Mörderwetter
Ein England-Krimi
MORD ZUR TEA-TIME
- Ein Kriminalfall mit britischem Flair -
Am wolkenverhangenen Himmel Südenglands braut sich etwas zusammen. Eine Reisegruppe findet den Earl of Wharvedale tot in seinem Gartenlabyrinth. Mittendrin: die couragierte Reiseleiterin Elena...
- Ein Kriminalfall mit britischem Flair -
Am wolkenverhangenen Himmel Südenglands braut sich etwas zusammen. Eine Reisegruppe findet den Earl of Wharvedale tot in seinem Gartenlabyrinth. Mittendrin: die couragierte Reiseleiterin Elena...
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Produktinformationen zu „Mörderwetter “
Klappentext zu „Mörderwetter “
MORD ZUR TEA-TIME- Ein Kriminalfall mit britischem Flair -
Am wolkenverhangenen Himmel Südenglands braut sich etwas zusammen. Eine Reisegruppe findet den Earl of Wharvedale tot in seinem Gartenlabyrinth. Mittendrin: die couragierte Reiseleiterin Elena Martell und ihr Lebenspartner Commissario Giorgio Valentino.
Gemeinsam mit Scotland Yard nimmt Giorgio den Landsitz unter die Lupe - die Ermittler sind über die dubiosen Machenschaften des adeligen Kunstsammlers alles andere als amused.
Auch Elena lässt ihren detektivischen Spürsinn spielen und entdeckt bald: Viele Menschen hatten ein Motiv, den Grafen im Irrgarten verschwinden zu lassen.
Mit Schwung und britisch-trockenem Humor sorgt Eva Gründel vor der beeindruckenden Kulisse der Cotswolds und in den Straßen Londons für First-Class-Krimi-Lesevergnügen.
"Urlaub im Kopf - Eva Gründel lässt in diesem Krimi Bilder entstehen, man fühlt sich auf die Schauplätze versetzt und würde am liebsten sofort nach Südengland fliegen!"
"Witzig, charmant und klasse recherchiert - So soll Krimiunterhaltung aussehen!"
"Auch als Begleitung während des Urlaubs ideal!"
REISEKRIMIS MIT ELENA MARTELL BEI HAYMON:
- Mörderwetter. Ein England-Krimi
- Mörderhitze. Ein Kroatien-Krimi
Lese-Probe zu „Mörderwetter “
Mörderwetter von Eva Gründel4. Kapitel
Missmutig starrte Elena aus dem Busfenster, während die Landschaft als verzerrtes Bild an ihr vorbeiglitt. Seit drei Tagen schüttete es unentwegt, und das Wasser rann in dichten Schlieren die Scheiben herunter. Mehr als die Hälfte der Reise lag bereits hinter ihr, noch eine Nacht in dem zugegebenermaßen gemütlichen Hotel in Bourton-on-the-Water, dann war es überstanden. Für sie, aber vor allem für Feli, deren Job bei diesem Sauwetter wahrlich nicht leicht war. Erfahrungsgemäß ließen Gruppen ihre schlechte Laune in seltener Einigkeit am Reiseleiter aus und machten ihn für alle Missstände verantwortlich. Was hätte Feli tun sollen? Etwa mit Petrus telefonieren? Oder gar einen heidnischen Sonnentanz aufführen?
Eine Fahrt durch England im Mai hatten sich die Teilnehmer der Gartentour durch die lieblichen Hügel der Cotswolds zweifellos anders vorgestellt. Nach der Besichtigung der Kiftsgate Court Gardens und von Hidcote Manor Garden waren sie gestern Nachmittag weit früher als geplant und völlig durchnässt in ihr Quartier zurückgekehrt. Auf den angekündigten „Long Walk" zwischen den pitschnassen Hainbuchenhecken hatten die Reisenden nämlich ebenso einhellig verzichtet wie auf eine nähere Erkundung der vielgerühmten „Wildnis", eines vielseitig bepflanzten Naturgartens, der sich als wenig einladende Schlammwüste präsentiert hatte.
... mehr
Die Situation drohte aus dem Ruder zu laufen, das war Elena klar geworden, als der kleine, glatzköpfige Italiener auf dem Platz hinter dem Chauffeur zu zappeln begonnen hatte. Ihre Theorie, dass es auf jeder Reise ein statistisches Ekel gab, das sich zumeist in der ersten Sitzreihe breitmachte, würde sich wieder einmal bestätigen. Am meisten ärgerte es sie, dass dieser alte Wichtigtuer aus Rom gratis mitfuhr. Kaum hatte er herausgefunden, dass sie fließend Italienisch sprach, war er gleich am ersten Abend nicht mehr von ihrer Seite gewichen.
Ob sie wollte oder nicht, Elena kannte nun die Lebensgeschichte dieses Francesco Montini, die langweiliger nicht sein konnte. Er war bis zu seiner Pensionierung Finanzbeamter gewesen und engagierte sich seither ehrenamtlich bei der FAI, dem italienischen Umwelt- Fonds, der sich für die Renovierung und Erhaltung historischer Bauten und Gartenanlagen einsetzte.
Als Anerkennung seiner langjährigen Dienste war ihm diese Reise geschenkt worden. Wahrscheinlich um ihn wenigstens für ein paar Tage los zu sein, dachte Elena grimmig. Wenigstens waren die anderen Italiener an Bord halbwegs sympathisch, auch wenn dieser Triestiner Gynäkologe Lorenzo Burano und seine Frau Emilia nicht unbedingt ihr Fall waren. Dafür gefiel ihr Maurizio Bardi, der mit seinen geschätzten 1,90 Metern alle um Haupteslänge und den kleingewachsenen Römer gleich um zwei Köpfe überragte, umso besser. Auch wenn sie nicht klug daraus wurde, was ein allein reisender junger Mann aus der Toskana auf einer Gartentour durch England eigentlich zu suchen hatte.
Bevor die Stimmung endgültig kippte, war Feli gerade noch rechtzeitig eine rettende Idee gekommen. Während einer lange zurückliegenden nasskalten Schullandwoche hatte ihre damalige Klassenlehrerin Adele Bernhardt den örtlichen Pfarrer, der die Kleiderspenden des Dorfes verwaltete, aufgesucht und ihm Regenjacken und warme Pullover für ihre Schüler aus ärmeren Verhältnissen abgeschnorrt. Mit den anderen war sie danach in den Nachbarort gefahren, wo sich die bessergestellten Halbwüchsigen in einem kleinen Kaufhaus mit dem Nötigsten versorgen konnten. Zu Vorzugspreisen, die Adele nach zähem Hin und Her ausgehandelt hatte.
Diesmal würde es kein Skonto geben, selbst wenn ihre alte Lehrerin durchaus imstande war, auch hier einen Preisnachlass zu verlangen. Das hatte Feli sich gesagt, bevor sie zum Mikrophon gegriffen hatte. Ihr Vorschlag, anstelle des vorgesehenen Spaziergangs durch das malerische Bourton-on-the-Water die nächste größere Stadt aufzusuchen, um sich mit Gummistiefeln und wasserdichten Mänteln einzudecken, war begeistert aufgenommen worden - nur nicht vom mürrischen Chauffeur, der sich noch einmal hinters Steuer setzen und nach Cheltenham fahren musste.
Dieser Kevin Middler war überhaupt alles andere als ein Glücksgriff. „Liegt gar nicht mehr in den Cotswolds und steht nicht im Programm", hatte er versucht, Feli abzuwimmeln. Erst nach dem energischen Eingreifen Elenas, die als professionelle Reiseleiterin prinzipiell keinen Widerspruch eines Fahrers duldete, zeigte er sich zu der Extratour in den noblen Kurort bereit. Von den eleganten Fassaden der Regency-Häuser hatte die Gruppe wenig zu sehen bekommen, dafür aber ein gut sortiertes Fachgeschäft für Sportbekleidung gefunden.
„Wir sehen aus wie die Besatzung eines Kutters auf Walfischfang", konnte sich Adele eine spitze Bemerkung nicht verkneifen, als sie ihren Regenhut mit Nackenschutz überstülpte und ihr Spiegelbild dabei kritisch in der verglasten Hoteltüre betrachtete. Die Damen hatten für ihre überlangen Mäntel, schweren Stiefel und Südwester einheitlich Gelb gewählt, die Herren Schwarz. Mit Ausnahme des stets Hand in Hand marschierenden Ehepaares aus Triest, das es irgendwie geschafft hatte, passende Größen in Hellblau aufzutreiben und im Partnerlook zu erscheinen.
„Ein wenig lächerlich in dem Alter, findest du nicht?", hatte Ilse Hubinek ihrer Tochter zugezischt, als sie in der beeindruckenden Gartenanlage von Broughton Grange hinter den beiden hertrotteten.
„Dafür könnte man dich für ein Eierschwammerl halten. Schwarz steht dir eindeutig besser, aber du hast ja nicht auf mich gehört." Bei aller Liebe, Elena und ihre Mutter schenkten einander nichts. „Für Hüte bist du zu klein. Wenn du jetzt einen aufsetzen musst, dann nimm um Himmels willen einen unauffälligen. Deiner ist mit Abstand der größte mit der breitesten Krempe."
„Gebt Frieden, ihr zwei", hatte Adele gerade noch rechtzeitig die Wogen geglättet, die über den beiden zusammenzuschlagen drohten. „Auf dieser Reise wird nicht gestritten, das habt ihr mir hoch und heilig versprochen. Schaut euch lieber die herrlichen Rhododendren an. Und was sagt ihr zum Heckenschnitt? Diese Knotengärten sind lebende Kunstwerke in klassischem und in modernem Design. Leider ist es für die Rosenblüte eindeutig noch zu früh, da müssten wir im Juni wiederkommen."
Mit Sicherheit nicht, hatte Elena gedacht, als sie vor allen anderen ins trockene Innere des Busses geklettert war. In Taormina schien jetzt die Sonne auf die Bougainvilleen, die sich als violettes Blütenmeer an ihrem Häuschen emporrankten. Wild wachsende Oleanderbüsche in allen Schattierungen, von weiß über rosa bis dunkelrot, fanden sich in jedem trockenen Flussbett. Entlang der Autobahnen explodierten die dottergelben Bällchen der Akazienmimosen zu Myriaden Feuerwerkskörpern. Wie sollten ihr da ein paar bunte Blütenkaskaden imponieren, die selbst mit den leuchtendsten Farben nicht gegen das Grau in Grau des englischen Himmels ankommen konnten?
Ilse war die schlechte Laune ihrer Tochter nicht entgangen, aber sie ließ sich ihre eigene davon nicht verderben. Wahrscheinlich Streit mit Giorgio, dachte sie, als sie in der Sitzreihe neben Adele und Ludwig Platz nahm. Mit dieser Mutmaßung lag sie jedoch falsch. Zum Streiten hatte Elena gar keine Gelegenheit gehabt. Aus für sie unerfindlichen Gründen war Giorgio seit gestern Abend nicht erreichbar. Auch die Nachricht, die sie noch vor dem Frühstück auf seinem Handy hinterlassen hatte, blieb bisher unbeantwortet.
Ab sofort kann er mich gern haben, beschloss Elena beim Mittagessen, das die Gruppe in einem auf alt getrimmten touristischen Pub in einem winzigen Weiler zwischen Banbury und Chipping Norton einnahm. Das Essen war erstaunlich gut, was die allgemeine Stimmung eindeutig hob. Das saftige Steak hatte offensichtlich allen gemundet, auf den Tellern war bis auf ein paar Erbsen und Bratkartoffeln kaum etwas übrig geblieben.
