Vampire Academy, Blutsschwestern
Zum Kinofilm: Der Auftakt der genialen Vampirserie von Richelle Mead.
Die Vampire Academy ist eine Schule für junge Vampire und ihre Beschützer. Auch die siebzehnjährige Rose - halb Mensch, halb Vampir - wird hier zur...
Die Vampire Academy ist eine Schule für junge Vampire und ihre Beschützer. Auch die siebzehnjährige Rose - halb Mensch, halb Vampir - wird hier zur...
Leider schon ausverkauft
Buch
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Vampire Academy, Blutsschwestern “
Zum Kinofilm: Der Auftakt der genialen Vampirserie von Richelle Mead.
Die Vampire Academy ist eine Schule für junge Vampire und ihre Beschützer. Auch die siebzehnjährige Rose - halb Mensch, halb Vampir - wird hier zur Wächterin ausgebildet. Sie hofft, eines Tages ihrer besten Freundin Lissa zur Seite stehen zu können, der letzten Überlebenden der Vampirfamilie Dragomir. Doch schneller als erwartet muss Rose ihrer Freundin helfen: Irgendjemand scheint es auf Lissas Leben abgesehen zu haben. Der Einzige, dem sich Rose anvertrauen kann, ist der gut aussehende Wächter Dimitri, der ihr Nachhilfestunden geben soll.
Die Vampire Academy ist eine Schule für junge Vampire und ihre Beschützer. Auch die siebzehnjährige Rose - halb Mensch, halb Vampir - wird hier zur Wächterin ausgebildet. Sie hofft, eines Tages ihrer besten Freundin Lissa zur Seite stehen zu können, der letzten Überlebenden der Vampirfamilie Dragomir. Doch schneller als erwartet muss Rose ihrer Freundin helfen: Irgendjemand scheint es auf Lissas Leben abgesehen zu haben. Der Einzige, dem sich Rose anvertrauen kann, ist der gut aussehende Wächter Dimitri, der ihr Nachhilfestunden geben soll.
Klappentext zu „Vampire Academy, Blutsschwestern “
St. Vladimir's ist eine Schule für junge Vampire. Auch Rose Hathaway - halb Mensch, halb Vampirin - wird hier zur Wächterin ausgebildet. Sie hofft, eines Tages ihrer besten Freundin Lissa zur Seiten zu stehen, der letzten Überlebenden der Vampirfamilie Dragomir. Da kommt es zu einer Reihe merkwürdiger Vorfälle. Irgendjemand scheint es auf Lissas Leben abgesehen zu haben. Der Einzige, dem sich Rose anvertrauen kann, ist der attraktive Wächter Dimitri ...
Lese-Probe zu „Vampire Academy, Blutsschwestern “
Vampire Academy - Blutsschwestern von Richelle Mead1
... mehr
Ich spürte ihre Angst, noch bevor ich ihre Schreie hörte.
Ihr Albtraum drängte mit Macht in mein Bewusstsein und riss mich aus meinem eigenen Traum, der etwas mit einem Strand und irgendeinem heißen Typen zu tun hatte, der mich gerade mit Sonnenöl einrieb. Was sie in ihrer düsteren Fantasie da erlebte, erlebte auch ich: Feuer und Blut, der Geruch von Rauch, das verbogene Metall eines Wagens. Die Bilder nahmen mich gefangen, erstickten mich, bis mir mein Verstand zu Hilfe kam und mich daran erinnerte, dass dies doch gar nicht mein Traum war.
Als ich endlich aufwachte, klebte mir das lange dunkle Haar in Strähnen an der Stirn.
Lissa lag in ihrem Bett und schlug schreiend um sich. Ich sprang auf und eilte zu ihr.
»Liss«, sagte ich, während ich sie schüttelte, »Liss, wach auf.«
Sie hörte auf zu schreien und wimmerte leise. »Andre«, stöhnte sie. »Oh Gott.«
Ich half ihr, sich aufzurichten. »Liss, du bist nicht mehr dort. Wach auf.«
Nach einigen Sekunden öffnete sie mit flatternden Lidern die Augen, und in dem fahlen Licht konnte ich sehen, dass sie langsam wieder zu Bewusstsein kam. Ihre hektischen Atemzüge wurden langsamer, sie lehnte sich an mich und legte mir den Kopf auf die Schulter. Ich nahm sie in den Arm und strich ihr übers Haar.
»Es ist alles gut«, sagte ich sanft. »Alles ist in Ordnung.«
Ich hatte wieder diesen Traum.«
»Ja. Ich weiß.«
Dann saßen wir minutenlang da und schwiegen. Als ich spürte, dass sie sich etwas beruhigt hatte, beugte ich mich über den Nachttisch, der zwischen unseren Betten stand, und schaltete die Lampe ein. Sie leuchtete nur schwach, denn keine von uns beiden brauchte viel Licht, um zu sehen. Aber es reichte doch, um Oscar, den Kater unseres Mitbewohners, auf den Sims des offenen Fensters zu locken.
Um mich machte er einen großen Bogen - Tiere mögen keine Dhampire, aus welchem Grund auch immer -, sprang aufs Bett und rieb den Kopf leise schnurrend an Lissa. Mit Moroi hatten Tiere kein Problem, sie alle liebten Lissa ganz besonders. Lächelnd kraulte sie ihn unterm Kinn, und ich spürte, dass sie noch ruhiger wurde.
