände in die Taschen seiner braunen Hose, wühlt darin herum und stülpt sie nach außen. Jetzt klopft er auf seine Jacke und tastet dort nach Geld. Untersucht die kleine Tasche seines braunen Pullovers. Grummelt. Also sind es nicht meine Ohren. Schließlich dreht er sich um, weil er seinen Mantel überprüfen will, der neben mir hängt, und ich schließe rasch die Augen.
Ich bin noch nicht bereit. Mir ist das alles nicht passiert, es wird erst wirklich, wenn jemand es mir sagt. Aber bis dahin bleibt die letzte Nacht in meinen Gedanken nur ein Albtraum. Je länger ich die Augen schließe, desto länger wird alles so bleiben, wie es war. Ich verharre in seliger Unwissenheit.
Jetzt höre ich, wie er in seinem Mantel herumkramt, ich höre Kleingeld klappern, dann das Klirren, als die Münze in den Schlitz am Fernseher fällt. Ich wage es, die Augen zu öffnen, und tatsächlich, da sitzt er wieder im Sessel, die Kappe hüpft, die Fäuste werden geschwenkt.
Zwar ist mein Vorhang zugezogen, aber ich spüre, dass ich den Raum mit anderen Menschen teile. Natürlich weiß ich nicht, mit wie vielen. Es ist ganz still, stickig, ich kann schalen Schweiß riechen. Die großen Fenster, die links von mir die ganze Wand einnehmen, sind geschlossen. Das Licht ist so hell, dass ich nicht hinaussehen kann. Erst nach einer Weile haben sich meine Augen daran gewöhnt, und ich erkenne eine Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite. Dort wartet eine Frau, Einkaufstüten zwischen den Füßen, ein Baby auf der Hüfte, das in der Spätsommersonne mit seinen feisten Beinchen baumelt. Schnell sehe ich weg. Dad beobachtet mich. Er beugt sich über die Armlehne nach hinten und verdreht den Kopf, wie ein Kind im Kinderbettchen. »Hallo, Liebes.«
»Hallo.« Ich habe so lange nichts gesagt, deshalb erwarte ich, dass nur ein Krächzen herauskommt. Aber nichts dergleichen. Meine Stimme ist rein und klar. Als wäre nichts passiert. Aber es ist ja auch nichts passiert. Nicht, bevor sie es mir sagen.
Beide Hände auf die Armlehnen gestützt, erhebt sich mein Vater langsam. Wippend geht er zum Bett. Rauf und runter. Er ist mit verschieden langen Beinen auf die Welt gekommen, sein rechtes Bein ist kürzer als das linke. Obwohl er inzwischen Spezialschuhe trägt, schwankt er immer noch, wahrscheinlich weil er die Bewegung intus hat, seit er laufen gelernt hat. Er zieht die Schuhe auch höchst ungern an, und unseren Warnungen und seinen Rückenschmerzen zum Trotz kehrt er immer wieder zu dem zurück, was er kennt. Ich bin so daran gewöhnt, dass sein Körper rauf und runter geht, runter und rauf, und ich weiß noch genau, wie ich als Kind beim Spazierengehen seine Hand gehalten habe, immer die linke. Wie sich mein Arm dann im gleichen Rhythmus bewegt hat wie er. Wenn das rechte Bein aufkam, wurde ich nach oben gezogen, beim linken nach unten gedrückt. Er war immer so stark, so belastbar. Ständig dabei, irgendwas
zu reparieren. Immer hatte er einen Schraubenzieher in der Hand, schraubte Sachen auseinander und montierte sie wieder zusammen – Fernbedienungen, Radios, Wecker, Elektrostecker. Der Handwerker für die ganze Straße. Seine Beine waren ungleich, aber seine Hände fest und absolut zuverlässig.
Als er sich mir nähert, nimmt er die Kappe ab, packt sie mit beiden Händen und dreht sie wie ein Steuerrad, während er mich besorgt mustert. Er tritt mit dem rechten Bein auf. Runter. Beugt das linke. Seine Ruhehaltung.
»Bist du … äh … die haben mir gesagt … äh.« Er räuspert sich. »Die haben mir gesagt, ich soll …« Wieder schluckt er schwer, seine dichten, struppigen Augenbrauen ziehen sich zusammen
und verbergen seine Augen. »Du hast … du hast …« Meine Unterlippe beginnt zu zittern.
Als er weiterspricht, klingt seine Stimme ganz heiser. »Du hast eine Menge Blut verloren, Joyce. Sie …« Er nimmt die eine Hand von der Mütze, bewegt den gekrümmten Finger im Kreis und versucht sich zu erinnern. »Sie haben eine Transfusion mit diesem Blutdings gemacht, und jetzt bist du … äh … jetzt hast du genug.«
Aber meine Unterlippe zittert immer noch, und meine Hände wandern automatisch zu meinem Bauch, der noch nicht einmal so dick ist, dass man es unter der Decke erkennen kann. Hoffnungsvoll sehe ich meinen Vater an, und erst jetzt wird mir klar, wie sehr ich mich noch daran klammere, wie sehr ich mir eingeredet habe, dass der schreckliche Vorfall im Kreißsaal nur ein Albtraum war. Vielleicht habe ich mir nur eingebildet, dass mein Baby so stumm war, dieses Schweigen, das sich in diesem letzten Moment im Raum ausgebreitet hat. Vielleicht hat es geschrien, aber ich habe es nicht gehört. Natürlich ist das möglich – in diesem Stadium war ich schon ziemlich fertig und nur noch halb bei Bewusstsein –, vielleicht habe ich den ersten kleinen Atemzug des Lebens einfach nicht mitbekommen. Traurig schüttelt Dad den Kopf. Nein, ich war es, die geschrien hat.
Jetzt zittert meine Unterlippe immer mehr, aber ich kann nichts dagegen machen. Mein ganzer Körper bebt, und auch dagegen bin ich machtlos. Tränen steigen mir in die Augen, aber ich halte sie zurück. Wenn ich jetzt damit anfange, kann ich nie mehr aufhören, das weiß ich genau. Ich mache ein Geräusch. Ein seltsames Geräusch, das ich noch nie gehört habe. Stöhnen. Grunzen. Eine Mischung aus beidem.
Dad fasst meine Hand und hält sie ganz fest. Die Berührung holt mich zurück in die letzte Nacht, und ich erinnere mich daran, wie ich am Fuß der Treppe lag. Er sagt nichts. Aber was soll man auch sagen?