Selbst die „Heikelfraktion", wie Elena die vier Italiener im Stillen nannte, schien diesmal zufrieden zu sein. Dem Pfarrer und der Buchhändlerin - den einzigen Engländern, die mit von der Partie waren - schmeckte ohnedies alles, und auch die fünf chinesischen Gäste hatten sich bisher noch nie beklagt. Irrtum, korrigierte sich Elena, als ihr Blick auf das Ehepaar Chen und ihre beiden Söhne fiel. Die vier waren ebenfalls britische Staatsbürger und auch der um einiges ältere Mann neben ihnen kam nicht aus China, sondern aus den USA.
Wie hieß er bloß? Um Elenas Namensgedächtnis stand es nicht zum Besten, ein Handicap für eine Reiseleiterin, aber das sollte diesmal ihre Sorge nicht sein. Kim Wang, fiel es ihr plötzlich ein. Ein Geschäftsmann aus New York mit unüberhörbar amerikanischen Akzent, der bisher alles „just great" gefunden hatte.
Es ist dennoch ein Glück für Feli, dass wir vier dabei sind, konstatierte Elena. Immerhin stellen Adele, Ludwig, Ilse und ich mehr als ein Viertel der fünfzehnköpfigen Gruppe und können somit die schlimmsten Nörgler in Schach halten.
Trotz der Schutzkleidung war jedoch auch an diesem Vormittag die Besichtigung weit kürzer ausgefallen als geplant. Ein bestens geschulter Angestellter hatte sie durch den Privatbesitz des Bankiers Stephen Hester geführt, sein Garten zählte zu den Höhepunkten der Tour. Kein geringerer als Tom Stuart-Smith, einer der führenden Landschaftsarchitekten Englands und Gewinner der Chelsea-Gold-Medaille, hatte Broughton Grange 2001 seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt.
Nach einem besonders heftigen Guss, begleitet von peitschenden Windböen, wollte jedoch keiner mehr den Ausführungen im Freien folgen. Trotz der neuen wasserdichten Mäntel und der Gummistiefel; das Wetter war einfach zu scheußlich. Tapfer hatte Feli im Bus daraufhin einen langen Vortrag über Ornamente-, Flecht- und Schachbrettmuster in Knotengärten von der Renaissance bis heute gehalten, doch allmählich langweilte sie damit selbst die Geduldigsten. Für graue Theorie hatten die Reisenden nicht eine ziemlich erkleckliche Summe hingeblättert. Sie wollten für ihr Geld seltene Blumen sehen und durch duftende Gärten wandeln.
Viel früher als geplant war die Gruppe im Pub eingetroffen, denn auch auf eine Besichtigung von Broughton Castle oder gar einen Spaziergang durch eines der malerischen Dörfer von Oxfordshire hatte niemand die geringste Lust verspürt. Was also mit der überschüssigen Zeit anfangen? Ein Problem, mit dem sich jeder Reiseleiter irgendwann einmal herumschlagen musste, aber für eine Anfängerin wie Felicitas Cape war es doppelt schlimm. Als der Nachtisch serviert wurde, stand Elena auf und trat an die Bar. Nach einer kurzen Verhandlung mit dem Herrn des Hauses winkte sie Feli unauffällig zu sich.
„Deine Gäste brauchen jetzt ein wenig Aufmunterung, und Zeit musst du auch schinden. Ich habe Sherry für alle bestellt und zwar so viel, wie sie wollen. Das spendierst du als Einladung deiner Agentur. Du wirst sehen, wenns etwas gratis gibt, saufen sie wie die Löcher - am meisten die, die am lästigsten sind. Wie das Ekel aus Rom. Nach ein paar Gläsern sind sie alle streichelweich, glaube mir."
„Im Pauschalpreis für das Essen ist pro Person nur ein Getränk inbegriffen, egal ob Wasser, Bier oder Wein. Hast du eine Ahnung, was selbst ein einziger Sherry für fünfzehn Leute in einem Lokal wie diesem kostet? Die Agentur wird das nicht bezahlen. Für so etwas habe ich kein Budget, das hat man mir eigens gesagt", protestierte Feli.
„Das Reisebüro wird dafür aufkommen, das garantiere ich dir. Und wenn ich höchstpersönlich dort auftauchen muss. Die können dich nicht buchstäblich im Regen stehen lassen. Und falls doch, zahle ich das eben aus meiner eigenen Tasche. Der Wirt gibt mir nachher eine Extrarechnung und wenn ich darauf sitzenbleiben sollte, werde ich es überleben. Kopf hoch, bald hast du es überstanden. Ich gehe jetzt zum Tisch zurück und du erscheinst dann in ein paar Minuten mit dem Sherry - es ist deine Party."
Wie nicht anders erwartet, wurde der Auftritt des Kellners, der mit einem aufmunternden Lächeln die bernsteinfarben funkelnden, gut gefüllten Gläser servierte, von begeisterten Ausrufen empfangen. Bereits ein paar Schlucke zeigten die erwünschte Wirkung, als der Kellner kurz darauf auch noch eine volle Flasche Sherry zur Selbstbedienung auf den Tisch stellte, erntete er dafür sogar Applaus.
„Eine hervorragende Idee", flüsterte Adele, die selbst recht gern das eine oder andere Gläschen trank, ihrer einstigen Schülerin zu. „Ich bin nur gespannt, wer sich als erster nachschenkt. Ich tippe auf unseren Liebling aus Rom."
Doch es war nicht Signor Montini, der schon wenige Minuten später nach der Flasche griff, sondern Percival Cockerton. Sieh mal einer an, unser Pastor hat es faustdick hinter den Ohren, stellte Adele amüsiert fest. Und mit dem Nachschub ist er auch bald fertig.
Tatsächlich schüttete der Pfarrer bis zum Aufbruch still und unauffällig ein Glas nach dem anderen in sich hinein. Mindestens fünf, konstatierte Elena, aber man merkt es ihm nicht an. Lediglich seine dicken, rosa Backen sind noch etwas röter geworden und die hellblauen Froschaugen scheinen etwas weiter hervorzuquellen, aber das ist auch schon alles. Im Gegensatz zu den anderen, die fröhlich vor sich hin kichernd den Bus bestiegen, verzog der dickliche Brite, der genauso gut 40 wie 60 sein konnte, keine Miene.
„Wie lange fahren wir bis Whiteberry Yew Hall?", erkundigte sich Elena bei Feli, bevor sie losfuhren.
„Eine gute halbe Stunde, schätze ich. Der Landsitz der Wharvedales liegt mitten im Nirgendwo zwischen Moreton-in-Marsh und Stow-on-the-Wold. In oder besser gesagt bei Fretton-on-Hill, denn nach der Ortschaft müssen wir abzweigen und noch ein paar Kilometer auf einer schlecht asphaltierten Nebenstraße hinter uns bringen. Aber frag mich jetzt nicht, in welche Himmelsrichtung. Auf der Karte ist Yew Hall nicht eingezeichnet, und ich habe mich jedes Mal verfahren, wenn ich dort zu tun hatte. Aber Kevin findet problemlos hin, er arbeitet schon seit Jahren für Roger."
„Wenigstens etwas", knurrte Elena, die den Fahrer nicht ausstehen konnte. „Du machst jedenfalls jetzt mal Pause. Nach dem Essen und dem Sherry wollen dir die Leute garantiert nicht zuhören, sondern schlafen. Schau sie dir doch an. Lass das Mikrophon stecken und komm zu mir auf den Rücksitz. In der letzten Reihe kannst du unbemerkt ein Nickerchen machen. Oder mit mir tratschen, ganz wie du willst."
„Ich muss die Gäste doch auf das vorbereiten, was sie erwartet ..."
Elena erstickte Felis Protest im Keim.
„Das Wichtigste steht im Programm: Besichtigung des Familiensitzes eines der ältesten Adelsgeschlechter des Landes, Spaziergang durch die weitläufige Anlage mit dem berühmten Irrgarten, danach wird man uns einen typischen englischen Tee servieren."
„Aber ich habe eine Überraschung. Der Earl of Wharvedale ist anwesend und möchte uns höchstpersönlich durch sein Haus führen. Und beim Tee wird uns die Countess Gesellschaft leisten."
„Um Himmels willen, kündige nichts an, was vielleicht nicht eintrifft", unterbrach Elena erneut. „Das ist eine goldene Reiseleiterregel. Es kann immer etwas dazwischenkommen - und wie stehst du da, wenn keiner der Wharvedales sich blicken lässt?"
„Ich habe noch vor dem Frühstück mit Roger telefoniert. Er und Patricia werden uns in Empfang nehmen und machen damit für uns keine Ausnahme. Offenbar ist es ihm ein Vergnügen, seine Schätze herzuzeigen. Was mich offen gestanden wundert. Aber vielleicht ist ihm langweilig, seit er nicht mehr jede Woche in den Schlagzeilen steht. Oder er will sich auf diese Weise mit seiner Agentur von der Konkurrenz unterscheiden. Ihm gehört das Reisebüro, das mich engagiert hat", sprudelte Feli hervor.
„Bitte langsam, sonst komm ich nicht mit. Du arbeitest für Roger Wharvedale?"
„Roger Deverell, Earl of Wharvedale, um korrekt zu sein. Er ist ein alter Freund von meinem Ex-Mann. Zu Lebzeiten seines Vaters hat Roger uns oft nach Yew Hall eingeladen. Das Anwesen war damals allerdings ziemlich heruntergekommen. Erst als er selbst den Grafentitel tragen konnte und reich geheiratet hat, ist es mit dem Familiensitz wieder aufwärts gegangen. Das muss so Mitte der neunziger Jahre gewesen sein. Patricia ist Amerikanerin und um einiges jünger. Sie dürfte jetzt Anfang 40 sein, er jenseits der 50. Mit dem Geld seines Schwiegervaters hat Roger erst das Schlösschen und dann die Gärten instand gesetzt. Da kam ich ins Spiel. Meine Kinder waren aus dem Haus und ich wollte wieder als Landschaftsarchitektin Fuß fassen. Roger schlug mir vor, den Irrgarten von Whiteberry Yew neu zu gestalten. Ich war selig, aber nicht lange. Er hat mir den Auftrag bald wieder entzogen und einem seiner Freunde übertragen."
„Mit welcher Begründung?"
„Gar keiner. Roger ist Weltmeister darin, Beziehungen auszunützen und Seilschaften aufzubauen. Das muss man wohl können, wenn man als Lobbyist erfolgreich sein will. Und das war er, bis ihm der Boden unter den Füßen zu heiß geworden ist. Als Berater des Rüstungskonzerns British Force Demand. Für den BFD, von dem du sicher schon gehört hast, ist er jahrelang im ehemaligen Ostblock und auch in Russland tätig gewesen. Dabei sollen Unsummen an Bestechungsgeldern geflossen sein. Die Medien haben sich darauf gestürzt, schließlich ist ein Waffenhändler, der aus dem britischen Hochadel stammt, nicht gerade alltäglich. Bevor es jedoch zu einer Anklage kommen konnte, hat der BFD 2004 eine Strafe in Millionenhöhe gezahlt und damit die Affäre niedergeschlagen. Offiziell behielt Roger, dem man nichts strafrechtlich Relevantes nachweisen konnte, seine weiße Weste, aber als Lobbyist war er endgültig aus dem Rennen ..."
„... und bescheidet sich seither mit einer kleinen Reiseagentur?"
„Zumindest beschert sie ihm ein offizielles Einkommen ..."
„Aber davon kann er doch nicht leben. Jedenfalls nicht auf großem Fuß. Und das tut er nach wie vor, oder?"