»Wann habe ich dich das letzte Mal trinken lassen?«, fragte ich, während ich ihr Gesicht betrachtete. Ihre helle Haut wirkte noch bleicher als sonst. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte irgendwie zerbrechlich. In der Schule war es diese Woche ziemlich hektisch zugegangen, also konnte ich mich nicht daran erinnern, wann ich ihr das letzte Mal Blut gegeben hatte. »Es ist, hm ... mehr als zwei Tage her, nicht wahr? Drei vielleicht? Warum hast du nichts gesagt?«
Sie zuckte die Achseln und vermied es, mir in die Augen zu sehen. »Du hattest viel zu tun. Ich wollte nicht ...«
»Zum Teufel damit«, sagte ich und suchte mir einen besseren Platz. Kein Wunder, dass sie so schwach wirkte. Oscar, der mich nicht in seiner Nähe haben wollte, sprang vom Bett und kehrte zum Fenster zurück, wo er das Geschehen aus sicherem Abstand beobachten konnte. »Komm. Lass es uns tun.«
»Rose ...«
»Komm schon. Danach wird es dir besser gehen.«
Ich neigte den Kopf zur Seite und warf das Haar so zurück, dass mein Hals entblößt war. Zwar sah ich sie erst zögern, aber der Anblick meines Halses und die Verheißung dessen, was er bot, erwiesen sich dann doch als zu mächtig. Ein hungriger Ausdruck trat auf ihr Gesicht, und ihre Lippen teilten sich leicht, sodass die Reißzähne zum Vorschein kamen, die sie sonst verborgen hielt, wenn sie unter Menschen war. Diese Reißzähne stellten einen seltsamen Gegensatz zu ihrer übrigen Erscheinung dar. Mit ihrem hübschen Gesicht und dem hellblonden Haar ähnelte sie mehr einem Engel als einem Vampir.
Als sich ihre Zähne meiner nackten Haut näherten, begann mein Herz aus Furcht und Vorfreude zu rasen. Letzteres hasste ich zwar jedes Mal, aber es war doch etwas, das ich nicht verhindern konnte, eine Schwäche, die nicht abzuschütteln war.
Ihre Reißzähne gruben sich hart in mein Fleisch, und bei dem kurzen Aufflackern von Schmerz schrie ich auf. Dann verebbte der Schmerz, und an seine Stelle trat eine wunderbare goldene Glückseligkeit, die sich in meinem Körper ausbreitete. Dies war besser als jede Erfahrung, die ich mit Alkohol oder Drogen gemacht hatte. Besser auch als Sex - zumindest stellte ich mir das vor, denn wissen konnte ich es noch nicht. Es war wie eine Hülle reiner vergeistigter Wonne, die mich umfing und mir versprach, dass alles auf der Welt gut werden würde. Die Substanzen in ihrem Speichel hatten in meinem Körper einen jähen Ausstoß von Endorphinen ausgelöst, und ich verlor das Gefühl für die Welt, verlor sogar das Gefühl dafür, wer ich war.
Leider war dieser Zustand schnell vorüber. Es hatte nur weniger als eine Minute gedauert.
Sie rückte von mir ab und wischte sich mit der Hand über die Lippen, während sie mich betrachtete. »Bist du okay?«
»Ich ... ja.« Ich legte mich aufs Bett, denn mir war von dem Blutverlust schwindelig geworden. »Ich muss nur etwas schlafen. Mir geht es gut.«
In ihren hellen jadegrünen Augen war Sorge zu lesen. Dann erhob sie sich. »Ich werde dir etwas zu essen holen.«
Mein Protest wollte mir irgendwie nicht recht über die Lippen kommen, und sie ging, bevor ich auch nur einen Satz herausbringen konnte. Ein wenig von dem Glücksgefühl des Bisses war in meinen Adern zurückgeblieben, auch nachdem die Verbindung abgebrochen worden war. Ich spürte, wie sich meine Lippen zu einem einfältigen Lächeln verzogen. Ich drehte den Kopf und schaute zu Oscar hinauf, der immer noch am Fenster saß.
»Du hast ja keine Ahnung, was du versäumst«, bemerkte ich.
Seine Aufmerksamkeit war auf irgendetwas dort draußen gerichtet. Er nahm Habtachtstellung ein und sträubte sein tiefschwarzes Fell. Sein Schwanz zuckte.
Mein Lächeln erlosch, ich richtete mich auf. Die Welt drehte sich, also wartete ich, bis sie wieder stillstand, bevor ich aufzustehen versuchte. Als es mir gelang, wurde mir abermals schwindelig, und diesmal wollte der Schwindel nicht vergehen. Trotzdem fühlte ich mich gut genug, um zum Fenster zu stolpern und mit Oscar hinauszublicken. Er beäugte mich wachsam, rückte ein wenig zur Seite und wandte sich wieder dem zu, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Als ich mich hinauslehnte, fuhr mir eine warme Brise - untypisch warm für einen Herbst in Portland - durchs Haar. Die Straße war dunkel und eher ruhig. Es war drei Uhr morgens, die einzige Tageszeit, zu der es auf einem College-Campus etwas ruhiger zuging. Das Haus, in dem wir seit acht Monaten ein Zimmer gemietet hatten, lag in einer Wohnstraße mit alten Häusern verschiedener Stilrichtungen. Auf der anderen Straßenseite flackerte eine Laterne, als wolle sie gleich erlöschen. Trotzdem warf sie noch genug Licht, um die Umrisse von Autos und Gebäuden erkennen zu lassen. In unserem eigenen Innenhof konnte ich die Silhouetten von Bäumen und Büschen sehen.
Ein Mann beobachtete mich.
Überrascht sprang ich zurück. Er stand neben einem Baum im Hof, etwa zehn Meter entfernt an einer Stelle, von der aus er mühelos ins Fenster schauen konnte. Er war so nah, dass ich ihn wahrscheinlich mit irgendeinem Wurfgeschoss hätte treffen können. Gewiss war er nah genug, um gesehen zu haben, was Lissa und ich gerade getan hatten.
Die Schatten hüllten ihn so gut ein, dass ich nicht einmal mit meiner guten Nachtsicht seine Züge ausmachen konnte. Ich sah nur, dass er groß war. Wirklich groß. Er stand bloß einen Augenblick da, kaum wahrnehmbar, dann trat er zurück und verschwand im Schatten, den die Bäume auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes warfen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich noch eine weitere Person sah, die sich zu ihm gesellte, bevor die Schwärze sie beide verschluckte.
Wer auch immer diese Personen waren, Oscar mochte sie nicht. Abgesehen von mir kam er im Allgemeinen mit den meisten Menschen gut aus und regte sich nur dann auf, wenn jemand eine unmittelbare Gefahr darstellte. Der Typ dort draußen hatte Oscar in keiner Weise bedroht, aber der Kater hatte etwas gespürt, etwas, das ihn in Alarmbereitschaft versetzte.
Etwas, das dem ähnelte, was er stets bei mir spürte.
