24 Geschichten bis Weihnachten
Ein Adventskalenderbuch
Der neue Geschichten-Adventskalender
Dieser Adventskalender verkürzt ganz ohne Schokolade die Wartezeit bis Weihnachten. 24 namhafte Autoren erzählen 24 bezaubernde Adventsgeschichten - mal lustig, mal nachdenklich, mal besinnlich, mal humorvoll. Dazu...
Dieser Adventskalender verkürzt ganz ohne Schokolade die Wartezeit bis Weihnachten. 24 namhafte Autoren erzählen 24 bezaubernde Adventsgeschichten - mal lustig, mal nachdenklich, mal besinnlich, mal humorvoll. Dazu...
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Produktinformationen zu „24 Geschichten bis Weihnachten “
Klappentext zu „24 Geschichten bis Weihnachten “
Der neue Geschichten-AdventskalenderDieser Adventskalender verkürzt ganz ohne Schokolade die Wartezeit bis Weihnachten. 24 namhafte Autoren erzählen 24 bezaubernde Adventsgeschichten - mal lustig, mal nachdenklich, mal besinnlich, mal humorvoll. Dazu hat Franziska Harvey 24 hinreißende doppelseitige Illustrationen und 24 Vignetten gezeichnet. Jede Geschichte versteckt sich zwischen verschlossenen Doppelseiten, die ab dem 1. Dezember bis zum Heiligabend täglich an der Perforation aufgetrennt werden. So vergeht die Zeit bis Heiligabend wie im Flug!
Lese-Probe zu „24 Geschichten bis Weihnachten “
24 Geschichten bis Weihnachten von Katharina Braun (Hrsg.)1. Dezember
Christine Fehér
Der fehlende Adventskalender
Der Morgen des 1. Dezembers ist für mich jedes Jahr ganz besonders. Obwohl ich kein kleines Kind mehr bin, spüre ich immer noch dieses leichte Kribbeln, wenn ich aufstehe und zum Frühstück in die Küche gehe. Weil ich weiß: An der Wand hängt wieder ein Adventskalender für mich! Auch heute durfte ich ein leckeres Stück Schokolade verspeisen. Dahinter war ein Bild von einer Kerze und bei meinem Bruder Jonas ein Schlitten. Ich bin gespannt, was wir morgen haben werden.
»Nur Schokolade?«, fragt meine Freundin Joelle, als ich sie auf der Straße treffe und wir zusammen zur Schule gehen. »Wie öde! Bei mir ist jeden Tag ein richtiges kleines Geschenk drin.« Aus ihrer Jackentasche holt sie eine coole Glitzerhaarspange hervor, zeigt sie mir und schiebt sie in ihre blonden Locken. Dass ich in diesem Moment ein klein wenig neidisch bin, muss sie nicht wissen.
An der letzten Ecke vor der Schule gesellt sich wie jeden Morgen Yannick zu Joelle und mir. Ich mag Yannick. Er ärgert uns zwar auch manchmal, genau wie die anderen Jungs, aber er ist der Einzige, der wirklich aufhört, wenn man es sagt. Heute Morgen sieht Yannick allerdings richtig sauer aus.
»Ich hab überhaupt keinen Adventskalender bekommen«, motzt er. »Sonst hat immer meine Oma einen mitgebracht. Aber die hat neuerdings einen Verehrer und verbringt den Winter mit ihm auf Mallorca. Und meine Mutter hat's einfach vergessen!«
»Oh«, sage ich, »das ist ja wirklich dumm gelaufen. Aber meinst du nicht, dass sie das nachholen wird? Ein paar Kalender gibt es bestimmt noch irgendwo.«
... mehr
Yannick zuckt mit den Achseln. »Mir doch egal«, brummt er. Das nehme ich ihm nicht ab.
»Irgendwo wartet bestimmt ein Adventskalender auf dich«, bekräftige ich. »Du musst ihn nur suchen.«
»Ich glaube, da verwechselst du was«, mischt sich Joelle ein. »Es ist nicht Ostern, sondern Advent.«
»Genau«, meint Yannick und grinst sie an. Doch dann schielt er ganz heimlich zu mir hinüber. Hoffnungsvoll.