„Roger lässt sich nichts abgehen. Das hat er nie. Wie er das macht, ist allerdings ein Rätsel. Die Sanierung von Whiteberry Yew, die Erhaltung seiner Londoner Residenz im noblen Belgravia, seine Reisen, all das verschlingt Unsummen, die nicht einmal sein Schwiegervater aus dem Ärmel schütteln könnte. Der macht freilich schon lange kein Geld mehr locker, solange kein Erbe unterwegs ist. Damit hat es aber offenbar nicht geklappt, denn die Deverells haben bereits Mitte der neunziger Jahre geheiratet ..."
„Also vor mehr als fünfzehn Jahren", stellte Elena nachdenklich fest. „Erstaunlich, dass die Ehe trotzdem hält. Man sollte doch meinen, dass ein Earl of Wharvedale alles daran setzt, dass sein Geschlecht nicht ausstirbt."
„Roger ist sicherlich überzeugt davon, dass ihm dafür alle Zeit der Welt bleibt. Seine biologische Uhr tickt ja nicht. Er kann auch als Greis noch Vater werden." Feli verzog ihr Gesicht zu einem bitteren Lächeln. „Mein Ex hat drei Jahre nach unserer Scheidung sein eigenes Enkelkind gezeugt. Jedenfalls hält man ihn für den Großvater, wenn er seinen Jüngsten im Kinderwagen spazieren fährt."
„Schau doch einmal hinaus", unterbrach Elena, um Feli von ihren düsteren Gedanken abzulenken. Auch sie wollte außerdem über ihre eigene Kinderlosigkeit nicht nachdenken. „Es hat aufgehört zu regnen und der Himmel wird heller. Vielleicht haben wir doch noch Glück mit dem Wetter."
Als der Bus wenige Minuten später in die dunkle Eibenallee einbog und die imposante Fassade von Whiteberry Yew Hall erstmals in Sicht kam, brach die Sonne durch. Endlich. Das sanfte Licht ließ die honigfarbenen Säulen aufleuchten, auf den Rosen in dem großzügig angelegten Rondo vor dem Hauptportal funkelten die letzten Regentropfen wie geschliffene Diamanten.
Heute kann eigentlich nichts mehr schief gehen, dachte Elena, als das Grafenpaar der Gruppe entgegenging.
5. Kapitel
Die spitzen Schreie, die aus dem Inneren des Irrgartens drangen, waren abrupt verstummt und die meisten aus der Gruppe, die nach der offiziellen Besichtigung von Schloss und Garten noch einmal durch die weitläufige Anlage schlenderten, um vor dem Tee letzte Fotos zu schießen, hatten sie gar nicht gehört. Elena hingegen saß bereits in dem kleinen Pavillon unweit des Gartenlabyrinths, in dem zum Abschluss ein „Cream Tea" mit allen erdenklichen süßen Köstlichkeiten serviert werden sollte. Nicht ganz freiwillig - ein „Fehltritt" am Seerosenteich hatte ihr kurz zuvor einen verknacksten Knöchel beschert.
Dem Geschrei im Irrgarten maß Elena vorerst keine Bedeutung bei. Erst als das chinesische Ehepaar aus London in heller Panik herbeistürzte und hinter der Eibenhecke des Irrgartens verschwand, wurde ihr bewusst, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Während sie überlegte, ob sie den beiden trotz ihres anschwellenden Fußes folgen sollte, traf ein weiterer Bus ein. Um anderthalb Stunden zu früh, denn Feli hatte ihr nervös erklärt, dass sie Whiteberry Yew Hall mit ihren Schäfchen spätestens um halb sechs wieder verlassen musste.
Ausnahmsweise wurde an diesem Tag noch eine weitere Gruppe erwartet, die mit der anderen möglichst nicht zusammentreffen sollte. Der Nimbus der Exklusivität wäre dahin, hatte Roger ihr mit Augenzwinkern erklärt. Jeder, der sein Schloss betrat, sollte das Gefühl haben, er wäre ein persönlicher Gast des Grafenpaares und nicht Teilnehmer einer Massenveranstaltung.
Die Situation hätte sich vielleicht noch retten lassen, wäre der zweite Bus gleich wieder abgefahren, um in der Gegend herumzukurven oder nach Fretton-on-Hill zurückzufahren. Stattdessen ergoss sich ein nicht enden wollender Strom chinesischer Touristen aus seinem Inneren. Gleichzeitig drangen erneut Hilferufe aus dem Irrgarten. Zumindest hörte es sich so an, denn Elena verstand kein Wort. Wohl aber die Neuankömmlinge, die wie elektrisiert zusammenzuckten, bevor sie allesamt in Richtung der Schreie rannten und einer nach dem anderen im dichten Grün verschwanden.
„Was ist geschehen?", rief Countess Patricia von der Freitreppe aus. Bis vor wenigen Minuten hatte sie Elena Gesellschaft geleistet. Eben war sie ins Schloss gegangen, um in der Küche nach dem Rechten zu sehen.
„Ich weiß es nicht, aber ich werde es Ihnen gleich sagen", antwortete Elena, die eine vom Gärtner zurückgelassene Leiter am hellen Stamm einer uralten Platane entdeckt hatte und darauf zuhumpelte. Vergessen war der verstauchte Knöchel. Wenn sich Elena etwas in den Kopf setzte, konnte sie höchstens ein Liegegips davon abhalten. Das Erklettern der Holzsprossen fiel ihr nicht leicht, aber schließlich stand sie dort, wo sie hinwollte.
Aus luftiger Höhe überblickte Elena den Irrgarten, der einem geöffneten Ameisenhaufen glich. In den schmalen Pfaden zwischen den gut und gern zwei Meter hohen Eiben wuselten Dutzende Chinesen, die sich heillos verirrt hatten und weder den Weg zur Mitte noch zum Ausgang finden konnten. Ihre entsetzen Rufe vereinigten sich zu einer Klangwolke, die an das Gezwitscher eines aufgebrachten Spatzenschwarms erinnerte. Elena kniff die Augen zusammen, um gegen die schräg einfallende Nachmittagssonne besser sehen zu können.
Nein, sie hatte sich nicht geirrt. Im Zentrum der Anlage, die sie vor einer knappen Stunde mit noch heilem Knöchel besichtigt hatte, lag zu Füßen der lebensgroßen Hermesskulptur eine Gestalt mit seltsam verkrümmten Gliedmaßen. Elena kannte die Örtlichkeit; der Graf höchstpersönlich hatte ihre Gruppe ins Innere des Irrgartens geführt und mit leiser Ironie auf die vielen Talente des Götterboten hingewiesen. Elena sah den Hausherrn vor sich, wie er liebevoll über den glatten Marmor der exzellenten Kopie von Kleomenes' Merkur strich.
„Eigentlich wurde dieser Hermes im fünften Jahrhundert vor Christus von Phidias geschaffen. Kaiser Augustus hat dann den später auch Germanicus genannten Athener Bildhauer Kleomenes damit beauftragt, einen römischen Merkur zu schaffen. So entstand diese Statue. Kleomenes hat einfach eine Kopie modelliert, dem Götterboten jedoch die Gesichtszüge eines römischen Offiziers verliehen. Das Original können Sie im Louvre besichtigen", hatte er erklärt und lächelnd hinzugefügt: „Hermes-Merkur ist wohl der vielseitigste Sohn des Zeus. Wahrscheinlich mag ich ihn deshalb so gern. Unter anderem galt er als Schutzherr der Wanderer und der Kaufleute. Sein Heroldstab besaß Zauberkräfte, er konnte mit ihm einschläfern, wen immer er wollte. Deshalb sah man in ihm auch den Hüter des Schlafes und der Träume. Nicht zuletzt war er so schlau, dass er zum Gott der Diebe und Betrüger wurde. Sie sehen, nicht immer war negativ besetzt, was wir heute verurteilen."
Elena hatte ihn fasziniert angestarrt. Und du, lieber Roger, hast den Kopisten dazu angehalten, diesen Hermes mit deinen eigenen Gesichtszügen auszustatten, dachte sie. Wenn man genau hinsieht, ist die Ähnlichkeit geradezu verblüffend. Der in dubiose Geschäfte verwickelte Earl of Wharvedale spielte damit unverhohlen auf seinen schlechten Ruf an und machte allen klar, dass er sich keineswegs für die Schlagzeilen, in die er geraten war, genierte. Strotzend vor Selbstbewusstsein hatte er sich neben seinem Hermes, der ein kleines Vermögen gekostet haben musste, in Pose geworfen und sich bereitwillig fotografieren lassen. Ein Landedelmann von Kopf bis Fuß; bekleidet mit einem hellbraunen Tweed-Sakko mit rot- gelbem Karomuster über einem dottergelben Pullover und einer passenden dunkelbraunen Schnürlsamthose.
Auch die reglose Gestalt trug Gelb, Näheres konnte Elena nicht erkennen. Wohl aber ihre Mutter, unverwechselbar durch ihren Eierschwammerl-Hut, den sie trotz Sonnenschein nach wie vor aufhatte. Und wenn sie nicht alles täuschte, befanden sich gleich hinter ihr Adele und Ludwig, gefolgt von einer aufgeregt mit den Armen rudernden Feli. Allmählich konnte Elena auch die meisten anderen Teilnehmer ihrer Gruppe identifizieren. Das Arztehepaar aus Triest, der Pastor, die junge Buchhändlerin aus London, der attraktive Italiener und auch der alte Wichtigmacher aus Rom hatten sich unter die Invasion aus China gemischt.
„Was ist los? Nun sagen Sie schon!", rief Countess Patricia, die sich anschickte, ebenfalls die Leiter zu erklimmen.
„Bleiben Sie bitte unten", suchte Elena in einer Notlüge Zuflucht. „Von hier oben sieht man auch nicht viel. Ich glaube, jemandem ist schlecht geworden. Kein Grund zur Aufregung. Vielleicht könnte Ihr Butler im Irrgarten Nachschau halten ..."
„Charles ist schon unterwegs. Irgendwer muss die Leute ja wieder herausführen. Den Ausgang zu finden ist nämlich schwieriger, als man glaubt. Soll ich einen Arzt rufen, was meinen Sie?"
„Könnte nicht schaden", sagte Elena, während sie die Sprossen vorsichtig hinunterstieg. „Lieber einmal zu oft als einmal zu spät." Kaum waren ihr die Worte entschlüpft, hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
„Was heißt zu spät? Es geht also doch um etwas Ernstes. Und wo um alles in der Welt steckt mein Mann? Das ist wieder einmal typisch. Wenn man ihn braucht, ist er nie da." Patricia Deverell war ängstlich und wütend zugleich. Eine brisante Mischung, dachte Elena. Vor allem dann, wenn es darum ging, klaren Kopf zu bewahren. Etwas Tragisches war geschehen, so viel stand fest. Aber sie wollte nicht gleich das Schlimmste annehmen, auch wenn ihr Instinkt das Gegenteil sagte.
„Sie rufen einen Notarzt und ich suche den Reiseleiter der Chinesen. Die müssen erst einmal weg oder zumindest in ihren Bus steigen und auch dort bleiben. Sonst löst sich das Chaos nie auf." Automatisch hatte Elena die Zügel in die Hand genommen und Patricia gehorchte ihr widerspruchslos. Sie lief zum Pavillon, wo ihr Handy lag, während Elena sich anschickte, zu den Bussen zu humpeln.
„Er braucht keinen Arzt mehr." Elena fuhr herum und starrte Adele an, die plötzlich vor ihr stand. „Es ist leider wahr. Der Mediziner aus Triest hat zwar noch Wiederbelebungsversuche unternommen, aber die hat er bald wieder aufgegeben. Nichts mehr zu machen, sagt er."
„Es war also ein Herzinfarkt? Du sprichst doch vom Grafen?"
„Von wem denn sonst?", antwortete Adele mit ungewohnter Schärfe.
