Töchter der Sünde
Die ehemalige Wanderhure Marie lebt glücklich auf Burg Kibitzstein. Bis auf ihren Sohn Falko sind alle ihre Kinder unter der Haube. Dann wird Falko vom Fürstbischof von Würzburg mit dessen Nichte Elisabeth nach Rom geschickt. Elisabeth,...
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Produktinformationen zu „Töchter der Sünde “
Die ehemalige Wanderhure Marie lebt glücklich auf Burg Kibitzstein. Bis auf ihren Sohn Falko sind alle ihre Kinder unter der Haube. Dann wird Falko vom Fürstbischof von Würzburg mit dessen Nichte Elisabeth nach Rom geschickt. Elisabeth, die die Vorsteherin eines Klosters werden soll, ist für ihn aber tabu. Falko soll sich dort auf eine wichtige Aufgabe konzentrieren: Er soll den Besuch des deutschen Königs Friedrich III. vorbereiten. Aber er stürzt sich in eine heiße Affäre mit der Tochter seines Todfeindes.
Klappentext zu „Töchter der Sünde “
Die ehemalige Wanderhure Marie lebt glücklich auf Burg Kibitzstein und könnte ihr Leben genießen. Ihre Kinder sind erwachsen, die Töchter bereits verheiratet, und nun soll auch ihr Sohn Falko unter die Haube. Doch Falko ist ein Heißsporn und von ungestümem Temperament, und als er sich bei einem Turnier erbitterte Feinde macht, beschließt der Fürstbischof von Würzburg, ihn eine Zeitlang aus der Gegend zu entfernen. Er schickt ihn mit seiner Nichte Elisabeth nach Rom, wo das junge Mädchen Vorsteherin in einem vornehmen Nonnenkloster werden soll. Zwar scheint Falko zunächst der Versuchung widerstehen zu können, die Schöne zu verführen, doch in Rom stürzt er sich in eine Affäre mit der Tochter seines Todfeindes. Damit gefährdet er die Aufgabe, die dort auf ihn wartet – und die von außerordentlicher politischer Brisanz ist: Er soll den Besuch des deutschen Königs Friedrich III. und seine Kaiserkrönung vorbereiten, und die Widersacher lauern schon.
Lese-Probe zu „Töchter der Sünde “
Töchter der Sünde von Iny Lorentz1.
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Kardinal Taddeo Foscarelli blieb stehen, hob den Kopf und lauschte. Hatte er nicht eben hastige Schritte hinter sich vernommen? Sein Herz schlug jedoch so hart und schnell, dass es in seinen Ohren widerhallte und alles andere übertönte. Weiter!, befahl er sich selbst, lief ein Stück die Ruinen entlang und schlüpfte hinter einen Vorsprung. Im nächsten Augenblick vernahm er Stimmen.
»Dort vorne muss er sein!«
Sie waren ihm auf der Spur! Foscarelli überlegte angestrengt, was er tun konnte. Leider schien der Mond so hell, dass man ihn sehen würde, sobald er aus dem Schatten der Mauer trat. Auch war ihm klar, dass er selbst dann in Gefahr schwebte, wenn es sich bei seinen Verfolgern nur um lumpige Räuber handelte. Allein das juwelenbesetzte Kreuz, das er unter dem Wams trug, war mehr wert, als ein Handwerker in drei Jahren ehrlicher Arbeit verdienen konnte.
»Nimm dich zusammen!« Hatte er das gesagt oder nur gedacht? Im Grunde war es gleichgültig, wer hinter ihm her war. Der Dolch eines Räubers war ebenso scharf wie der eines Meuchelmörders, beide brachten den Tod.
»Ich hätte besser aufpassen müssen!« Sich im schmalen Schatten der Hauswände haltend, schlich er weiter bis zur Einmündung der nächsten Gasse. Da vernahm er vor sich hastige Schritte und bog nach links ein.
»Dort drüben ist er!«, rief jemand.
Foscarelli begann zu rennen. An Räuber glaubte er nicht mehr, denn so viele Banditen, wie in seiner Nähe lauern mussten, kümmerten sich gewöhnlich nicht um einen einzelnen Spaziergänger.