»Da hast du dir ja was Schönes eingebrockt«, flüstert Joelle, als wir nebeneinander im Klassenzimmer sitzen. »Von wegen versteckter Adventskalender. Jetzt musst du ihm auch einen beschaffen, das ist dir hoffentlich klar!«
»Ach nee«, erwidere ich, eine Spur zickiger, als ich wollte. »So schlau bin ich auch.«
Danach beginnt der Unterricht. Wie immer ist zuerst Hausaufgabenkontrolle. Meine Gedanken schweifen sofort ab. Bestimmt hat Yannicks Mutter seine Enttäuschung heute Morgen bemerkt und besorgt noch einen Adventskalender. Und wenn nicht?
Der ganze Schultag rauscht an mir vorbei wie ein Film, den ich sehe und doch nicht richtig wahrnehme. Nach der letzten Stunde bin ich noch immer nicht schlauer.
Gerade als Joelle und ich aus dem Klassenraum gehen, saust Yannick an uns vorbei.
»Turnbeutel vergessen«, japst er und hechtet weiter in Richtung Sporthalle. Joelle verdreht die Augen und geht zum Waschraum, wahrscheinlich muss sie ihre Glitzerhaarspange bewundern. Das ist meine Chance. Ich schleiche mich zurück in die Klasse, nehme einen Notizzettel und schreibe, so schnell ich kann: »Sei um 16.30 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt, am Stand mit den Champignons! Dort wartet eine Überraschung auf dich. Lisa«
Hektisch falte ich den Zettel zusammen, öffne Yannicks Schulranzen, der noch neben seinem Stuhl steht, und stopfe das Briefchen in sein Etui. Gerade rechtzeitig, bevor die beiden zurückkommen, schaffe ich es, wieder im Flur zu stehen. Mein Plan geht auf. Yannick schultert seinen Ranzen und wir gehen zu dritt nach Hause, wie jeden Tag.
Nach dem Mittagessen verkrümele ich mich in mein Zimmer. Zuerst übe ich die neuen Englischvokabeln für den Test morgen, doch schon bald kreisen meine Gedanken wieder um Yannick. Hoffentlich liest er den Zettel überhaupt. Dabei habe ich die Uhrzeit und den Treffpunkt doch nur aufgeschrieben, um Zeit zu gewinnen! Joelle hat vollkommen recht, ich habe mir wirklich was eingebrockt. Ich rufe sie an, um mir Rat zu holen.
»Mannomann, Lisa«, meint Joelle, und ich sehe vor mir, wie sie mit dem Telefon am Ohr den Kopf schüttelt. »Man könnte fast glauben, du wärst in Yannick verknallt.«
»Gar nicht!«, erwidere ich. Dass meine Wangen ganz heiß und bestimmt auch rot werden, sieht sie zum Glück nicht. »Wenn in der Adventszeit jemand traurig ist, tut mir das einfach nur leid.«
»Dann geh runter in den Supermarkt und frag nach einem Schoko-Adventskalender!«
»Mach ich jetzt auch«, beschließe ich. »Bis morgen.«
Ich steuere also den Supermarkt an, aber es ist genau so, wie ich mir gedacht hatte: kein einziger Adventskalender weit und breit. Mit einem mulmigen Gefühl gehe weiter, bis ich den Weihnachtsmarkt rund um die Kirche erreiche. Es ist kurz vor vier. Noch eine gute halbe Stunde, bis Yannick kommt. Wenn er überhaupt kommt ...
Fünf Minuten vor halb ist jedenfalls weit und breit noch nichts von ihm zu sehen. Leichter Schneefall hat eingesetzt, und ich trete von einem Fuß auf den anderen, damit meine Zehen nicht abfrieren. Plötzlich hält mir jemand von hinten die Augen zu.
»Yannick!«, rufe ich, und da steht er auch schon vor mir und sieht mich erwartungsvoll an.
»Danke für den Zettel«, sagt er, völlig außer Puste. Er scheint den ganzen Weg gerannt zu sein. »Und was für eine Überraschung hast du nun für mich?«
Fieberhaft blicke ich mich um. Warum habe ich nicht, statt hier blöd zu warten, irgendetwas für ihn gekauft? Gebrannte Mandeln, einen kandierten Apfel oder ein Pfefferkuchenherz? Stattdessen stehe ich mit leeren Händen da.