„Woher soll ich das wissen? Im Gegensatz zu dir war ich nicht vor Ort", schnappte Elena zurück. „Wieso bist du eigentlich schon wieder hier? Vor ein paar Minuten hab ich dich mit Ludwig und Mutter noch im Irrgarten gesehen."
„Entschuldige", lenkte Adele ein. „Ich hab deinen Knöchel glatt vergessen und in dem Wirrwarr gar nicht gemerkt, dass du fehlst. Ich bin dem Butler gefolgt, denn der kennt sich im Irrgarten aus. Er hat nur kurz auf seinen toten Herrn geblickt und dann auf dem Absatz umgedreht. Die anderen suchen noch immer nach dem Ausgang. Und du? Wo bist du gewesen?"
„Ich war die ganze Zeit mit der Countess drüben im Pavillon. Weiß sie es schon?"
„Wenn mich nicht alles täuscht, bringt man es ihr eben bei."
Die beiden Frauen blickten zu der Szene, die sich in einiger Distanz wie ein Stummfilm vor ihren Augen abspielte. Patricia Deverell war aufgesprungen, um zum Irrgarten zu eilen, doch der Butler, der beruhigend auf sie einsprach, stellte sich ihr in den Weg.
„Charles weiß, was er tut", murmelte Elena. Ihr hatte die bestimmte, aber ruhige Art des etwa Sechzigjährigen, der allgegenwärtig zu sein schien, sofort gefallen. „Wo ist Feli? Am besten, sie trommelt die Gruppe zusammen, damit wir so schnell wie möglich abfahren können."
„Das stellst du dir einfacher vor, als es ist. Die Chinesen wird niemand zurückhalten wollen, denn sie sind erst gekommen, als alles bereits geschehen war. Aber wir ..."
„Du willst doch nicht etwa sagen, dass etwas mit dem Tod des Grafen nicht stimmt? Adele, wach auf. Nicht immer geht es gleich um Mord, wenn es einen Toten gibt."
Ohne es auszusprechen, dachten beide an das Schicksal des unglückseligen Oberstudienrates, der auf Sizilien während einer Rundreise, die Elena geleitet hatte, erschlagen worden war. Damals hatten sie und Adele einander kennen und schätzen gelernt. Auch in Libyen, das sie unmittelbar vor Gaddafis Sturz gemeinsam bereist hatten, war Elena über ein Mordopfer gestolpert.
„Normalerweise nicht. Aber wenn du dabei bist ..."
„Gibst du mir die Schuld daran, dass der Graf heute gestorben ist?"
„Von Schuld kann keine Rede sein. Aber du musst doch zugeben, dass du seltsame Todesfälle geradezu magisch anziehst. Oder seltsame Todesfälle dich. Wie man's nimmt."
„Red keinen Unsinn! Und schon gar nicht vor den anderen, ich flehe dich an. Wie geht es jetzt weiter?"
„Wir müssen auf die Polizei warten."
„Sagt wer?"
„Der Butler. Er hat schon angerufen, die Beamten müssten jeden Moment hier sein."
Kaum hatte Adele ausgesprochen, kam ein Streifenwagen mit Blaulicht auf sie zu, aus dem zwei Uniformierte stiegen. Bevor sie ein Wort gesagt hatten, kündigte in der Ferne eine Sirene die Ankunft der Ambulanz an.
Charles war Situation völlig Herr. „Folgen Sie mir", rief er dem Notarzt zu, sobald die Sanitäter eine Bahre aus dem Fahrzeug gehievt hatten. Erst dann wandte er sich den Polizisten zu, die entgeistert auf das Chaos um sie herum starrten. „Sie, meine Herren, kümmern sich am besten erst einmal um die Touristen." Die meisten Chinesen hatten mittlerweile aus dem Irrgarten gefunden und bevölkerten nun laut schnatternd die kiesbestreuten Wege. Auch Felis Gruppe hatte sich nahezu vollzählig versammelt und betrachtete das Geschehen fassungslos.
„Im Moment können wir gar nichts tun", rief Elena ihren Mitreisenden zu. „Felicitas wird Sie zum Pavillon führen. Zu dem weißen Holzbau dort drüben, wo wir unseren Tee einnehmen sollten." Widerspruchslos folgte die Gruppe ihrer Reiseleiterin, während Elena unauffällig zu zählen begann. Zwölf, dreizehn ... Mit Feli und ihr sollten es sechzehn sein. Bis auf Dr. Lorenzo Burano, der sich offenbar noch immer bei dem Verstorbenen aufhielt, waren alle da.
Der achteckige Pavillon, der sich perfekt in die Gartenlandschaft einfügte, stammte eindeutig aus den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts und war wohl dank Patricias Mitgift vor dem Verfall gerettet worden. Eine überdachte Veranda, die sich ringsum erstreckte und mit zierlichen Tischchen und Stühlen zum Verweilen einlud - bei der Renovierung war an nichts gespart worden. Allein die Waschanlagen und Toiletten, die man nachträglich eingebaut hatte, mussten ein kleines Vermögen gekostet haben: Veilchensträußchen als verspieltes Dekor schmückten wie zu Königin Viktorias Zeiten die Fliesen, dazu passten die goldfarbenen Armaturen und die kleinen Schälchen mit duftenden Rosenblättern. Der Earl of Wharvedale wusste, womit man Besuchern imponieren konnte.
„Es tut mir unendlich leid, dass unser Besuch in Whiteberry Yew Hall von diesem tragischen Geschehen überschattet wird. Aber es macht den Grafen nicht wieder lebendig, wenn wir jetzt auf unseren Tee verzichten. Bitte stärken Sie sich, denn ich habe keine Ahnung, wie lange uns die Polizei hier festhalten wird." Feli holte tief Luft, bevor sie mit belegter Stimme fortfuhr.
„Sie alle haben Roger Deverell nur kurz kennen gelernt, also erwartet niemand von Ihnen, dass Sie um ihn trauern. Und es ist keineswegs pietätlos, wenn Sie jetzt am Büffet zugreifen. Margret, könnten Sie bitte einschenken?" Mit einem gezwungenen Lächeln wandte sich Feli an das junge Mädchen mit der weißen Servierschürze, das sogleich nach der Teekanne griff.
„Gut gemacht", flüsterte Elena, als Feli neben ihr in den Stuhl sank. „Wie du siehst hat es kaum jemandem den Appetit verschlagen. Mir ist allerdings nicht nach Essen zumute, auch wenn die Scones verlockend aussehen."
„Hast du eine Ahnung, wie es weitergeht? Dir ist doch auf Sizilien etwas ganz Ähnliches passiert."
„Rechne damit, dass es Stunden dauern wird. Die zwei Dorfpolizisten aus Fretton-on-Hill scheinen mir restlos überfordert. Also werden sie vermutlich die nächsthöhere Dienststelle verständigen, zumal es sich bei dem Toten um eine in ganz England bekannte Person handelt. Ich habe keine Ahnung, wer zuständig sein könnte."
„Das CID Gloucester, nehme ich an."
„Ist mir aus Fernsehkrimis ein Begriff, aber näheres weiß ich nicht. Ich hasse Abkürzungen. Wofür steht CID?"
„Criminal Investigation Department. Das entspricht unserer Kriminalpolizei. Wir sind hier in der Grafschaft Gloucestershire, also fällt das in die Kompetenz des CIDs der Hauptstadt. Unser Pech, denn Gloucester liegt geschätzte 70 Kilometer Luftlinie entfernt. Und das CID Cheltenham, das ebenfalls in Frage käme, ist auch nicht viel näher. Mit einer guten Stunde müssen wir mindestens rechnen, schneller schafft es selbst die Polizei mit Blaulicht nicht."
Die Briten wissen schon, warum sie in jeder prekären Situation erst einmal eine Tasse Tee trinken, dachte Elena, als sie hinter ihrem Rücken jemanden auflachen hörte. Die Stimmung hatte sich sichtlich gebessert, was nicht zuletzt an der Sonne lag, die von einem nahezu wolkenlosen Himmel schien. Im milden Licht des späten Nachmittags zeigten sich die Cotswolds von ihrer besten Seite. Eine Amsel tirilierte sich die Seele aus dem Leib, während ein Raubvogel, der sich majestätisch vom Blau des Firmaments abhob, seine Runden zog. In der Ferne war das Blöken einer Schafherde zu vernehmen und irgendwo bellte ein Hund. Eine Landschaft wie aus einem Märchenbuch.
„Unser chinesisches Ehepaar aus London steht noch immer unter Schock. Sollten wir uns nicht ein wenig um sie kümmern?" Die leise Stimme ihrer Mutter holte Elena abrupt zurück in die Gegenwart.
„Du hast recht. Die beiden sehen immer noch recht blass aus. Aber die Buben haben sich sichtlich erholt. Dabei haben sei doch den Grafen gefunden."
„Kinder stecken so etwas leichter weg. Schau doch, die zwei interessiert nichts anderes als ihr Handy."
Elena sprang auf und eilte zum Tisch der Familie Chen. „Was macht ihr da? Schickt ihr vielleicht Fotos in die ganze Welt?", fuhr sie die Buben an, die nur flüchtig ihre Köpfe hoben, um danach konzentrierter als zuvor die Touchscreens ihrer Handys zu bedienen.
„Ich muss schon sehr bitten", protestierte ihr Vater und stellte sich schützend vor seine Söhne. Mit seinen mehr als 1,80 Metern überragte Qiang Chen die meisten seiner Landleute und in jedem Fall Elena, der nun der Blick auf Lian und Lee versperrt war.
„Entschuldigen Sie bitte meinen Ton, aber auch ich habe nur Nerven", lenkte Elena ein. „Ich glaube nicht, dass es der Polizei recht ist, wenn wir Informationen der Öffentlichkeit preisgeben, bevor man mit uns gesprochen hat. Außerdem haben Ihre Kinder vermutlich mit ihren Handys Fotos vom Toten gemacht."
„Wäre das so schlimm?"
„Nicht die Fotos, aber eine etwaige Verbreitung. Die Polizei hätte sicherlich einiges dagegen."
Qiang Chen trat beiseite - die betretenen Gesichter der Buben verrieten, dass Elena richtig geraten hatte.
„Ich möchte die Bilder sehen."
Statt einer Antwort hielten ihr die Buben die Handys hin. Die Aufnahmen waren messerscharf und zeigten jedes Detail: Die verkrümmte Haltung des Toten, die hervorquellenden Augen, den halboffenen Mund und vor allem die blutüberströmte Schläfe. Offenbar war Roger Deverell bei seinem Sturz mit dem Kopf auf der Kante des Statuen-Podests aufgeschlagen.
„Habt ihr die Fotos schon verschickt oder ins Internet gestellt? Seid ehrlich, es kommt ohnehin raus", fragte Elena ruhig. Sie hatte sich nun unter Kontrolle und würde kein zweites Mal den Fehler begehen, die beiden anzuherrschen. Das tat an ihrer Stelle einer der zwei Polizisten, der wie aus dem Nichts neben ihr aufgetaucht war. Er hatte offensichtlich nichts bemerkt.
„Was machen Sie hier? Gehen Sie sofort zu Ihrem Bus", fuhr er die chinesische Familie an. „Das gilt auch für Sie, Sir", fügte er hinzu, als sein Blick auf Kim Wang fiel, der gemeinsam mit dem Pastor und der Buchhändlerin am Nebentisch saß.
„Ich bin Amerikaner und gehöre nicht zu den Chinesen aus China. Also lassen Sie mich in Ruhe", wies der New Yorker den Beamten in seine Schranken. „Das gilt übrigens auch für meine Freunde hier. Sie sind Engländer wie Sie und ich möchte Sie höflich ersuchen, einen anderen Tonfall anzuschlagen. Außerdem wüsste ich gerne Ihren Namen."