»Jetzt haben sie Meuchelmörder auf mich angesetzt!« Diesmal vernahm er die eigene Stimme und schalt sich einen Narren. Wenn er so weitermachte, brachte er diese Schurken selbst auf seine Spur. Er hetzte weiter, bog erneut ab, weil vor ihm Geräusche aufklangen, und sah dann zur linken Hand die im Mondlicht bleich schimmernden Säulen eines alten Tempels in die Höhe ragen. Rechts von ihm rauschte der Tiber. Also war er schon recht weit vom Weg abgekommen.
Um sich in Sicherheit bringen zu können, hätte er die entgegengesetzte Richtung einschlagen müssen, aber als er nach einem Schlupfloch suchte, durch das er ungesehen in die Stadt käme, sah er im Mondlicht zwei Männer die Straße entlangkommen. Räuber waren es mit Sicherheit nicht, denn einer trug die Tracht eines Edelmanns. Die Maske, die der Mann sich um das Gesicht gebunden hatte, bewies, dass er keine guten Absichten hatte. Er kam Foscarelli bekannt vor. So oder so hatten sie sich ihm gewiss nicht aus Vergnügen nach Mitternacht an die Fersen geheftet. Damit sah er nur noch einen Ausweg: Er musste einen Bogen schlagen und versuchen, seinen Verfolgern über die Tiberbrücke nach Trastevere zu entkommen. Der Priester der dortigen Kirche Santa Maria war nicht nur sein Freund und Verbündeter, sondern kannte auch einige kräftige Handwerksburschen, die seinen Feinden einzuheizen verstünden.
Der Kardinal schlich im Schatten einer halbverfallenen Häuserzeile weiter, bog dann in eine Seitengasse ein, die zum Tiber führte, und stand auf einmal dem Edelmann gegenüber. Obwohl dieser lächelte, musterten die Augen hinter der Maske ihn kalt. An diesem falschen Lächeln erkannte Foscarelli seinen Gegner.
Der Maskierte zog seinen Dolch und trat auf den Kardinal zu. »Ich dachte mir doch, dass Ihr dieses Schlupfloch wählen würdet.«
Foscarelli versuchte zurückzuweichen, hörte aber hinter sich Schritte und begriff, dass sein Weg hier zu Ende war. Ich hätte klüger sein und ein paar Leibwächter mitnehmen sollen, dachte er. Sein Auftrag war jedoch so geheim gewesen, dass er auf jegliche Begleitung verzichtet hatte. Dennoch musste etwas durchgesickert sein, sonst hätte man ihm nicht auf dem Rückweg auflauern können. Mit dem Gefühl, versagt und seine Verbündeten enttäuscht zu haben, blickte er dem jungen Mann ins Gesicht.
»Warum wollt Ihr Eure Seele mit dem Mord an einem Mann der Kirche belasten, Signore C...«
Weiter kam er nicht, denn der Edelmann stieß ihm mit einer beinahe lässigen Bewegung die Klinge in die Brust. Der Kardinal riss den Mund auf, brachte aber keinen Laut mehr hervor, sondern sank langsam zu Boden.
Sein Mörder zog den Dolch aus der Wunde und wischte ihn an Foscarellis Umhang ab. Dann schob er ihn wieder in die Scheide und spuckte vor seinem Opfer aus. »So wie dir wird es jedem ergehen, der sich uns in den Weg stellt, notfalls auch dem Papst!«
»Sagt so etwas nicht, Signore«, wandte ein junger Mann ein, der mit seinen Kumpanen den Kardinal seinem Herrn zugetrieben hatte wie ein Stück Wild.
»Ein Kardinal unterscheidet sich weniger vom Papst als so ein Knecht wie du von mir«, antwortete sein Befehlsgeber spöttisch. »Kommt nun! Oder wollt ihr von den Wachen bei der Leiche gefunden werden?«
Mit diesen Worten reichte der Maskierte seinen Helfern ein paar Münzen, tippte mit zwei Fingern an seinen kappenartigen Hut und ging mit raschen Schritten von dannen.
