Aszendent Blödmann (ePub)
Melina ist Wassermann und Kai ein Blödmann. Kein Wunder, dass ihre Beziehung unter keinem günstigen Stern steht.Man trifft sich im Leben immer zwei Mal. In Kais Fall ist jedoch ein Mal bereits mehr als genug! Das findet zumindest Melina. Nicht nur, dass der...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Aszendent Blödmann (ePub)“
Melina ist Wassermann und Kai ein Blödmann. Kein Wunder, dass ihre Beziehung unter keinem günstigen Stern steht.Man trifft sich im Leben immer zwei Mal. In Kais Fall ist jedoch ein Mal bereits mehr als genug! Das findet zumindest Melina. Nicht nur, dass der neue Kollege ihr vor Jahren fast das Herz gebrochen hat, nun will dieser Blödmann ihr auch noch die Beförderung streitig machen. Und leider scheint Kai nicht nur in Sachen Liebe alles andere als zimperlich vorzugehen. Fiese Gerüchte, hinterhältige Intrigen und heiße Liebesschwüre - bald weiß Melina nicht mehr, wem sie beim Kopf-an-Kopf-Rennen um den begehrten Job noch trauen kann...
Lese-Probe zu „Aszendent Blödmann (ePub)“
Kapitel 1 Besser hätte der Tag gar nicht beginnen können: Ich war mit einem zärtlichen Kuss geweckt worden, hatte eine Tasse Kaffee ans Bett gebracht bekommen und war, nachdem ich mich in aller Ruhe geduscht und zurechtgemacht hatte, gut gelaunt in mein Auto gestiegen. Nichts, aber auch wirklich gar nichts, deutete darauf hin, welches Unheil sich bereits wie eine dunkle Gewitterwolke über meinem Kopf zusammengebraut hatte.
Wenn wenigstens eine schwarze Katze meinen Weg gekreuzt hätte, mein Wagen nicht angesprungen wäre, oder wenn es wie aus Kübeln gegossen hätte! Dann wäre ich möglicherweise vorgewarnt gewesen. Doch so wog ich mich in trügerischer Sicherheit. Die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel. Kein Wölkchen war zu sehen. Hach, was für ein prachtvoller Sommermorgen!
Mein Unterbewusstsein, auf das sonst immer Verlass war, gab nicht einen einzigen Mucks von sich. Entweder es wollte mir eins auswischen, oder es träumte nach einem herrlichen Wochenende noch selig vor sich hin. O. K., da war dieses leichte Magengrummeln. Aber das hielt ich für Hunger, und so machte ich auf dem Weg zur Arbeit noch einen kurzen Pitstop an der Bäckerei.
Meine Brötchen und das, was ich sonst noch so zum Leben brauchte, verdiente ich dort, wo andere Leute ihren Urlaub verbringen: in einem Hotel im sonnigen Süden. Nun ist Bayern nicht gerade Spanien oder die Malediven, aber doch zumindest der südlichste Teil Deutschlands. Eingebettet zwischen saftig grünen Wiesen und schattigen Wäldern lag das Wallemrath Hotel an einem kleinen, malerischen Badesee, etwa eine Autostunde von München entfernt.
Ich liebte dieses Fleckchen Erde! Besonders zu so früher Stunde, wenn die Luft noch frisch und das Wasser glatt wie ein Spiegel war. Durch das halb geöffnete Autofenster hörte ich das ungeduldige Schnattern der Enten, die unten
... mehr
am Ufer darauf warteten, dass die Hotelgäste endlich zum Strand kamen und mit ihnen die Reste ihres Frühstücks teilten.