Tiefe Röte überzog das von unzähligen Sommersprossen gesprenkelte Gesicht des jungen Polizisten. „Constable Waterhouse, Sir. Ich bitte um Verzeihung, aber meine Aufgabe ist es, alle chinesischen Touristen zu ihrem Bus zu bringen. Wie sollte ich ahnen, dass Sie nicht dazu gehören."
„Schon in Ordnung, Constable. Wie heißt es so schön: Sie tun ja nur Ihre Pflicht. Wenn Sie nun schon einmal hier sind, können Sie uns doch sagen, was es Neues gibt. Und vor allem, wie es weitergehen soll." Als Geschäftsmann war es Kim Wang gewohnt, rasch zur Sache zu kommen.
„Ich weiß wenig mehr als Sie, Sir, und wenn, dann dürfte ich es Ihnen nicht verraten. Nur so viel: Der Bus mit den Touristen aus China, der offenbar erst nach dem Unglücksfall eingetroffen ist, wird in wenigen Minuten abfahren. Dann wird es hier ruhiger zugehen. Von Ihrer Gruppe müssen allerdings alle einvernommen werden, sobald der Detective Inspector vom CID Gloucester eingetroffen ist. Und jetzt entschuldigen Sie mich."
„Eigentlich ein netter Kerl, dieser Constable Waterhouse", meinte Kim Wang versöhnlich. „Hoffen wir, dass der Herr Inspektor ebenso nett ist."
Dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen.
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Die Situation drohte aus dem Ruder zu laufen, das war Elena klar geworden, als der kleine, glatzköpfige Italiener auf dem Platz hinter dem Chauffeur zu zappeln begonnen hatte. Ihre Theorie, dass es auf jeder Reise ein statistisches Ekel gab, das sich zumeist in der ersten Sitzreihe breitmachte, würde sich wieder einmal bestätigen. Am meisten ärgerte es sie, dass dieser alte Wichtigtuer aus Rom gratis mitfuhr. Kaum hatte er herausgefunden, dass sie fließend Italienisch sprach, war er gleich am ersten Abend nicht mehr von ihrer Seite gewichen.
Ob sie wollte oder nicht, Elena kannte nun die Lebensgeschichte dieses Francesco Montini, die langweiliger nicht sein konnte. Er war bis zu seiner Pensionierung Finanzbeamter gewesen und engagierte sich seither ehrenamtlich bei der FAI, dem italienischen Umwelt- Fonds, der sich für die Renovierung und Erhaltung historischer Bauten und Gartenanlagen einsetzte.
Als Anerkennung seiner langjährigen Dienste war ihm diese Reise geschenkt worden. Wahrscheinlich um ihn wenigstens für ein paar Tage los zu sein, dachte Elena grimmig. Wenigstens waren die anderen Italiener an Bord halbwegs sympathisch, auch wenn dieser Triestiner Gynäkologe Lorenzo Burano und seine Frau Emilia nicht unbedingt ihr Fall waren. Dafür gefiel ihr Maurizio Bardi, der mit seinen geschätzten 1,90 Metern alle um Haupteslänge und den kleingewachsenen Römer gleich um zwei Köpfe überragte, umso besser. Auch wenn sie nicht klug daraus wurde, was ein allein reisender junger Mann aus der Toskana auf einer Gartentour durch England eigentlich zu suchen hatte.
Bevor die Stimmung endgültig kippte, war Feli gerade noch rechtzeitig eine rettende Idee gekommen. Während einer lange zurückliegenden nasskalten Schullandwoche hatte ihre damalige Klassenlehrerin Adele Bernhardt den örtlichen Pfarrer, der die Kleiderspenden des Dorfes verwaltete, aufgesucht und ihm Regenjacken und warme Pullover für ihre Schüler aus ärmeren Verhältnissen abgeschnorrt. Mit den anderen war sie danach in den Nachbarort gefahren, wo sich die bessergestellten Halbwüchsigen in einem kleinen Kaufhaus mit dem Nötigsten versorgen konnten. Zu Vorzugspreisen, die Adele nach zähem Hin und Her ausgehandelt hatte.
Diesmal würde es kein Skonto geben, selbst wenn ihre alte Lehrerin durchaus imstande war, auch hier einen Preisnachlass zu verlangen. Das hatte Feli sich gesagt, bevor sie zum Mikrophon gegriffen hatte. Ihr Vorschlag, anstelle des vorgesehenen Spaziergangs durch das malerische Bourton-on-the-Water die nächste größere Stadt aufzusuchen, um sich mit Gummistiefeln und wasserdichten Mänteln einzudecken, war begeistert aufgenommen worden - nur nicht vom mürrischen Chauffeur, der sich noch einmal hinters Steuer setzen und nach Cheltenham fahren musste.
Dieser Kevin Middler war überhaupt alles andere als ein Glücksgriff. „Liegt gar nicht mehr in den Cotswolds und steht nicht im Programm", hatte er versucht, Feli abzuwimmeln. Erst nach dem energischen Eingreifen Elenas, die als professionelle Reiseleiterin prinzipiell keinen Widerspruch eines Fahrers duldete, zeigte er sich zu der Extratour in den noblen Kurort bereit. Von den eleganten Fassaden der Regency-Häuser hatte die Gruppe wenig zu sehen bekommen, dafür aber ein gut sortiertes Fachgeschäft für Sportbekleidung gefunden.
„Wir sehen aus wie die Besatzung eines Kutters auf Walfischfang", konnte sich Adele eine spitze Bemerkung nicht verkneifen, als sie ihren Regenhut mit Nackenschutz überstülpte und ihr Spiegelbild dabei kritisch in der verglasten Hoteltüre betrachtete. Die Damen hatten für ihre überlangen Mäntel, schweren Stiefel und Südwester einheitlich Gelb gewählt, die Herren Schwarz. Mit Ausnahme des stets Hand in Hand marschierenden Ehepaares aus Triest, das es irgendwie geschafft hatte, passende Größen in Hellblau aufzutreiben und im Partnerlook zu erscheinen.
„Ein wenig lächerlich in dem Alter, findest du nicht?", hatte Ilse Hubinek ihrer Tochter zugezischt, als sie in der beeindruckenden Gartenanlage von Broughton Grange hinter den beiden hertrotteten.
„Dafür könnte man dich für ein Eierschwammerl halten. Schwarz steht dir eindeutig besser, aber du hast ja nicht auf mich gehört." Bei aller Liebe, Elena und ihre Mutter schenkten einander nichts. „Für Hüte bist du zu klein. Wenn du jetzt einen aufsetzen musst, dann nimm um Himmels willen einen unauffälligen. Deiner ist mit Abstand der größte mit der breitesten Krempe."
„Gebt Frieden, ihr zwei", hatte Adele gerade noch rechtzeitig die Wogen geglättet, die über den beiden zusammenzuschlagen drohten. „Auf dieser Reise wird nicht gestritten, das habt ihr mir hoch und heilig versprochen. Schaut euch lieber die herrlichen Rhododendren an. Und was sagt ihr zum Heckenschnitt? Diese Knotengärten sind lebende Kunstwerke in klassischem und in modernem Design. Leider ist es für die Rosenblüte eindeutig noch zu früh, da müssten wir im Juni wiederkommen."
Mit Sicherheit nicht, hatte Elena gedacht, als sie vor allen anderen ins trockene Innere des Busses geklettert war. In Taormina schien jetzt die Sonne auf die Bougainvilleen, die sich als violettes Blütenmeer an ihrem Häuschen emporrankten. Wild wachsende Oleanderbüsche in allen Schattierungen, von weiß über rosa bis dunkelrot, fanden sich in jedem trockenen Flussbett. Entlang der Autobahnen explodierten die dottergelben Bällchen der Akazienmimosen zu Myriaden Feuerwerkskörpern. Wie sollten ihr da ein paar bunte Blütenkaskaden imponieren, die selbst mit den leuchtendsten Farben nicht gegen das Grau in Grau des englischen Himmels ankommen konnten?
Ilse war die schlechte Laune ihrer Tochter nicht entgangen, aber sie ließ sich ihre eigene davon nicht verderben. Wahrscheinlich Streit mit Giorgio, dachte sie, als sie in der Sitzreihe neben Adele und Ludwig Platz nahm. Mit dieser Mutmaßung lag sie jedoch falsch. Zum Streiten hatte Elena gar keine Gelegenheit gehabt. Aus für sie unerfindlichen Gründen war Giorgio seit gestern Abend nicht erreichbar. Auch die Nachricht, die sie noch vor dem Frühstück auf seinem Handy hinterlassen hatte, blieb bisher unbeantwortet.
Ab sofort kann er mich gern haben, beschloss Elena beim Mittagessen, das die Gruppe in einem auf alt getrimmten touristischen Pub in einem winzigen Weiler zwischen Banbury und Chipping Norton einnahm. Das Essen war erstaunlich gut, was die allgemeine Stimmung eindeutig hob. Das saftige Steak hatte offensichtlich allen gemundet, auf den Tellern war bis auf ein paar Erbsen und Bratkartoffeln kaum etwas übrig geblieben.
Selbst die „Heikelfraktion", wie Elena die vier Italiener im Stillen nannte, schien diesmal zufrieden zu sein. Dem Pfarrer und der Buchhändlerin - den einzigen Engländern, die mit von der Partie waren - schmeckte ohnedies alles, und auch die fünf chinesischen Gäste hatten sich bisher noch nie beklagt. Irrtum, korrigierte sich Elena, als ihr Blick auf das Ehepaar Chen und ihre beiden Söhne fiel. Die vier waren ebenfalls britische Staatsbürger und auch der um einiges ältere Mann neben ihnen kam nicht aus China, sondern aus den USA.
Wie hieß er bloß? Um Elenas Namensgedächtnis stand es nicht zum Besten, ein Handicap für eine Reiseleiterin, aber das sollte diesmal ihre Sorge nicht sein. Kim Wang, fiel es ihr plötzlich ein. Ein Geschäftsmann aus New York mit unüberhörbar amerikanischen Akzent, der bisher alles „just great" gefunden hatte.
Es ist dennoch ein Glück für Feli, dass wir vier dabei sind, konstatierte Elena. Immerhin stellen Adele, Ludwig, Ilse und ich mehr als ein Viertel der fünfzehnköpfigen Gruppe und können somit die schlimmsten Nörgler in Schach halten.
Trotz der Schutzkleidung war jedoch auch an diesem Vormittag die Besichtigung weit kürzer ausgefallen als geplant. Ein bestens geschulter Angestellter hatte sie durch den Privatbesitz des Bankiers Stephen Hester geführt, sein Garten zählte zu den Höhepunkten der Tour. Kein geringerer als Tom Stuart-Smith, einer der führenden Landschaftsarchitekten Englands und Gewinner der Chelsea-Gold-Medaille, hatte Broughton Grange 2001 seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt.
Nach einem besonders heftigen Guss, begleitet von peitschenden Windböen, wollte jedoch keiner mehr den Ausführungen im Freien folgen. Trotz der neuen wasserdichten Mäntel und der Gummistiefel; das Wetter war einfach zu scheußlich. Tapfer hatte Feli im Bus daraufhin einen langen Vortrag über Ornamente-, Flecht- und Schachbrettmuster in Knotengärten von der Renaissance bis heute gehalten, doch allmählich langweilte sie damit selbst die Geduldigsten. Für graue Theorie hatten die Reisenden nicht eine ziemlich erkleckliche Summe hingeblättert. Sie wollten für ihr Geld seltene Blumen sehen und durch duftende Gärten wandeln.