Hinter ihm blieb der Leichnam des Kardinals zurück. Einer riss dem Toten das juwelengeschmückte Kreuz ab, zwei weitere beraubten ihn seiner Kleidung und warfen den Leichnam in den Tiber. Lautlos verschwanden die Männer in den tintenschwarzen Schatten der Nacht.
2.
Etliche Wochen später saß der Würzburger Fürstbischof Gottfried Schenk zu Limpurg auf seinem
Ehrenplatz und starrte düster auf die Ritter, die sich auf dem Anger zum Buhurt versammelten. Seine Gedanken befassten sich jedoch mehr mit der Nachricht, die er am Vortag erhalten hatte. Sein alter Freund Taddeo Foscarelli war in Rom ermordet worden. Nun gab es immer wieder Streitigkeiten in der Heiligen Stadt, und nicht selten kam blanker Stahl ins Spiel. Gottfried Schenk zu Limpurg bezweifelte jedoch, dass Kardinal Foscarelli einem simplen Raubmord oder einer nachrangigen Streitigkeit zwischen Adelsfamilien zum Opfer gefallen war. Immerhin hatte sein Freund den Besuch Friedrichs III. in Rom vorbereiten sollen. Dort wollte der König seine erwählte Braut heiraten und sich vom Papst zum römischen Kaiser krönen lassen.
Es gab genug Menschen, für die allein die Tatsache, dass der deutsche König die Heilige Stadt aufsuchen wollte, Grund genug war, alles daranzusetzen, sein Kommen zu verhindern. Würde Friedrich III. von Seiner Heiligkeit, Nikolaus V., empfangen, wäre das ein Zeichen für den ganzen Erdkreis, dass die Zwistigkeiten zwischen dem Reich und dem Heiligen Stuhl endgültig der Vergangenheit angehörten. Und die Kaiserkrönung würde Friedrich weit über die anderen Könige der Welt hinausheben. Schon der Gedanke daran mochte für einen ehrgeizigen Herrscher wie Karl VII. von Frankreich nur schwer zu ertragen sein. Diesem war bereits Friedrichs geplante Heirat mit Eleonore, der Schwester König Alfons' V. von Portugal und Enkelin Ferdinands I. von Aragon, ein Dorn im Auge.
Leises Zischeln der Damen, die unweit von ihm auf der Ehrentribüne dem Turnier zusahen, beendete den Gedankengang des Fürstbischofs. Er blickte auf und erkannte, dass er das Signal zum Beginn des Buhurts überhört haben musste, denn die Ritter sprengten bereits gegeneinander. Noch während er sich fragte, was den Damen missfallen mochte, streifte sein Blick Bruno von Reckendorf, der ein Stück entfernt von ihm saß und das Geschehen mit einem Ausdruck höchster Befriedigung verfolgte.
Der Fürstbischof rieb sich nachdenklich über die Stirn. Bis zum Vortag hatte Reckendorf als der beste Turnierritter Frankens gegolten. Dann aber hatte er Falko Adler auf Kibitzstein, jenen jungen Mann, dessen Ruhmesstern zu steigen begann, noch vor dem eigentlichen Turnier zum Zweikampf gefordert. Zur Überraschung aller hatte der Kibitzsteiner seinen Gegner mit einem derben Lanzenstoß aus dem Sattel gehoben.
Eigentlich hätte Reckendorf der Verletzung wegen, die er sich beim Sturz vom Pferd zugezogen hatte, das Bett hüten müssen. Doch er hatte sich auf die Tribüne gequält, um sich den Buhurt anzusehen.
Obwohl Gottfried Schenk zu Limpurg sich um den Sohn seiner Base sorgte, vergönnte er ihm die Abreibung. Bruno von Reckendorf war überheblich geworden. Da der Junker nach dem Zweikampf vor Wut über seine Niederlage geschäumt hatte, bereitete das erwartungsvolle Grinsen auf seinem Gesicht dem Fürstbischof Sorgen.