Ich verfalle in einen unruhigen Halbschlaf. Einmal wache ich auf und erinnere mich an ein Gespräch mit dem Arzt, und ich frage mich, ob das ein Traum war. Sie haben Ihr Baby verloren, Joyce, aber wir haben alles getan, was wir konnten … Bluttransfusion … Wer muss so etwas im Gedächtnis behalten? Niemand. Ich bestimmt nicht.
Als ich wieder wach werde, ist der Vorhang neben mir offen. Drei kleine Kinder rennen herum, jagen einander ums Bett, während ein Mann, vermutlich ihr Vater, sie in einer Sprache ermahnt, die ich nicht erkenne. Wahrscheinlich ist die Frau im Bett ihre Mutter. Sie sieht müde aus. Unsere Blicke begegnen sich, und wir lächeln einander zu.
Ich weiß, wie du dich fühlst, sagt ihr trauriges Lächeln, ich weiß genau, wie du dich fühlst.
Was sollen wir tun?, fragt mein Lächeln zurück.
Ich weiß es nicht, antworten ihre Augen. Ich weiß es nicht. Wird alles wieder gut?
Sie wendet den Kopf ab, und ihr Lächeln ist verschwunden.
Dad ruft zu der Familie hinüber: »Wo kommt ihr denn eigentlich her?« »Wie bitte?«, fragt der Mann.
»Ich hab gefragt, wo ihr denn eigentlich herkommt«, wiederholt Dad. »Nicht von hier, das sieht man ja.« Dads Stimme klingt nett und fröhlich. Er will keinem auf den Schlips treten. Nie.
»Wir sind aus Nigeria«, erklärt der Mann.
»Nigeria«, sagt Dad nachdenklich. »Wo ist das eigentlich?«
»In Afrika.« Auch er spricht freundlich und entspannt. Offensichtlich ist ihm klar, dass er es nur mit einem alten Mann zu tun hat, der sich gern ein bisschen unterhalten möchte und auf seine Art versucht, Kontakt zu knüpfen.
»Ah, Afrika. War selbst noch nie dort. Ist es heiß? Wahrscheinlich schon, was? Heißer als hier. Kann man bestimmt schön braun werden – nicht dass Sie es brauchen würden«, fügt er lachend hinzu. »Wird es Ihnen hier nicht manchmal zu kalt?« »Kalt?«, lächelt der Afrikaner.
»Ja, Sie wissen doch«, meint Dad, schlingt die Arme um sich und tut so, als würde er bibbern. »Kalt.«
»Ja«, lacht der Mann. »Manchmal ist mir kalt.«
»Hab ich mir gedacht. Mir nämlich auch, und ich bin hier geboren«,
erklärt er. »Die Kälte geht mir bis in die Knochen. Aber ich bin auch nicht so für Hitze. Meine Haut wird knallrot und verbrennt einfach. Meine Tochter, Joyce, die wird braun. Das ist sie übrigens da drüben.« Er zeigt auf mich, und ich schließe schnell wieder die Augen.
»Eine hübsche Tochter haben Sie«, sagt der Mann höflich.
»O ja.« Schweigen kehrt ein, und ich vermute, dass sie mich ansehen. »Sie war vor ein paar Monaten auf einer dieser spanischen Inseln, und als sie zurückkam, war sie richtig schwarz, ehrlich. Na ja, nicht so schwarz wie Sie, aber richtig braun gebrannt eben. Dann hat sie sich geschält. Sie schälen sich wahrscheinlich nicht.«
Der Mann lacht höflich. So ist Dad. Meint nie etwas böse und war in seinem ganzen Leben noch kein einziges Mal im Ausland. Seine Flugangst hindert ihn daran. Zumindest behauptet er das immer.
»Ich hoffe, Ihre hübsche Frau wird sich bald besser fühlen. Ist doch gemein, wenn man in den Ferien krank wird.« Jetzt schlage ich die Augen auf.
»Ah, da bist du ja wieder, mein Schatz. Ich hab mich gerade mit unseren netten Nachbarn unterhalten.«
Wieder wippt er zu mir herüber, die Kappe in den Händen. Ruht auf dem rechten Bein, runter, beugt das linke.
»Weißt du, ich glaube, wir sind die einzigen Iren in diesem Krankenhaus. Die Schwester war grade
vorhin hier, sie kommt aus Singsang oder so.«
»Singapur, Dad«, korrigiere ich ihn mit einem Lächeln.
»Genau.« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Du kennst sie schon, was? Aber alle sprechen Englisch, auch die Ausländer. Klar, das ist auch besser, als wenn man sich in den Ferien immer mit Zeichensprache verständigen muss.« Er legt die Kappe aufs Bett und fingert nervös an ihr herum.
»Dad, du warst in deinem ganzen Leben nie im Ausland«, erinnere ich ihn mit einem Lächeln.
»Aber ich hab meine Kumpels im Monday Club darüber reden hören. Letzte Woche war Frank in, wie hieß es gleich nochmal?« Er schließt die Augen und denkt angestrengt nach. »Das Land, wo die ganze Schokolade herkommt?« »Schweiz.« »Nein.« »Belgien.«
»Nein!«, ruft er frustriert. »Die kleinen runden Dinger mit dem Knusperzeug drin. Man kriegt sie auch in Weiß, aber ich mag die dunklen lieber.«
»Malteser?«, frage ich und muss lachen, aber es tut weh, also höre ich schnell wieder auf. »Genau.« »Du meinst Malta.«
»Stimmt! Er war in Malta.« Er schweigt einen Moment. »Machen die da Malteser?«
»Keine Ahnung. Vielleicht. Und was war mit Frank in Malta?«
Wieder kneift er die Augen zusammen und denkt nach. »Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte.«
Schweigen. Er hasst es, wenn er sich an etwas nicht mehr erinnern kann. Früher konnte er sich immer an alles erinnern.
»Hast du mit deinen Pferden was gewonnen?«, frage ich schnell.
»Ein paar Pfund. Genug für ein paar Runden heut Abend im Monday Club.« »Aber heute ist Dienstag.«
»Der Club findet wegen dem Feiertag am Dienstag statt«, erklärt er und wippt zur anderen Seite des Betts, wo er sich niederlässt.
Ich kann nicht lachen. Es tut alles so weh, und ich glaube, mein Kind hat auch einen Teil meines Humors mitgenommen.