Viel früher als geplant war die Gruppe im Pub eingetroffen, denn auch auf eine Besichtigung von Broughton Castle oder gar einen Spaziergang durch eines der malerischen Dörfer von Oxfordshire hatte niemand die geringste Lust verspürt. Was also mit der überschüssigen Zeit anfangen? Ein Problem, mit dem sich jeder Reiseleiter irgendwann einmal herumschlagen musste, aber für eine Anfängerin wie Felicitas Cape war es doppelt schlimm. Als der Nachtisch serviert wurde, stand Elena auf und trat an die Bar. Nach einer kurzen Verhandlung mit dem Herrn des Hauses winkte sie Feli unauffällig zu sich.
„Deine Gäste brauchen jetzt ein wenig Aufmunterung, und Zeit musst du auch schinden. Ich habe Sherry für alle bestellt und zwar so viel, wie sie wollen. Das spendierst du als Einladung deiner Agentur. Du wirst sehen, wenns etwas gratis gibt, saufen sie wie die Löcher - am meisten die, die am lästigsten sind. Wie das Ekel aus Rom. Nach ein paar Gläsern sind sie alle streichelweich, glaube mir."
„Im Pauschalpreis für das Essen ist pro Person nur ein Getränk inbegriffen, egal ob Wasser, Bier oder Wein. Hast du eine Ahnung, was selbst ein einziger Sherry für fünfzehn Leute in einem Lokal wie diesem kostet? Die Agentur wird das nicht bezahlen. Für so etwas habe ich kein Budget, das hat man mir eigens gesagt", protestierte Feli.
„Das Reisebüro wird dafür aufkommen, das garantiere ich dir. Und wenn ich höchstpersönlich dort auftauchen muss. Die können dich nicht buchstäblich im Regen stehen lassen. Und falls doch, zahle ich das eben aus meiner eigenen Tasche. Der Wirt gibt mir nachher eine Extrarechnung und wenn ich darauf sitzenbleiben sollte, werde ich es überleben. Kopf hoch, bald hast du es überstanden. Ich gehe jetzt zum Tisch zurück und du erscheinst dann in ein paar Minuten mit dem Sherry - es ist deine Party."
Wie nicht anders erwartet, wurde der Auftritt des Kellners, der mit einem aufmunternden Lächeln die bernsteinfarben funkelnden, gut gefüllten Gläser servierte, von begeisterten Ausrufen empfangen. Bereits ein paar Schlucke zeigten die erwünschte Wirkung, als der Kellner kurz darauf auch noch eine volle Flasche Sherry zur Selbstbedienung auf den Tisch stellte, erntete er dafür sogar Applaus.
„Eine hervorragende Idee", flüsterte Adele, die selbst recht gern das eine oder andere Gläschen trank, ihrer einstigen Schülerin zu. „Ich bin nur gespannt, wer sich als erster nachschenkt. Ich tippe auf unseren Liebling aus Rom."
Doch es war nicht Signor Montini, der schon wenige Minuten später nach der Flasche griff, sondern Percival Cockerton. Sieh mal einer an, unser Pastor hat es faustdick hinter den Ohren, stellte Adele amüsiert fest. Und mit dem Nachschub ist er auch bald fertig.
Tatsächlich schüttete der Pfarrer bis zum Aufbruch still und unauffällig ein Glas nach dem anderen in sich hinein. Mindestens fünf, konstatierte Elena, aber man merkt es ihm nicht an. Lediglich seine dicken, rosa Backen sind noch etwas röter geworden und die hellblauen Froschaugen scheinen etwas weiter hervorzuquellen, aber das ist auch schon alles. Im Gegensatz zu den anderen, die fröhlich vor sich hin kichernd den Bus bestiegen, verzog der dickliche Brite, der genauso gut 40 wie 60 sein konnte, keine Miene.
„Wie lange fahren wir bis Whiteberry Yew Hall?", erkundigte sich Elena bei Feli, bevor sie losfuhren.
„Eine gute halbe Stunde, schätze ich. Der Landsitz der Wharvedales liegt mitten im Nirgendwo zwischen Moreton-in-Marsh und Stow-on-the-Wold. In oder besser gesagt bei Fretton-on-Hill, denn nach der Ortschaft müssen wir abzweigen und noch ein paar Kilometer auf einer schlecht asphaltierten Nebenstraße hinter uns bringen. Aber frag mich jetzt nicht, in welche Himmelsrichtung. Auf der Karte ist Yew Hall nicht eingezeichnet, und ich habe mich jedes Mal verfahren, wenn ich dort zu tun hatte. Aber Kevin findet problemlos hin, er arbeitet schon seit Jahren für Roger."
„Wenigstens etwas", knurrte Elena, die den Fahrer nicht ausstehen konnte. „Du machst jedenfalls jetzt mal Pause. Nach dem Essen und dem Sherry wollen dir die Leute garantiert nicht zuhören, sondern schlafen. Schau sie dir doch an. Lass das Mikrophon stecken und komm zu mir auf den Rücksitz. In der letzten Reihe kannst du unbemerkt ein Nickerchen machen. Oder mit mir tratschen, ganz wie du willst."
„Ich muss die Gäste doch auf das vorbereiten, was sie erwartet ..."
Elena erstickte Felis Protest im Keim.
„Das Wichtigste steht im Programm: Besichtigung des Familiensitzes eines der ältesten Adelsgeschlechter des Landes, Spaziergang durch die weitläufige Anlage mit dem berühmten Irrgarten, danach wird man uns einen typischen englischen Tee servieren."
„Aber ich habe eine Überraschung. Der Earl of Wharvedale ist anwesend und möchte uns höchstpersönlich durch sein Haus führen. Und beim Tee wird uns die Countess Gesellschaft leisten."
„Um Himmels willen, kündige nichts an, was vielleicht nicht eintrifft", unterbrach Elena erneut. „Das ist eine goldene Reiseleiterregel. Es kann immer etwas dazwischenkommen - und wie stehst du da, wenn keiner der Wharvedales sich blicken lässt?"
„Ich habe noch vor dem Frühstück mit Roger telefoniert. Er und Patricia werden uns in Empfang nehmen und machen damit für uns keine Ausnahme. Offenbar ist es ihm ein Vergnügen, seine Schätze herzuzeigen. Was mich offen gestanden wundert. Aber vielleicht ist ihm langweilig, seit er nicht mehr jede Woche in den Schlagzeilen steht. Oder er will sich auf diese Weise mit seiner Agentur von der Konkurrenz unterscheiden. Ihm gehört das Reisebüro, das mich engagiert hat", sprudelte Feli hervor.
„Bitte langsam, sonst komm ich nicht mit. Du arbeitest für Roger Wharvedale?"
„Roger Deverell, Earl of Wharvedale, um korrekt zu sein. Er ist ein alter Freund von meinem Ex-Mann. Zu Lebzeiten seines Vaters hat Roger uns oft nach Yew Hall eingeladen. Das Anwesen war damals allerdings ziemlich heruntergekommen. Erst als er selbst den Grafentitel tragen konnte und reich geheiratet hat, ist es mit dem Familiensitz wieder aufwärts gegangen. Das muss so Mitte der neunziger Jahre gewesen sein. Patricia ist Amerikanerin und um einiges jünger. Sie dürfte jetzt Anfang 40 sein, er jenseits der 50. Mit dem Geld seines Schwiegervaters hat Roger erst das Schlösschen und dann die Gärten instand gesetzt. Da kam ich ins Spiel. Meine Kinder waren aus dem Haus und ich wollte wieder als Landschaftsarchitektin Fuß fassen. Roger schlug mir vor, den Irrgarten von Whiteberry Yew neu zu gestalten. Ich war selig, aber nicht lange. Er hat mir den Auftrag bald wieder entzogen und einem seiner Freunde übertragen."
„Mit welcher Begründung?"
„Gar keiner. Roger ist Weltmeister darin, Beziehungen auszunützen und Seilschaften aufzubauen. Das muss man wohl können, wenn man als Lobbyist erfolgreich sein will. Und das war er, bis ihm der Boden unter den Füßen zu heiß geworden ist. Als Berater des Rüstungskonzerns British Force Demand. Für den BFD, von dem du sicher schon gehört hast, ist er jahrelang im ehemaligen Ostblock und auch in Russland tätig gewesen. Dabei sollen Unsummen an Bestechungsgeldern geflossen sein. Die Medien haben sich darauf gestürzt, schließlich ist ein Waffenhändler, der aus dem britischen Hochadel stammt, nicht gerade alltäglich. Bevor es jedoch zu einer Anklage kommen konnte, hat der BFD 2004 eine Strafe in Millionenhöhe gezahlt und damit die Affäre niedergeschlagen. Offiziell behielt Roger, dem man nichts strafrechtlich Relevantes nachweisen konnte, seine weiße Weste, aber als Lobbyist war er endgültig aus dem Rennen ..."
„... und bescheidet sich seither mit einer kleinen Reiseagentur?"
„Zumindest beschert sie ihm ein offizielles Einkommen ..."
„Aber davon kann er doch nicht leben. Jedenfalls nicht auf großem Fuß. Und das tut er nach wie vor, oder?"
„Roger lässt sich nichts abgehen. Das hat er nie. Wie er das macht, ist allerdings ein Rätsel. Die Sanierung von Whiteberry Yew, die Erhaltung seiner Londoner Residenz im noblen Belgravia, seine Reisen, all das verschlingt Unsummen, die nicht einmal sein Schwiegervater aus dem Ärmel schütteln könnte. Der macht freilich schon lange kein Geld mehr locker, solange kein Erbe unterwegs ist. Damit hat es aber offenbar nicht geklappt, denn die Deverells haben bereits Mitte der neunziger Jahre geheiratet ..."
„Also vor mehr als fünfzehn Jahren", stellte Elena nachdenklich fest. „Erstaunlich, dass die Ehe trotzdem hält. Man sollte doch meinen, dass ein Earl of Wharvedale alles daran setzt, dass sein Geschlecht nicht ausstirbt."
„Roger ist sicherlich überzeugt davon, dass ihm dafür alle Zeit der Welt bleibt. Seine biologische Uhr tickt ja nicht. Er kann auch als Greis noch Vater werden." Feli verzog ihr Gesicht zu einem bitteren Lächeln. „Mein Ex hat drei Jahre nach unserer Scheidung sein eigenes Enkelkind gezeugt. Jedenfalls hält man ihn für den Großvater, wenn er seinen Jüngsten im Kinderwagen spazieren fährt."
„Schau doch einmal hinaus", unterbrach Elena, um Feli von ihren düsteren Gedanken abzulenken. Auch sie wollte außerdem über ihre eigene Kinderlosigkeit nicht nachdenken. „Es hat aufgehört zu regnen und der Himmel wird heller. Vielleicht haben wir doch noch Glück mit dem Wetter."
Als der Bus wenige Minuten später in die dunkle Eibenallee einbog und die imposante Fassade von Whiteberry Yew Hall erstmals in Sicht kam, brach die Sonne durch. Endlich. Das sanfte Licht ließ die honigfarbenen Säulen aufleuchten, auf den Rosen in dem großzügig angelegten Rondo vor dem Hauptportal funkelten die letzten Regentropfen wie geschliffene Diamanten.
Heute kann eigentlich nichts mehr schief gehen, dachte Elena, als das Grafenpaar der Gruppe entgegenging.
5. Kapitel
Die spitzen Schreie, die aus dem Inneren des Irrgartens drangen, waren abrupt verstummt und die meisten aus der Gruppe, die nach der offiziellen Besichtigung von Schloss und Garten noch einmal durch die weitläufige Anlage schlenderten, um vor dem Tee letzte Fotos zu schießen, hatten sie gar nicht gehört. Elena hingegen saß bereits in dem kleinen Pavillon unweit des Gartenlabyrinths, in dem zum Abschluss ein „Cream Tea" mit allen erdenklichen süßen Köstlichkeiten serviert werden sollte. Nicht ganz freiwillig - ein „Fehltritt" am Seerosenteich hatte ihr kurz zuvor einen verknacksten Knöchel beschert.