Eisige Furcht durchzuckte mich und löschte beinahe - aber nicht ganz - die herrliche Wonne von Lissas Biss aus. Ich trat vom Fenster zurück und sprang in eine Jeans, die ich auf dem Boden fand, wobei ich beinahe umfiel. Sobald ich die Hose anhatte, schnappte ich mir meinen und Lissas Mantel sowie unsere Brieftaschen. Ich stieß die Füße in die erstbesten Schuhe, die ich sah, und lief zur Tür hinaus.
Ich fand sie unten in der kleinen Küche, wo sie im Kühlschrank stöberte. Jeremy, einer unserer Mitbewohner, saß, die Stirn in eine Hand gestützt, am Tisch und blickte bekümmert in ein Lehrbuch über Infinitesimalrechnung. Lissa sah mich überrascht an.
»Du solltest noch nicht aufstehen.«
»Wir müssen gehen. Sofort.«
Ihre Augen weiteten sich, und einen Moment später dämmerte es ihr. »Bist du ... wirklich? Bist du dir sicher?«
Ich nickte. Ich konnte nicht erklären, warum ich es mit Sicherheit wusste. Ich tat es einfach.
Jeremy beobachtete uns neugierig. »Was ist los?«
Mir kam eine Idee. »Liss, hol seine Autoschlüssel.«
Er blickte zwischen uns hin und her. »Was habt ihr ...«
Lissa ging, ohne zu zögern, auf ihn zu. Ich spürte ihre Furcht durch unser mentales Band, aber auch noch etwas anderes: ihr absolutes Vertrauen darauf, dass ich mich um alles kümmern würde - und wir in Sicherheit wären. Wie immer hoffte ich, dass ich mich eines solchen Vertrauens auch würdig erwiese.
Sie lächelte breit und sah ihm in die Augen. Einen Moment lang starrte Jimmy sie nur an, immer noch verwirrt, dann aber sah ich, wie er in ihren Bann geriet. Seine Augen wurden glasig, er betrachtete sie voller Bewunderung.
»Wir müssen uns deinen Wagen leihen«, sagte sie sanft. »Wo sind deine Schlüssel?«
Er lächelte, und ich schauderte. Ich besaß eine hohe Widerstandskraft gegen diese Art von Zwang, aber ich konnte seine Wirkung trotzdem spüren, wenn er sich auf eine andere Person richtete. Außerdem hatte man mich mein Leben lang gelehrt, dass es falsch war, ihn anzuwenden. Jetzt griff Jeremy wie hypnotisiert in seine Tasche und reichte Lissa ein paar Schlüssel,
die an einem langen roten Band hingen.
»Danke«, sagte Lissa. »Und wo hast du ihn geparkt?«
»Die Straße runter«, antwortete er träumerisch. »An der Ecke. Bei Brown.« Also vier Häuserblocks entfernt.
»Danke«, wiederholte sie und richtete sich auf. »Sobald wir weg sind, möchte ich, dass du weiterlernst. Vergiss, dass du uns heute Nacht überhaupt gesehen hast.«
Entgegenkommend nickte er. Ich gewann den Eindruck, dass er, wenn Lissa darum gebeten hätte, auf der Stelle für sie von einer Klippe gesprungen wäre. Alle Menschen waren für den Zwang empfänglich, aber Jeremy schien mir schwächer zu sein als die meisten. Das war im Augenblick sehr praktisch.
»Komm«, sagte ich zu ihr. »Wir müssen los.«
Wir traten nach draußen und gingen auf die Ecke zu, die er uns genannt hatte. Mir war noch immer schwindelig von dem Biss, und ich stolperte wieder und wieder, außerstande, mich so schnell zu bewegen, wie ich eigentlich wollte. Lissa musste mich einige Male festhalten, damit ich nicht hinfiel. Die ganze Zeit über strömte diese Angst aus ihrem Geist in meinen. Ich tat mein Bestes, sie zu ignorieren; schließlich hatte ich meine eigenen Ängste, mit denen ich fertig werden musste.
»Rose ... was werden wir tun, wenn sie uns fangen?«, flüsterte sie.
»Das werden sie nicht«, erwiderte ich grimmig. »Ich werde es nicht zulassen.«
»Aber wenn sie uns gefunden haben ...«
»Sie haben uns schon früher gefunden. Und da haben sie uns auch nicht gefangen. Wir werden einfach zum Bahnhof fahren und in einen Zug nach L. A. steigen. Sie werden unsere Spur verlieren.«
Ich ließ es einfach klingen. Das tat ich immer, obwohl es nicht einfach war, auf der Flucht vor den Menschen zu sein, mit denen wir aufgewachsen waren. Wir taten dies nun schon seit zwei Jahren, versteckten uns, wo immer wir konnten, und versuchten einfach, die Highschool zu beenden. Unser letztes Jahr hatte soeben begonnen, und das Leben auf einem College-Campus war mir recht sicher erschienen. Wir waren der Freiheit so nah.
Sie sagte sonst nichts mehr, und ich spürte, wie ihr Vertrauen in mich abermals aufwallte. So war es immer zwischen uns gewesen. Ich war diejenige, die die Initiative ergriff, die dafür sorgte, dass Dinge geschahen - und manchmal war ich dabei auch ziemlich verwegen. Sie war die Vernünftigere von uns, diejenige, die alles durchdachte und bis ins kleinste Detail erforschte, bevor sie handelte. Beide Vorgehensweisen hatten zwar ihren Nutzen, aber im Augenblick war Verwegenheit vonnöten. Wir hatten keine Zeit zu verschwenden.
Lissa und ich waren seit dem Kindergarten beste Freundinnen gewesen, als unsere Lehrerin uns für den Schreibunterricht zu einem Team erklärt hatte. Es war mehr als grausam gewesen, Fünfjährige zu zwingen, Vasilisa Dragomir und Rosemarie Hathaway zu buchstabieren, und wir - oder vielmehr ich - hatten entsprechend reagiert. Ich hatte unserer Lehrerin mein Buch an den Kopf geworfen und sie einen faschistischen Bastard genannt. Ich hatte zwar keine Ahnung gehabt, was diese Worte bedeuteten, aber dafür hatte ich gewusst, wie man ein bewegliches Ziel trifft.
Seit jener Zeit waren Lissa und ich unzertrennlich.
»Hast du das gehört?«, fragte sie plötzlich.