Nur widerstrebend riss ich mich von dieser morgendlichen Idylle los, steuerte mein Auto auf den Personalparkplatz und betrat das Hotel. Nach einem kurzen Abstecher in mein Büro marschierte ich kurz vor halb neun pünktlich in den Konferenzraum. Während alle Anwesenden meinen fröhlichen Guten-Morgen-Gruß mehr oder weniger enthusiastisch erwiderten, hob Ilka Wallemrath, die Juniorchefin des Hotels, lediglich kurz den Kopf, nickte mir wortlos zu und vertiefte sich dann wieder in ihre Unterlagen. Ilkas schroffe Art war nun wirklich kein Anlass zur Besorgnis. Im Gegenteil: Alles war wie immer. Zumindest noch ...
Verena, die Leiterin des Empfangs, hatte mir einen Platz neben sich frei gehalten. »So wie du strahlst, brauche ich dich gar nicht zu fragen, ob du ein schönes Wochenende hattest«, stellte sie mit leicht neidischem Unterton fest.
Ich setzte mich und goss mir eine Tasse Kaffee ein. »Ich kann nicht klagen. Und wie war dein Wochenende?«
Bevor Verena antworten konnte, funkte Ilka uns in ihrer gewohnt charmanten Art dazwischen. »Ich unterbreche Ihr kleines Kaffeekränzchen ja nur ungern«, ihr Blick ruhte auf mir wie kalte, nasse Umschläge, »aber sicher macht es Ihnen nichts aus, die Tür zu schließen, die Sie nach dem Betreten des Konferenzraums offen gelassen haben.«
Ich ballte die Faust in der Tasche und schluckte eine bissige Erwiderung, die mir bereits auf der Zunge lag, herunter. Es hatte sowieso keinen Zweck, sich über Ilkas Verhalten aufzuregen oder sich mit ihr anzulegen.
»Na, die ist ja heute wieder in Topform«, flüsterte Verena mir zu, nachdem ich Ilkas Wunsch – oder sollte ich besser Befehl sagen? – nachgekommen war.
»Tja, so kennen wir sie«, antwortete ich lapidar. So leicht würde ich mir von dieser Giftspritze nicht die Laune verderben lassen. Da musste sie schon schwerere Geschütze auffahren. »Aber jetzt erzähl schon«, forderte ich Verena auf. »Was hast du am Wochenende getrieben?«
»Meinen Kindern den Kopf über die Kloschüssel gehalten und Zwiebäcke verteilt.« Verena zog eine Grimasse. »Offenbar grassiert wieder so ein blöder Magen-Darm-Virus. Ich hoffe nur, dass wenigstens ich davon verschont bleibe.«
Das hoffte ich natürlich auch, rückte aber sicherheitshalber mit meinem Stuhl ein paar Zentimeter näher an Werner heran. Der trällerte wie üblich ein Liedchen vor sich hin. Eins musste man unserem singenden Küchenchef lassen: Er war wirklich überaus talentiert! Niemand konnte so knusprige Schweinshaxen zubereiten wie er, doch auf der Tonleiter verunglückte der Arme jedes Mal kläglich.
Während Werner bereits beim Refrain seines Liedes angelangt war, legte Ilka laut raschelnd ihre Unterlagen beiseite und ließ ihren Blick über die anwesenden Mitarbeiter gleiten. »Wie ich sehe, sind wir fast vollzählig. Respekt. Ich bin schwer beeindruckt.« Die Ironie in ihrer Stimme war kaum zu überhören. »Es ist Montag, wir haben schönes Wetter – und trotzdem hat sich niemand krankgemeldet. Vielleicht geht es mit der Arbeitsmoral in diesem Haus ja bergauf. Zu wünschen wäre es. Na, wie dem auch sei: Wir warten noch fünf Minuten, dann fangen wir an.«
Der Einzige, der jetzt noch fehlte, war Ilkas Vater. Der Häuptling. Doch der ließ seine Untertanen noch ein wenig zappeln.
