High Heels im Hühnerstall
Seit sechs Monaten lebt Sophie Mills in einem idyllischen Bed & Breakfast in St Ives, Cornwall. Ihre Wohnung und ihr Job in London sind nur noch eine ferne Erinnerung, und ihre Manolos sind längst im Theaterfundus von Bella und Izzy...
Leider schon ausverkauft
Weltbild Ausgabe
3.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „High Heels im Hühnerstall “
Seit sechs Monaten lebt Sophie Mills in einem idyllischen Bed & Breakfast in St Ives, Cornwall. Ihre Wohnung und ihr Job in London sind nur noch eine ferne Erinnerung, und ihre Manolos sind längst im Theaterfundus von Bella und Izzy verschwunden: Bella und Izzy, ihre Patenkinder. Die Töchter ihrer verstorbenen Freundin Carrie. Bella und Izzy, ihre Pflegetöchter, für die sie aus ihrem früheren Leben ausgestiegen ist. Manchmal erkennt sich Sophie selbst kaum noch wieder, und an manchen Tagen fühlt sich das auch richtig gut an. Doch von einem Tag auf den anderen steht Sophie vor einer schwierigen Entscheidung. Sie hat mit Louis zu tun, dem Vater der Mädchen. Mit dem Kauf von Gummistiefeln. Mit der Gründung einer Familie. Und mit einem Brillantring.
"Intelligent, bewegend und witzig!"
NEW WOMAN
Lese-Probe zu „High Heels im Hühnerstall “
High Heels im Hühnerstall von Rowan Coleman Eine Gutenachtgeschichte
... mehr
Nun ... hm, also - es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, da lebte eine außergewöhnlich schöne Prinzessin, die hatte langes goldenes Haar und Kleidergröße 42, zumindest solange sie sich Weißbrot und Kuchen verkniff.
Prinzessin Sophie bewohnte eine sehr hübsche Einzimmerwohnung in einem Turm in einem aufstrebenden Teil des Königreichs und besaß eine umfangreiche Sammlung äußerst schicker Schuhe und eine Katze namens Artemis. Genau genommen gehörte die Katze nicht ihr ; die Katze lebte einfach in ihrer Wohnung. Sie war eher eine Mitbewohnerin, beziehungsweise eine Hauskatze ... Jedenfalls schätzte Prinzessin Sophie sich sehr glücklich, weil sie ein sehr hübsches Zuhause hatte und eine Menge schöner Kleider und Schuhe besaß.
Die Prinzessin ging sogar einem seriösen und wichtigen Beruf nach, in dem sie sehr, sehr gut war. Sie war eine Karriereprinzessin, die wusste, dass es beim Eventmanagement nicht nur darum ging, jede Menge großer Partys zu organisieren. Eigentlich konnte Prinzessin Sophie vieles sehr gut, nur nicht anderen Menschen nahe sein. Damals war es ihr nicht klar, aber sie war in Wahrheit ziemlich einsam.
Dann kam eines Tages eine schlecht gekleidete gute Fee aus dem Land des Sozialdienstes zu Besuch. Sie teilte der Prinzessin mit, dass etwas sehr Trauriges geschehen war. Die älteste und beste Freundin der Prinzessin, Lady Carrie, war gestorben.
Und sie hatte zwei schöne Töchter zurückgelassen, um die sich jemand kümmern musste. Die gute Fee erinnerte Prinzessin Sophie an ihr Versprechen, das sie Lady Carrie einst, vor langer Zeit, gegeben hatte: Sollte ihr je etwas zustoßen, würde Prinzessin Sophie sich um die beiden kleinen Mädchen kümmern.
Nun, Prinzessin Sophie wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Sie war sehr, sehr traurig über den Verlust ihrer Freundin, aber sie hatte auch Angst. Als sie ihr dieses Versprechen gegeben hatte, hatte sie nicht im Traum daran gedacht, dass sie es eines Tages würde einhalten müssen, und sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt wusste, wie man zwei kleine Mädchen umsorgte. Doch als sie an ihre liebe Freundin dachte, wusste Prinzessin Sophie, dass sie die beiden nicht im Stich lassen konnte. Und so kamen die Mädchen zu ihr. Sie hießen Bella und Izzy. Bella war Künstlerin und Ponyexpertin und konnte fliegen, wenn keiner hinsah, und Izzy war eine echte Märchenfee, das war leicht zu erkennen, denn sie zog sich immer wie eine Fee an, sogar wenn sie ins Bett ging, sogar wenn sie ein Bad nahm!
Zunächst waren Prinzessin Sophie und Artemis sich in Sachen Bella und Izzy keineswegs sicher, vor allem, nachdem die beiden ihr schönes weißes Sofa in ein grünes verwandelt hatten, das nach Curry roch, nachdem sie ihre Schminksachen ruiniert und das Klo verstopft hatten. Prinzessin Sophie war der Meinung, dass sie das alles niemals meistern könnte. Aber die beiden Mädchen brauchten eine Freundin, die sich um sie kümmerte, und Prinzessin Sophie war die einzige Freundin, die sie hatten, deshalb hielt sie durch.
Doch mit jedem Tag mochte Prinzessin Sophie Izzy und Bella ein bisschen mehr, und auch die beiden konnten sie immer besser leiden. Und obwohl alle drei traurig waren, waren sie alle auch irgendwie froh, dass sie einander hatten. Dann tauchte eines Tages ein gut aussehender Fremder namens Prinz Louis vor Prinzessin Sophies Tür auf; er war der Vater von Bella und Izzy. Er hatte sich in einem fernen Land aufgehalten, doch sobald er erfahren hatte, was geschehen war, war er zurückgekehrt, um sich um seine Töchter zu kümmern.
Er war jedoch lange fort gewesen, keiner kannte ihn, und Prinzessin Sophie wusste nicht, ob er nett war oder nicht. Bella war sich nach der langen Zeit nicht einmal mehr sicher, ob sie ihn noch als ihren Daddy haben wollte. Einzig Izzy, die ihren Vater nie zuvor gesehen hatte, beschloss, ihn auf Anhieb zu mögen ...
Und bekanntlich ist der erste Eindruck immer der richtige. So lernten die beiden Mädchen und Prinzessin Sophie Prinz Louis ganz allmählich kennen.
Eines Tages war es Zeit, dass Prinz Louis mit Bella und Izzy ins Königreich der Meerjungfrauen an der Küste zurückkehrte. Prinzessin Sophie war sehr, sehr traurig darüber, aber sie wusste, dass es unvermeidlich war. Die drei würden an dem Ort, den Lady Carrie am meisten geliebt hatte, glücklich sein. Und deshalb fuhr sie alle in ihrem magischen Streitwagen, einem Golf, dorthin.
Als sie dort angekommen waren, wurde Prinzessin Sophie etwas gleichermaßen Wunderbares wie Furchteinflößendes bewusst: Sie hatte Bella und Izzy lieb gewonnen, sie liebte die beiden von ganzem Herzen - und was noch unheimlicher war, sie musste sich eingestehen, dass sie auch Prinz Louis liebte.
Und Prinzessin Sophie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte, weil sie es nicht gewohnt war, jemanden lieb zu haben, außer ihrer Katze; und sie war sich nicht einmal sicher, ob diese sie ihrerseits liebte. Sie wusste nicht, wie sie den Menschen, die sie lieb hatte, zeigen oder sagen konnte, wie wichtig sie ihr waren, und sie wusste nicht, ob diese überhaupt Wert auf ihre Liebe legten. Deshalb beschloss sie, als sie sah, wie glücklich Prinz Louis, Bella und Izzy waren, abzureisen und in ihren Turm zurückzukehren, auch wenn es ihr das Herz brach.
Als sie wieder zu Hause war, war sie jeden Tag traurig, obwohl sie in ihrem Büro zur Königin gekrönt und Chefin wurde, und das hatte sie sich wirklich verdient, weil sie in ihrem Job so ausnehmend gut war. Nachts lag sie jedoch wach und vermisste die drei Menschen, die sie am meisten liebte.