»Es macht dir doch nichts, wenn ich hingehe, oder, Joyce? Wenn du möchtest, bleib ich nämlich hier, das macht mir nichts, es ist nicht so wichtig für mich.«
»Natürlich ist es wichtig. Seit zwanzig Jahren hast du keinen Montagabend verpasst.«
»Abgesehen von den Feiertagen!« Er hebt einen krummen Finger, und seine Augen funkeln.
»Abgesehen von den Feiertagen«, wiederhole ich lächelnd und ergreife den Finger.
»Na ja«, meint er und nimmt meine Hand. »Du bist aber wichtiger als ein paar Bier und ein bisschen Singen.«
»Was würde ich ohne dich machen?« Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen.
»Es wird alles gut, Liebes. Außerdem …«, fährt er fort und blickt mich dabei forschend an, »außerdem hast du Conor.«
Ich lasse seine Hand los und sehe weg. Was, wenn ich Conor nicht mehr will?
»Ich hab ihn gestern Abend auf dem Handtelefon zu erreichen versucht, aber er ist nicht drangegangen. Vielleicht hab ich ja die Nummer falsch eingetippt«, fügt er hastig hinzu. »Auf den Handtelefonen sind es immer so viel mehr Zahlen.«
»Handys heißen die Dinger, Dad«, verbessere ich ihn geistesabwesend.
»Ach ja klar, auf dem Handy. Er ruft immer an, wenn du grade schläfst. Übrigens will er heimkommen, sobald er einen Flug kriegt. Er macht sich große Sorgen.«
»Das ist nett von ihm. Dann können wir ja die nächsten zehn Jahre unserer Ehe versuchen, noch ein Baby zu produzieren.«
Zurück ans Werk. Eine nette kleine Abwechslung, die unserer Beziehung eine Art von Bedeutung verleiht. »Ach, Liebes …«
Der erste Tag vom Rest meines Lebens, und ich bin nicht sicher, ob ich hier sein möchte. Ich weiß, ich sollte irgendjemandem dafür dankbar sein, aber ich fühle mich überhaupt nicht danach. Stattdessen wünsche ich mir, sie hätten sich die Mühe nicht gemacht. © S. Fischer Verlag GmbH
Aus dem Englischen von Christine Strüh
Ich bin noch nicht bereit. Mir ist das alles nicht passiert, es wird erst wirklich, wenn jemand es mir sagt. Aber bis dahin bleibt die letzte Nacht in meinen Gedanken nur ein Albtraum. Je länger ich die Augen schließe, desto länger wird alles so bleiben, wie es war. Ich verharre in seliger Unwissenheit.
Jetzt höre ich, wie er in seinem Mantel herumkramt, ich höre Kleingeld klappern, dann das Klirren, als die Münze in den Schlitz am Fernseher fällt. Ich wage es, die Augen zu öffnen, und tatsächlich, da sitzt er wieder im Sessel, die Kappe hüpft, die Fäuste werden geschwenkt.
Zwar ist mein Vorhang zugezogen, aber ich spüre, dass ich den Raum mit anderen Menschen teile. Natürlich weiß ich nicht, mit wie vielen. Es ist ganz still, stickig, ich kann schalen Schweiß riechen. Die großen Fenster, die links von mir die ganze Wand einnehmen, sind geschlossen. Das Licht ist so hell, dass ich nicht hinaussehen kann. Erst nach einer Weile haben sich meine Augen daran gewöhnt, und ich erkenne eine Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite. Dort wartet eine Frau, Einkaufstüten zwischen den Füßen, ein Baby auf der Hüfte, das in der Spätsommersonne mit seinen feisten Beinchen baumelt. Schnell sehe ich weg. Dad beobachtet mich. Er beugt sich über die Armlehne nach hinten und verdreht den Kopf, wie ein Kind im Kinderbettchen. »Hallo, Liebes.«
»Hallo.« Ich habe so lange nichts gesagt, deshalb erwarte ich, dass nur ein Krächzen herauskommt. Aber nichts dergleichen. Meine Stimme ist rein und klar. Als wäre nichts passiert. Aber es ist ja auch nichts passiert. Nicht, bevor sie es mir sagen.
Beide Hände auf die Armlehnen gestützt, erhebt sich mein Vater langsam. Wippend geht er zum Bett. Rauf und runter. Er ist mit verschieden langen Beinen auf die Welt gekommen, sein rechtes Bein ist kürzer als das linke. Obwohl er inzwischen Spezialschuhe trägt, schwankt er immer noch, wahrscheinlich weil er die Bewegung intus hat, seit er laufen gelernt hat. Er zieht die Schuhe auch höchst ungern an, und unseren Warnungen und seinen Rückenschmerzen zum Trotz kehrt er immer wieder zu dem zurück, was er kennt. Ich bin so daran gewöhnt, dass sein Körper rauf und runter geht, runter und rauf, und ich weiß noch genau, wie ich als Kind beim Spazierengehen seine Hand gehalten habe, immer die linke. Wie sich mein Arm dann im gleichen Rhythmus bewegt hat wie er. Wenn das rechte Bein aufkam, wurde ich nach oben gezogen, beim linken nach unten gedrückt. Er war immer so stark, so belastbar. Ständig dabei, irgendwas
zu reparieren. Immer hatte er einen Schraubenzieher in der Hand, schraubte Sachen auseinander und montierte sie wieder zusammen – Fernbedienungen, Radios, Wecker, Elektrostecker. Der Handwerker für die ganze Straße. Seine Beine waren ungleich, aber seine Hände fest und absolut zuverlässig.
Als er sich mir nähert, nimmt er die Kappe ab, packt sie mit beiden Händen und dreht sie wie ein Steuerrad, während er mich besorgt mustert. Er tritt mit dem rechten Bein auf. Runter. Beugt das linke. Seine Ruhehaltung.
»Bist du … äh … die haben mir gesagt … äh.« Er räuspert sich. »Die haben mir gesagt, ich soll …« Wieder schluckt er schwer, seine dichten, struppigen Augenbrauen ziehen sich zusammen
und verbergen seine Augen. »Du hast … du hast …« Meine Unterlippe beginnt zu zittern.