Isabell, unsere Hausdame, vertrieb sich die Wartezeit damit, das Milchkännchen und den Zuckerstreuer in der Mitte des Konferenztisches zu arrangieren. Da diese Aufgabe für einen Profi wie sie schnell erledigt war, machte sie sich anschließend daran, die Stifte ihres Nebenmanns zu sortieren. Der schien davon allerdings überhaupt nichts mitzubekommen. Claus-Dieter pflegte seine Montagmorgen-Depression. Mit sehnsuchtsvollem Blick starrte er aus dem Fenster. Was immer es auch dort zu sehen gab – es war offenbar nicht dazu angetan, seine traurige Buchhalterseele aufzumuntern.
Ich nahm an dieser Elefantenrunde nur vertretungsweise teil. Norbert, der Boss der Marketingabteilung, war ein paar Wochen zuvor auf dem Tennisplatz zusammengebrochen. Bedauerlicherweise hatten ihn nicht die Vorhandgranaten seines Gegners, sondern ein Herzinfarkt zu Boden gestreckt. Nun befand er sich in der Rehaklinik.
»Hast du eigentlich noch mal was von Norbert gehört?«
Als Verena gerade zu einer Antwort ansetzte, schwang die Tür auf und Conrad Wallemrath betrat mit federnden Schritten den Raum. Die Gespräche am Tisch verstummten, und sogar Werner vergaß für einen Moment, vor sich hin zu trällern. Es war wirklich beeindruckend, über was für eine Ausstrahlung unser Boss verfügte. Mit seinem Erscheinen war der Konferenzraum schlagartig auf die Größe einer Besenkammer geschrumpft. Obwohl er weder besonders groß noch besonders stämmig war, schien Conrad jeden Winkel des Zimmers auszufüllen. Wahnsinn, dachte ich wie schon so oft, der Mann hat Energie für zehn! Selbst wenn er nur über das Wetter redete, sprühten seine graublauen Augen Funken. Ich hätte stundenlang einfach nur dasitzen und ihn anschauen können. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zwinkerte Conrad mir in diesem Moment verschmitzt zu. Unversehens begannen meine Wangen zu glühen.
Wer nicht wusste, dass Conrad Wallemrath bereits Ende vierzig war, schätzte ihn locker zehn Jahre jünger. Seine leicht ergrauten Schläfen ließen ihn weder besonders seriös noch lebenserfahren, dafür aber wahnsinnig interessant und sexy aussehen. George Clooney hätte ohne Weiteres sein Bruder sein können. Auch die kleinen Lachfältchen rings um seine Augen brachten Conrad jede Menge Sympathiepunkte ein.
Zusätzlich zu seiner attraktiven Verpackung verfügte unser Boss über eine ganz spezielle Gabe: Wie kaum ein anderer verstand er es, seine Mitmenschen in seinen Bann zu ziehen und für seine Sache zu begeistern. Er war das geborene Alpha-Tier! Wir, sein Rudel, vertrauten ihm blind. Sollte Conrad sich vornehmen, den Mount Everest zu besteigen, würden alle seine Angestellten wie die Lemminge ohne zu zögern hinterhertrippeln – mit Ausnahme seiner Tochter Ilka vielleicht ...
Nachdem Conrad gut gelaunt in die Runde gegrüßt hatte, drückte er seiner Tochter einen Kuss auf die Wange. »Morgen, Schätzchen.«
Ilka war diese vertrauliche Geste sichtlich unangenehm. »Du bist unpünktlich«, wies sie ihren Vater schnippisch zurecht.
»Das tut mir leid.« Conrad spielte den Zerknirschten. »Die S-Bahn hatte Verspätung.«
Nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen. Jeder im Raum wusste, dass Conrad noch nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gekommen war. Wahrscheinlich benutzte er eine Ausrede, mit der Ilka sich in ihrer Sturm- und Drang-Zeit des Öfteren aus der Affäre gezogen hatte.