Ich brauchte einige Sekunden, um wahrzunehmen, was ihren schärferen Sinnen bereits aufgefallen war. Schritte, die sich schnell bewegten. Ich verzog das Gesicht. Wir hatten noch mehr als zwei Häuserblocks vor uns.
»Wir müssen rennen«, sagte ich und fasste sie am Arm.
»Aber du kannst nicht ...«
»Lauf.«
Es kostete mich jede Unze meiner Willenskraft, auf dem Gehweg nicht ohnmächtig zu werden. Mein Körper wollte nicht rennen, nachdem er Blut verloren hatte oder während er noch immer die Reste ihres Speichels in seinem Stoffwechsel verarbeitete. Aber ich befahl meinen Muskeln, endlich mit dem Gezicke aufzuhören, und klammerte mich an Lissa, während unsere Füße über den Beton jagten. Normalerweise hätte ich ohne besondere Mühe schneller laufen können als sie - vor allem, da sie barfuß war. Aber heute Nacht war sie alles, was mich aufrecht hielt.
Die Schritte unserer Verfolger wurden lauter, kamen näher. Schwarze Sterne tanzten mir vor den Augen. Vor uns konnte ich Jeremys grünen Honda erkennen. Oh Gott, wenn wir es doch nur schafften ...
Etwa drei Meter von dem Wagen entfernt vertrat uns ein Mann den Weg. Schlitternd kamen wir zum Stehen, ich riss Lissa am Arm zurück. Er war es, der Mann, den ich auf der anderen Straßenseite gesehen hatte, wie er uns beobachtete. Er war älter als wir, vielleicht Mitte zwanzig, und so groß, wie ich geschätzt hatte, wahrscheinlich etwa zwei Meter. Unter anderen Umständen - sagen wir, wenn er nicht gerade unseren verzweifelten Fluchtversuch gestoppt hätte - hätte ich ihn für ziemlich heiß gehalten. Schulterlanges, braunes Haar, das er sich zu einem kurzen Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. Dunkelbraune Augen. Ein langer, brauner Mantel - Staubmantel nannte man das wohl.
Aber wie heiß er auch sein mochte, das spielte im Augenblick keine Rolle. Er war nur ein Hindernis, das Lissa und mich von dem Wagen und unserer Freiheit trennte. Die Schritte hinter uns wurden langsamer, und ich wusste, dass unsere Verfolger uns eingeholt hatten. Links und rechts nahm ich weitere Bewegungen wahr, noch mehr Personen, die uns umzingelten. Gott. Sie hatten fast ein Dutzend Wächter ausgeschickt, um uns zurückzuholen. Ich konnte es nicht glauben. Nicht einmal die Königin selbst reiste mit so vielen Beschützern.
Von Panik ergriffen und nicht ganz Herr meines Verstandes, handelte ich aus dem Instinkt heraus. Ich schloss zu Lissa auf und hielt sie hinter mir und weg von dem Mann, der der Anführer zu sein schien.
»Lassen Sie sie in Ruhe«, knurrte ich. »Fassen Sie sie nicht an.«
Seine Miene war undeutbar, aber er streckte die Hände aus; offenbar sollte die Geste irgendwie beruhigend wirken, als wäre ich ein tollwütiges Tier, das er zu betäuben plante.
»Ich werde nicht ...«
Er kam einen Schritt näher. Zu nah.
Ich griff ihn an und sprang zu einem offensiven Manöver los, das ich seit zwei Jahren nicht mehr angewendet hatte, nicht seit Lissa und ich weggelaufen waren. Dieser Schachzug war töricht, noch so eine aus Instinkt und Furcht geborene Reaktion. Und es war hoffnungslos. Der Mann war ein Wächter, kein Novize, der seine Ausbildung noch nicht beendet hatte. Außerdem war er auch nicht schwach und stand kurz vor einer Ohnmacht.
Mann, und er war schnell. Ich hatte vergessen, wie schnell Wächter sein konnten, dass sie sich bewegen und zuschlagen konnten wie Kobras. Er wehrte mich ab, als verscheuchte er eine Fliege, und seine Hände krachten in meinen Körper und ließen mich nach hinten kippen. Ich glaube gar nicht, dass er vorhatte, so fest zuzuschlagen - wahrscheinlich wollte er mich nur abwehren -, aber meine mangelhafte Körperbeherrschung beeinträchtigte meine Reaktionsfähigkeit. Außerstande, wieder Halt zu finden, klappte ich zusammen und steuerte geradewegs und mit der Hüfte voraus auf den Gehsteig zu. Es würde wehtun. Sehr.
Nur dass es nicht so kam.
Genauso schnell, wie er mich abgewehrt hatte, streckte der Mann eine Hand aus, bekam meinen Arm zu fassen und hielt mich aufrecht. Als ich das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, bemerkte ich, dass er mich anstarrte - oder genauer: meinen Hals. Noch immer orientierungslos, verstand ich es nicht sofort. Dann griff ich mir langsam mit der freien Hand an die Kehle und berührte vorsichtig die Wunde, die Lissa zuvor in mein Fleisch gebohrt hatte. Als ich die Finger wieder zurückzog, sah ich klebriges, dunkles Blut auf meiner Haut. Verlegen schüttelte ich mein Haar, sodass es mir ums Gesicht fiel. Mein Haar war dick und lang und bedeckte den Nacken und die Seiten des Halses zur Gänze. Aus eben diesem Grund hatte ich es wachsen lassen.
Der Mann ließ den Blick seiner dunklen Augen noch einen Moment lang auf der inzwischen verdeckten Bisswunde ruhen, dann sah er mich an. Ich erwiderte seinen Blick voller Trotz und riss mich schnell von ihm los. Er hielt mich auch nicht fest, obwohl ich wusste, dass er das die ganze Nacht über hätte tun können, wenn er es denn gewollt hätte. Mühsam kämpfte ich gegen Übelkeit und Schwindel, tappte ein paar Schritte zurück, bis ich wieder bei Lissa stand, und wappnete mich gegen einen neuerlichen Angriff. Plötzlich ergriff sie meine Hand. »Rose«, sagte sie leise. »Nicht.«
Ihre Worte hatten zuerst keine Wirkung auf mich, allmählich aber flossen beruhigende Gedanken in meinen Geist, Gedanken, die über unser gemeinsames Band kamen. Es war nicht direkt der Zwang - den würde sie bei mir nicht anwenden -, aber es erfüllte seinen Zweck, ebenso wie die Tatsache, dass wir hoffnungslos in der Minderzahl waren und unsere Angreifer in einer ganz anderen Liga spielten als wir. Selbst ich wusste, dass Gegenwehr zwecklos sein würde. Die Anspannung wich aus meinem Körper, ich sackte geschlagen zusammen.