Als er weiterspricht, klingt seine Stimme ganz heiser. »Du hast eine Menge Blut verloren, Joyce. Sie …« Er nimmt die eine Hand von der Mütze, bewegt den gekrümmten Finger im Kreis und versucht sich zu erinnern. »Sie haben eine Transfusion mit diesem Blutdings gemacht, und jetzt bist du … äh … jetzt hast du genug.«
Aber meine Unterlippe zittert immer noch, und meine Hände wandern automatisch zu meinem Bauch, der noch nicht einmal so dick ist, dass man es unter der Decke erkennen kann. Hoffnungsvoll sehe ich meinen Vater an, und erst jetzt wird mir klar, wie sehr ich mich noch daran klammere, wie sehr ich mir eingeredet habe, dass der schreckliche Vorfall im Kreißsaal nur ein Albtraum war. Vielleicht habe ich mir nur eingebildet, dass mein Baby so stumm war, dieses Schweigen, das sich in diesem letzten Moment im Raum ausgebreitet hat. Vielleicht hat es geschrien, aber ich habe es nicht gehört. Natürlich ist das möglich – in diesem Stadium war ich schon ziemlich fertig und nur noch halb bei Bewusstsein –, vielleicht habe ich den ersten kleinen Atemzug des Lebens einfach nicht mitbekommen. Traurig schüttelt Dad den Kopf. Nein, ich war es, die geschrien hat.
Jetzt zittert meine Unterlippe immer mehr, aber ich kann nichts dagegen machen. Mein ganzer Körper bebt, und auch dagegen bin ich machtlos. Tränen steigen mir in die Augen, aber ich halte sie zurück. Wenn ich jetzt damit anfange, kann ich nie mehr aufhören, das weiß ich genau. Ich mache ein Geräusch. Ein seltsames Geräusch, das ich noch nie gehört habe. Stöhnen. Grunzen. Eine Mischung aus beidem.
Dad fasst meine Hand und hält sie ganz fest. Die Berührung holt mich zurück in die letzte Nacht, und ich erinnere mich daran, wie ich am Fuß der Treppe lag. Er sagt nichts. Aber was soll man auch sagen?
Ich verfalle in einen unruhigen Halbschlaf. Einmal wache ich auf und erinnere mich an ein Gespräch mit dem Arzt, und ich frage mich, ob das ein Traum war. Sie haben Ihr Baby verloren, Joyce, aber wir haben alles getan, was wir konnten … Bluttransfusion … Wer muss so etwas im Gedächtnis behalten? Niemand. Ich bestimmt nicht.
Als ich wieder wach werde, ist der Vorhang neben mir offen. Drei kleine Kinder rennen herum, jagen einander ums Bett, während ein Mann, vermutlich ihr Vater, sie in einer Sprache ermahnt, die ich nicht erkenne. Wahrscheinlich ist die Frau im Bett ihre Mutter. Sie sieht müde aus. Unsere Blicke begegnen sich, und wir lächeln einander zu.
Ich weiß, wie du dich fühlst, sagt ihr trauriges Lächeln, ich weiß genau, wie du dich fühlst.
Was sollen wir tun?, fragt mein Lächeln zurück.
Ich weiß es nicht, antworten ihre Augen. Ich weiß es nicht. Wird alles wieder gut?
Sie wendet den Kopf ab, und ihr Lächeln ist verschwunden.
Dad ruft zu der Familie hinüber: »Wo kommt ihr denn eigentlich her?« »Wie bitte?«, fragt der Mann.
»Ich hab gefragt, wo ihr denn eigentlich herkommt«, wiederholt Dad. »Nicht von hier, das sieht man ja.« Dads Stimme klingt nett und fröhlich. Er will keinem auf den Schlips treten. Nie.
»Wir sind aus Nigeria«, erklärt der Mann.
»Nigeria«, sagt Dad nachdenklich. »Wo ist das eigentlich?«
»In Afrika.« Auch er spricht freundlich und entspannt. Offensichtlich ist ihm klar, dass er es nur mit einem alten Mann zu tun hat, der sich gern ein bisschen unterhalten möchte und auf seine Art versucht, Kontakt zu knüpfen.
»Ah, Afrika. War selbst noch nie dort. Ist es heiß? Wahrscheinlich schon, was? Heißer als hier. Kann man bestimmt schön braun werden – nicht dass Sie es brauchen würden«, fügt er lachend hinzu. »Wird es Ihnen hier nicht manchmal zu kalt?« »Kalt?«, lächelt der Afrikaner.
»Ja, Sie wissen doch«, meint Dad, schlingt die Arme um sich und tut so, als würde er bibbern. »Kalt.«
»Ja«, lacht der Mann. »Manchmal ist mir kalt.«
»Hab ich mir gedacht. Mir nämlich auch, und ich bin hier geboren«,
erklärt er. »Die Kälte geht mir bis in die Knochen. Aber ich bin auch nicht so für Hitze. Meine Haut wird knallrot und verbrennt einfach. Meine Tochter, Joyce, die wird braun. Das ist sie übrigens da drüben.« Er zeigt auf mich, und ich schließe schnell wieder die Augen.
»Eine hübsche Tochter haben Sie«, sagt der Mann höflich.
»O ja.« Schweigen kehrt ein, und ich vermute, dass sie mich ansehen. »Sie war vor ein paar Monaten auf einer dieser spanischen Inseln, und als sie zurückkam, war sie richtig schwarz, ehrlich. Na ja, nicht so schwarz wie Sie, aber richtig braun gebrannt eben. Dann hat sie sich geschält. Sie schälen sich wahrscheinlich nicht.«
Der Mann lacht höflich. So ist Dad. Meint nie etwas böse und war in seinem ganzen Leben noch kein einziges Mal im Ausland. Seine Flugangst hindert ihn daran. Zumindest behauptet er das immer.
»Ich hoffe, Ihre hübsche Frau wird sich bald besser fühlen. Ist doch gemein, wenn man in den Ferien krank wird.« Jetzt schlage ich die Augen auf.
»Ah, da bist du ja wieder, mein Schatz. Ich hab mich gerade mit unseren netten Nachbarn unterhalten.«
Wieder wippt er zu mir herüber, die Kappe in den Händen. Ruht auf dem rechten Bein, runter, beugt das linke.
»Weißt du, ich glaube, wir sind die einzigen Iren in diesem Krankenhaus. Die Schwester war grade
vorhin hier, sie kommt aus Singsang oder so.«
»Singapur, Dad«, korrigiere ich ihn mit einem Lächeln.
»Genau.« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Du kennst sie schon, was? Aber alle sprechen Englisch, auch die Ausländer. Klar, das ist auch besser, als wenn man sich in den Ferien immer mit Zeichensprache verständigen muss.« Er legt die Kappe aufs Bett und fingert nervös an ihr herum.
»Dad, du warst in deinem ganzen Leben nie im Ausland«, erinnere ich ihn mit einem Lächeln.
