1.000 ganz legale Fußballtricks
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1.000 ganz legale Fußballtricks von Arnd Zeigler
LESEPROBE
Geheimnisse aus derSprecherkabine
oder:Wie ein Tor die Welt verändert (zumindest kurzzeitig)
An andererStelle dieses Buches steht geschrieben, dass ich nebenberuflich alsStadionsprecher hei Werder Bremen arbeite, wobei es theoretisch auch seinkann, dass ich dies hauptberuflich tue und nebenberuflich dieses Buchgeschrieben habe. Beim Buchschreiben hat mir keiner geholfen. BeimStadionsprechen dagegen hilft mir Heimspiel für Heimspiel mein Kumpel Stolli. Der ist auch auf dem Foto da oben. Das Bild istnicht gestellt. Es entstand vor geraumer Zeit in der Sprecherkabine desWeserstadions. Auf diesem Bild erstmals anschaulich vereint: Dreigrundverschiedene Jubeltypen.
Nehmen wir zunächst also mal meinenguten Freund S. (links, etwas spannendes weißes Trikot). Sein Gesichtsausdruckliegt irgendwo zwischen Finden Sie nicht, dass Sie zuviel getrunken haben,Sir?" und War's für dich auch schön, Mullemaus?".Und das sagt auch schon alles über ihn und sein Erleben von Werder-Toren:Fußball macht ihn berauscht und ist für ihn nicht so schön wie Sex",sondern vielmehr ungefähr dasselbe wie Sex". Das ist eigentlich nichtschlimm, solange er in entscheidenden Moment dennoch immer den Unterschied bemerktund privat nicht mittendrin wütend eine Torkamera fordert. S. macht beimTorjubel meistens ein Geräusch wie HAAAAARGH!", und seine Stimmeklingt dann wie die von Bert aus der Sesamstraße. Die etwas passive, schlaffeKörperhaltung gaukelt uns vor, er selbst habe gerade dieses eminent wichtigeTor erzielt und wartet nun verdammt noch mal endlich auf unsere Glückwünscheund Küsse. Wenn das HAAAAAARGH!" vorbei ist (ca. vier Sekunden)kann er ganz im Gegensatz zu mir sofort wieder sprechen und stößt dannergriffen Lobesfragmente aus wie z.B. Sensationelles Tor!" Meistenswiderspricht ihm da auch niemand.
Im Gegensatz zu S. macht T. (rechtsneben S.) beim Werdertorjubel nicht HAAAARGH!", sondern ungefährHEEEEEYYY!!!". Und während S. nur lappig und träge herumsteht wie eineStatue aus Götterspeise und dabei die Arme hebt, ist T. eher der Mann, derbeim Jubeln in Werbetonnen tritt oder den Mann vom Brandschutz (links im Bild)aus dem Fenster der Sprecherkabine schubst, ohne es zu merken. Der Mann vom Brandsch. wiederum überlegt pflichtbewusst, ob man Ailton nicht eigentlich gerade löschen müsste.
Schließlich ich selbst (rechts imBild). Ich bin mehr ein Gemeinschaftsjubler undwürde im Augenblick des Fotos gerade sehr gerne jemanden umarmen. Das geht abernicht, weil S. sich gerade für sein Tor feiern lassen muss, weil der Mann vom Brandsch. gerade in Gedanken Ailtoneinschäumt - und vor T. habe ich zuviel Angst, weil, er könnte mich ja treten.Also konzentriere ich mich auf meinen eigenen Jubelschrei. Ich wähle meistensspontan eine ausgelassene, etwas ins Koyotige gehendeVariante wie Woooooh-hooooh!" (englische Aussprache,also eigentlich Wuuuuh-huuuuh!" - vgl. SONG2" von BLUR).
Dann wird es für den Beobachterhöchst interessant: Während ich auf dem Bild deutlich so aussehe, als hätte ichfür einen Moment das Gemüt eines Kleinkindes, muss ich im nächsten Augenblickschon vernünftig artikuliert das eben noch Bejubelte durchsagen. Und was soll ichsagen: Ich musste beim Tor auf dem abgebildeten Foto massiv überlegen, ob ichzuerst den Spielstand sagen muss oder die Spielminute, und wann man eigentlichnoch mal gleich den Namen des Spielers rufen lässt, und vor allem: wie zumHenker eigentlich nochmal dieses Mikrofon angeht.
Fußball ist schön. Tore sind nochschöner, wenn sie von der richtigen Mannschaft geschossen werden. Findet auchS., von dem ich herzlich grüßen soll. Er steht immer noch mit erhobenen Armenin der Sprecherkabine. Wenn er sich nicht bald bewegt, stellen sie ihn ins Werder-Museum.
© HumboldtVerlags GmbH
- Autor: Arnd Zeigler
- 2006, 256 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Maße: 12,5 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Humboldt
- ISBN-10: 3899940776
- ISBN-13: 9783899940770