Der Mann, der meine Resignation spürte, trat vor und richtete seine Aufmerksamkeit auf Lissa. Sein Gesicht blieb vollkommen ruhig. Er verbeugte sich vor ihr und brachte es fertig, dabei ausgesprochen elegant zu wirken, was mich angesichts seiner Größe überraschte. »Mein Name ist Dimitri Belikov«, sagte er. Ich konnte einen schwachen russischen Akzent erkennen. »Ich bin hier, um Sie in die St.-Vladimir-Akademie zurückzubringen, Prinzessin.«
Übersetzung: Michaela Link
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Ich spürte ihre Angst, noch bevor ich ihre Schreie hörte.
Ihr Albtraum drängte mit Macht in mein Bewusstsein und riss mich aus meinem eigenen Traum, der etwas mit einem Strand und irgendeinem heißen Typen zu tun hatte, der mich gerade mit Sonnenöl einrieb. Was sie in ihrer düsteren Fantasie da erlebte, erlebte auch ich: Feuer und Blut, der Geruch von Rauch, das verbogene Metall eines Wagens. Die Bilder nahmen mich gefangen, erstickten mich, bis mir mein Verstand zu Hilfe kam und mich daran erinnerte, dass dies doch gar nicht mein Traum war.
Als ich endlich aufwachte, klebte mir das lange dunkle Haar in Strähnen an der Stirn.
Lissa lag in ihrem Bett und schlug schreiend um sich. Ich sprang auf und eilte zu ihr.
»Liss«, sagte ich, während ich sie schüttelte, »Liss, wach auf.«
Sie hörte auf zu schreien und wimmerte leise. »Andre«, stöhnte sie. »Oh Gott.«
Ich half ihr, sich aufzurichten. »Liss, du bist nicht mehr dort. Wach auf.«
Nach einigen Sekunden öffnete sie mit flatternden Lidern die Augen, und in dem fahlen Licht konnte ich sehen, dass sie langsam wieder zu Bewusstsein kam. Ihre hektischen Atemzüge wurden langsamer, sie lehnte sich an mich und legte mir den Kopf auf die Schulter. Ich nahm sie in den Arm und strich ihr übers Haar.
»Es ist alles gut«, sagte ich sanft. »Alles ist in Ordnung.«
Ich hatte wieder diesen Traum.«
»Ja. Ich weiß.«
Dann saßen wir minutenlang da und schwiegen. Als ich spürte, dass sie sich etwas beruhigt hatte, beugte ich mich über den Nachttisch, der zwischen unseren Betten stand, und schaltete die Lampe ein. Sie leuchtete nur schwach, denn keine von uns beiden brauchte viel Licht, um zu sehen. Aber es reichte doch, um Oscar, den Kater unseres Mitbewohners, auf den Sims des offenen Fensters zu locken.
Um mich machte er einen großen Bogen - Tiere mögen keine Dhampire, aus welchem Grund auch immer -, sprang aufs Bett und rieb den Kopf leise schnurrend an Lissa. Mit Moroi hatten Tiere kein Problem, sie alle liebten Lissa ganz besonders. Lächelnd kraulte sie ihn unterm Kinn, und ich spürte, dass sie noch ruhiger wurde.
»Wann habe ich dich das letzte Mal trinken lassen?«, fragte ich, während ich ihr Gesicht betrachtete. Ihre helle Haut wirkte noch bleicher als sonst. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte irgendwie zerbrechlich. In der Schule war es diese Woche ziemlich hektisch zugegangen, also konnte ich mich nicht daran erinnern, wann ich ihr das letzte Mal Blut gegeben hatte. »Es ist, hm ... mehr als zwei Tage her, nicht wahr? Drei vielleicht? Warum hast du nichts gesagt?«
Sie zuckte die Achseln und vermied es, mir in die Augen zu sehen. »Du hattest viel zu tun. Ich wollte nicht ...«
»Zum Teufel damit«, sagte ich und suchte mir einen besseren Platz. Kein Wunder, dass sie so schwach wirkte. Oscar, der mich nicht in seiner Nähe haben wollte, sprang vom Bett und kehrte zum Fenster zurück, wo er das Geschehen aus sicherem Abstand beobachten konnte. »Komm. Lass es uns tun.«
»Rose ...«
»Komm schon. Danach wird es dir besser gehen.«
Ich neigte den Kopf zur Seite und warf das Haar so zurück, dass mein Hals entblößt war. Zwar sah ich sie erst zögern, aber der Anblick meines Halses und die Verheißung dessen, was er bot, erwiesen sich dann doch als zu mächtig. Ein hungriger Ausdruck trat auf ihr Gesicht, und ihre Lippen teilten sich leicht, sodass die Reißzähne zum Vorschein kamen, die sie sonst verborgen hielt, wenn sie unter Menschen war. Diese Reißzähne stellten einen seltsamen Gegensatz zu ihrer übrigen Erscheinung dar. Mit ihrem hübschen Gesicht und dem hellblonden Haar ähnelte sie mehr einem Engel als einem Vampir.
Als sich ihre Zähne meiner nackten Haut näherten, begann mein Herz aus Furcht und Vorfreude zu rasen. Letzteres hasste ich zwar jedes Mal, aber es war doch etwas, das ich nicht verhindern konnte, eine Schwäche, die nicht abzuschütteln war.
Ihre Reißzähne gruben sich hart in mein Fleisch, und bei dem kurzen Aufflackern von Schmerz schrie ich auf. Dann verebbte der Schmerz, und an seine Stelle trat eine wunderbare goldene Glückseligkeit, die sich in meinem Körper ausbreitete. Dies war besser als jede Erfahrung, die ich mit Alkohol oder Drogen gemacht hatte. Besser auch als Sex - zumindest stellte ich mir das vor, denn wissen konnte ich es noch nicht. Es war wie eine Hülle reiner vergeistigter Wonne, die mich umfing und mir versprach, dass alles auf der Welt gut werden würde. Die Substanzen in ihrem Speichel hatten in meinem Körper einen jähen Ausstoß von Endorphinen ausgelöst, und ich verlor das Gefühl für die Welt, verlor sogar das Gefühl dafür, wer ich war.