Dann machte ihr Cal, Prinzessin Sophies Freund, klar, dass sie niemals glücklich sein würde, wenn sie in ihrem Turm blieb und sich verzehrte. Sie sollte den Mut aufbringen und sich im Land der Meerjungfrauen einer Aufgabe stellen. Sie müsse Prinz Louis, Bella und Izzy aufsuchen und ihnen sagen, dass sie sie lieb hatte und sich wünschte, bei ihnen zu bleiben - komme, was wolle.
Deshalb reiste sie ins Land der Meerjungfrauen, und als sie dort ankam, sagte sie Prinz Louis, Bella und Izzy, wie lieb sie sie hatte, und das Beste - das Unglaublichste - war, dass sie ihr sagten, sie hätten sie ebenfalls lieb.
Und Prinzessin Sophie beschloss, für immer und ewig im Land der Meerjungfrauen zu bleiben. Ende.
Oder wenn Sie unbedingt ganz pingelig sein wollen - der Anfang.«
Vorwort
Im Zimmer war es dunkel bis auf das künstlich orangefarbene Glühen, das die falsche Kohle von Louis' elektrischem Kamin aus den 1970ern ausstrahlte. Sophie starrte, den Kopf an Louis' Brust gelehnt, auf die Kohlestücke und lauschte dem rhythmischen Pochen seines Herzens. Seine Finger hatten in den vergangenen zwanzig Minuten ihr das Haar sanft aus dem Gesicht gestrichen, und keiner von ihnen hatte ein Wort gesprochen, in erster Linie deshalb, weil sie sich für Smalltalk zu viel geküsst hatten.
»Du bist jetzt seit sechs Stunden und elf Minuten hier«, sagte Louis leise, fast wie zu sich selbst. »Du bist jetzt seit mehr als sechs Stunden tatsächlich körperlich anwesend, nicht nur in meiner Fantasie.«
»Tatsächlich ?« Sophie hob den Kopf von seiner Brust, um ihn anzusehen, und entdeckte, dass zwei winzige goldene Spiegelbilder des Feuers in seinen dunklen Augen schimmerten. Das Problem war, dass Sophie Louis küssen wollte, wann immer sie ihn ansah, und deshalb hatte sie in den vergangenen zwanzig Minuten versucht, ihn nicht anzuschauen. Insbesondere angesichts der Umstände ihrer Ankunft am Nachmittag hatte sie den Eindruck, dass sie sich wahrscheinlich weniger küssen und zumindest ein bisschen darüber unterhalten sollten, was als Nächstes geschehen musste, nachdem sie nun ihr ganzes Leben in London hinter sich gelassen hatte, um mit ihm und seinen Töchtern in Cornwall zu leben. Aber es war viel schöner, ihn zu küssen, denn dann musste sie nicht darüber sprechen, was sie dachte und fühlte, und das war, wenn es nach Sophie ging, immer von Vorteil.
Dennoch hatte es etwas Unschickliches, dass sie die vergangenen sechs Stunden und elf Minuten hauptsächlich mit Küssen verbracht hatten - mit einer Pause, um zu Abend zu essen und Louis' völlig aufgekratzte Töchter ins Bett zu bringen. Sie war überzeugt, dass sie eigentlich mehr reden, mehr über ihre Pläne sprechen sollten und deutlich weniger küssen. Sophie ertappte sich dabei, dass sie sich Sorgen machte, ob Louis die Knutscherei störte, und dann fragte sie sich, wie sie ihm jemals eine solche Frage stellen könnte. Vielleicht war es besser, ihn einfach zu küssen und danach an die Konsequenzen zu denken; schließlich hatte sie genau diese Grundüberlegung hierher
geführt. Sophie Mills verhielt sich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich impulsiv.
Gerade als sie ihrem Verlangen, Louis zu küssen, nachgab, ergriff er das Wort, und für den Bruchteil einer Sekunde war sie ziemlich verärgert.
»Ich glaube, wir waren noch nie sechs Stunden und elf Minuten am Stück zusammen«, sagte Louis. »Abgesehen von jener Nacht, als ...«
»Hältst du mich für verrückt, Louis?«, fragte Sophie und drehte sich um, um ihm in die Augen zu blicken. Warum sie gewartet hatte, bis er als Erster das Wort ergriff, bevor ihr irgendetwas einfiel, konnte sie sich nicht erklären. Und was noch beunruhigender war: Warum hörte sie sich wie eine Verrückte an? Sie hätte beim Küssen bleiben sollen. Das war sicheres Terrain.
»Wahrscheinlich bist du ein bisschen verrückt«, sagte Louis und lächelte sie in dem künstlichen Licht liebevoll an. »Ich kenne nicht viele Frauen, die ihren Job, ihre Karriere, ihr Zuhause und ihr Leben in London aufgeben würden, um mit einem alleinerziehenden Vater und seinen zwei schwer zu bändigenden Kindern in Cornwall zu leben.«
»Himmel, ich bin wirklich verrückt!« Sophie richtete sich auf und spürte sofort die Kälte an ihrem Körper, dort, wo sie sich nicht mehr an Louis schmiegte. »Du kennst mich kaum, und ich bin einfach auf deiner Schwelle aufgetaucht und habe dir gesagt, dass ich hierbleibe! Du musst entsetzt sein.«
Louis klopfte mit seinem langen Finger auf seinen Oberschenkel. »Ja. Ja, das bin ich.« Er nickte. »Ich bin völlig entsetzt. Deshalb die ganze hemmungslose Knutscherei ; weil ich ganz aufgewühlt bin. Du musst verstehen ... dass ich dich kennengelernt habe, ist das Wunderbarste, was mir je widerfahren ist, und ich habe den Eindruck, du kennst mich besser, als mich je irgendjemand gekannt hat. Ich weiß nicht, wie es Bella und Izzy in den letzten Monaten ergangen wäre, wenn du nicht da gewesen wärst. Du warst für sie da, als sie sonst niemanden hatten, und sie brauchen dich. Ich glaube, du brauchst sie ebenfalls, und hoffentlich brauchst du auch mich.«
»Übrigens, hast du etwas gegen die Knutscherei?«, fragte Sophie angespannt, während sie sich insgeheim wegen ihrer offenbar grenzenlosen Gabe verfluchte, unangemessene Fragen zu stellen, durch die ein Mann höchstwahrscheinlich eher abgeschreckt wurde, als dass er sich in eine Frau verliebte.
Louis lachte. »Wie gesagt«, erklärte er, ohne die Miene zu verziehen, »ich bin entsetzt. Es ist fürchterlich, eine unglaublich schöne Frau stundenlang zu küssen.«
»Soll das ironisch sein?« Sophie hielt es für das Beste, vorsichtshalber nachzufragen.
»Natürlich ist das ironisch gemeint! Großer Gott, Frau, ich küsse dich unheimlich gern!« Sophie lächelte und stellte fest, dass sich ihre Schultern wieder entspannten, als sie sich an ihn schmiegte und ihr Oberschenkel den seinen berührte.
»Ich habe die Mädchen wirklich lieb«, sagte sie nachdenklich. Diese Erkenntnis schockierte sie noch immer. Zwei kleine, verlassene Kinder hatten in ihr Gefühle geweckt, die sie niemals für möglich gehalten hätte - und dabei waren es nicht einmal ihre eigenen Kinder. »Ich hab sie lieb. Und ich würde alles für sie tun, aber ...« Sophie verstummte, ihr Mund war auf einmal trocken. Erklärungen waren wirklich nicht ihr Ding, und sie hatte heute schon eine abgegeben, und das war eine mehr, als sie in ihrem ganzen Leben je abgegeben hatte, aber da sie jetzt hier war, hatte sie den Eindruck, etwas Wichtiges und Bedeutsames sagen zu müssen.