»Aber ich hab meine Kumpels im Monday Club darüber reden hören. Letzte Woche war Frank in, wie hieß es gleich nochmal?« Er schließt die Augen und denkt angestrengt nach. »Das Land, wo die ganze Schokolade herkommt?« »Schweiz.« »Nein.« »Belgien.«
»Nein!«, ruft er frustriert. »Die kleinen runden Dinger mit dem Knusperzeug drin. Man kriegt sie auch in Weiß, aber ich mag die dunklen lieber.«
»Malteser?«, frage ich und muss lachen, aber es tut weh, also höre ich schnell wieder auf. »Genau.« »Du meinst Malta.«
»Stimmt! Er war in Malta.« Er schweigt einen Moment. »Machen die da Malteser?«
»Keine Ahnung. Vielleicht. Und was war mit Frank in Malta?«
Wieder kneift er die Augen zusammen und denkt nach. »Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte.«
Schweigen. Er hasst es, wenn er sich an etwas nicht mehr erinnern kann. Früher konnte er sich immer an alles erinnern.
»Hast du mit deinen Pferden was gewonnen?«, frage ich schnell.
»Ein paar Pfund. Genug für ein paar Runden heut Abend im Monday Club.« »Aber heute ist Dienstag.«
»Der Club findet wegen dem Feiertag am Dienstag statt«, erklärt er und wippt zur anderen Seite des Betts, wo er sich niederlässt.
Ich kann nicht lachen. Es tut alles so weh, und ich glaube, mein Kind hat auch einen Teil meines Humors mitgenommen.
»Es macht dir doch nichts, wenn ich hingehe, oder, Joyce? Wenn du möchtest, bleib ich nämlich hier, das macht mir nichts, es ist nicht so wichtig für mich.«
»Natürlich ist es wichtig. Seit zwanzig Jahren hast du keinen Montagabend verpasst.«
»Abgesehen von den Feiertagen!« Er hebt einen krummen Finger, und seine Augen funkeln.
»Abgesehen von den Feiertagen«, wiederhole ich lächelnd und ergreife den Finger.
»Na ja«, meint er und nimmt meine Hand. »Du bist aber wichtiger als ein paar Bier und ein bisschen Singen.«
»Was würde ich ohne dich machen?« Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen.
»Es wird alles gut, Liebes. Außerdem …«, fährt er fort und blickt mich dabei forschend an, »außerdem hast du Conor.«
Ich lasse seine Hand los und sehe weg. Was, wenn ich Conor nicht mehr will?
»Ich hab ihn gestern Abend auf dem Handtelefon zu erreichen versucht, aber er ist nicht drangegangen. Vielleicht hab ich ja die Nummer falsch eingetippt«, fügt er hastig hinzu. »Auf den Handtelefonen sind es immer so viel mehr Zahlen.«
»Handys heißen die Dinger, Dad«, verbessere ich ihn geistesabwesend.
»Ach ja klar, auf dem Handy. Er ruft immer an, wenn du grade schläfst. Übrigens will er heimkommen, sobald er einen Flug kriegt. Er macht sich große Sorgen.«
»Das ist nett von ihm. Dann können wir ja die nächsten zehn Jahre unserer Ehe versuchen, noch ein Baby zu produzieren.«
Zurück ans Werk. Eine nette kleine Abwechslung, die unserer Beziehung eine Art von Bedeutung verleiht. »Ach, Liebes …«
Der erste Tag vom Rest meines Lebens, und ich bin nicht sicher, ob ich hier sein möchte. Ich weiß, ich sollte irgendjemandem dafür dankbar sein, aber ich fühle mich überhaupt nicht danach. Stattdessen wünsche ich mir, sie hätten sich die Mühe nicht gemacht. © S. Fischer Verlag GmbH
Aus dem Englischen von Christine Strüh
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Autoren-Porträt von Cecelia Ahern
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Autoren-Interview mit Cecelia Ahern
"Ich hab dich im Gefühl" haben Sie Ihren Großeltern gewidmet. Warum gerade diesen Roman? In ihm geht es im Grunde um das Erinnern: das Erinnern der Vergangenheit, der Menschen, die dir begegneten. Es geht auch darum zu erkennen, wie sie dein Leben beeinflusst haben. Und es geht um ein Dankeschön an diese Leute dafür, dass sie da waren und so wundervolle Erinnerungen hinterlassen haben.
Mir war von Anfang an klar, dass ich diese Geschichte meinen Großeltern widmen würde. Neben der Liebesgeschichte von Justin und Joyce dreht sich "Ich hab dich im Gefühl" ja auch um die Beziehung zwischen Joyce und ihrem Vater. Wir sehen hier, wie sie eine ganz neue Beziehung aufbauen und an ihr arbeiten – zu einer Zeit, als beide eine ganz neue Lebensphase beginnen. Joyce, die gerade eine Scheidung hinter sich hat und eine schwierige Zeit durchmacht, lernt ihren Vater noch einmal neu kennen. Sie merkt auf einmal, wie viel Zeit vergangen ist und wie sehr sich der junge, agile Vater aus ihren Erinnerungen inzwischen verändert hat. Letztlich spielt das Alter aber keine Rolle: Henry wird einfach immer ihr Vater bleiben – dieser wundervolle Mensch, der sie mit viel Humor und Liebe begleitet.
Zusammen erinnern sie sich an Joyce' Mutter und erwecken sie durch das Erinnern wieder zum Leben. Ich finde es ganz wichtig, genau dies mit Menschen zu machen, die man verloren hat. Und so ist es nur konsequent, dass ich das Buch meinen Großeltern, die bereits verstorben sind, widme – sie alle haben mir so viel gegeben.
Joyce erlebt das Schlimmste, was eine Mutter erleben kann, und verliert ihr Baby. Gibt es überhaupt irgendetwas, das ihr über den Schmerz hinweghelfen kann?
Joyce zieht sich aus dem Leben zurück. Ihre Ehe ist gescheitert, ihr Baby hat sie verloren. Ihre Freunde versuchen sie zu unterstützen, aber sie will sich eigentlich nur
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zusammen mit ihrem Vater in einen Kokon einspinnen und die Erinnerung an die Tragödie zur Seite schieben. Eine Menge von dem, was mit ihr und Justin passiert, hat mit dem Verdrängen ihres Traumas zu tun.