Dem Geschrei im Irrgarten maß Elena vorerst keine Bedeutung bei. Erst als das chinesische Ehepaar aus London in heller Panik herbeistürzte und hinter der Eibenhecke des Irrgartens verschwand, wurde ihr bewusst, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Während sie überlegte, ob sie den beiden trotz ihres anschwellenden Fußes folgen sollte, traf ein weiterer Bus ein. Um anderthalb Stunden zu früh, denn Feli hatte ihr nervös erklärt, dass sie Whiteberry Yew Hall mit ihren Schäfchen spätestens um halb sechs wieder verlassen musste.
Ausnahmsweise wurde an diesem Tag noch eine weitere Gruppe erwartet, die mit der anderen möglichst nicht zusammentreffen sollte. Der Nimbus der Exklusivität wäre dahin, hatte Roger ihr mit Augenzwinkern erklärt. Jeder, der sein Schloss betrat, sollte das Gefühl haben, er wäre ein persönlicher Gast des Grafenpaares und nicht Teilnehmer einer Massenveranstaltung.
Die Situation hätte sich vielleicht noch retten lassen, wäre der zweite Bus gleich wieder abgefahren, um in der Gegend herumzukurven oder nach Fretton-on-Hill zurückzufahren. Stattdessen ergoss sich ein nicht enden wollender Strom chinesischer Touristen aus seinem Inneren. Gleichzeitig drangen erneut Hilferufe aus dem Irrgarten. Zumindest hörte es sich so an, denn Elena verstand kein Wort. Wohl aber die Neuankömmlinge, die wie elektrisiert zusammenzuckten, bevor sie allesamt in Richtung der Schreie rannten und einer nach dem anderen im dichten Grün verschwanden.
„Was ist geschehen?", rief Countess Patricia von der Freitreppe aus. Bis vor wenigen Minuten hatte sie Elena Gesellschaft geleistet. Eben war sie ins Schloss gegangen, um in der Küche nach dem Rechten zu sehen.
„Ich weiß es nicht, aber ich werde es Ihnen gleich sagen", antwortete Elena, die eine vom Gärtner zurückgelassene Leiter am hellen Stamm einer uralten Platane entdeckt hatte und darauf zuhumpelte. Vergessen war der verstauchte Knöchel. Wenn sich Elena etwas in den Kopf setzte, konnte sie höchstens ein Liegegips davon abhalten. Das Erklettern der Holzsprossen fiel ihr nicht leicht, aber schließlich stand sie dort, wo sie hinwollte.
Aus luftiger Höhe überblickte Elena den Irrgarten, der einem geöffneten Ameisenhaufen glich. In den schmalen Pfaden zwischen den gut und gern zwei Meter hohen Eiben wuselten Dutzende Chinesen, die sich heillos verirrt hatten und weder den Weg zur Mitte noch zum Ausgang finden konnten. Ihre entsetzen Rufe vereinigten sich zu einer Klangwolke, die an das Gezwitscher eines aufgebrachten Spatzenschwarms erinnerte. Elena kniff die Augen zusammen, um gegen die schräg einfallende Nachmittagssonne besser sehen zu können.
Nein, sie hatte sich nicht geirrt. Im Zentrum der Anlage, die sie vor einer knappen Stunde mit noch heilem Knöchel besichtigt hatte, lag zu Füßen der lebensgroßen Hermesskulptur eine Gestalt mit seltsam verkrümmten Gliedmaßen. Elena kannte die Örtlichkeit; der Graf höchstpersönlich hatte ihre Gruppe ins Innere des Irrgartens geführt und mit leiser Ironie auf die vielen Talente des Götterboten hingewiesen. Elena sah den Hausherrn vor sich, wie er liebevoll über den glatten Marmor der exzellenten Kopie von Kleomenes' Merkur strich.
„Eigentlich wurde dieser Hermes im fünften Jahrhundert vor Christus von Phidias geschaffen. Kaiser Augustus hat dann den später auch Germanicus genannten Athener Bildhauer Kleomenes damit beauftragt, einen römischen Merkur zu schaffen. So entstand diese Statue. Kleomenes hat einfach eine Kopie modelliert, dem Götterboten jedoch die Gesichtszüge eines römischen Offiziers verliehen. Das Original können Sie im Louvre besichtigen", hatte er erklärt und lächelnd hinzugefügt: „Hermes-Merkur ist wohl der vielseitigste Sohn des Zeus. Wahrscheinlich mag ich ihn deshalb so gern. Unter anderem galt er als Schutzherr der Wanderer und der Kaufleute. Sein Heroldstab besaß Zauberkräfte, er konnte mit ihm einschläfern, wen immer er wollte. Deshalb sah man in ihm auch den Hüter des Schlafes und der Träume. Nicht zuletzt war er so schlau, dass er zum Gott der Diebe und Betrüger wurde. Sie sehen, nicht immer war negativ besetzt, was wir heute verurteilen."
Elena hatte ihn fasziniert angestarrt. Und du, lieber Roger, hast den Kopisten dazu angehalten, diesen Hermes mit deinen eigenen Gesichtszügen auszustatten, dachte sie. Wenn man genau hinsieht, ist die Ähnlichkeit geradezu verblüffend. Der in dubiose Geschäfte verwickelte Earl of Wharvedale spielte damit unverhohlen auf seinen schlechten Ruf an und machte allen klar, dass er sich keineswegs für die Schlagzeilen, in die er geraten war, genierte. Strotzend vor Selbstbewusstsein hatte er sich neben seinem Hermes, der ein kleines Vermögen gekostet haben musste, in Pose geworfen und sich bereitwillig fotografieren lassen. Ein Landedelmann von Kopf bis Fuß; bekleidet mit einem hellbraunen Tweed-Sakko mit rot- gelbem Karomuster über einem dottergelben Pullover und einer passenden dunkelbraunen Schnürlsamthose.
Auch die reglose Gestalt trug Gelb, Näheres konnte Elena nicht erkennen. Wohl aber ihre Mutter, unverwechselbar durch ihren Eierschwammerl-Hut, den sie trotz Sonnenschein nach wie vor aufhatte. Und wenn sie nicht alles täuschte, befanden sich gleich hinter ihr Adele und Ludwig, gefolgt von einer aufgeregt mit den Armen rudernden Feli. Allmählich konnte Elena auch die meisten anderen Teilnehmer ihrer Gruppe identifizieren. Das Arztehepaar aus Triest, der Pastor, die junge Buchhändlerin aus London, der attraktive Italiener und auch der alte Wichtigmacher aus Rom hatten sich unter die Invasion aus China gemischt.
„Was ist los? Nun sagen Sie schon!", rief Countess Patricia, die sich anschickte, ebenfalls die Leiter zu erklimmen.
„Bleiben Sie bitte unten", suchte Elena in einer Notlüge Zuflucht. „Von hier oben sieht man auch nicht viel. Ich glaube, jemandem ist schlecht geworden. Kein Grund zur Aufregung. Vielleicht könnte Ihr Butler im Irrgarten Nachschau halten ..."
„Charles ist schon unterwegs. Irgendwer muss die Leute ja wieder herausführen. Den Ausgang zu finden ist nämlich schwieriger, als man glaubt. Soll ich einen Arzt rufen, was meinen Sie?"
„Könnte nicht schaden", sagte Elena, während sie die Sprossen vorsichtig hinunterstieg. „Lieber einmal zu oft als einmal zu spät." Kaum waren ihr die Worte entschlüpft, hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
„Was heißt zu spät? Es geht also doch um etwas Ernstes. Und wo um alles in der Welt steckt mein Mann? Das ist wieder einmal typisch. Wenn man ihn braucht, ist er nie da." Patricia Deverell war ängstlich und wütend zugleich. Eine brisante Mischung, dachte Elena. Vor allem dann, wenn es darum ging, klaren Kopf zu bewahren. Etwas Tragisches war geschehen, so viel stand fest. Aber sie wollte nicht gleich das Schlimmste annehmen, auch wenn ihr Instinkt das Gegenteil sagte.
„Sie rufen einen Notarzt und ich suche den Reiseleiter der Chinesen. Die müssen erst einmal weg oder zumindest in ihren Bus steigen und auch dort bleiben. Sonst löst sich das Chaos nie auf." Automatisch hatte Elena die Zügel in die Hand genommen und Patricia gehorchte ihr widerspruchslos. Sie lief zum Pavillon, wo ihr Handy lag, während Elena sich anschickte, zu den Bussen zu humpeln.
„Er braucht keinen Arzt mehr." Elena fuhr herum und starrte Adele an, die plötzlich vor ihr stand. „Es ist leider wahr. Der Mediziner aus Triest hat zwar noch Wiederbelebungsversuche unternommen, aber die hat er bald wieder aufgegeben. Nichts mehr zu machen, sagt er."
„Es war also ein Herzinfarkt? Du sprichst doch vom Grafen?"
„Von wem denn sonst?", antwortete Adele mit ungewohnter Schärfe.
„Woher soll ich das wissen? Im Gegensatz zu dir war ich nicht vor Ort", schnappte Elena zurück. „Wieso bist du eigentlich schon wieder hier? Vor ein paar Minuten hab ich dich mit Ludwig und Mutter noch im Irrgarten gesehen."
„Entschuldige", lenkte Adele ein. „Ich hab deinen Knöchel glatt vergessen und in dem Wirrwarr gar nicht gemerkt, dass du fehlst. Ich bin dem Butler gefolgt, denn der kennt sich im Irrgarten aus. Er hat nur kurz auf seinen toten Herrn geblickt und dann auf dem Absatz umgedreht. Die anderen suchen noch immer nach dem Ausgang. Und du? Wo bist du gewesen?"
„Ich war die ganze Zeit mit der Countess drüben im Pavillon. Weiß sie es schon?"
„Wenn mich nicht alles täuscht, bringt man es ihr eben bei."
Die beiden Frauen blickten zu der Szene, die sich in einiger Distanz wie ein Stummfilm vor ihren Augen abspielte. Patricia Deverell war aufgesprungen, um zum Irrgarten zu eilen, doch der Butler, der beruhigend auf sie einsprach, stellte sich ihr in den Weg.
„Charles weiß, was er tut", murmelte Elena. Ihr hatte die bestimmte, aber ruhige Art des etwa Sechzigjährigen, der allgegenwärtig zu sein schien, sofort gefallen. „Wo ist Feli? Am besten, sie trommelt die Gruppe zusammen, damit wir so schnell wie möglich abfahren können."
„Das stellst du dir einfacher vor, als es ist. Die Chinesen wird niemand zurückhalten wollen, denn sie sind erst gekommen, als alles bereits geschehen war. Aber wir ..."
„Du willst doch nicht etwa sagen, dass etwas mit dem Tod des Grafen nicht stimmt? Adele, wach auf. Nicht immer geht es gleich um Mord, wenn es einen Toten gibt."
Ohne es auszusprechen, dachten beide an das Schicksal des unglückseligen Oberstudienrates, der auf Sizilien während einer Rundreise, die Elena geleitet hatte, erschlagen worden war. Damals hatten sie und Adele einander kennen und schätzen gelernt. Auch in Libyen, das sie unmittelbar vor Gaddafis Sturz gemeinsam bereist hatten, war Elena über ein Mordopfer gestolpert.
„Normalerweise nicht. Aber wenn du dabei bist ..."
„Gibst du mir die Schuld daran, dass der Graf heute gestorben ist?"
„Von Schuld kann keine Rede sein. Aber du musst doch zugeben, dass du seltsame Todesfälle geradezu magisch anziehst. Oder seltsame Todesfälle dich. Wie man's nimmt."