»Ich bin deinetwegen gekommen, weißt du, weil ich dich liebe und so.«
»Und so?«, wiederholte Louis und sah sie liebevoll an.
»Ja, und so«, antwortete Sophie und hielt seinem Blick trotzig stand. »Und so.«
»Sophie.« Louis streichelte ihre Hand. »Danke. Vielen Dank, dass du dein Leben in London aufgegeben hast, um zu mir zu kommen. Und ich meine das ernst, weil ich dir unglaublich
dankbar bin und weil ich dich liebe. Ich liebe dich und so, falls ›und so‹ eine Voraussetzung ist. Ich habe das noch nicht gesagt, weil ich mich in den vergangenen sechs Stunden und« - er warf einen Blick auf seine Uhr - »zweiundzwanzig Minuten gefragt habe, ob du wirklich hier bist, oder ob das Ganze irgendeine bizarre Illusion sein kann, die ich selbst heraufbeschworen habe, weil ich, weiß Gott, seit dem Moment, als wir uns getrennt haben, davon träume, dich wieder bei mir zu haben.« Louis drückte einen Kuss auf ihren Handrücken. »Aber jetzt, nachdem du mir gesagt hast, dass du mich liebst ›und so‹, weiß ich, dass du es wirklich bist. Nur die echte Sophie Mills sagt so etwas. Vielleicht ist es unmöglich, dass zwei Menschen sich schon nach wenigen Monaten ineinander verlieben, und vielleicht sind wir verrückt, aber dass du hier bist, macht mich zum glücklichsten Mann diesseits von Plymouth und wahrscheinlich darüber hinaus. Ich liebe dich, Sophie Mills.« Sophie legte ihre Hand auf seine und merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Das freut mich«, sagte sie. »Weil ich andernfalls wie eine komplette Idiotin dagestanden hätte.«
»Du bist wirklich hier, nicht wahr?«, fragte Louis und streckte die Hand aus, um ihre Wange mit den Fingerspitzen zu berühren.
»Ja, sieht ganz danach aus.« Sophie schmiegte ihre Wange in seine Handfläche.
»Und ich möchte, dass du weißt«, erklärte Louis ernsthaft,
»dass ich immer für dich da bin. In dem Moment, in dem du Sorgen oder Zweifel oder das Gefühl hast, auszuflippen, weil du feststellst, dass hier in der Gegend an einem Wochentag niemand Schuhe mit Kitten Heels trägt, dann brauchst du nur zu mir zu kommen, und ich bringe dich zum Schweigen, weil ...«
»Louis.« Sophie legte den Finger auf seinen Mund.
»Ja?«, fragte Louis trotzdem.
»Halt den Mund und küsse mich.«
1
Sechs Monate später
»Der Kuchen zum Nachmittagstee ist Teufelszeug«, sagte Sophie laut, während sie sich in ihrer neuesten Jeans musterte. Sie trug zwar immer noch Größe 42, aber wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass die fast täglich unternommene Fahrt zu Ye Olde Tea Shoppe von Carmen Velasquez erste Folgen zeigte. Die Jeans spannte ordentlich um ihre Hüften, ein Problem, das sie irgendwann lösen musste, vor allem, falls sie die praktische Hose in Zukunft häufiger tragen wollte. Früher, bevor Bella, Izzy und deren Vater in ihr Leben getreten waren, hatte Sophie lediglich eine Jeans besessen, die sie nur selten anzog. Sie hatte sich immer dem Anlass entsprechend gekleidet, gern auch an einem Arbeitstag ein Paillettentop getragen und an der Regel festgehalten, dass ein Absatz niemals niedriger sein sollte als siebeneinhalb Zentimeter. Doch seit ihrer Ankunft in St Ives hatte sie sich nicht nur kein einziges Paar unglaublich hochhackiger Schuhe gekauft, sondern sich vier Jeans, zwei Jeansröcke, verschiedene legere Oberteile und einen Anorak zugelegt. Sophie liebte ihren roten und marineblauen wasserdichten Anorak mit dem Zwei-Wege- Reißverschluss, aber das war eine Liebe, von der sie nicht zu sprechen wagte, zumindest nicht, wenn sie sich mit ihrem ehemaligen Sekretär und guten Freund Cal am Telefon über ihr befremdliches neues Leben in Cornwall unterhielt.
»Hast du dir schon Gummistiefel gekauft?«, fragte Cal sie bei ihren wöchentlichen Telefonaten jedes Mal.
»Ich, Gummistiefel ? Machst du Witze? Ich habe gewisse Standards«, erklärte ihm Sophie dann leichthin.
»Wenn du dir Gummistiefel kaufst, bedeutet das, dass du nicht zurückkommst«, erwiderte Cal darauf erfreut. »Gummistiefel sind ein Zeichen der Bindung an deinen neuen Lebensstil. Gummistiefel sind die Voraussetzung, dass du, Sophie Mills, einen Verlobungsring bekommst.«
»Na, besten Dank, Cal. Besten Dank, dass du mein ganzes romantisches Glück auf einen gammeligen Gummistiefel eindampfst«, antwortete Sophie dann. »Außerdem, was weißt du, der König der Bindungsphobie überhaupt? Vielleicht heirate ich tatsächlich irgendwann.«
Sophie warf einen Blick aus dem Fenster auf das graue und stürmische Meer jenseits des Hafens. Bevor sie aus London hierher gekommen war, hatte sie nicht ein einziges Mal davon geträumt zu heiraten. Doch während der vergangenen sechs Monate bei Louis hatte sie sich mehr als einmal beim Gedanken ertappt.
»Etwa Louis?«, wollte Cal wissen.
»Möglicherweise.« Sophies Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln, das nur für sie selbst gedacht war. »Eines Tages, weißt du ... Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
»Zuerst kommen die Gummistiefel«, beharrte Cal. »Sobald du dir Gummistiefel gekauft hast, weiß er definitiv, dass du für eine Bindung bereit bist, und dann wird er dir einen Antrag machen. Er wartet nur auf die Gummistiefel.« Doch bis jetzt standen im Schrank aus den 1970ern mit Kunststofffurnier in Sophies Zimmer in der Frühstückspension Avalon keine Gummistiefel, und mit sechs Monaten war sie inzwischen der Gast mit der zweitlängsten Aufenthaltsdauer, nach einer gewissen Mrs Tregowan, die nach dem Tod ihres Mannes bereits fast ein Jahr hier verbracht hatte, weil sie der Meinung war, es nicht ertragen zu können, ohne ihn in ihren Bungalow zurückzukehren.