Leider war es uns nicht vergönnt, das Vater-Tochter-Geplänkel noch ein wenig auszukosten, denn Ilka kam sofort zur Sache: »Da wir ja nun vollzählig sind, können wir jetzt endlich beginnen. Das Wichtigste gleich vorweg. Norbert Rische wird nächste Woche aus der Rehaklinik entlassen. Zum Glück ist er gesundheitlich fast vollständig wiederhergestellt, trotzdem hat er sich dafür entschieden, nicht an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Zum nächsten Ersten wird er unser Hotel verlassen und in den Vorruhestand gehen. Natürlich respektieren wir diese Entscheidung – auch wenn wir ihn menschlich und fachlich vermissen werden.«
All das hatte Ilka völlig monoton und emotionslos heruntergebetet. Meine Güte, im Vergleich zu ihrer kurzen Ansprache war selbst die telefonische Zeitansage ein echtes Rührstück. »Wie Sie ja alle wissen, leidet die Marketingabteilung, seit Charlotte Sommer ihren Erziehungsurlaub angetreten hat, ohnehin unter einem personellen Engpass. Da alle Werbe- und PR-Maßnahmen unseres Unternehmens, die Häuser in Salzburg und in Hamburg eingeschlossen, weiterhin zentral von hier aus gesteuert werden sollen und das hundertjährige Bestehen des Hotels, das mit erheblicher Mehrarbeit für die Marketingcrew verbunden ist, immer näher rückt, besteht akuter Handlungsbedarf. Um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen, möchten wir aus diesem Grund den Posten des Abteilungsleiters schnellstmöglich neu besetzen.« Bei den letzten Worten blieben ihre Augen auf mir ruhen.
Halt, Moment mal! Das ging mir jetzt ein kleines bisschen zu schnell! In meinem Körper breitete sich ein nervöses Kribbeln aus, und die Gedanken in meinem Kopf purzelten wild durcheinander. Ich rutschte voller Unbehagen auf meinem Stuhl herum. Bei aller Freude – auf einen solchen Karrieresprung war ich nicht vorbereitet. Weder hatte ich eine Flasche Sekt kalt gestellt, noch hatte ich mich besonders in Schale geschmissen. Außerdem hätte ich gerne ein bisschen Zeit gehabt, mir ein paar warme Dankesworte zurechtzulegen.
»Da Sie Norbert ja bereits seit einigen Wochen erfolgreich vertreten, habe ich bei der Neubesetzung seines Postens natürlich sofort an Sie gedacht, Melina.« Ilka machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Aber der erste Gedanke muss nicht zwangsläufig der beste sein.«
Wie bitte? Wie zum Kuckuck sollte ich das denn nun verstehen? Irgendwie hatte ich plötzlich so ein Gefühl, dass ich weder den warmen Sekt noch die warmen Dankesworte brauchen würde.
»Wie lange sind Sie schon bei uns?«
Während ich mich räusperte, rechnete ich im Stillen nach. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass mir im Eifer des Gefechts kein Fehler unterlief, nahm ich unter dem Tisch meine Finger zu Hilfe. »Im Herbst werden es fünf Jahre.«
Ilka nickte mit sorgenvoller Miene. Offenbar hatte ich gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. »Fünf Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Das spricht einerseits für Sie, weil Sie mit unserem Hotel und den Abläufen bestens vertraut sind. Andererseits wird man mit den Jahren bekanntlich ein wenig betriebsblind. Und seien wir doch mal ehrlich: Ein bisschen frischer Wind kann dem alten Kasten hier sicher nicht schaden.« Beifall heischend schaute sie in die Runde. »Ich habe mich deshalb entschieden, einen neuen Mitarbeiter ins Team zu holen, der vorerst gleichberechtigt mit Melina arbeiten wird. Wie heißt es doch so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft.«
Konkurrenz belebt das Geschäft? Ja klar, und den Letzten beißen die Hunde. Heiße Tränen des Zorns und der Enttäuschung schossen mir in die Augen. Schämte die blöde Kuh sich eigentlich gar nicht, mir erst eine Beförderung in Aussicht zu stellen und mich dann mit so einer hohlen Floskel abzuspeisen?!