Nach dem Unfall bei ihr zu Hause, durch den sie ihr ungeborenes Kind verliert, wird sie ins Krankenhaus gefahren und erhält eine Bluttransfusion. Als sie am nächsten Tag aufwacht, fühlt sie sich plötzlich anders. Immer stärker spürt sie die Empfindungen von jemand anderem, seine Erinnerungen, das, was er schmeckt, seine Wünsche. Sie kann auf einmal diverse Sprachen sprechen, sie kennt die Kunst- und Kulturgeschichte der ganzen Welt und fühlt sich einem Mann verbunden, den sie noch nie getroffen hat.
Die Suche nach dem Menschen, der ihr das Leben gerettet hat, lenkt sie von der eigentlichen Tragödie ab. Dieses plötzliche Wissen und all die neuen Erinnerungen, über die sie nun verfügt, bedeuten für sie eine neue Freiheit; sie erlebt ganz neue Dinge – und das zu einer Zeit, als sie mit ihrem alten Leben schon abgeschlossen hatte. Was ihr noch hilft bei der Überwindung der Krise: ihre Freunde, die Zeit und diese wundervolle Beziehung zu ihrem Vater, mit dem sie ein unglaubliches Abenteuer erlebt, auf der Suche nach dem Menschen, der ihr das Leben rettete.
Die neuen Erinnerungen füllen eine Leere, die Joyce in sich spürte. Die neuen Leidenschaften und Wünsche, der Geschmack unbekannter Gerichte und Weine tragen sie in eine neue Welt und nehmen ihr etwas von ihrer Traurigkeit und Verzweiflung.
Joyce und Justin sind ein sehr ungewöhnliches Paar. Sie sahen sich nur einmal kurz und schon scheinen sie das Gleiche zu fühlen. Was genau passiert da?
Die Idee zu dem Buch kam mir, als ich im Fernsehen die Bilder einer Blutspende sah, die gerade jemandem injiziert wurde. Es war ein Werbespot, der von den sechs Trenn- und Reinigungsverfahren berichtete, die gespendetes Buch durchläuft. Da kam mir plötzlich der Gedanke, dass wir heute auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit anderen Menschen verbunden sind. Ich fragte mich, wie viel wir von uns selbst geben, wenn wir Blut spenden – wie viel von uns und dem, was uns ausmacht, in unserem Blut enthalten ist.
Ich war von der Idee fasziniert zu untersuchen, wie etwas, das von unserem Herzen durch den Körper gepumpt wird und uns am Leben erhält, vielleicht ja auch unsere Wünsche, unsere Leidenschaften und Erinnerungen transportiert und alles andere, was uns ausmacht.
Dann hatte ich die Idee von der Liebesgeschichte zwischen Justin und Joyce. Nur zwei Tage später sah ich eine Dokumentation im Fernsehen über Menschen, die eine Herztransplantation erhalten haben und die davon berichteten, plötzlich Charaktereigenschaften der Organspender zu spüren. Es gab also bereits diese Hinweise darauf, dass Menschen dieselben Erinnerungen und Eigenschaften teilen, und ich wusste sofort, dass ich darüber ein Buch schreiben muss.
Joyce bekommt diese Blutspende, die von Justin stammt – es war übrigens das Erste seit langer Zeit, das bei ihm von Herzen kam. Sie hat dann plötzlich dieses Wissen über Dinge, die sie vorher nicht kannte, die Erinnerungen eines anderen Menschen. Sie fühlt sich dem Menschen, der ihr das Leben rettete, auf ganz besondere Weise verbunden. Justin auf der anderen Seite spürt, dass ihm etwas fehlt und dass dieser Teil nun im Körper eines anderen Menschen steckt; er will sich wieder komplett fühlen. Deshalb muss er diese Person finden, die sein Blut erhielt.
Justin ist eine wunderbar originelle Figur: ein Zweifler, ziemlich neurotisch, gleichzeitig sehr sarkastisch und analytisch. Wie kamen Sie auf die Idee, diesen Charakter mit Leben zu füllen?
Ich liebte diesen Charakter von dem Moment an, als er mir das erste Mal durch den Kopf spukte. Ich wusste in etwa, was für ein Mensch Joyce sein würde, und wollte jemanden an ihrer Seite, der ganz anders ist. Er sollte bewandert sein in Kunstgeschichte und Architektur, fließend mehrere Sprachen sprechen, weit gereist sein – also all das sein, was Joyce nicht war. In dem Moment, wo sie über sein Wissen und seine Erinnerungen verfügt, sollte Joyce nicht mehr wiederzuerkennen sein, ihre Situation sollte sogar komische Züge bekommen. In einer solch tragischen Geschichte liebe ich es, Witziges und Trauriges zu vermischen. Mir ist es sehr wichtig, dass beides in Balance ist.
Ich liebe Justins Charakter einfach! Er sucht ebenso sehr wie Joyce nach Antworten. Er ist frisch geschieden, ist nach London gezogen, um dort als Kurator in der National Gallery zu arbeiten, in Wirklichkeit aber vor allem deshalb, weil er in der Nähe seiner Tochter sein will. Er ist einsam, auf der Suche und versucht, seine Wunden langsam heilen zu lassen. Er und Joyce erleben ähnliche Dinge und werden durch etwas bizarre, aber auch sehr schöne Umstände zueinander geführt.
Jenseits der tragischen Geschehnisse strahlt das Buch eine Menge Hoffnung und Freude aus...
Ich glaube, wenn Menschen tragische Dinge erleben, ist es ganz wichtig, dass sie neue Hoffnung schöpfen. Die Leser lernen Joyce und Justin zu einem Zeitpunkt kennen, da sie ganz unten angekommen sind. Sie tragen eine tiefe, finstere Traurigkeit in sich und glauben, dass sie keine Kraft mehr haben, um weiterzumachen. Ich fange die Figuren während dieses Fallens auf und lasse sie eine Reise beginnen, auf der sie sich selbst heilen und auch selbst entdecken. In all meinen Büchern versuche ich eine Art Balance herzustellen. Wo Dunkelheit herrscht, kann auch Licht scheinen, wo Trauer ist, kann das Glück zurückkehren, wo nichts als Verzweiflung bleibt, kann dennoch Hoffnung entstehen. Ich glaube, wenn wir durch die schwierigen Momente unseres Lebens gehen, können wir neue Kraft in uns selbst finden, auch wenn wir uns gar nicht mit unserem Inneren beschäftigen wollen. Hoffnung ist ein sehr wichtiger Teil meiner Geschichten ebenso wie die Fähigkeit, den Humor nicht zu verlieren. Ich versuche, meinen Helden Menschen zur Seite zu stellen, die ein Lächeln auf ihr Gesicht malen können – das können Joyce' Vater Henry und ihre Freunde Kate und Frankie ziemlich gut.