»Tja, also ...«, stammele ich und blicke auf meine Füße. »Die Überraschung ist ...« Mist, jetzt bin ich erst recht blockiert. »Ach, jetzt sage ich es dir einfach«, beschließe ich und erzähle ihm, was ich eigentlich vorhatte. »Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat«, sage ich zum Schluss.
»Nicht geklappt?«, wiederholt er. »Wir sind hier auf dem Weihnachtsmarkt, etwas Besseres kann einem am 1. Dezember doch gar nicht passieren!« Er strahlt mich an und wir ziehen los. An einem Stand kaufen wir von einer Frau im dicken Daunenmantel eine Tüte Marzipankartoffeln. Sie schmecken köstlich. Kauend setzen wir unseren Weg fort.
»So einen Adventskalender finde ich viel besser als alle, die ich je hatte«, grinst er, als wir eine Stunde später vor seiner Haustür ankommen. »Danke, Lisa! Und morgen denke ich mir etwas für dich aus.«
2. Dezember
Wolfram Hänel
Schneemänner in der Stadt!
Eigentlich hat alles damit angefangen, dass bei uns im Garten plötzlich zwei Schneemänner standen. Obwohl ich ganz genau wusste, dass wir am Abend vorher nur einen gebaut hatten. Nämlich den mit der Mohrrübennase und dem alten Hut auf dem Kopf. Wir, das waren Kemal und ich. Kemal wohnt bei uns in der Straße und ist mein bester Kumpel!
Jetzt stand neben unserem Schneemann also noch ein zweiter. Auch mit einer Mohrrübennase, aber mit einem rostigen Kochtopf als Hut. Und außerdem mit unserem Besen unterm Arm! Alles klar, habe ich noch gedacht, sehr witzig! Da haben meine Eltern also gestern Nacht Langeweile gehabt ...
Aber als ich dann zum Frühstück in die Küche kam, rief mein Vater gerade: »Das gibt's doch gar nicht! Ich wollte eben den Schnee vor der Tür wegfegen, aber unser Besen ist verschwunden! Irgendjemand muss ihn geklaut haben.«
»Haha«, habe ich nur gesagt. »Das wart ihr doch selber! Ich habe euren Schneemann schon vom Fenster aus gesehen. Er sieht lustig aus, mit dem Kochtopf auf dem Kopf.«
»Was?«, haben meine Eltern gleichzeitig gefragt. Sie sind aufgesprungen und haben in den Garten geguckt.
»Das war ich nicht«, hat mein Vater behauptet.
»Ich auch nicht«, hat meine Mutter erklärt.
Ich habe natürlich immer noch gedacht, dass sie einen Witz machen. Jedenfalls habe ich ihnen kein Wort geglaubt. Aber ich habe nichts mehr gesagt, weil ich ihnen den Spaß nicht verderben wollte. Stattdessen habe ich so getan, als würde ich mich auch wundern, wer der heimliche Schneemann-Bauer wohl gewesen sein könnte.
Dann hat sich meine Mutter die Jacke angezogen, um zur Arbeit zu fahren. Aber sie war kaum aus der Tür, da kam sie schon wieder zurück.
»Ich komme nicht weg«, hat sie gesagt. »Da steht jemand direkt vor unserem Auto. So!« Sie hat die Arme ausgebreitet, um zu zeigen, wie dieser Jemand vor unserem Auto stand.
Mein Vater und ich sind mit ihr zusammen raus, um uns den Typen ein bisschen genauer anzusehen. Er sah tatsächlich aus wie ein Polizist, der den Verkehr aufhalten will. Nur dass er aus Schnee war! Ein Schneemann mit ausgebreiteten Armen, einer Mohrrübennase im Gesicht und einer Pudelmütze auf dem Kopf.
»Das waren bestimmt unsere Nachbarn«, hat mein Vater gesagt. »Das finden die wohl auch noch witzig!«
»Irgendwie ist es ja auch ganz witzig«, hat meine Mutter gemeint.