Leider war dieser Zustand schnell vorüber. Es hatte nur weniger als eine Minute gedauert.
Sie rückte von mir ab und wischte sich mit der Hand über die Lippen, während sie mich betrachtete. »Bist du okay?«
»Ich ... ja.« Ich legte mich aufs Bett, denn mir war von dem Blutverlust schwindelig geworden. »Ich muss nur etwas schlafen. Mir geht es gut.«
In ihren hellen jadegrünen Augen war Sorge zu lesen. Dann erhob sie sich. »Ich werde dir etwas zu essen holen.«
Mein Protest wollte mir irgendwie nicht recht über die Lippen kommen, und sie ging, bevor ich auch nur einen Satz herausbringen konnte. Ein wenig von dem Glücksgefühl des Bisses war in meinen Adern zurückgeblieben, auch nachdem die Verbindung abgebrochen worden war. Ich spürte, wie sich meine Lippen zu einem einfältigen Lächeln verzogen. Ich drehte den Kopf und schaute zu Oscar hinauf, der immer noch am Fenster saß.
»Du hast ja keine Ahnung, was du versäumst«, bemerkte ich.
Seine Aufmerksamkeit war auf irgendetwas dort draußen gerichtet. Er nahm Habtachtstellung ein und sträubte sein tiefschwarzes Fell. Sein Schwanz zuckte.
Mein Lächeln erlosch, ich richtete mich auf. Die Welt drehte sich, also wartete ich, bis sie wieder stillstand, bevor ich aufzustehen versuchte. Als es mir gelang, wurde mir abermals schwindelig, und diesmal wollte der Schwindel nicht vergehen. Trotzdem fühlte ich mich gut genug, um zum Fenster zu stolpern und mit Oscar hinauszublicken. Er beäugte mich wachsam, rückte ein wenig zur Seite und wandte sich wieder dem zu, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Als ich mich hinauslehnte, fuhr mir eine warme Brise - untypisch warm für einen Herbst in Portland - durchs Haar. Die Straße war dunkel und eher ruhig. Es war drei Uhr morgens, die einzige Tageszeit, zu der es auf einem College-Campus etwas ruhiger zuging. Das Haus, in dem wir seit acht Monaten ein Zimmer gemietet hatten, lag in einer Wohnstraße mit alten Häusern verschiedener Stilrichtungen. Auf der anderen Straßenseite flackerte eine Laterne, als wolle sie gleich erlöschen. Trotzdem warf sie noch genug Licht, um die Umrisse von Autos und Gebäuden erkennen zu lassen. In unserem eigenen Innenhof konnte ich die Silhouetten von Bäumen und Büschen sehen.
Ein Mann beobachtete mich.
Überrascht sprang ich zurück. Er stand neben einem Baum im Hof, etwa zehn Meter entfernt an einer Stelle, von der aus er mühelos ins Fenster schauen konnte. Er war so nah, dass ich ihn wahrscheinlich mit irgendeinem Wurfgeschoss hätte treffen können. Gewiss war er nah genug, um gesehen zu haben, was Lissa und ich gerade getan hatten.
Die Schatten hüllten ihn so gut ein, dass ich nicht einmal mit meiner guten Nachtsicht seine Züge ausmachen konnte. Ich sah nur, dass er groß war. Wirklich groß. Er stand bloß einen Augenblick da, kaum wahrnehmbar, dann trat er zurück und verschwand im Schatten, den die Bäume auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes warfen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich noch eine weitere Person sah, die sich zu ihm gesellte, bevor die Schwärze sie beide verschluckte.
Wer auch immer diese Personen waren, Oscar mochte sie nicht. Abgesehen von mir kam er im Allgemeinen mit den meisten Menschen gut aus und regte sich nur dann auf, wenn jemand eine unmittelbare Gefahr darstellte. Der Typ dort draußen hatte Oscar in keiner Weise bedroht, aber der Kater hatte etwas gespürt, etwas, das ihn in Alarmbereitschaft versetzte.
Etwas, das dem ähnelte, was er stets bei mir spürte.
Eisige Furcht durchzuckte mich und löschte beinahe - aber nicht ganz - die herrliche Wonne von Lissas Biss aus. Ich trat vom Fenster zurück und sprang in eine Jeans, die ich auf dem Boden fand, wobei ich beinahe umfiel. Sobald ich die Hose anhatte, schnappte ich mir meinen und Lissas Mantel sowie unsere Brieftaschen. Ich stieß die Füße in die erstbesten Schuhe, die ich sah, und lief zur Tür hinaus.
Ich fand sie unten in der kleinen Küche, wo sie im Kühlschrank stöberte. Jeremy, einer unserer Mitbewohner, saß, die Stirn in eine Hand gestützt, am Tisch und blickte bekümmert in ein Lehrbuch über Infinitesimalrechnung. Lissa sah mich überrascht an.
»Du solltest noch nicht aufstehen.«
»Wir müssen gehen. Sofort.«
Ihre Augen weiteten sich, und einen Moment später dämmerte es ihr. »Bist du ... wirklich? Bist du dir sicher?«
Ich nickte. Ich konnte nicht erklären, warum ich es mit Sicherheit wusste. Ich tat es einfach.
Jeremy beobachtete uns neugierig. »Was ist los?«
Mir kam eine Idee. »Liss, hol seine Autoschlüssel.«
Er blickte zwischen uns hin und her. »Was habt ihr ...«
Lissa ging, ohne zu zögern, auf ihn zu. Ich spürte ihre Furcht durch unser mentales Band, aber auch noch etwas anderes: ihr absolutes Vertrauen darauf, dass ich mich um alles kümmern würde - und wir in Sicherheit wären. Wie immer hoffte ich, dass ich mich eines solchen Vertrauens auch würdig erwiese.