Sophie hatte fast den ganzen Frühling in St Ives an der Küste von Cornwall verbracht, hatte sich zum ersten Mal als Teil der sprießenden Jahreszeit gefühlt und das neu aufkeimende Leben genossen, während sie selbst spürte, dass sie sich für die unbekannten Möglichkeiten öffnete, die die Zukunft für sie bereithalten mochte. An den Wochenenden waren sie und Louis morgens mit den Mädchen am Hafen im eiskalten Wasser herumgewatet und hatten interessante Muscheln und Keramikscherben gesammelt, bis ihre empfindlichen Städterinnenfüße blau anliefen. Sophie hatte zugelassen, dass die kühle, frische Meeresbrise ihre Wangen rötete und ihr feines blondes Haar zerzauste. Während sie mit sandverkrusteten Füßen über die Felsen und Steine zur Hafenmauer kletterten, massierte Louis ihre tauben Finger, bis das Blut wieder in ihren Fingerspitzen pochte. Sie war auch den ganzen unbeständigen Sommer über hiergeblieben, der mal mit warmen Regen- und dann gelegentlich mit fantastischen Sonnentagen aufwartete. Während der Sommerferien, in denen Louis daran arbeitete, sein neues Fotostudio aufzubauen, veranstalteten die Mädchen eine eigene Stadtführung für sie : ein Picknick auf den mit Klee und Gänseblümchen bewachsenen Wiesen oberhalb der weiß getünchten Stadt, die so planlos auf den ins Meer abbrechenden Felsklippen erbaut war ; die Rollschuh-Disco, die jeden Tag um die Mittagszeit in der Guildhall stattfand, wo man sich um die Touristen herumdrückte, was Sophie abwechselnd erheiternd und dann wieder demütigend fand ; eine Führung durch die Tate Gallery, wobei Bella ihr selbstbewusst einen Vortrag über Licht und Perspektive hielt ; und ein Rundgang durch das Gewirr gepflasterter Gässchen, um ihr ihre Lieblingshäuser und mit Geranien überquellenden Blumenkästen zu zeigen. Abends, wenn Louis seinen Arbeitstag beendet hatte, gingen sie an der Hafenmauer entlang spazieren, bis sie die Seehundfamilie fanden, die immer da war und auf den Felsen nur ein kleines Stück draußen im Meer faulenzte, als würde sie ihre Berühmtheit genießen. Izzy gab den Tieren jeden Tag neue Namen, und Bella erzählte Sophie Geschichten über sie. Jetzt war es Ende September, und es war mehr oder weniger genauso wie in der Woche, als sie angekommen war: Eine bezaubernde Mischung aus Neuem und Routine, verbunden mit einem so nie gekannten Glücksempfinden, und dem Gefühl, dass das nicht wirklich ihr Leben war, weil das unmöglich war. Sie hatte den Eindruck, durch die Seiten eines Liebesromans zu wandeln oder plötzlich die Hauptrolle in einem Film zu spielen, weil das wahre Leben niemals so einfach war.
Sie sah Louis und die Mädchen jeden Tag. Seit Beginn des neuen Schuljahrs brachte sie die Kinder zur Schule; Izzy war inzwischen vier geworden und besuchte die an Bellas Schule angegliederte Kindertagesstätte. Jeden zweiten Tag holte sie Izzy um ein Uhr ab, und sie genossen einen Tee und ein Stück Kuchen in Carmen Velasquez' Ye Olde Tea Shoppe, bevor sie zur Schule zurückgingen, um Bella um Viertel nach drei abzuholen.
Dann machten sie, wenn es sonnig genug war, einen Spaziergang am Strand entlang, bauten Sandburgen und jagten sich mit Klumpen schleimigen Seetangs, doch wenn es regnete, gingen sie zu Louis' Haus zurück und bastelten irgendetwas aus trockenen Teigwaren. Ganz gelegentlich nahmen sie in Ye Olde Tea Shoppe einen zweiten Tee mit Kuchen zu sich, weil es ungerecht zu sein schien, Bella leer ausgehen zu lassen. Abends, wenn die Mädchen im Bett waren, saßen Sophie
und Louis vor dem elektrischen Kamin, den er, wie er ständig schwor, durch einen echten Kamin ersetzen würde, der zum viktorianischen Äußeren des Hauses passte, und sie lachten und redeten und erzählten sich die Neuigkeiten und hielten Händchen und küssten sich immer wieder. Und an den meisten Abenden führte das zum wunderbarsten und überwältigendsten Sex, den Sophie je gehabt hatte. Louis' Sofa hatte in den vergangenen sechs Monaten eine Menge ausgehalten, sein Teppich noch viel mehr. Aber bis zu diesem Zeitpunkt war Sophie nie über Nacht geblieben.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du hier übernachten könntest, wenn du wolltest«, hatte Louis eines Abends gesagt, als die beiden ausgestreckt vor dem Kamin lagen, den sie den alten Zeiten zuliebe eingeschaltet hatten, obwohl es inzwischen August und der Abend drückend heiß war. Er strich mit dem Finger über die Rundung ihrer Brust, die im Schein des Feuers schweißglänzend war. »Ich würde so gerne mit dir einschlafen, Sophie«, murmelte er. »Und mit dir aufwachen. Ich würde dich gern am Morgen sehen, wenn deine Haare ganz zerzaust und deine Wangen vom Schlaf faltig sind. Ich hätte am Morgen gern Sex mit dir, während du noch halb in deinen Träumen versunken und fügsam bist.«
»Tja, da wirst du kein Glück haben«, erklärte Sophie, während sie sich streckte und sich wand, weil der Teppich aus einer Nylonmischung bestand und ein bisschen kratzte. »Weil ich wie eine Prinzessin schlafe und niemals zerzaust oder faltig bin. Außerdem bin ich nur dann fügsam, wenn ich es sein will, was genau jetzt der Fall sein könnte, falls du es richtig anstellst.«
»Bleib über Nacht«, bat Louis sie sanft und drückte ihr einen Kuss auf die Schulter. »Bitte.«
»Ich kann nicht, Louis. Was würden sie denken?« Sophie deutete zur Decke. Bella und Izzy schliefen oben tief und fest.
»Sie würden denken, dass du hier übernachtet hast, und dann würden sie sich fragen, ob sie es angesichts der Tatsache, dass Daddy so gut gelaunt ist, schaffen könnten, an zwei Tagen
hintereinander zum Frühstück Coco Pops zu kriegen, obwohl sie die eigentlich nur zwei Mal pro Woche bekommen sollen«, erklärte Louis. »Sophie, es würde ihnen nichts ausmachen. Ich glaube, sie würden sich sogar freuen.«
»Ich kann nicht«, antwortete Sophie unsicher. »Es wäre nicht richtig. Dazu sind sie noch nicht bereit.«
»Sie wissen, dass wir miteinander gehen, weißt du«, stellte Louis ironisch fest. »Das ganze Händchenhalten und das Liebesgeflüster haben es irgendwie verraten. Ich glaube, du bist diejenige, die noch nicht bereit ist.«
Sophie senkte kurz den Blick. Vielleicht hatte Louis recht. Alles kam ihr inzwischen so vollkommen, so wunderbar vor, dass sich ihr manchmal der Eindruck aufdrängte, ihr Glück gleiche einem Hochseilakt. Sie hatte Angst davor, irgendetwas zu verändern, ihre Beziehung auch nur einen Schritt weiter zu führen, aus Furcht, der wunderbare Friede, den sie hier gefunden hatte, könnte ins Wanken geraten und dahin sein. Sophie war sich ihrer Doppelmoral durchaus bewusst. Sie lag nackt und befriedigt auf dem Wohnzimmerboden, und nur eine Treppe und eine geschlossene Tür bewahrten sie und Louis davor, von seinen Töchtern ertappt zu werden. Aber hier zu übernachten, war etwas anderes ; es war die nächste Stufe, und sie wollte, dass sie und Louis den nächsten Schritt gemeinsam taten, und es nicht darum ging, beim Sex weniger Hautabschürfungen zu bekommen. Sophie betrachtete Louis unter ihren Wimpern hervor.
»Wir gehen also miteinander?«, neckte sie ihn stattdessen.
»Du hast mich allerdings nie offiziell gefragt, deshalb wundert es mich. Die Kinder sind aber erst sieben und vier Jahre alt. Ich kann unmöglich hier übernachten ... Nicht, solange wir nicht ...«
»Was ?« Louis stützte sich auf einen Ellenbogen und sah Sophie an, und sein Blick wanderte langsam von ihren Hüften nach oben, über ihre Brüste, bis er ihr schließlich mit jener Art von Blick in die Augen sah, die ihren Slip, hätte sie einen getragen, hätte feucht werden lassen.
»Wir sind nicht ... Du weißt schon«, sagte Sophie und lächelte, während sie die Arme um Louis' Nacken schlang und ihn zu sich herunterzog, um ihn zu küssen. Doch sein Mund hielt knapp über ihren Lippen inne.
»Dann heirate mich«, flüsterte Louis. Statt zu antworten, küsste Sophie ihn innig, drückte ihn wieder auf den Teppich und schob sich mit jener Art von zügelloser Hemmungslosigkeit auf ihn, die sie, hätte sie darüber nachgedacht, ziemlich peinlich gefunden hätte. Aber sie hielt nicht inne, um nachzudenken, denn einer der besten Nebeneffekte ihrer Verliebtheit in Louis Gregory war, dass sie an gar nichts dachte, wenn sie Sex mit ihm hatte, höchstens daran, mit welch wunderbarem Gefühl er sie erfüllte.