Zusammen haben wir es dann geschafft, sie aus der Parklücke zu winken, ohne dass sie dabei den Polizisten umgefahren hat. Also, den Schneemann natürlich.
Dann hat mein Vater noch mal zu unseren Nachbarn rübergeblickt und den Kopf geschüttelt.
»Die spinnen doch«, hat er gesagt. »Haben die zu viel Zeit?«
Nebenan im Vorgarten stand nämlich der nächste Schneemann! Mit einer Mohrrübennase und einer Bratpfanne auf dem Kopf.
Nun sind unsere Nachbarn allerdings wirklich keine Leute, von denen ich mir vorstellen kann, dass sie nachts heimlich Schneemänner bauen. Also, ich meine, sie sind schon ziemlich alt. Und sie meckern dauernd rum, weil ihnen irgendwas nicht passt. Und genau deshalb habe ich auch nicht geglaubt, dass sie es waren. Aber ich hatte keine Zeit mehr, um noch lange nachzudenken. Ich musste ja zur Schule!
Ich habe also meinen Rucksack geholt und bin los. Sonst wartet Kemal schon immer auf mich. Aber heute war er nicht da.
Dafür entdeckte ich direkt um die nächste Ecke schon wieder einen Schneemann! Nein, sogar eine ganze Schneemann- Familie. Vater, Mutter und ein Kind. Und daneben noch etwas, das ein bisschen aussah wie ein Hund. Ein Schneehund, der gerade das Hinterbein hob. Mitten auf dem Weg, genau an der Bushaltestelle.
Um die Schneemänner herum standen ein paar Leute, die aufgeregt durcheinanderredeten. Aber es schien nicht so, als ob sie sich ärgern würden. Eher im Gegenteil! Eine Frau ist sogar extra wieder zurück zu ihrem Haus gegangen und hat einen Schal geholt, um ihn dem Schneekind umzubinden.
»Sonst friert der arme Kleine ja«, hat sie gemeint.
Als der Bus kam, war ich fast ein bisschen enttäuscht, dass der Fahrer kein Schneemann war. Und meine Lehrerin in der Schule war leider auch nicht aus Schnee.
Aber dafür hatte Kemal seinen halben Rucksack voll mit Mohrrüben! Ich wollte ihn gerade fragen, wo er heute Morgen gewesen war, als er sein Mathebuch rausgeholt hat. Da habe ich die Mohrrüben gesehen. Kemal sitzt nämlich direkt neben mir. Und er hat sich dauernd in seine Hände gepustet, die übrigens ganz blau gefroren aussahen! Womit die Sache so gut wie klar war, es passte alles! Ich habe nur noch nicht kapiert, was das Ganze eigentlich sollte.
In der Pause hat Kemal mir dann alles erklärt.
»Irgendwie habe ich gedacht, dass es voll fies ist, wenn der Schneemann da bei euch im Garten so ganz alleine in der Gegend rumsteht«, hat Kemal gesagt. »Deshalb habe ich gestern dann noch einen gebaut. Als du wahrscheinlich schon geschlafen hast. Aber ich wollte dich nicht wecken. Und dann lag da bei euch vorm Auto auch gerade so schön viel Schnee. Heute Morgen bin ich dann extra früh los und ...«
»Schon klar«, habe ich ihn unterbrochen. »Die Idee ist gut, ich helfe dir! Wir bauen die ganze Stadt mit Schneemännern voll! Und die Leute werden sich ganz schön wundern.«
Wir beschließen, dass wir gleich nach der Schule weitermachen. Aber da brauchen wir schon gar nichts mehr zu tun: Überall, wo wir hinkommen, stehen Schneemänner! Oder irgendwelche Leute sind gerade dabei, einen Schneemann zu bauen. Und alle haben gute Laune und freuen sich und reden miteinander. Die Leute natürlich, nicht die Schneemänner. Ob vielleicht noch jemand einen alten Hut übrig hat. Oder einen Kochtopf oder eine Bratpfanne.