Er blickte nach vorne auf die Kämpfer, die ihre Lanzen bereits gebrochen hatten und sich nun im Schwertkampf maßen. Vier Ritter, die der Fürstbischof anhand ihrer Wappen als Freunde des Reckendorfers erkannte, drangen unter Missachtung aller Regeln auf Falko Adler ein. Noch verteidigte sich der Kibitzsteiner verbissen, doch da lenkte einer seiner Gegner das Pferd um ihn herum, um ihn von hinten anzugreifen.
Das Tuscheln der Damen wurde lauter, und der Fürstbischof sah, dass auch Falkos Mutter Marie Adlerin das Geschehen mit besorgtem Gesicht verfolgte. Die Schwestern des Kibitzsteiners schienen außer sich vor Wut über das unritterliche Vorgehen der vier Männer.
Verärgert wollte der Fürstbischof dem Herold das Zeichen geben, den Buhurt zu beenden, da packte etliche Pferdelängen entfernt ein Mitstreiter seinen Gegner mit der gepanzerten Faust und riss ihn aus dem Sattel. Noch während dieser zu Boden fiel, spornte der Kämpe sein Pferd an und eilte Falko Adler zu Hilfe.
Es handelte sich um Peter von Eichenloh, Herr auf Fuchsheim und Magoldsheim und Schwager des Kibitzsteiners. Zwei gegen vier war immer noch ein schlechtes Verhältnis, dachte der Fürstbischof gerade, da drängte ein weiterer Ritter einen von Falkos Feinden ab und deckte ihn mit einem Hagel von Schwertschlägen zu.
»Bravo, Hilbrecht!«, rief Lisa von Henneberg, die Ziehschwester des jungen Kibitzsteiners, und forderte ihren Ehemann Otto auf, ebenfalls zugunsten ihres Bruders einzugreifen.
Doch das war nicht mehr nötig. Der Ritter, den Hilbrecht von Hettenheim angegriffen hatte, sank aus dem Sattel, und die Zuschauer konnten erkennen, dass seine Rüstung sich rot färbte. Auch Peter von Eichenloh hatte einen der Feinde seines Schwagers zu Boden geworfen, während Falko selbst innerhalb weniger Augenblicke die beiden restlichen Gegner niederkämpfte. Als Letzter sank Siffer Bertschmann, der Kastellan auf Reckendorfs Stammburg, aus dem Sattel und blieb rücklings auf der Erde liegen.
Da sich weitere Freunde von Reckendorf zusammenrotteten und Falkos Parteigänger sich um diesen sammelten, forderte der Fürstbischof den Herold auf, den Buhurt abzublasen.
Für Augenblicke sah es so aus, als würden Reckendorfs Anhänger das Fanfarensignal missachten und trotzdem angreifen. Dann aber ließen sie die Schwerter sinken, doch es war nicht zu übersehen, wie aufgebracht sie waren.
»Das geschieht ihnen recht!«, hörte der Fürstbischof Marie Adlerin rufen und begriff, dass diese Worte den vier am Boden liegenden Rittern galten, die nun von der Kampfbahn getragen wurden. Der Leibarzt des Fürstbischofs eilte zu ihnen und befahl, den Rittern die Rüstungen abzunehmen. Als er sich über sie beugte, wirkte seine Miene besorgt.
Auch wenn Gottfried Schenk zu Limpurg hoffte, dass keiner der Männer das Leben verlor, hielt er die Hiebe, die sie erhalten hatten, für voll und ganz verdient. Immerhin hatte er zu diesem Turnier geladen, um seinen Gefolgsleuten und den Gästen die Gelegenheit zu geben, sich im ritterlichen Zweikampf zu üben, und um sich mit ihnen zu beraten, wie sie sich zu dem immer unverschämter werdenden Auftreten des Ansbacher Markgrafen Albrecht Achilles stellen sollten. Einen so blutigen Kampf und unehrliches Handeln hatte er nicht erwartet, insbesondere nicht von seinen engen Gefolgsleuten.