»In jedem Fall können Sie alle sich von Ihrem neuen Kollegen bestimmt einiges abschauen, denn er ist ein echter Marketingprofi.«
In meinem Inneren brodelte es wie in einem Vulkan. Wenn der Neue von Ilka als Profi bezeichnet wurde, was war ich dann in ihren Augen? Ein Anfänger? Ein Amateur? Eine Niete?
»In ein paar Wochen werden wir dann entscheiden, wer von Ihnen als Marketingleiter das Kommando übernimmt.«
Ich versuchte vergeblich, mit Conrad Blickkontakt aufzunehmen. Ob er von der Entscheidung seiner Tochter gewusst hatte?
Ilka drückte den Knopf der Gegensprechanlage, die vor ihr auf dem Konferenztisch installiert war. »Marianne, schicken Sie doch bitte unseren neuen Kollegen herein.«
»Mensch, das kann die doch nicht machen«, flüsterte Verena neben mir schockiert.
»Du siehst doch, dass sie das kann«, krächzte ich heiser.
Ich versuchte, den schalen Geschmack in meinem Mund mit einem großen Schluck Kaffee hinunterzuspülen. Erfolglos. Denn bevor das schwarze Gebräu die Reise in meinen Magen antreten konnte, betrat der angekündigte Marketingprofi auch schon den Raum. Beim Anblick des neuen Kollegen gefror mir das Blut in den Adern. Und meine Stimmung sank unter den Gefrierpunkt.
Heiliger Strohsack! Ausgerechnet der!!!
Nur widerstrebend riss ich mich von dieser morgendlichen Idylle los, steuerte mein Auto auf den Personalparkplatz und betrat das Hotel. Nach einem kurzen Abstecher in mein Büro marschierte ich kurz vor halb neun pünktlich in den Konferenzraum. Während alle Anwesenden meinen fröhlichen Guten-Morgen-Gruß mehr oder weniger enthusiastisch erwiderten, hob Ilka Wallemrath, die Juniorchefin des Hotels, lediglich kurz den Kopf, nickte mir wortlos zu und vertiefte sich dann wieder in ihre Unterlagen. Ilkas schroffe Art war nun wirklich kein Anlass zur Besorgnis. Im Gegenteil: Alles war wie immer. Zumindest noch ...
Verena, die Leiterin des Empfangs, hatte mir einen Platz neben sich frei gehalten. »So wie du strahlst, brauche ich dich gar nicht zu fragen, ob du ein schönes Wochenende hattest«, stellte sie mit leicht neidischem Unterton fest.
Ich setzte mich und goss mir eine Tasse Kaffee ein. »Ich kann nicht klagen. Und wie war dein Wochenende?«
Bevor Verena antworten konnte, funkte Ilka uns in ihrer gewohnt charmanten Art dazwischen. »Ich unterbreche Ihr kleines Kaffeekränzchen ja nur ungern«, ihr Blick ruhte auf mir wie kalte, nasse Umschläge, »aber sicher macht es Ihnen nichts aus, die Tür zu schließen, die Sie nach dem Betreten des Konferenzraums offen gelassen haben.«
Ich ballte die Faust in der Tasche und schluckte eine bissige Erwiderung, die mir bereits auf der Zunge lag, herunter. Es hatte sowieso keinen Zweck, sich über Ilkas Verhalten aufzuregen oder sich mit ihr anzulegen.
»Na, die ist ja heute wieder in Topform«, flüsterte Verena mir zu, nachdem ich Ilkas Wunsch – oder sollte ich besser Befehl sagen? – nachgekommen war.