Ihre Fans werden sich freuen zu hören, dass Sie im Oktober nach Deutschland kommen wollen. Gibt es da etwas, worauf Sie sich besonders freuen?
Ich freue mich natürlich auf alle Veranstaltungen, die geplant sind. Es wird das erste Mal sein, dass ich auf der Frankfurter Buchmesse signieren werde. Ich freue mich darauf, schließlich ist es die größte Buchmesse weltweit, und es wird bestimmt aufregend werden. Ich freue mich aber auch darauf, neue Städte in Deutschland kennenzulernen und Menschen zu treffen, die dort immer so nett und herzlich sind. Ich werde ziemlich verwöhnt mit der Freundlichkeit der Leute in Deutschland. Es kommen so viele Leute zu den Veranstaltungen. Ich kann es immer gar nicht glauben, wenn ich all die Leute sehe, die in die Buchhandlungen kommen. Ein großes Dankeschön an all diejenigen, die zu meinen Lesungen gekommen sind, die meine Bücher lesen und mich unterstützt haben! Ohne euch alle hätte ich das alles nicht geschafft.
Sie bekommen sicherlich eine ganze Menge Fanpost. Was war das größte Kompliment, das Sie bislang bekommen haben?
Ich habe so viele Briefe von Menschen jeden Alters und beider Geschlechter bekommen! Besonders "P.S. Ich liebe Dich" hat bei Jung und Alt einen Nerv getroffen. So viele Menschen haben ihr Herz geöffnet und ihre Geschichten mit mir geteilt. Sie erzählten mir, dass "P.S. Ich liebe Dich" ihnen geholfen hat, ihre Trauer zu überwinden. Es kann sich keiner vorstellen, wie viel es mir bedeutet, so etwas zu hören. Ich bin glücklich, dass die Geschichten, die mir so viel Spaß beim Schreiben machen, die Leute nicht nur unterhalten, sondern ihnen auch in schwierigen Situationen helfen.
Der schönste Brief, den ich erhalten habe, kam von einer Frau, die gerade "Für immer vielleicht" gelesen hatte. Sie war schon immer in ihren besten Freund verliebt gewesen – genau wie bei Rosie und Alex. Nachdem sie das Buch gelesen hatte, fand sie endlich das Selbstvertrauen, ihm von ihren Gefühlen zu erzählen. Als sie mir schrieb, war sie schwanger mit ihrem gemeinsamen Kind und bereits verlobt – was für eine unglaubliche Geschichte!
Was "Ich hab dich im Gefühl" betrifft: Ich habe hier den Brief eines Paares bekommen, das sich tatsächlich beim Blutspenden, in einem Krankenhaus in Dublin, kennengelernt hat. Sie verliebten sich und haben im April geheiratet – in derselben Woche, in der mein Buch in Irland erschien. Ich liebe es, solche Geschichten anderer Menschen zu hören, sie geben mir so viel Zuspruch, Inspiration und Freude!
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
Nach dem Unfall bei ihr zu Hause, durch den sie ihr ungeborenes Kind verliert, wird sie ins Krankenhaus gefahren und erhält eine Bluttransfusion. Als sie am nächsten Tag aufwacht, fühlt sie sich plötzlich anders. Immer stärker spürt sie die Empfindungen von jemand anderem, seine Erinnerungen, das, was er schmeckt, seine Wünsche. Sie kann auf einmal diverse Sprachen sprechen, sie kennt die Kunst- und Kulturgeschichte der ganzen Welt und fühlt sich einem Mann verbunden, den sie noch nie getroffen hat.
Die Suche nach dem Menschen, der ihr das Leben gerettet hat, lenkt sie von der eigentlichen Tragödie ab. Dieses plötzliche Wissen und all die neuen Erinnerungen, über die sie nun verfügt, bedeuten für sie eine neue Freiheit; sie erlebt ganz neue Dinge – und das zu einer Zeit, als sie mit ihrem alten Leben schon abgeschlossen hatte. Was ihr noch hilft bei der Überwindung der Krise: ihre Freunde, die Zeit und diese wundervolle Beziehung zu ihrem Vater, mit dem sie ein unglaubliches Abenteuer erlebt, auf der Suche nach dem Menschen, der ihr das Leben rettete.
Die neuen Erinnerungen füllen eine Leere, die Joyce in sich spürte. Die neuen Leidenschaften und Wünsche, der Geschmack unbekannter Gerichte und Weine tragen sie in eine neue Welt und nehmen ihr etwas von ihrer Traurigkeit und Verzweiflung.
Joyce und Justin sind ein sehr ungewöhnliches Paar. Sie sahen sich nur einmal kurz und schon scheinen sie das Gleiche zu fühlen. Was genau passiert da?
Die Idee zu dem Buch kam mir, als ich im Fernsehen die Bilder einer Blutspende sah, die gerade jemandem injiziert wurde. Es war ein Werbespot, der von den sechs Trenn- und Reinigungsverfahren berichtete, die gespendetes Buch durchläuft. Da kam mir plötzlich der Gedanke, dass wir heute auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit anderen Menschen verbunden sind. Ich fragte mich, wie viel wir von uns selbst geben, wenn wir Blut spenden – wie viel von uns und dem, was uns ausmacht, in unserem Blut enthalten ist.
Ich war von der Idee fasziniert zu untersuchen, wie etwas, das von unserem Herzen durch den Körper gepumpt wird und uns am Leben erhält, vielleicht ja auch unsere Wünsche, unsere Leidenschaften und Erinnerungen transportiert und alles andere, was uns ausmacht.
Dann hatte ich die Idee von der Liebesgeschichte zwischen Justin und Joyce. Nur zwei Tage später sah ich eine Dokumentation im Fernsehen über Menschen, die eine Herztransplantation erhalten haben und die davon berichteten, plötzlich Charaktereigenschaften der Organspender zu spüren. Es gab also bereits diese Hinweise darauf, dass Menschen dieselben Erinnerungen und Eigenschaften teilen, und ich wusste sofort, dass ich darüber ein Buch schreiben muss.