Übersetzung: Theresia Übelhör
Copyright der Originalausgabe © 2009 by Rowan Coleman
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2013 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Nun ... hm, also - es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, da lebte eine außergewöhnlich schöne Prinzessin, die hatte langes goldenes Haar und Kleidergröße 42, zumindest solange sie sich Weißbrot und Kuchen verkniff.
Prinzessin Sophie bewohnte eine sehr hübsche Einzimmerwohnung in einem Turm in einem aufstrebenden Teil des Königreichs und besaß eine umfangreiche Sammlung äußerst schicker Schuhe und eine Katze namens Artemis. Genau genommen gehörte die Katze nicht ihr ; die Katze lebte einfach in ihrer Wohnung. Sie war eher eine Mitbewohnerin, beziehungsweise eine Hauskatze ... Jedenfalls schätzte Prinzessin Sophie sich sehr glücklich, weil sie ein sehr hübsches Zuhause hatte und eine Menge schöner Kleider und Schuhe besaß.
Die Prinzessin ging sogar einem seriösen und wichtigen Beruf nach, in dem sie sehr, sehr gut war. Sie war eine Karriereprinzessin, die wusste, dass es beim Eventmanagement nicht nur darum ging, jede Menge großer Partys zu organisieren. Eigentlich konnte Prinzessin Sophie vieles sehr gut, nur nicht anderen Menschen nahe sein. Damals war es ihr nicht klar, aber sie war in Wahrheit ziemlich einsam.
Dann kam eines Tages eine schlecht gekleidete gute Fee aus dem Land des Sozialdienstes zu Besuch. Sie teilte der Prinzessin mit, dass etwas sehr Trauriges geschehen war. Die älteste und beste Freundin der Prinzessin, Lady Carrie, war gestorben.
Und sie hatte zwei schöne Töchter zurückgelassen, um die sich jemand kümmern musste. Die gute Fee erinnerte Prinzessin Sophie an ihr Versprechen, das sie Lady Carrie einst, vor langer Zeit, gegeben hatte: Sollte ihr je etwas zustoßen, würde Prinzessin Sophie sich um die beiden kleinen Mädchen kümmern.
Nun, Prinzessin Sophie wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Sie war sehr, sehr traurig über den Verlust ihrer Freundin, aber sie hatte auch Angst. Als sie ihr dieses Versprechen gegeben hatte, hatte sie nicht im Traum daran gedacht, dass sie es eines Tages würde einhalten müssen, und sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt wusste, wie man zwei kleine Mädchen umsorgte. Doch als sie an ihre liebe Freundin dachte, wusste Prinzessin Sophie, dass sie die beiden nicht im Stich lassen konnte. Und so kamen die Mädchen zu ihr. Sie hießen Bella und Izzy. Bella war Künstlerin und Ponyexpertin und konnte fliegen, wenn keiner hinsah, und Izzy war eine echte Märchenfee, das war leicht zu erkennen, denn sie zog sich immer wie eine Fee an, sogar wenn sie ins Bett ging, sogar wenn sie ein Bad nahm!
Zunächst waren Prinzessin Sophie und Artemis sich in Sachen Bella und Izzy keineswegs sicher, vor allem, nachdem die beiden ihr schönes weißes Sofa in ein grünes verwandelt hatten, das nach Curry roch, nachdem sie ihre Schminksachen ruiniert und das Klo verstopft hatten. Prinzessin Sophie war der Meinung, dass sie das alles niemals meistern könnte. Aber die beiden Mädchen brauchten eine Freundin, die sich um sie kümmerte, und Prinzessin Sophie war die einzige Freundin, die sie hatten, deshalb hielt sie durch.
Doch mit jedem Tag mochte Prinzessin Sophie Izzy und Bella ein bisschen mehr, und auch die beiden konnten sie immer besser leiden. Und obwohl alle drei traurig waren, waren sie alle auch irgendwie froh, dass sie einander hatten. Dann tauchte eines Tages ein gut aussehender Fremder namens Prinz Louis vor Prinzessin Sophies Tür auf; er war der Vater von Bella und Izzy. Er hatte sich in einem fernen Land aufgehalten, doch sobald er erfahren hatte, was geschehen war, war er zurückgekehrt, um sich um seine Töchter zu kümmern.
Er war jedoch lange fort gewesen, keiner kannte ihn, und Prinzessin Sophie wusste nicht, ob er nett war oder nicht. Bella war sich nach der langen Zeit nicht einmal mehr sicher, ob sie ihn noch als ihren Daddy haben wollte. Einzig Izzy, die ihren Vater nie zuvor gesehen hatte, beschloss, ihn auf Anhieb zu mögen ...
Und bekanntlich ist der erste Eindruck immer der richtige. So lernten die beiden Mädchen und Prinzessin Sophie Prinz Louis ganz allmählich kennen.
Eines Tages war es Zeit, dass Prinz Louis mit Bella und Izzy ins Königreich der Meerjungfrauen an der Küste zurückkehrte. Prinzessin Sophie war sehr, sehr traurig darüber, aber sie wusste, dass es unvermeidlich war. Die drei würden an dem Ort, den Lady Carrie am meisten geliebt hatte, glücklich sein. Und deshalb fuhr sie alle in ihrem magischen Streitwagen, einem Golf, dorthin.
Als sie dort angekommen waren, wurde Prinzessin Sophie etwas gleichermaßen Wunderbares wie Furchteinflößendes bewusst: Sie hatte Bella und Izzy lieb gewonnen, sie liebte die beiden von ganzem Herzen - und was noch unheimlicher war, sie musste sich eingestehen, dass sie auch Prinz Louis liebte.
Und Prinzessin Sophie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte, weil sie es nicht gewohnt war, jemanden lieb zu haben, außer ihrer Katze; und sie war sich nicht einmal sicher, ob diese sie ihrerseits liebte. Sie wusste nicht, wie sie den Menschen, die sie lieb hatte, zeigen oder sagen konnte, wie wichtig sie ihr waren, und sie wusste nicht, ob diese überhaupt Wert auf ihre Liebe legten. Deshalb beschloss sie, als sie sah, wie glücklich Prinz Louis, Bella und Izzy waren, abzureisen und in ihren Turm zurückzukehren, auch wenn es ihr das Herz brach.
Als sie wieder zu Hause war, war sie jeden Tag traurig, obwohl sie in ihrem Büro zur Königin gekrönt und Chefin wurde, und das hatte sie sich wirklich verdient, weil sie in ihrem Job so ausnehmend gut war. Nachts lag sie jedoch wach und vermisste die drei Menschen, die sie am meisten liebte.
Dann machte ihr Cal, Prinzessin Sophies Freund, klar, dass sie niemals glücklich sein würde, wenn sie in ihrem Turm blieb und sich verzehrte. Sie sollte den Mut aufbringen und sich im Land der Meerjungfrauen einer Aufgabe stellen. Sie müsse Prinz Louis, Bella und Izzy aufsuchen und ihnen sagen, dass sie sie lieb hatte und sich wünschte, bei ihnen zu bleiben - komme, was wolle.
Deshalb reiste sie ins Land der Meerjungfrauen, und als sie dort ankam, sagte sie Prinz Louis, Bella und Izzy, wie lieb sie sie hatte, und das Beste - das Unglaublichste - war, dass sie ihr sagten, sie hätten sie ebenfalls lieb.
Und Prinzessin Sophie beschloss, für immer und ewig im Land der Meerjungfrauen zu bleiben. Ende.