»Tja, so kennen wir sie«, antwortete ich lapidar. So leicht würde ich mir von dieser Giftspritze nicht die Laune verderben lassen. Da musste sie schon schwerere Geschütze auffahren. »Aber jetzt erzähl schon«, forderte ich Verena auf. »Was hast du am Wochenende getrieben?«
»Meinen Kindern den Kopf über die Kloschüssel gehalten und Zwiebäcke verteilt.« Verena zog eine Grimasse. »Offenbar grassiert wieder so ein blöder Magen-Darm-Virus. Ich hoffe nur, dass wenigstens ich davon verschont bleibe.«
Das hoffte ich natürlich auch, rückte aber sicherheitshalber mit meinem Stuhl ein paar Zentimeter näher an Werner heran. Der trällerte wie üblich ein Liedchen vor sich hin. Eins musste man unserem singenden Küchenchef lassen: Er war wirklich überaus talentiert! Niemand konnte so knusprige Schweinshaxen zubereiten wie er, doch auf der Tonleiter verunglückte der Arme jedes Mal kläglich.
Während Werner bereits beim Refrain seines Liedes angelangt war, legte Ilka laut raschelnd ihre Unterlagen beiseite und ließ ihren Blick über die anwesenden Mitarbeiter gleiten. »Wie ich sehe, sind wir fast vollzählig. Respekt. Ich bin schwer beeindruckt.« Die Ironie in ihrer Stimme war kaum zu überhören. »Es ist Montag, wir haben schönes Wetter – und trotzdem hat sich niemand krankgemeldet. Vielleicht geht es mit der Arbeitsmoral in diesem Haus ja bergauf. Zu wünschen wäre es. Na, wie dem auch sei: Wir warten noch fünf Minuten, dann fangen wir an.«
Der Einzige, der jetzt noch fehlte, war Ilkas Vater. Der Häuptling. Doch der ließ seine Untertanen noch ein wenig zappeln.
Isabell, unsere Hausdame, vertrieb sich die Wartezeit damit, das Milchkännchen und den Zuckerstreuer in der Mitte des Konferenztisches zu arrangieren. Da diese Aufgabe für einen Profi wie sie schnell erledigt war, machte sie sich anschließend daran, die Stifte ihres Nebenmanns zu sortieren. Der schien davon allerdings überhaupt nichts mitzubekommen. Claus-Dieter pflegte seine Montagmorgen-Depression. Mit sehnsuchtsvollem Blick starrte er aus dem Fenster. Was immer es auch dort zu sehen gab – es war offenbar nicht dazu angetan, seine traurige Buchhalterseele aufzumuntern.
Ich nahm an dieser Elefantenrunde nur vertretungsweise teil. Norbert, der Boss der Marketingabteilung, war ein paar Wochen zuvor auf dem Tennisplatz zusammengebrochen. Bedauerlicherweise hatten ihn nicht die Vorhandgranaten seines Gegners, sondern ein Herzinfarkt zu Boden gestreckt. Nun befand er sich in der Rehaklinik.
»Hast du eigentlich noch mal was von Norbert gehört?«
Als Verena gerade zu einer Antwort ansetzte, schwang die Tür auf und Conrad Wallemrath betrat mit federnden Schritten den Raum. Die Gespräche am Tisch verstummten, und sogar Werner vergaß für einen Moment, vor sich hin zu trällern. Es war wirklich beeindruckend, über was für eine Ausstrahlung unser Boss verfügte. Mit seinem Erscheinen war der Konferenzraum schlagartig auf die Größe einer Besenkammer geschrumpft. Obwohl er weder besonders groß noch besonders stämmig war, schien Conrad jeden Winkel des Zimmers auszufüllen. Wahnsinn, dachte ich wie schon so oft, der Mann hat Energie für zehn! Selbst wenn er nur über das Wetter redete, sprühten seine graublauen Augen Funken. Ich hätte stundenlang einfach nur dasitzen und ihn anschauen können. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zwinkerte Conrad mir in diesem Moment verschmitzt zu. Unversehens begannen meine Wangen zu glühen.
Wer nicht wusste, dass Conrad Wallemrath bereits Ende vierzig war, schätzte ihn locker zehn Jahre jünger. Seine leicht ergrauten Schläfen ließen ihn weder besonders seriös noch lebenserfahren, dafür aber wahnsinnig interessant und sexy aussehen. George Clooney hätte ohne Weiteres sein Bruder sein können. Auch die kleinen Lachfältchen rings um seine Augen brachten Conrad jede Menge Sympathiepunkte ein.