Joyce bekommt diese Blutspende, die von Justin stammt – es war übrigens das Erste seit langer Zeit, das bei ihm von Herzen kam. Sie hat dann plötzlich dieses Wissen über Dinge, die sie vorher nicht kannte, die Erinnerungen eines anderen Menschen. Sie fühlt sich dem Menschen, der ihr das Leben rettete, auf ganz besondere Weise verbunden. Justin auf der anderen Seite spürt, dass ihm etwas fehlt und dass dieser Teil nun im Körper eines anderen Menschen steckt; er will sich wieder komplett fühlen. Deshalb muss er diese Person finden, die sein Blut erhielt.
Justin ist eine wunderbar originelle Figur: ein Zweifler, ziemlich neurotisch, gleichzeitig sehr sarkastisch und analytisch. Wie kamen Sie auf die Idee, diesen Charakter mit Leben zu füllen?
Ich liebte diesen Charakter von dem Moment an, als er mir das erste Mal durch den Kopf spukte. Ich wusste in etwa, was für ein Mensch Joyce sein würde, und wollte jemanden an ihrer Seite, der ganz anders ist. Er sollte bewandert sein in Kunstgeschichte und Architektur, fließend mehrere Sprachen sprechen, weit gereist sein – also all das sein, was Joyce nicht war. In dem Moment, wo sie über sein Wissen und seine Erinnerungen verfügt, sollte Joyce nicht mehr wiederzuerkennen sein, ihre Situation sollte sogar komische Züge bekommen. In einer solch tragischen Geschichte liebe ich es, Witziges und Trauriges zu vermischen. Mir ist es sehr wichtig, dass beides in Balance ist.
Ich liebe Justins Charakter einfach! Er sucht ebenso sehr wie Joyce nach Antworten. Er ist frisch geschieden, ist nach London gezogen, um dort als Kurator in der National Gallery zu arbeiten, in Wirklichkeit aber vor allem deshalb, weil er in der Nähe seiner Tochter sein will. Er ist einsam, auf der Suche und versucht, seine Wunden langsam heilen zu lassen. Er und Joyce erleben ähnliche Dinge und werden durch etwas bizarre, aber auch sehr schöne Umstände zueinander geführt.
Jenseits der tragischen Geschehnisse strahlt das Buch eine Menge Hoffnung und Freude aus...
Ich glaube, wenn Menschen tragische Dinge erleben, ist es ganz wichtig, dass sie neue Hoffnung schöpfen. Die Leser lernen Joyce und Justin zu einem Zeitpunkt kennen, da sie ganz unten angekommen sind. Sie tragen eine tiefe, finstere Traurigkeit in sich und glauben, dass sie keine Kraft mehr haben, um weiterzumachen. Ich fange die Figuren während dieses Fallens auf und lasse sie eine Reise beginnen, auf der sie sich selbst heilen und auch selbst entdecken. In all meinen Büchern versuche ich eine Art Balance herzustellen. Wo Dunkelheit herrscht, kann auch Licht scheinen, wo Trauer ist, kann das Glück zurückkehren, wo nichts als Verzweiflung bleibt, kann dennoch Hoffnung entstehen. Ich glaube, wenn wir durch die schwierigen Momente unseres Lebens gehen, können wir neue Kraft in uns selbst finden, auch wenn wir uns gar nicht mit unserem Inneren beschäftigen wollen. Hoffnung ist ein sehr wichtiger Teil meiner Geschichten ebenso wie die Fähigkeit, den Humor nicht zu verlieren. Ich versuche, meinen Helden Menschen zur Seite zu stellen, die ein Lächeln auf ihr Gesicht malen können – das können Joyce' Vater Henry und ihre Freunde Kate und Frankie ziemlich gut.
Ihre Fans werden sich freuen zu hören, dass Sie im Oktober nach Deutschland kommen wollen. Gibt es da etwas, worauf Sie sich besonders freuen?
Ich freue mich natürlich auf alle Veranstaltungen, die geplant sind. Es wird das erste Mal sein, dass ich auf der Frankfurter Buchmesse signieren werde. Ich freue mich darauf, schließlich ist es die größte Buchmesse weltweit, und es wird bestimmt aufregend werden. Ich freue mich aber auch darauf, neue Städte in Deutschland kennenzulernen und Menschen zu treffen, die dort immer so nett und herzlich sind. Ich werde ziemlich verwöhnt mit der Freundlichkeit der Leute in Deutschland. Es kommen so viele Leute zu den Veranstaltungen. Ich kann es immer gar nicht glauben, wenn ich all die Leute sehe, die in die Buchhandlungen kommen. Ein großes Dankeschön an all diejenigen, die zu meinen Lesungen gekommen sind, die meine Bücher lesen und mich unterstützt haben! Ohne euch alle hätte ich das alles nicht geschafft.
Sie bekommen sicherlich eine ganze Menge Fanpost. Was war das größte Kompliment, das Sie bislang bekommen haben?
Ich habe so viele Briefe von Menschen jeden Alters und beider Geschlechter bekommen! Besonders "P.S. Ich liebe Dich" hat bei Jung und Alt einen Nerv getroffen. So viele Menschen haben ihr Herz geöffnet und ihre Geschichten mit mir geteilt. Sie erzählten mir, dass "P.S. Ich liebe Dich" ihnen geholfen hat, ihre Trauer zu überwinden. Es kann sich keiner vorstellen, wie viel es mir bedeutet, so etwas zu hören. Ich bin glücklich, dass die Geschichten, die mir so viel Spaß beim Schreiben machen, die Leute nicht nur unterhalten, sondern ihnen auch in schwierigen Situationen helfen.
Der schönste Brief, den ich erhalten habe, kam von einer Frau, die gerade "Für immer vielleicht" gelesen hatte. Sie war schon immer in ihren besten Freund verliebt gewesen – genau wie bei Rosie und Alex. Nachdem sie das Buch gelesen hatte, fand sie endlich das Selbstvertrauen, ihm von ihren Gefühlen zu erzählen. Als sie mir schrieb, war sie schwanger mit ihrem gemeinsamen Kind und bereits verlobt – was für eine unglaubliche Geschichte!
Was "Ich hab dich im Gefühl" betrifft: Ich habe hier den Brief eines Paares bekommen, das sich tatsächlich beim Blutspenden, in einem Krankenhaus in Dublin, kennengelernt hat. Sie verliebten sich und haben im April geheiratet – in derselben Woche, in der mein Buch in Irland erschien. Ich liebe es, solche Geschichten anderer Menschen zu hören, sie geben mir so viel Zuspruch, Inspiration und Freude!
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Cecelia Ahern
- 431 Seiten, Maße: 13,3 x 20,7 cm, Soft-Cover (Weltbild Reader)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828994687
- ISBN-13: 9783828994683
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