Oder wenn Sie unbedingt ganz pingelig sein wollen - der Anfang.«
Vorwort
Im Zimmer war es dunkel bis auf das künstlich orangefarbene Glühen, das die falsche Kohle von Louis' elektrischem Kamin aus den 1970ern ausstrahlte. Sophie starrte, den Kopf an Louis' Brust gelehnt, auf die Kohlestücke und lauschte dem rhythmischen Pochen seines Herzens. Seine Finger hatten in den vergangenen zwanzig Minuten ihr das Haar sanft aus dem Gesicht gestrichen, und keiner von ihnen hatte ein Wort gesprochen, in erster Linie deshalb, weil sie sich für Smalltalk zu viel geküsst hatten.
»Du bist jetzt seit sechs Stunden und elf Minuten hier«, sagte Louis leise, fast wie zu sich selbst. »Du bist jetzt seit mehr als sechs Stunden tatsächlich körperlich anwesend, nicht nur in meiner Fantasie.«
»Tatsächlich ?« Sophie hob den Kopf von seiner Brust, um ihn anzusehen, und entdeckte, dass zwei winzige goldene Spiegelbilder des Feuers in seinen dunklen Augen schimmerten. Das Problem war, dass Sophie Louis küssen wollte, wann immer sie ihn ansah, und deshalb hatte sie in den vergangenen zwanzig Minuten versucht, ihn nicht anzuschauen. Insbesondere angesichts der Umstände ihrer Ankunft am Nachmittag hatte sie den Eindruck, dass sie sich wahrscheinlich weniger küssen und zumindest ein bisschen darüber unterhalten sollten, was als Nächstes geschehen musste, nachdem sie nun ihr ganzes Leben in London hinter sich gelassen hatte, um mit ihm und seinen Töchtern in Cornwall zu leben. Aber es war viel schöner, ihn zu küssen, denn dann musste sie nicht darüber sprechen, was sie dachte und fühlte, und das war, wenn es nach Sophie ging, immer von Vorteil.
Dennoch hatte es etwas Unschickliches, dass sie die vergangenen sechs Stunden und elf Minuten hauptsächlich mit Küssen verbracht hatten - mit einer Pause, um zu Abend zu essen und Louis' völlig aufgekratzte Töchter ins Bett zu bringen. Sie war überzeugt, dass sie eigentlich mehr reden, mehr über ihre Pläne sprechen sollten und deutlich weniger küssen. Sophie ertappte sich dabei, dass sie sich Sorgen machte, ob Louis die Knutscherei störte, und dann fragte sie sich, wie sie ihm jemals eine solche Frage stellen könnte. Vielleicht war es besser, ihn einfach zu küssen und danach an die Konsequenzen zu denken; schließlich hatte sie genau diese Grundüberlegung hierher
geführt. Sophie Mills verhielt sich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich impulsiv.
Gerade als sie ihrem Verlangen, Louis zu küssen, nachgab, ergriff er das Wort, und für den Bruchteil einer Sekunde war sie ziemlich verärgert.
»Ich glaube, wir waren noch nie sechs Stunden und elf Minuten am Stück zusammen«, sagte Louis. »Abgesehen von jener Nacht, als ...«
»Hältst du mich für verrückt, Louis?«, fragte Sophie und drehte sich um, um ihm in die Augen zu blicken. Warum sie gewartet hatte, bis er als Erster das Wort ergriff, bevor ihr irgendetwas einfiel, konnte sie sich nicht erklären. Und was noch beunruhigender war: Warum hörte sie sich wie eine Verrückte an? Sie hätte beim Küssen bleiben sollen. Das war sicheres Terrain.
»Wahrscheinlich bist du ein bisschen verrückt«, sagte Louis und lächelte sie in dem künstlichen Licht liebevoll an. »Ich kenne nicht viele Frauen, die ihren Job, ihre Karriere, ihr Zuhause und ihr Leben in London aufgeben würden, um mit einem alleinerziehenden Vater und seinen zwei schwer zu bändigenden Kindern in Cornwall zu leben.«
»Himmel, ich bin wirklich verrückt!« Sophie richtete sich auf und spürte sofort die Kälte an ihrem Körper, dort, wo sie sich nicht mehr an Louis schmiegte. »Du kennst mich kaum, und ich bin einfach auf deiner Schwelle aufgetaucht und habe dir gesagt, dass ich hierbleibe! Du musst entsetzt sein.«
Louis klopfte mit seinem langen Finger auf seinen Oberschenkel. »Ja. Ja, das bin ich.« Er nickte. »Ich bin völlig entsetzt. Deshalb die ganze hemmungslose Knutscherei ; weil ich ganz aufgewühlt bin. Du musst verstehen ... dass ich dich kennengelernt habe, ist das Wunderbarste, was mir je widerfahren ist, und ich habe den Eindruck, du kennst mich besser, als mich je irgendjemand gekannt hat. Ich weiß nicht, wie es Bella und Izzy in den letzten Monaten ergangen wäre, wenn du nicht da gewesen wärst. Du warst für sie da, als sie sonst niemanden hatten, und sie brauchen dich. Ich glaube, du brauchst sie ebenfalls, und hoffentlich brauchst du auch mich.«
»Übrigens, hast du etwas gegen die Knutscherei?«, fragte Sophie angespannt, während sie sich insgeheim wegen ihrer offenbar grenzenlosen Gabe verfluchte, unangemessene Fragen zu stellen, durch die ein Mann höchstwahrscheinlich eher abgeschreckt wurde, als dass er sich in eine Frau verliebte.
Louis lachte. »Wie gesagt«, erklärte er, ohne die Miene zu verziehen, »ich bin entsetzt. Es ist fürchterlich, eine unglaublich schöne Frau stundenlang zu küssen.«
»Soll das ironisch sein?« Sophie hielt es für das Beste, vorsichtshalber nachzufragen.
»Natürlich ist das ironisch gemeint! Großer Gott, Frau, ich küsse dich unheimlich gern!« Sophie lächelte und stellte fest, dass sich ihre Schultern wieder entspannten, als sie sich an ihn schmiegte und ihr Oberschenkel den seinen berührte.
»Ich habe die Mädchen wirklich lieb«, sagte sie nachdenklich. Diese Erkenntnis schockierte sie noch immer. Zwei kleine, verlassene Kinder hatten in ihr Gefühle geweckt, die sie niemals für möglich gehalten hätte - und dabei waren es nicht einmal ihre eigenen Kinder. »Ich hab sie lieb. Und ich würde alles für sie tun, aber ...« Sophie verstummte, ihr Mund war auf einmal trocken. Erklärungen waren wirklich nicht ihr Ding, und sie hatte heute schon eine abgegeben, und das war eine mehr, als sie in ihrem ganzen Leben je abgegeben hatte, aber da sie jetzt hier war, hatte sie den Eindruck, etwas Wichtiges und Bedeutsames sagen zu müssen.
»Ich bin deinetwegen gekommen, weißt du, weil ich dich liebe und so.«
»Und so?«, wiederholte Louis und sah sie liebevoll an.
»Ja, und so«, antwortete Sophie und hielt seinem Blick trotzig stand. »Und so.«
»Sophie.« Louis streichelte ihre Hand. »Danke. Vielen Dank, dass du dein Leben in London aufgegeben hast, um zu mir zu kommen. Und ich meine das ernst, weil ich dir unglaublich
dankbar bin und weil ich dich liebe. Ich liebe dich und so, falls ›und so‹ eine Voraussetzung ist. Ich habe das noch nicht gesagt, weil ich mich in den vergangenen sechs Stunden und« - er warf einen Blick auf seine Uhr - »zweiundzwanzig Minuten gefragt habe, ob du wirklich hier bist, oder ob das Ganze irgendeine bizarre Illusion sein kann, die ich selbst heraufbeschworen habe, weil ich, weiß Gott, seit dem Moment, als wir uns getrennt haben, davon träume, dich wieder bei mir zu haben.« Louis drückte einen Kuss auf ihren Handrücken. »Aber jetzt, nachdem du mir gesagt hast, dass du mich liebst ›und so‹, weiß ich, dass du es wirklich bist. Nur die echte Sophie Mills sagt so etwas. Vielleicht ist es unmöglich, dass zwei Menschen sich schon nach wenigen Monaten ineinander verlieben, und vielleicht sind wir verrückt, aber dass du hier bist, macht mich zum glücklichsten Mann diesseits von Plymouth und wahrscheinlich darüber hinaus. Ich liebe dich, Sophie Mills.« Sophie legte ihre Hand auf seine und merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Das freut mich«, sagte sie. »Weil ich andernfalls wie eine komplette Idiotin dagestanden hätte.«
»Du bist wirklich hier, nicht wahr?«, fragte Louis und streckte die Hand aus, um ihre Wange mit den Fingerspitzen zu berühren.