Als wir in unsere Straße einbiegen, rollt mein Vater gerade eine große Schneekugel über den Weg. Und neben ihm stehen unsere Nachbarn. Herr Klingebiel hat einen Tannenzweig in der Hand. Frau Klingebiel ist dabei, ein paar bunte Weihnachtskugeln daran zu befestigen. Klar, der Tannenzweig ist natürlich für den Schneemann, den mein Vater baut.
Kemal und ich klatschen uns ab.
»Cool«, sagt Kemal.
»Cool«, sage ich. »Und was machen wir jetzt?«
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Yannick zuckt mit den Achseln. »Mir doch egal«, brummt er. Das nehme ich ihm nicht ab.
»Irgendwo wartet bestimmt ein Adventskalender auf dich«, bekräftige ich. »Du musst ihn nur suchen.«
»Ich glaube, da verwechselst du was«, mischt sich Joelle ein. »Es ist nicht Ostern, sondern Advent.«
»Genau«, meint Yannick und grinst sie an. Doch dann schielt er ganz heimlich zu mir hinüber. Hoffnungsvoll.
»Da hast du dir ja was Schönes eingebrockt«, flüstert Joelle, als wir nebeneinander im Klassenzimmer sitzen. »Von wegen versteckter Adventskalender. Jetzt musst du ihm auch einen beschaffen, das ist dir hoffentlich klar!«
»Ach nee«, erwidere ich, eine Spur zickiger, als ich wollte. »So schlau bin ich auch.«
Danach beginnt der Unterricht. Wie immer ist zuerst Hausaufgabenkontrolle. Meine Gedanken schweifen sofort ab. Bestimmt hat Yannicks Mutter seine Enttäuschung heute Morgen bemerkt und besorgt noch einen Adventskalender. Und wenn nicht?
Der ganze Schultag rauscht an mir vorbei wie ein Film, den ich sehe und doch nicht richtig wahrnehme. Nach der letzten Stunde bin ich noch immer nicht schlauer.
Gerade als Joelle und ich aus dem Klassenraum gehen, saust Yannick an uns vorbei.
»Turnbeutel vergessen«, japst er und hechtet weiter in Richtung Sporthalle. Joelle verdreht die Augen und geht zum Waschraum, wahrscheinlich muss sie ihre Glitzerhaarspange bewundern. Das ist meine Chance. Ich schleiche mich zurück in die Klasse, nehme einen Notizzettel und schreibe, so schnell ich kann: »Sei um 16.30 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt, am Stand mit den Champignons! Dort wartet eine Überraschung auf dich. Lisa«
Hektisch falte ich den Zettel zusammen, öffne Yannicks Schulranzen, der noch neben seinem Stuhl steht, und stopfe das Briefchen in sein Etui. Gerade rechtzeitig, bevor die beiden zurückkommen, schaffe ich es, wieder im Flur zu stehen. Mein Plan geht auf. Yannick schultert seinen Ranzen und wir gehen zu dritt nach Hause, wie jeden Tag.
Nach dem Mittagessen verkrümele ich mich in mein Zimmer. Zuerst übe ich die neuen Englischvokabeln für den Test morgen, doch schon bald kreisen meine Gedanken wieder um Yannick. Hoffentlich liest er den Zettel überhaupt. Dabei habe ich die Uhrzeit und den Treffpunkt doch nur aufgeschrieben, um Zeit zu gewinnen! Joelle hat vollkommen recht, ich habe mir wirklich was eingebrockt. Ich rufe sie an, um mir Rat zu holen.
»Mannomann, Lisa«, meint Joelle, und ich sehe vor mir, wie sie mit dem Telefon am Ohr den Kopf schüttelt. »Man könnte fast glauben, du wärst in Yannick verknallt.«
»Gar nicht!«, erwidere ich. Dass meine Wangen ganz heiß und bestimmt auch rot werden, sieht sie zum Glück nicht. »Wenn in der Adventszeit jemand traurig ist, tut mir das einfach nur leid.«
»Dann geh runter in den Supermarkt und frag nach einem Schoko-Adventskalender!«
»Mach ich jetzt auch«, beschließe ich. »Bis morgen.«
Ich steuere also den Supermarkt an, aber es ist genau so, wie ich mir gedacht hatte: kein einziger Adventskalender weit und breit. Mit einem mulmigen Gefühl gehe weiter, bis ich den Weihnachtsmarkt rund um die Kirche erreiche. Es ist kurz vor vier. Noch eine gute halbe Stunde, bis Yannick kommt. Wenn er überhaupt kommt ...