Sie lächelte breit und sah ihm in die Augen. Einen Moment lang starrte Jimmy sie nur an, immer noch verwirrt, dann aber sah ich, wie er in ihren Bann geriet. Seine Augen wurden glasig, er betrachtete sie voller Bewunderung.
»Wir müssen uns deinen Wagen leihen«, sagte sie sanft. »Wo sind deine Schlüssel?«
Er lächelte, und ich schauderte. Ich besaß eine hohe Widerstandskraft gegen diese Art von Zwang, aber ich konnte seine Wirkung trotzdem spüren, wenn er sich auf eine andere Person richtete. Außerdem hatte man mich mein Leben lang gelehrt, dass es falsch war, ihn anzuwenden. Jetzt griff Jeremy wie hypnotisiert in seine Tasche und reichte Lissa ein paar Schlüssel,
die an einem langen roten Band hingen.
»Danke«, sagte Lissa. »Und wo hast du ihn geparkt?«
»Die Straße runter«, antwortete er träumerisch. »An der Ecke. Bei Brown.« Also vier Häuserblocks entfernt.
»Danke«, wiederholte sie und richtete sich auf. »Sobald wir weg sind, möchte ich, dass du weiterlernst. Vergiss, dass du uns heute Nacht überhaupt gesehen hast.«
Entgegenkommend nickte er. Ich gewann den Eindruck, dass er, wenn Lissa darum gebeten hätte, auf der Stelle für sie von einer Klippe gesprungen wäre. Alle Menschen waren für den Zwang empfänglich, aber Jeremy schien mir schwächer zu sein als die meisten. Das war im Augenblick sehr praktisch.
»Komm«, sagte ich zu ihr. »Wir müssen los.«
Wir traten nach draußen und gingen auf die Ecke zu, die er uns genannt hatte. Mir war noch immer schwindelig von dem Biss, und ich stolperte wieder und wieder, außerstande, mich so schnell zu bewegen, wie ich eigentlich wollte. Lissa musste mich einige Male festhalten, damit ich nicht hinfiel. Die ganze Zeit über strömte diese Angst aus ihrem Geist in meinen. Ich tat mein Bestes, sie zu ignorieren; schließlich hatte ich meine eigenen Ängste, mit denen ich fertig werden musste.
»Rose ... was werden wir tun, wenn sie uns fangen?«, flüsterte sie.
»Das werden sie nicht«, erwiderte ich grimmig. »Ich werde es nicht zulassen.«
»Aber wenn sie uns gefunden haben ...«
»Sie haben uns schon früher gefunden. Und da haben sie uns auch nicht gefangen. Wir werden einfach zum Bahnhof fahren und in einen Zug nach L. A. steigen. Sie werden unsere Spur verlieren.«
Ich ließ es einfach klingen. Das tat ich immer, obwohl es nicht einfach war, auf der Flucht vor den Menschen zu sein, mit denen wir aufgewachsen waren. Wir taten dies nun schon seit zwei Jahren, versteckten uns, wo immer wir konnten, und versuchten einfach, die Highschool zu beenden. Unser letztes Jahr hatte soeben begonnen, und das Leben auf einem College-Campus war mir recht sicher erschienen. Wir waren der Freiheit so nah.
Sie sagte sonst nichts mehr, und ich spürte, wie ihr Vertrauen in mich abermals aufwallte. So war es immer zwischen uns gewesen. Ich war diejenige, die die Initiative ergriff, die dafür sorgte, dass Dinge geschahen - und manchmal war ich dabei auch ziemlich verwegen. Sie war die Vernünftigere von uns, diejenige, die alles durchdachte und bis ins kleinste Detail erforschte, bevor sie handelte. Beide Vorgehensweisen hatten zwar ihren Nutzen, aber im Augenblick war Verwegenheit vonnöten. Wir hatten keine Zeit zu verschwenden.
Lissa und ich waren seit dem Kindergarten beste Freundinnen gewesen, als unsere Lehrerin uns für den Schreibunterricht zu einem Team erklärt hatte. Es war mehr als grausam gewesen, Fünfjährige zu zwingen, Vasilisa Dragomir und Rosemarie Hathaway zu buchstabieren, und wir - oder vielmehr ich - hatten entsprechend reagiert. Ich hatte unserer Lehrerin mein Buch an den Kopf geworfen und sie einen faschistischen Bastard genannt. Ich hatte zwar keine Ahnung gehabt, was diese Worte bedeuteten, aber dafür hatte ich gewusst, wie man ein bewegliches Ziel trifft.
Seit jener Zeit waren Lissa und ich unzertrennlich.
»Hast du das gehört?«, fragte sie plötzlich.
Ich brauchte einige Sekunden, um wahrzunehmen, was ihren schärferen Sinnen bereits aufgefallen war. Schritte, die sich schnell bewegten. Ich verzog das Gesicht. Wir hatten noch mehr als zwei Häuserblocks vor uns.
»Wir müssen rennen«, sagte ich und fasste sie am Arm.
»Aber du kannst nicht ...«
»Lauf.«
Es kostete mich jede Unze meiner Willenskraft, auf dem Gehweg nicht ohnmächtig zu werden. Mein Körper wollte nicht rennen, nachdem er Blut verloren hatte oder während er noch immer die Reste ihres Speichels in seinem Stoffwechsel verarbeitete. Aber ich befahl meinen Muskeln, endlich mit dem Gezicke aufzuhören, und klammerte mich an Lissa, während unsere Füße über den Beton jagten. Normalerweise hätte ich ohne besondere Mühe schneller laufen können als sie - vor allem, da sie barfuß war. Aber heute Nacht war sie alles, was mich aufrecht hielt.
Die Schritte unserer Verfolger wurden lauter, kamen näher. Schwarze Sterne tanzten mir vor den Augen. Vor uns konnte ich Jeremys grünen Honda erkennen. Oh Gott, wenn wir es doch nur schafften ...
Etwa drei Meter von dem Wagen entfernt vertrat uns ein Mann den Weg. Schlitternd kamen wir zum Stehen, ich riss Lissa am Arm zurück. Er war es, der Mann, den ich auf der anderen Straßenseite gesehen hatte, wie er uns beobachtete. Er war älter als wir, vielleicht Mitte zwanzig, und so groß, wie ich geschätzt hatte, wahrscheinlich etwa zwei Meter. Unter anderen Umständen - sagen wir, wenn er nicht gerade unseren verzweifelten Fluchtversuch gestoppt hätte - hätte ich ihn für ziemlich heiß gehalten. Schulterlanges, braunes Haar, das er sich zu einem kurzen Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. Dunkelbraune Augen. Ein langer, brauner Mantel - Staubmantel nannte man das wohl.