»Ja, sieht ganz danach aus.« Sophie schmiegte ihre Wange in seine Handfläche.
»Und ich möchte, dass du weißt«, erklärte Louis ernsthaft,
»dass ich immer für dich da bin. In dem Moment, in dem du Sorgen oder Zweifel oder das Gefühl hast, auszuflippen, weil du feststellst, dass hier in der Gegend an einem Wochentag niemand Schuhe mit Kitten Heels trägt, dann brauchst du nur zu mir zu kommen, und ich bringe dich zum Schweigen, weil ...«
»Louis.« Sophie legte den Finger auf seinen Mund.
»Ja?«, fragte Louis trotzdem.
»Halt den Mund und küsse mich.«
1
Sechs Monate später
»Der Kuchen zum Nachmittagstee ist Teufelszeug«, sagte Sophie laut, während sie sich in ihrer neuesten Jeans musterte. Sie trug zwar immer noch Größe 42, aber wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass die fast täglich unternommene Fahrt zu Ye Olde Tea Shoppe von Carmen Velasquez erste Folgen zeigte. Die Jeans spannte ordentlich um ihre Hüften, ein Problem, das sie irgendwann lösen musste, vor allem, falls sie die praktische Hose in Zukunft häufiger tragen wollte. Früher, bevor Bella, Izzy und deren Vater in ihr Leben getreten waren, hatte Sophie lediglich eine Jeans besessen, die sie nur selten anzog. Sie hatte sich immer dem Anlass entsprechend gekleidet, gern auch an einem Arbeitstag ein Paillettentop getragen und an der Regel festgehalten, dass ein Absatz niemals niedriger sein sollte als siebeneinhalb Zentimeter. Doch seit ihrer Ankunft in St Ives hatte sie sich nicht nur kein einziges Paar unglaublich hochhackiger Schuhe gekauft, sondern sich vier Jeans, zwei Jeansröcke, verschiedene legere Oberteile und einen Anorak zugelegt. Sophie liebte ihren roten und marineblauen wasserdichten Anorak mit dem Zwei-Wege- Reißverschluss, aber das war eine Liebe, von der sie nicht zu sprechen wagte, zumindest nicht, wenn sie sich mit ihrem ehemaligen Sekretär und guten Freund Cal am Telefon über ihr befremdliches neues Leben in Cornwall unterhielt.
»Hast du dir schon Gummistiefel gekauft?«, fragte Cal sie bei ihren wöchentlichen Telefonaten jedes Mal.
»Ich, Gummistiefel ? Machst du Witze? Ich habe gewisse Standards«, erklärte ihm Sophie dann leichthin.
»Wenn du dir Gummistiefel kaufst, bedeutet das, dass du nicht zurückkommst«, erwiderte Cal darauf erfreut. »Gummistiefel sind ein Zeichen der Bindung an deinen neuen Lebensstil. Gummistiefel sind die Voraussetzung, dass du, Sophie Mills, einen Verlobungsring bekommst.«
»Na, besten Dank, Cal. Besten Dank, dass du mein ganzes romantisches Glück auf einen gammeligen Gummistiefel eindampfst«, antwortete Sophie dann. »Außerdem, was weißt du, der König der Bindungsphobie überhaupt? Vielleicht heirate ich tatsächlich irgendwann.«
Sophie warf einen Blick aus dem Fenster auf das graue und stürmische Meer jenseits des Hafens. Bevor sie aus London hierher gekommen war, hatte sie nicht ein einziges Mal davon geträumt zu heiraten. Doch während der vergangenen sechs Monate bei Louis hatte sie sich mehr als einmal beim Gedanken ertappt.
»Etwa Louis?«, wollte Cal wissen.
»Möglicherweise.« Sophies Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln, das nur für sie selbst gedacht war. »Eines Tages, weißt du ... Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
»Zuerst kommen die Gummistiefel«, beharrte Cal. »Sobald du dir Gummistiefel gekauft hast, weiß er definitiv, dass du für eine Bindung bereit bist, und dann wird er dir einen Antrag machen. Er wartet nur auf die Gummistiefel.« Doch bis jetzt standen im Schrank aus den 1970ern mit Kunststofffurnier in Sophies Zimmer in der Frühstückspension Avalon keine Gummistiefel, und mit sechs Monaten war sie inzwischen der Gast mit der zweitlängsten Aufenthaltsdauer, nach einer gewissen Mrs Tregowan, die nach dem Tod ihres Mannes bereits fast ein Jahr hier verbracht hatte, weil sie der Meinung war, es nicht ertragen zu können, ohne ihn in ihren Bungalow zurückzukehren.
Sophie hatte fast den ganzen Frühling in St Ives an der Küste von Cornwall verbracht, hatte sich zum ersten Mal als Teil der sprießenden Jahreszeit gefühlt und das neu aufkeimende Leben genossen, während sie selbst spürte, dass sie sich für die unbekannten Möglichkeiten öffnete, die die Zukunft für sie bereithalten mochte. An den Wochenenden waren sie und Louis morgens mit den Mädchen am Hafen im eiskalten Wasser herumgewatet und hatten interessante Muscheln und Keramikscherben gesammelt, bis ihre empfindlichen Städterinnenfüße blau anliefen. Sophie hatte zugelassen, dass die kühle, frische Meeresbrise ihre Wangen rötete und ihr feines blondes Haar zerzauste. Während sie mit sandverkrusteten Füßen über die Felsen und Steine zur Hafenmauer kletterten, massierte Louis ihre tauben Finger, bis das Blut wieder in ihren Fingerspitzen pochte. Sie war auch den ganzen unbeständigen Sommer über hiergeblieben, der mal mit warmen Regen- und dann gelegentlich mit fantastischen Sonnentagen aufwartete. Während der Sommerferien, in denen Louis daran arbeitete, sein neues Fotostudio aufzubauen, veranstalteten die Mädchen eine eigene Stadtführung für sie : ein Picknick auf den mit Klee und Gänseblümchen bewachsenen Wiesen oberhalb der weiß getünchten Stadt, die so planlos auf den ins Meer abbrechenden Felsklippen erbaut war ; die Rollschuh-Disco, die jeden Tag um die Mittagszeit in der Guildhall stattfand, wo man sich um die Touristen herumdrückte, was Sophie abwechselnd erheiternd und dann wieder demütigend fand ; eine Führung durch die Tate Gallery, wobei Bella ihr selbstbewusst einen Vortrag über Licht und Perspektive hielt ; und ein Rundgang durch das Gewirr gepflasterter Gässchen, um ihr ihre Lieblingshäuser und mit Geranien überquellenden Blumenkästen zu zeigen. Abends, wenn Louis seinen Arbeitstag beendet hatte, gingen sie an der Hafenmauer entlang spazieren, bis sie die Seehundfamilie fanden, die immer da war und auf den Felsen nur ein kleines Stück draußen im Meer faulenzte, als würde sie ihre Berühmtheit genießen. Izzy gab den Tieren jeden Tag neue Namen, und Bella erzählte Sophie Geschichten über sie. Jetzt war es Ende September, und es war mehr oder weniger genauso wie in der Woche, als sie angekommen war: Eine bezaubernde Mischung aus Neuem und Routine, verbunden mit einem so nie gekannten Glücksempfinden, und dem Gefühl, dass das nicht wirklich ihr Leben war, weil das unmöglich war. Sie hatte den Eindruck, durch die Seiten eines Liebesromans zu wandeln oder plötzlich die Hauptrolle in einem Film zu spielen, weil das wahre Leben niemals so einfach war.