Fünf Minuten vor halb ist jedenfalls weit und breit noch nichts von ihm zu sehen. Leichter Schneefall hat eingesetzt, und ich trete von einem Fuß auf den anderen, damit meine Zehen nicht abfrieren. Plötzlich hält mir jemand von hinten die Augen zu.
»Yannick!«, rufe ich, und da steht er auch schon vor mir und sieht mich erwartungsvoll an.
»Danke für den Zettel«, sagt er, völlig außer Puste. Er scheint den ganzen Weg gerannt zu sein. »Und was für eine Überraschung hast du nun für mich?«
Fieberhaft blicke ich mich um. Warum habe ich nicht, statt hier blöd zu warten, irgendetwas für ihn gekauft? Gebrannte Mandeln, einen kandierten Apfel oder ein Pfefferkuchenherz? Stattdessen stehe ich mit leeren Händen da.
»Tja, also ...«, stammele ich und blicke auf meine Füße. »Die Überraschung ist ...« Mist, jetzt bin ich erst recht blockiert. »Ach, jetzt sage ich es dir einfach«, beschließe ich und erzähle ihm, was ich eigentlich vorhatte. »Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat«, sage ich zum Schluss.
»Nicht geklappt?«, wiederholt er. »Wir sind hier auf dem Weihnachtsmarkt, etwas Besseres kann einem am 1. Dezember doch gar nicht passieren!« Er strahlt mich an und wir ziehen los. An einem Stand kaufen wir von einer Frau im dicken Daunenmantel eine Tüte Marzipankartoffeln. Sie schmecken köstlich. Kauend setzen wir unseren Weg fort.
»So einen Adventskalender finde ich viel besser als alle, die ich je hatte«, grinst er, als wir eine Stunde später vor seiner Haustür ankommen. »Danke, Lisa! Und morgen denke ich mir etwas für dich aus.«
2. Dezember
Wolfram Hänel
Schneemänner in der Stadt!
Eigentlich hat alles damit angefangen, dass bei uns im Garten plötzlich zwei Schneemänner standen. Obwohl ich ganz genau wusste, dass wir am Abend vorher nur einen gebaut hatten. Nämlich den mit der Mohrrübennase und dem alten Hut auf dem Kopf. Wir, das waren Kemal und ich. Kemal wohnt bei uns in der Straße und ist mein bester Kumpel!
Jetzt stand neben unserem Schneemann also noch ein zweiter. Auch mit einer Mohrrübennase, aber mit einem rostigen Kochtopf als Hut. Und außerdem mit unserem Besen unterm Arm! Alles klar, habe ich noch gedacht, sehr witzig! Da haben meine Eltern also gestern Nacht Langeweile gehabt ...
Aber als ich dann zum Frühstück in die Küche kam, rief mein Vater gerade: »Das gibt's doch gar nicht! Ich wollte eben den Schnee vor der Tür wegfegen, aber unser Besen ist verschwunden! Irgendjemand muss ihn geklaut haben.«
»Haha«, habe ich nur gesagt. »Das wart ihr doch selber! Ich habe euren Schneemann schon vom Fenster aus gesehen. Er sieht lustig aus, mit dem Kochtopf auf dem Kopf.«
»Was?«, haben meine Eltern gleichzeitig gefragt. Sie sind aufgesprungen und haben in den Garten geguckt.
»Das war ich nicht«, hat mein Vater behauptet.
»Ich auch nicht«, hat meine Mutter erklärt.
Ich habe natürlich immer noch gedacht, dass sie einen Witz machen. Jedenfalls habe ich ihnen kein Wort geglaubt. Aber ich habe nichts mehr gesagt, weil ich ihnen den Spaß nicht verderben wollte. Stattdessen habe ich so getan, als würde ich mich auch wundern, wer der heimliche Schneemann-Bauer wohl gewesen sein könnte.