Aber wie heiß er auch sein mochte, das spielte im Augenblick keine Rolle. Er war nur ein Hindernis, das Lissa und mich von dem Wagen und unserer Freiheit trennte. Die Schritte hinter uns wurden langsamer, und ich wusste, dass unsere Verfolger uns eingeholt hatten. Links und rechts nahm ich weitere Bewegungen wahr, noch mehr Personen, die uns umzingelten. Gott. Sie hatten fast ein Dutzend Wächter ausgeschickt, um uns zurückzuholen. Ich konnte es nicht glauben. Nicht einmal die Königin selbst reiste mit so vielen Beschützern.
Von Panik ergriffen und nicht ganz Herr meines Verstandes, handelte ich aus dem Instinkt heraus. Ich schloss zu Lissa auf und hielt sie hinter mir und weg von dem Mann, der der Anführer zu sein schien.
»Lassen Sie sie in Ruhe«, knurrte ich. »Fassen Sie sie nicht an.«
Seine Miene war undeutbar, aber er streckte die Hände aus; offenbar sollte die Geste irgendwie beruhigend wirken, als wäre ich ein tollwütiges Tier, das er zu betäuben plante.
»Ich werde nicht ...«
Er kam einen Schritt näher. Zu nah.
Ich griff ihn an und sprang zu einem offensiven Manöver los, das ich seit zwei Jahren nicht mehr angewendet hatte, nicht seit Lissa und ich weggelaufen waren. Dieser Schachzug war töricht, noch so eine aus Instinkt und Furcht geborene Reaktion. Und es war hoffnungslos. Der Mann war ein Wächter, kein Novize, der seine Ausbildung noch nicht beendet hatte. Außerdem war er auch nicht schwach und stand kurz vor einer Ohnmacht.
Mann, und er war schnell. Ich hatte vergessen, wie schnell Wächter sein konnten, dass sie sich bewegen und zuschlagen konnten wie Kobras. Er wehrte mich ab, als verscheuchte er eine Fliege, und seine Hände krachten in meinen Körper und ließen mich nach hinten kippen. Ich glaube gar nicht, dass er vorhatte, so fest zuzuschlagen - wahrscheinlich wollte er mich nur abwehren -, aber meine mangelhafte Körperbeherrschung beeinträchtigte meine Reaktionsfähigkeit. Außerstande, wieder Halt zu finden, klappte ich zusammen und steuerte geradewegs und mit der Hüfte voraus auf den Gehsteig zu. Es würde wehtun. Sehr.
Nur dass es nicht so kam.
Genauso schnell, wie er mich abgewehrt hatte, streckte der Mann eine Hand aus, bekam meinen Arm zu fassen und hielt mich aufrecht. Als ich das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, bemerkte ich, dass er mich anstarrte - oder genauer: meinen Hals. Noch immer orientierungslos, verstand ich es nicht sofort. Dann griff ich mir langsam mit der freien Hand an die Kehle und berührte vorsichtig die Wunde, die Lissa zuvor in mein Fleisch gebohrt hatte. Als ich die Finger wieder zurückzog, sah ich klebriges, dunkles Blut auf meiner Haut. Verlegen schüttelte ich mein Haar, sodass es mir ums Gesicht fiel. Mein Haar war dick und lang und bedeckte den Nacken und die Seiten des Halses zur Gänze. Aus eben diesem Grund hatte ich es wachsen lassen.
Der Mann ließ den Blick seiner dunklen Augen noch einen Moment lang auf der inzwischen verdeckten Bisswunde ruhen, dann sah er mich an. Ich erwiderte seinen Blick voller Trotz und riss mich schnell von ihm los. Er hielt mich auch nicht fest, obwohl ich wusste, dass er das die ganze Nacht über hätte tun können, wenn er es denn gewollt hätte. Mühsam kämpfte ich gegen Übelkeit und Schwindel, tappte ein paar Schritte zurück, bis ich wieder bei Lissa stand, und wappnete mich gegen einen neuerlichen Angriff. Plötzlich ergriff sie meine Hand. »Rose«, sagte sie leise. »Nicht.«
Ihre Worte hatten zuerst keine Wirkung auf mich, allmählich aber flossen beruhigende Gedanken in meinen Geist, Gedanken, die über unser gemeinsames Band kamen. Es war nicht direkt der Zwang - den würde sie bei mir nicht anwenden -, aber es erfüllte seinen Zweck, ebenso wie die Tatsache, dass wir hoffnungslos in der Minderzahl waren und unsere Angreifer in einer ganz anderen Liga spielten als wir. Selbst ich wusste, dass Gegenwehr zwecklos sein würde. Die Anspannung wich aus meinem Körper, ich sackte geschlagen zusammen.
Der Mann, der meine Resignation spürte, trat vor und richtete seine Aufmerksamkeit auf Lissa. Sein Gesicht blieb vollkommen ruhig. Er verbeugte sich vor ihr und brachte es fertig, dabei ausgesprochen elegant zu wirken, was mich angesichts seiner Größe überraschte. »Mein Name ist Dimitri Belikov«, sagte er. Ich konnte einen schwachen russischen Akzent erkennen. »Ich bin hier, um Sie in die St.-Vladimir-Akademie zurückzubringen, Prinzessin.«
Übersetzung: Michaela Link
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 bei EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
... weniger
Autoren-Porträt von Richelle Mead
Richelle Mead, geb. in Michigan, studierte Kunst, Religion und Englisch. Mit ihrer Jugendbuchserie Vampire Academy gelang ihr auf Anhieb der Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Richelle Mead
- 2014, 2. Aufl., 347 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Michaela Link
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802594266
- ISBN-13: 9783802594267
- Erscheinungsdatum: 06.02.2014
Kommentare zu "Vampire Academy, Blutsschwestern"
3 von 5 Sternen
5 Sterne 0Schreiben Sie einen Kommentar zu "Vampire Academy, Blutsschwestern".
Kommentar verfassen