Mit zorniger Miene erhob er sich und stieß seinen Bischofs-stab auf den Boden. »Der Kampf ist für heute vorbei. Ich fordere die Herren auf, anschließend ohne Ausnahme beim Bankett im Festzelt zu erscheinen. Dort werde ich mitteilen, was ich von diesem Buhurt halte. Wer sich weigert oder gar das Fest vorzeitig verlässt, wird auf fünf Jahre aus dem Herzogtum Franken verbannt.«
Zwar trug Gottfried Schenk zu Limpurg als Würzburger Fürstbischof aus alter Tradition heraus den Titel eines Herzogs von Franken, doch seine Macht reichte kaum über das Hochstift hinaus. Dennoch war eine solche Strafe schmerzhaft, denn die meisten der hier versammelten Ritter verfügten über Besitz und Verwandte im Würzburger Land, die sie in einem solchen Fall fünf Jahre lang nicht aufsuchen durften. Daher war der Fürstbischof davon überzeugt, dass alle ins Festzelt kommen würden, auch wenn sie so verletzt waren, dass man sie tragen musste.
...
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Kardinal Taddeo Foscarelli blieb stehen, hob den Kopf und lauschte. Hatte er nicht eben hastige Schritte hinter sich vernommen? Sein Herz schlug jedoch so hart und schnell, dass es in seinen Ohren widerhallte und alles andere übertönte. Weiter!, befahl er sich selbst, lief ein Stück die Ruinen entlang und schlüpfte hinter einen Vorsprung. Im nächsten Augenblick vernahm er Stimmen.
»Dort vorne muss er sein!«
Sie waren ihm auf der Spur! Foscarelli überlegte angestrengt, was er tun konnte. Leider schien der Mond so hell, dass man ihn sehen würde, sobald er aus dem Schatten der Mauer trat. Auch war ihm klar, dass er selbst dann in Gefahr schwebte, wenn es sich bei seinen Verfolgern nur um lumpige Räuber handelte. Allein das juwelenbesetzte Kreuz, das er unter dem Wams trug, war mehr wert, als ein Handwerker in drei Jahren ehrlicher Arbeit verdienen konnte.
»Nimm dich zusammen!« Hatte er das gesagt oder nur gedacht? Im Grunde war es gleichgültig, wer hinter ihm her war. Der Dolch eines Räubers war ebenso scharf wie der eines Meuchelmörders, beide brachten den Tod.
»Ich hätte besser aufpassen müssen!« Sich im schmalen Schatten der Hauswände haltend, schlich er weiter bis zur Einmündung der nächsten Gasse. Da vernahm er vor sich hastige Schritte und bog nach links ein.
»Dort drüben ist er!«, rief jemand.
Foscarelli begann zu rennen. An Räuber glaubte er nicht mehr, denn so viele Banditen, wie in seiner Nähe lauern mussten, kümmerten sich gewöhnlich nicht um einen einzelnen Spaziergänger.
»Jetzt haben sie Meuchelmörder auf mich angesetzt!« Diesmal vernahm er die eigene Stimme und schalt sich einen Narren. Wenn er so weitermachte, brachte er diese Schurken selbst auf seine Spur. Er hetzte weiter, bog erneut ab, weil vor ihm Geräusche aufklangen, und sah dann zur linken Hand die im Mondlicht bleich schimmernden Säulen eines alten Tempels in die Höhe ragen. Rechts von ihm rauschte der Tiber. Also war er schon recht weit vom Weg abgekommen.
Um sich in Sicherheit bringen zu können, hätte er die entgegengesetzte Richtung einschlagen müssen, aber als er nach einem Schlupfloch suchte, durch das er ungesehen in die Stadt käme, sah er im Mondlicht zwei Männer die Straße entlangkommen. Räuber waren es mit Sicherheit nicht, denn einer trug die Tracht eines Edelmanns. Die Maske, die der Mann sich um das Gesicht gebunden hatte, bewies, dass er keine guten Absichten hatte. Er kam Foscarelli bekannt vor. So oder so hatten sie sich ihm gewiss nicht aus Vergnügen nach Mitternacht an die Fersen geheftet. Damit sah er nur noch einen Ausweg: Er musste einen Bogen schlagen und versuchen, seinen Verfolgern über die Tiberbrücke nach Trastevere zu entkommen. Der Priester der dortigen Kirche Santa Maria war nicht nur sein Freund und Verbündeter, sondern kannte auch einige kräftige Handwerksburschen, die seinen Feinden einzuheizen verstünden.