Zusätzlich zu seiner attraktiven Verpackung verfügte unser Boss über eine ganz spezielle Gabe: Wie kaum ein anderer verstand er es, seine Mitmenschen in seinen Bann zu ziehen und für seine Sache zu begeistern. Er war das geborene Alpha-Tier! Wir, sein Rudel, vertrauten ihm blind. Sollte Conrad sich vornehmen, den Mount Everest zu besteigen, würden alle seine Angestellten wie die Lemminge ohne zu zögern hinterhertrippeln – mit Ausnahme seiner Tochter Ilka vielleicht ...
Nachdem Conrad gut gelaunt in die Runde gegrüßt hatte, drückte er seiner Tochter einen Kuss auf die Wange. »Morgen, Schätzchen.«
Ilka war diese vertrauliche Geste sichtlich unangenehm. »Du bist unpünktlich«, wies sie ihren Vater schnippisch zurecht.
»Das tut mir leid.« Conrad spielte den Zerknirschten. »Die S-Bahn hatte Verspätung.«
Nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen. Jeder im Raum wusste, dass Conrad noch nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gekommen war. Wahrscheinlich benutzte er eine Ausrede, mit der Ilka sich in ihrer Sturm- und Drang-Zeit des Öfteren aus der Affäre gezogen hatte.
Leider war es uns nicht vergönnt, das Vater-Tochter-Geplänkel noch ein wenig auszukosten, denn Ilka kam sofort zur Sache: »Da wir ja nun vollzählig sind, können wir jetzt endlich beginnen. Das Wichtigste gleich vorweg. Norbert Rische wird nächste Woche aus der Rehaklinik entlassen. Zum Glück ist er gesundheitlich fast vollständig wiederhergestellt, trotzdem hat er sich dafür entschieden, nicht an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Zum nächsten Ersten wird er unser Hotel verlassen und in den Vorruhestand gehen. Natürlich respektieren wir diese Entscheidung – auch wenn wir ihn menschlich und fachlich vermissen werden.«
All das hatte Ilka völlig monoton und emotionslos heruntergebetet. Meine Güte, im Vergleich zu ihrer kurzen Ansprache war selbst die telefonische Zeitansage ein echtes Rührstück. »Wie Sie ja alle wissen, leidet die Marketingabteilung, seit Charlotte Sommer ihren Erziehungsurlaub angetreten hat, ohnehin unter einem personellen Engpass. Da alle Werbe- und PR-Maßnahmen unseres Unternehmens, die Häuser in Salzburg und in Hamburg eingeschlossen, weiterhin zentral von hier aus gesteuert werden sollen und das hundertjährige Bestehen des Hotels, das mit erheblicher Mehrarbeit für die Marketingcrew verbunden ist, immer näher rückt, besteht akuter Handlungsbedarf. Um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen, möchten wir aus diesem Grund den Posten des Abteilungsleiters schnellstmöglich neu besetzen.« Bei den letzten Worten blieben ihre Augen auf mir ruhen.
Halt, Moment mal! Das ging mir jetzt ein kleines bisschen zu schnell! In meinem Körper breitete sich ein nervöses Kribbeln aus, und die Gedanken in meinem Kopf purzelten wild durcheinander. Ich rutschte voller Unbehagen auf meinem Stuhl herum. Bei aller Freude – auf einen solchen Karrieresprung war ich nicht vorbereitet. Weder hatte ich eine Flasche Sekt kalt gestellt, noch hatte ich mich besonders in Schale geschmissen. Außerdem hätte ich gerne ein bisschen Zeit gehabt, mir ein paar warme Dankesworte zurechtzulegen.