Sie sah Louis und die Mädchen jeden Tag. Seit Beginn des neuen Schuljahrs brachte sie die Kinder zur Schule; Izzy war inzwischen vier geworden und besuchte die an Bellas Schule angegliederte Kindertagesstätte. Jeden zweiten Tag holte sie Izzy um ein Uhr ab, und sie genossen einen Tee und ein Stück Kuchen in Carmen Velasquez' Ye Olde Tea Shoppe, bevor sie zur Schule zurückgingen, um Bella um Viertel nach drei abzuholen.
Dann machten sie, wenn es sonnig genug war, einen Spaziergang am Strand entlang, bauten Sandburgen und jagten sich mit Klumpen schleimigen Seetangs, doch wenn es regnete, gingen sie zu Louis' Haus zurück und bastelten irgendetwas aus trockenen Teigwaren. Ganz gelegentlich nahmen sie in Ye Olde Tea Shoppe einen zweiten Tee mit Kuchen zu sich, weil es ungerecht zu sein schien, Bella leer ausgehen zu lassen. Abends, wenn die Mädchen im Bett waren, saßen Sophie
und Louis vor dem elektrischen Kamin, den er, wie er ständig schwor, durch einen echten Kamin ersetzen würde, der zum viktorianischen Äußeren des Hauses passte, und sie lachten und redeten und erzählten sich die Neuigkeiten und hielten Händchen und küssten sich immer wieder. Und an den meisten Abenden führte das zum wunderbarsten und überwältigendsten Sex, den Sophie je gehabt hatte. Louis' Sofa hatte in den vergangenen sechs Monaten eine Menge ausgehalten, sein Teppich noch viel mehr. Aber bis zu diesem Zeitpunkt war Sophie nie über Nacht geblieben.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du hier übernachten könntest, wenn du wolltest«, hatte Louis eines Abends gesagt, als die beiden ausgestreckt vor dem Kamin lagen, den sie den alten Zeiten zuliebe eingeschaltet hatten, obwohl es inzwischen August und der Abend drückend heiß war. Er strich mit dem Finger über die Rundung ihrer Brust, die im Schein des Feuers schweißglänzend war. »Ich würde so gerne mit dir einschlafen, Sophie«, murmelte er. »Und mit dir aufwachen. Ich würde dich gern am Morgen sehen, wenn deine Haare ganz zerzaust und deine Wangen vom Schlaf faltig sind. Ich hätte am Morgen gern Sex mit dir, während du noch halb in deinen Träumen versunken und fügsam bist.«
»Tja, da wirst du kein Glück haben«, erklärte Sophie, während sie sich streckte und sich wand, weil der Teppich aus einer Nylonmischung bestand und ein bisschen kratzte. »Weil ich wie eine Prinzessin schlafe und niemals zerzaust oder faltig bin. Außerdem bin ich nur dann fügsam, wenn ich es sein will, was genau jetzt der Fall sein könnte, falls du es richtig anstellst.«
»Bleib über Nacht«, bat Louis sie sanft und drückte ihr einen Kuss auf die Schulter. »Bitte.«
»Ich kann nicht, Louis. Was würden sie denken?« Sophie deutete zur Decke. Bella und Izzy schliefen oben tief und fest.
»Sie würden denken, dass du hier übernachtet hast, und dann würden sie sich fragen, ob sie es angesichts der Tatsache, dass Daddy so gut gelaunt ist, schaffen könnten, an zwei Tagen
hintereinander zum Frühstück Coco Pops zu kriegen, obwohl sie die eigentlich nur zwei Mal pro Woche bekommen sollen«, erklärte Louis. »Sophie, es würde ihnen nichts ausmachen. Ich glaube, sie würden sich sogar freuen.«
»Ich kann nicht«, antwortete Sophie unsicher. »Es wäre nicht richtig. Dazu sind sie noch nicht bereit.«
»Sie wissen, dass wir miteinander gehen, weißt du«, stellte Louis ironisch fest. »Das ganze Händchenhalten und das Liebesgeflüster haben es irgendwie verraten. Ich glaube, du bist diejenige, die noch nicht bereit ist.«
Sophie senkte kurz den Blick. Vielleicht hatte Louis recht. Alles kam ihr inzwischen so vollkommen, so wunderbar vor, dass sich ihr manchmal der Eindruck aufdrängte, ihr Glück gleiche einem Hochseilakt. Sie hatte Angst davor, irgendetwas zu verändern, ihre Beziehung auch nur einen Schritt weiter zu führen, aus Furcht, der wunderbare Friede, den sie hier gefunden hatte, könnte ins Wanken geraten und dahin sein. Sophie war sich ihrer Doppelmoral durchaus bewusst. Sie lag nackt und befriedigt auf dem Wohnzimmerboden, und nur eine Treppe und eine geschlossene Tür bewahrten sie und Louis davor, von seinen Töchtern ertappt zu werden. Aber hier zu übernachten, war etwas anderes ; es war die nächste Stufe, und sie wollte, dass sie und Louis den nächsten Schritt gemeinsam taten, und es nicht darum ging, beim Sex weniger Hautabschürfungen zu bekommen. Sophie betrachtete Louis unter ihren Wimpern hervor.
»Wir gehen also miteinander?«, neckte sie ihn stattdessen.
»Du hast mich allerdings nie offiziell gefragt, deshalb wundert es mich. Die Kinder sind aber erst sieben und vier Jahre alt. Ich kann unmöglich hier übernachten ... Nicht, solange wir nicht ...«
»Was ?« Louis stützte sich auf einen Ellenbogen und sah Sophie an, und sein Blick wanderte langsam von ihren Hüften nach oben, über ihre Brüste, bis er ihr schließlich mit jener Art von Blick in die Augen sah, die ihren Slip, hätte sie einen getragen, hätte feucht werden lassen.
»Wir sind nicht ... Du weißt schon«, sagte Sophie und lächelte, während sie die Arme um Louis' Nacken schlang und ihn zu sich herunterzog, um ihn zu küssen. Doch sein Mund hielt knapp über ihren Lippen inne.
»Dann heirate mich«, flüsterte Louis. Statt zu antworten, küsste Sophie ihn innig, drückte ihn wieder auf den Teppich und schob sich mit jener Art von zügelloser Hemmungslosigkeit auf ihn, die sie, hätte sie darüber nachgedacht, ziemlich peinlich gefunden hätte. Aber sie hielt nicht inne, um nachzudenken, denn einer der besten Nebeneffekte ihrer Verliebtheit in Louis Gregory war, dass sie an gar nichts dachte, wenn sie Sex mit ihm hatte, höchstens daran, mit welch wunderbarem Gefühl er sie erfüllte.
Übersetzung: Theresia Übelhör
Copyright der Originalausgabe © 2009 by Rowan Coleman
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2013 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Autoren-Porträt von Rowan Coleman
Rowan Coleman wuchs im englischen Hertfordshire auf und wollte eigentlich immer schon Schriftstellerin werden. Nach ihrem Studium arbeitete sie sieben Jahre lang in einem Verlag und als Buchhändlerin, bis sie 2001 in einem Zeitschriftenwettbewerb als Autorin entdeckt wurde. Ihr erster Roman erschien 2002. Seitdem hat sie eine ganze Reihe von erfolgreichen Romanen und Jugendbüchern geschrieben. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Hertfordshire.Bibliographische Angaben
- Autor: Rowan Coleman
- 2013, 1, 432 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863652088
- ISBN-13: 9783863652081
Kommentare zu "High Heels im Hühnerstall"
4 von 5 Sternen
5 Sterne 6Schreiben Sie einen Kommentar zu "High Heels im Hühnerstall".
Kommentar verfassen