„Red keinen Unsinn! Und schon gar nicht vor den anderen, ich flehe dich an. Wie geht es jetzt weiter?"
„Wir müssen auf die Polizei warten."
„Sagt wer?"
„Der Butler. Er hat schon angerufen, die Beamten müssten jeden Moment hier sein."
Kaum hatte Adele ausgesprochen, kam ein Streifenwagen mit Blaulicht auf sie zu, aus dem zwei Uniformierte stiegen. Bevor sie ein Wort gesagt hatten, kündigte in der Ferne eine Sirene die Ankunft der Ambulanz an.
Charles war Situation völlig Herr. „Folgen Sie mir", rief er dem Notarzt zu, sobald die Sanitäter eine Bahre aus dem Fahrzeug gehievt hatten. Erst dann wandte er sich den Polizisten zu, die entgeistert auf das Chaos um sie herum starrten. „Sie, meine Herren, kümmern sich am besten erst einmal um die Touristen." Die meisten Chinesen hatten mittlerweile aus dem Irrgarten gefunden und bevölkerten nun laut schnatternd die kiesbestreuten Wege. Auch Felis Gruppe hatte sich nahezu vollzählig versammelt und betrachtete das Geschehen fassungslos.
„Im Moment können wir gar nichts tun", rief Elena ihren Mitreisenden zu. „Felicitas wird Sie zum Pavillon führen. Zu dem weißen Holzbau dort drüben, wo wir unseren Tee einnehmen sollten." Widerspruchslos folgte die Gruppe ihrer Reiseleiterin, während Elena unauffällig zu zählen begann. Zwölf, dreizehn ... Mit Feli und ihr sollten es sechzehn sein. Bis auf Dr. Lorenzo Burano, der sich offenbar noch immer bei dem Verstorbenen aufhielt, waren alle da.
Der achteckige Pavillon, der sich perfekt in die Gartenlandschaft einfügte, stammte eindeutig aus den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts und war wohl dank Patricias Mitgift vor dem Verfall gerettet worden. Eine überdachte Veranda, die sich ringsum erstreckte und mit zierlichen Tischchen und Stühlen zum Verweilen einlud - bei der Renovierung war an nichts gespart worden. Allein die Waschanlagen und Toiletten, die man nachträglich eingebaut hatte, mussten ein kleines Vermögen gekostet haben: Veilchensträußchen als verspieltes Dekor schmückten wie zu Königin Viktorias Zeiten die Fliesen, dazu passten die goldfarbenen Armaturen und die kleinen Schälchen mit duftenden Rosenblättern. Der Earl of Wharvedale wusste, womit man Besuchern imponieren konnte.
„Es tut mir unendlich leid, dass unser Besuch in Whiteberry Yew Hall von diesem tragischen Geschehen überschattet wird. Aber es macht den Grafen nicht wieder lebendig, wenn wir jetzt auf unseren Tee verzichten. Bitte stärken Sie sich, denn ich habe keine Ahnung, wie lange uns die Polizei hier festhalten wird." Feli holte tief Luft, bevor sie mit belegter Stimme fortfuhr.
„Sie alle haben Roger Deverell nur kurz kennen gelernt, also erwartet niemand von Ihnen, dass Sie um ihn trauern. Und es ist keineswegs pietätlos, wenn Sie jetzt am Büffet zugreifen. Margret, könnten Sie bitte einschenken?" Mit einem gezwungenen Lächeln wandte sich Feli an das junge Mädchen mit der weißen Servierschürze, das sogleich nach der Teekanne griff.
„Gut gemacht", flüsterte Elena, als Feli neben ihr in den Stuhl sank. „Wie du siehst hat es kaum jemandem den Appetit verschlagen. Mir ist allerdings nicht nach Essen zumute, auch wenn die Scones verlockend aussehen."
„Hast du eine Ahnung, wie es weitergeht? Dir ist doch auf Sizilien etwas ganz Ähnliches passiert."
„Rechne damit, dass es Stunden dauern wird. Die zwei Dorfpolizisten aus Fretton-on-Hill scheinen mir restlos überfordert. Also werden sie vermutlich die nächsthöhere Dienststelle verständigen, zumal es sich bei dem Toten um eine in ganz England bekannte Person handelt. Ich habe keine Ahnung, wer zuständig sein könnte."
„Das CID Gloucester, nehme ich an."
„Ist mir aus Fernsehkrimis ein Begriff, aber näheres weiß ich nicht. Ich hasse Abkürzungen. Wofür steht CID?"
„Criminal Investigation Department. Das entspricht unserer Kriminalpolizei. Wir sind hier in der Grafschaft Gloucestershire, also fällt das in die Kompetenz des CIDs der Hauptstadt. Unser Pech, denn Gloucester liegt geschätzte 70 Kilometer Luftlinie entfernt. Und das CID Cheltenham, das ebenfalls in Frage käme, ist auch nicht viel näher. Mit einer guten Stunde müssen wir mindestens rechnen, schneller schafft es selbst die Polizei mit Blaulicht nicht."
Die Briten wissen schon, warum sie in jeder prekären Situation erst einmal eine Tasse Tee trinken, dachte Elena, als sie hinter ihrem Rücken jemanden auflachen hörte. Die Stimmung hatte sich sichtlich gebessert, was nicht zuletzt an der Sonne lag, die von einem nahezu wolkenlosen Himmel schien. Im milden Licht des späten Nachmittags zeigten sich die Cotswolds von ihrer besten Seite. Eine Amsel tirilierte sich die Seele aus dem Leib, während ein Raubvogel, der sich majestätisch vom Blau des Firmaments abhob, seine Runden zog. In der Ferne war das Blöken einer Schafherde zu vernehmen und irgendwo bellte ein Hund. Eine Landschaft wie aus einem Märchenbuch.
„Unser chinesisches Ehepaar aus London steht noch immer unter Schock. Sollten wir uns nicht ein wenig um sie kümmern?" Die leise Stimme ihrer Mutter holte Elena abrupt zurück in die Gegenwart.
„Du hast recht. Die beiden sehen immer noch recht blass aus. Aber die Buben haben sich sichtlich erholt. Dabei haben sei doch den Grafen gefunden."
„Kinder stecken so etwas leichter weg. Schau doch, die zwei interessiert nichts anderes als ihr Handy."
Elena sprang auf und eilte zum Tisch der Familie Chen. „Was macht ihr da? Schickt ihr vielleicht Fotos in die ganze Welt?", fuhr sie die Buben an, die nur flüchtig ihre Köpfe hoben, um danach konzentrierter als zuvor die Touchscreens ihrer Handys zu bedienen.
„Ich muss schon sehr bitten", protestierte ihr Vater und stellte sich schützend vor seine Söhne. Mit seinen mehr als 1,80 Metern überragte Qiang Chen die meisten seiner Landleute und in jedem Fall Elena, der nun der Blick auf Lian und Lee versperrt war.
„Entschuldigen Sie bitte meinen Ton, aber auch ich habe nur Nerven", lenkte Elena ein. „Ich glaube nicht, dass es der Polizei recht ist, wenn wir Informationen der Öffentlichkeit preisgeben, bevor man mit uns gesprochen hat. Außerdem haben Ihre Kinder vermutlich mit ihren Handys Fotos vom Toten gemacht."
„Wäre das so schlimm?"
„Nicht die Fotos, aber eine etwaige Verbreitung. Die Polizei hätte sicherlich einiges dagegen."
Qiang Chen trat beiseite - die betretenen Gesichter der Buben verrieten, dass Elena richtig geraten hatte.
„Ich möchte die Bilder sehen."
Statt einer Antwort hielten ihr die Buben die Handys hin. Die Aufnahmen waren messerscharf und zeigten jedes Detail: Die verkrümmte Haltung des Toten, die hervorquellenden Augen, den halboffenen Mund und vor allem die blutüberströmte Schläfe. Offenbar war Roger Deverell bei seinem Sturz mit dem Kopf auf der Kante des Statuen-Podests aufgeschlagen.
„Habt ihr die Fotos schon verschickt oder ins Internet gestellt? Seid ehrlich, es kommt ohnehin raus", fragte Elena ruhig. Sie hatte sich nun unter Kontrolle und würde kein zweites Mal den Fehler begehen, die beiden anzuherrschen. Das tat an ihrer Stelle einer der zwei Polizisten, der wie aus dem Nichts neben ihr aufgetaucht war. Er hatte offensichtlich nichts bemerkt.
„Was machen Sie hier? Gehen Sie sofort zu Ihrem Bus", fuhr er die chinesische Familie an. „Das gilt auch für Sie, Sir", fügte er hinzu, als sein Blick auf Kim Wang fiel, der gemeinsam mit dem Pastor und der Buchhändlerin am Nebentisch saß.
„Ich bin Amerikaner und gehöre nicht zu den Chinesen aus China. Also lassen Sie mich in Ruhe", wies der New Yorker den Beamten in seine Schranken. „Das gilt übrigens auch für meine Freunde hier. Sie sind Engländer wie Sie und ich möchte Sie höflich ersuchen, einen anderen Tonfall anzuschlagen. Außerdem wüsste ich gerne Ihren Namen."
Tiefe Röte überzog das von unzähligen Sommersprossen gesprenkelte Gesicht des jungen Polizisten. „Constable Waterhouse, Sir. Ich bitte um Verzeihung, aber meine Aufgabe ist es, alle chinesischen Touristen zu ihrem Bus zu bringen. Wie sollte ich ahnen, dass Sie nicht dazu gehören."
„Schon in Ordnung, Constable. Wie heißt es so schön: Sie tun ja nur Ihre Pflicht. Wenn Sie nun schon einmal hier sind, können Sie uns doch sagen, was es Neues gibt. Und vor allem, wie es weitergehen soll." Als Geschäftsmann war es Kim Wang gewohnt, rasch zur Sache zu kommen.
„Ich weiß wenig mehr als Sie, Sir, und wenn, dann dürfte ich es Ihnen nicht verraten. Nur so viel: Der Bus mit den Touristen aus China, der offenbar erst nach dem Unglücksfall eingetroffen ist, wird in wenigen Minuten abfahren. Dann wird es hier ruhiger zugehen. Von Ihrer Gruppe müssen allerdings alle einvernommen werden, sobald der Detective Inspector vom CID Gloucester eingetroffen ist. Und jetzt entschuldigen Sie mich."
„Eigentlich ein netter Kerl, dieser Constable Waterhouse", meinte Kim Wang versöhnlich. „Hoffen wir, dass der Herr Inspektor ebenso nett ist."
Dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen.
Copyright © 2014 Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien.
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Autoren-Porträt von Eva Gründel
Eva Gründel, geboren 1948 in Wien, lebt auf Sizilien. Promotion in Publizistik und Kunstgeschichte, Redakteurin für die österreichische Tageszeitung Die Presse. Zahlreiche Reiseführer über den Süden Italiens, Österreich und Tschechien. 1994 Übersiedlung nach Taormina, Leitung von Studienreisen. Seit 2010 erscheinen ihre Kriminalromane rund um die Reiseleiterin Elena Martell und Commissario Giorgio Valentino.
Bibliographische Angaben
- Autor: Eva Gründel
- 2014, 2. Aufl., 352 Seiten, Maße: 11,4 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Haymon Verlag
- ISBN-10: 3852189594
- ISBN-13: 9783852189598
- Erscheinungsdatum: 17.04.2014
Rezension zu „Mörderwetter “
"ein Who-done-it-Krimi nach klassischem Strickmuster im besten Sinne" buchkritik.at, Alfred Ohswald
Pressezitat
"ein Who-done-it-Krimi nach klassischem Strickmuster im besten Sinne" buchkritik.at, Alfred Ohswald
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