»Da Sie Norbert ja bereits seit einigen Wochen erfolgreich vertreten, habe ich bei der Neubesetzung seines Postens natürlich sofort an Sie gedacht, Melina.« Ilka machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Aber der erste Gedanke muss nicht zwangsläufig der beste sein.«
Wie bitte? Wie zum Kuckuck sollte ich das denn nun verstehen? Irgendwie hatte ich plötzlich so ein Gefühl, dass ich weder den warmen Sekt noch die warmen Dankesworte brauchen würde.
»Wie lange sind Sie schon bei uns?«
Während ich mich räusperte, rechnete ich im Stillen nach. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass mir im Eifer des Gefechts kein Fehler unterlief, nahm ich unter dem Tisch meine Finger zu Hilfe. »Im Herbst werden es fünf Jahre.«
Ilka nickte mit sorgenvoller Miene. Offenbar hatte ich gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. »Fünf Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Das spricht einerseits für Sie, weil Sie mit unserem Hotel und den Abläufen bestens vertraut sind. Andererseits wird man mit den Jahren bekanntlich ein wenig betriebsblind. Und seien wir doch mal ehrlich: Ein bisschen frischer Wind kann dem alten Kasten hier sicher nicht schaden.« Beifall heischend schaute sie in die Runde. »Ich habe mich deshalb entschieden, einen neuen Mitarbeiter ins Team zu holen, der vorerst gleichberechtigt mit Melina arbeiten wird. Wie heißt es doch so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft.«
Konkurrenz belebt das Geschäft? Ja klar, und den Letzten beißen die Hunde. Heiße Tränen des Zorns und der Enttäuschung schossen mir in die Augen. Schämte die blöde Kuh sich eigentlich gar nicht, mir erst eine Beförderung in Aussicht zu stellen und mich dann mit so einer hohlen Floskel abzuspeisen?!
»In jedem Fall können Sie alle sich von Ihrem neuen Kollegen bestimmt einiges abschauen, denn er ist ein echter Marketingprofi.«
In meinem Inneren brodelte es wie in einem Vulkan. Wenn der Neue von Ilka als Profi bezeichnet wurde, was war ich dann in ihren Augen? Ein Anfänger? Ein Amateur? Eine Niete?
»In ein paar Wochen werden wir dann entscheiden, wer von Ihnen als Marketingleiter das Kommando übernimmt.«
Ich versuchte vergeblich, mit Conrad Blickkontakt aufzunehmen. Ob er von der Entscheidung seiner Tochter gewusst hatte?
Ilka drückte den Knopf der Gegensprechanlage, die vor ihr auf dem Konferenztisch installiert war. »Marianne, schicken Sie doch bitte unseren neuen Kollegen herein.«
»Mensch, das kann die doch nicht machen«, flüsterte Verena neben mir schockiert.
»Du siehst doch, dass sie das kann«, krächzte ich heiser.
Ich versuchte, den schalen Geschmack in meinem Mund mit einem großen Schluck Kaffee hinunterzuspülen. Erfolglos. Denn bevor das schwarze Gebräu die Reise in meinen Magen antreten konnte, betrat der angekündigte Marketingprofi auch schon den Raum. Beim Anblick des neuen Kollegen gefror mir das Blut in den Adern. Und meine Stimmung sank unter den Gefrierpunkt.
Heiliger Strohsack! Ausgerechnet der!!!
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Autoren-Porträt von Michaela Thewes
Michaela Thewes, geboren 1972, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Söhnen bei Düsseldorf. Nach verschiedenen Tätigkeiten in der Verlags- und Werbebranche ist die gelernte Verlagsbuchhändlerin seit mehreren Jahren selbstständig. Sie arbeitet als freie Werbetexterin und Autorin sowie als Kolumnistin für eine Frauenzeitschrift. Mehr Infos unter: www.michaela-thewes.de
Bibliographische Angaben
- Autor: Michaela Thewes
- 2013, 290 Seiten, Deutsch
- Verlag: Weltbild Deutschland
- ISBN-10: 3955692159
- ISBN-13: 9783955692155
- Erscheinungsdatum: 22.10.2013
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 1.19 MB
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