Der Kardinal schlich im Schatten einer halbverfallenen Häuserzeile weiter, bog dann in eine Seitengasse ein, die zum Tiber führte, und stand auf einmal dem Edelmann gegenüber. Obwohl dieser lächelte, musterten die Augen hinter der Maske ihn kalt. An diesem falschen Lächeln erkannte Foscarelli seinen Gegner.
Der Maskierte zog seinen Dolch und trat auf den Kardinal zu. »Ich dachte mir doch, dass Ihr dieses Schlupfloch wählen würdet.«
Foscarelli versuchte zurückzuweichen, hörte aber hinter sich Schritte und begriff, dass sein Weg hier zu Ende war. Ich hätte klüger sein und ein paar Leibwächter mitnehmen sollen, dachte er. Sein Auftrag war jedoch so geheim gewesen, dass er auf jegliche Begleitung verzichtet hatte. Dennoch musste etwas durchgesickert sein, sonst hätte man ihm nicht auf dem Rückweg auflauern können. Mit dem Gefühl, versagt und seine Verbündeten enttäuscht zu haben, blickte er dem jungen Mann ins Gesicht.
»Warum wollt Ihr Eure Seele mit dem Mord an einem Mann der Kirche belasten, Signore C...«
Weiter kam er nicht, denn der Edelmann stieß ihm mit einer beinahe lässigen Bewegung die Klinge in die Brust. Der Kardinal riss den Mund auf, brachte aber keinen Laut mehr hervor, sondern sank langsam zu Boden.
Sein Mörder zog den Dolch aus der Wunde und wischte ihn an Foscarellis Umhang ab. Dann schob er ihn wieder in die Scheide und spuckte vor seinem Opfer aus. »So wie dir wird es jedem ergehen, der sich uns in den Weg stellt, notfalls auch dem Papst!«
»Sagt so etwas nicht, Signore«, wandte ein junger Mann ein, der mit seinen Kumpanen den Kardinal seinem Herrn zugetrieben hatte wie ein Stück Wild.
»Ein Kardinal unterscheidet sich weniger vom Papst als so ein Knecht wie du von mir«, antwortete sein Befehlsgeber spöttisch. »Kommt nun! Oder wollt ihr von den Wachen bei der Leiche gefunden werden?«
Mit diesen Worten reichte der Maskierte seinen Helfern ein paar Münzen, tippte mit zwei Fingern an seinen kappenartigen Hut und ging mit raschen Schritten von dannen.
Hinter ihm blieb der Leichnam des Kardinals zurück. Einer riss dem Toten das juwelengeschmückte Kreuz ab, zwei weitere beraubten ihn seiner Kleidung und warfen den Leichnam in den Tiber. Lautlos verschwanden die Männer in den tintenschwarzen Schatten der Nacht.
2.
Etliche Wochen später saß der Würzburger Fürstbischof Gottfried Schenk zu Limpurg auf seinem
Ehrenplatz und starrte düster auf die Ritter, die sich auf dem Anger zum Buhurt versammelten. Seine Gedanken befassten sich jedoch mehr mit der Nachricht, die er am Vortag erhalten hatte. Sein alter Freund Taddeo Foscarelli war in Rom ermordet worden. Nun gab es immer wieder Streitigkeiten in der Heiligen Stadt, und nicht selten kam blanker Stahl ins Spiel. Gottfried Schenk zu Limpurg bezweifelte jedoch, dass Kardinal Foscarelli einem simplen Raubmord oder einer nachrangigen Streitigkeit zwischen Adelsfamilien zum Opfer gefallen war. Immerhin hatte sein Freund den Besuch Friedrichs III. in Rom vorbereiten sollen. Dort wollte der König seine erwählte Braut heiraten und sich vom Papst zum römischen Kaiser krönen lassen.
Es gab genug Menschen, für die allein die Tatsache, dass der deutsche König die Heilige Stadt aufsuchen wollte, Grund genug war, alles daranzusetzen, sein Kommen zu verhindern. Würde Friedrich III. von Seiner Heiligkeit, Nikolaus V., empfangen, wäre das ein Zeichen für den ganzen Erdkreis, dass die Zwistigkeiten zwischen dem Reich und dem Heiligen Stuhl endgültig der Vergangenheit angehörten. Und die Kaiserkrönung würde Friedrich weit über die anderen Könige der Welt hinausheben. Schon der Gedanke daran mochte für einen ehrgeizigen Herrscher wie Karl VII. von Frankreich nur schwer zu ertragen sein. Diesem war bereits Friedrichs geplante Heirat mit Eleonore, der Schwester König Alfons' V. von Portugal und Enkelin Ferdinands I. von Aragon, ein Dorn im Auge.
Leises Zischeln der Damen, die unweit von ihm auf der Ehrentribüne dem Turnier zusahen, beendete den Gedankengang des Fürstbischofs. Er blickte auf und erkannte, dass er das Signal zum Beginn des Buhurts überhört haben musste, denn die Ritter sprengten bereits gegeneinander. Noch während er sich fragte, was den Damen missfallen mochte, streifte sein Blick Bruno von Reckendorf, der ein Stück entfernt von ihm saß und das Geschehen mit einem Ausdruck höchster Befriedigung verfolgte.
Der Fürstbischof rieb sich nachdenklich über die Stirn. Bis zum Vortag hatte Reckendorf als der beste Turnierritter Frankens gegolten. Dann aber hatte er Falko Adler auf Kibitzstein, jenen jungen Mann, dessen Ruhmesstern zu steigen begann, noch vor dem eigentlichen Turnier zum Zweikampf gefordert. Zur Überraschung aller hatte der Kibitzsteiner seinen Gegner mit einem derben Lanzenstoß aus dem Sattel gehoben.
Eigentlich hätte Reckendorf der Verletzung wegen, die er sich beim Sturz vom Pferd zugezogen hatte, das Bett hüten müssen. Doch er hatte sich auf die Tribüne gequält, um sich den Buhurt anzusehen.
Obwohl Gottfried Schenk zu Limpurg sich um den Sohn seiner Base sorgte, vergönnte er ihm die Abreibung. Bruno von Reckendorf war überheblich geworden. Da der Junker nach dem Zweikampf vor Wut über seine Niederlage geschäumt hatte, bereitete das erwartungsvolle Grinsen auf seinem Gesicht dem Fürstbischof Sorgen.
Er blickte nach vorne auf die Kämpfer, die ihre Lanzen bereits gebrochen hatten und sich nun im Schwertkampf maßen. Vier Ritter, die der Fürstbischof anhand ihrer Wappen als Freunde des Reckendorfers erkannte, drangen unter Missachtung aller Regeln auf Falko Adler ein. Noch verteidigte sich der Kibitzsteiner verbissen, doch da lenkte einer seiner Gegner das Pferd um ihn herum, um ihn von hinten anzugreifen.
Das Tuscheln der Damen wurde lauter, und der Fürstbischof sah, dass auch Falkos Mutter Marie Adlerin das Geschehen mit besorgtem Gesicht verfolgte. Die Schwestern des Kibitzsteiners schienen außer sich vor Wut über das unritterliche Vorgehen der vier Männer.
Verärgert wollte der Fürstbischof dem Herold das Zeichen geben, den Buhurt zu beenden, da packte etliche Pferdelängen entfernt ein Mitstreiter seinen Gegner mit der gepanzerten Faust und riss ihn aus dem Sattel. Noch während dieser zu Boden fiel, spornte der Kämpe sein Pferd an und eilte Falko Adler zu Hilfe.
Es handelte sich um Peter von Eichenloh, Herr auf Fuchsheim und Magoldsheim und Schwager des Kibitzsteiners. Zwei gegen vier war immer noch ein schlechtes Verhältnis, dachte der Fürstbischof gerade, da drängte ein weiterer Ritter einen von Falkos Feinden ab und deckte ihn mit einem Hagel von Schwertschlägen zu.
»Bravo, Hilbrecht!«, rief Lisa von Henneberg, die Ziehschwester des jungen Kibitzsteiners, und forderte ihren Ehemann Otto auf, ebenfalls zugunsten ihres Bruders einzugreifen.
Doch das war nicht mehr nötig. Der Ritter, den Hilbrecht von Hettenheim angegriffen hatte, sank aus dem Sattel, und die Zuschauer konnten erkennen, dass seine Rüstung sich rot färbte. Auch Peter von Eichenloh hatte einen der Feinde seines Schwagers zu Boden geworfen, während Falko selbst innerhalb weniger Augenblicke die beiden restlichen Gegner niederkämpfte. Als Letzter sank Siffer Bertschmann, der Kastellan auf Reckendorfs Stammburg, aus dem Sattel und blieb rücklings auf der Erde liegen.
Da sich weitere Freunde von Reckendorf zusammenrotteten und Falkos Parteigänger sich um diesen sammelten, forderte der Fürstbischof den Herold auf, den Buhurt abzublasen.
Für Augenblicke sah es so aus, als würden Reckendorfs Anhänger das Fanfarensignal missachten und trotzdem angreifen. Dann aber ließen sie die Schwerter sinken, doch es war nicht zu übersehen, wie aufgebracht sie waren.
»Das geschieht ihnen recht!«, hörte der Fürstbischof Marie Adlerin rufen und begriff, dass diese Worte den vier am Boden liegenden Rittern galten, die nun von der Kampfbahn getragen wurden. Der Leibarzt des Fürstbischofs eilte zu ihnen und befahl, den Rittern die Rüstungen abzunehmen. Als er sich über sie beugte, wirkte seine Miene besorgt.
Auch wenn Gottfried Schenk zu Limpurg hoffte, dass keiner der Männer das Leben verlor, hielt er die Hiebe, die sie erhalten hatten, für voll und ganz verdient. Immerhin hatte er zu diesem Turnier geladen, um seinen Gefolgsleuten und den Gästen die Gelegenheit zu geben, sich im ritterlichen Zweikampf zu üben, und um sich mit ihnen zu beraten, wie sie sich zu dem immer unverschämter werdenden Auftreten des Ansbacher Markgrafen Albrecht Achilles stellen sollten. Einen so blutigen Kampf und unehrliches Handeln hatte er nicht erwartet, insbesondere nicht von seinen engen Gefolgsleuten.
Mit zorniger Miene erhob er sich und stieß seinen Bischofs-stab auf den Boden. »Der Kampf ist für heute vorbei. Ich fordere die Herren auf, anschließend ohne Ausnahme beim Bankett im Festzelt zu erscheinen. Dort werde ich mitteilen, was ich von diesem Buhurt halte. Wer sich weigert oder gar das Fest vorzeitig verlässt, wird auf fünf Jahre aus dem Herzogtum Franken verbannt.«
Zwar trug Gottfried Schenk zu Limpurg als Würzburger Fürstbischof aus alter Tradition heraus den Titel eines Herzogs von Franken, doch seine Macht reichte kaum über das Hochstift hinaus. Dennoch war eine solche Strafe schmerzhaft, denn die meisten der hier versammelten Ritter verfügten über Besitz und Verwandte im Würzburger Land, die sie in einem solchen Fall fünf Jahre lang nicht aufsuchen durften. Daher war der Fürstbischof davon überzeugt, dass alle ins Festzelt kommen würden, auch wenn sie so verletzt waren, dass man sie tragen musste.
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Autoren-Porträt von Iny Lorentz
Hinter dem Namen Iny Lorentz verbirgt sich ein Münchner Autorenpaar, das mit seinen opulenten historischen Romanen einen Bestseller nach dem anderen landet. Die Romane wurden in zahlreiche Länder verkauft und erreichen ein Millionenpublikum, das sich stets aufs Neue von den Autoren in die Vergangenheit entführen lässt. Zuletzt bannte die Verfilmung ihres Bestsellers Die Wanderhure Millionen von Zuschauern vor die Bildschirme.
Bibliographische Angaben
- Autor: Iny Lorentz
- 784 Seiten, Maße: 13,6 x 21,5 cm, Hochw. Broschur mit Klappeinb.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868009612
- ISBN-13: 9783868009613
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