Dann hat sich meine Mutter die Jacke angezogen, um zur Arbeit zu fahren. Aber sie war kaum aus der Tür, da kam sie schon wieder zurück.
»Ich komme nicht weg«, hat sie gesagt. »Da steht jemand direkt vor unserem Auto. So!« Sie hat die Arme ausgebreitet, um zu zeigen, wie dieser Jemand vor unserem Auto stand.
Mein Vater und ich sind mit ihr zusammen raus, um uns den Typen ein bisschen genauer anzusehen. Er sah tatsächlich aus wie ein Polizist, der den Verkehr aufhalten will. Nur dass er aus Schnee war! Ein Schneemann mit ausgebreiteten Armen, einer Mohrrübennase im Gesicht und einer Pudelmütze auf dem Kopf.
»Das waren bestimmt unsere Nachbarn«, hat mein Vater gesagt. »Das finden die wohl auch noch witzig!«
»Irgendwie ist es ja auch ganz witzig«, hat meine Mutter gemeint.
Zusammen haben wir es dann geschafft, sie aus der Parklücke zu winken, ohne dass sie dabei den Polizisten umgefahren hat. Also, den Schneemann natürlich.
Dann hat mein Vater noch mal zu unseren Nachbarn rübergeblickt und den Kopf geschüttelt.
»Die spinnen doch«, hat er gesagt. »Haben die zu viel Zeit?«
Nebenan im Vorgarten stand nämlich der nächste Schneemann! Mit einer Mohrrübennase und einer Bratpfanne auf dem Kopf.
Nun sind unsere Nachbarn allerdings wirklich keine Leute, von denen ich mir vorstellen kann, dass sie nachts heimlich Schneemänner bauen. Also, ich meine, sie sind schon ziemlich alt. Und sie meckern dauernd rum, weil ihnen irgendwas nicht passt. Und genau deshalb habe ich auch nicht geglaubt, dass sie es waren. Aber ich hatte keine Zeit mehr, um noch lange nachzudenken. Ich musste ja zur Schule!
Ich habe also meinen Rucksack geholt und bin los. Sonst wartet Kemal schon immer auf mich. Aber heute war er nicht da.
Dafür entdeckte ich direkt um die nächste Ecke schon wieder einen Schneemann! Nein, sogar eine ganze Schneemann- Familie. Vater, Mutter und ein Kind. Und daneben noch etwas, das ein bisschen aussah wie ein Hund. Ein Schneehund, der gerade das Hinterbein hob. Mitten auf dem Weg, genau an der Bushaltestelle.
Um die Schneemänner herum standen ein paar Leute, die aufgeregt durcheinanderredeten. Aber es schien nicht so, als ob sie sich ärgern würden. Eher im Gegenteil! Eine Frau ist sogar extra wieder zurück zu ihrem Haus gegangen und hat einen Schal geholt, um ihn dem Schneekind umzubinden.
»Sonst friert der arme Kleine ja«, hat sie gemeint.
Als der Bus kam, war ich fast ein bisschen enttäuscht, dass der Fahrer kein Schneemann war. Und meine Lehrerin in der Schule war leider auch nicht aus Schnee.
Aber dafür hatte Kemal seinen halben Rucksack voll mit Mohrrüben! Ich wollte ihn gerade fragen, wo er heute Morgen gewesen war, als er sein Mathebuch rausgeholt hat. Da habe ich die Mohrrüben gesehen. Kemal sitzt nämlich direkt neben mir. Und er hat sich dauernd in seine Hände gepustet, die übrigens ganz blau gefroren aussahen! Womit die Sache so gut wie klar war, es passte alles! Ich habe nur noch nicht kapiert, was das Ganze eigentlich sollte.
In der Pause hat Kemal mir dann alles erklärt.
»Irgendwie habe ich gedacht, dass es voll fies ist, wenn der Schneemann da bei euch im Garten so ganz alleine in der Gegend rumsteht«, hat Kemal gesagt. »Deshalb habe ich gestern dann noch einen gebaut. Als du wahrscheinlich schon geschlafen hast. Aber ich wollte dich nicht wecken. Und dann lag da bei euch vorm Auto auch gerade so schön viel Schnee. Heute Morgen bin ich dann extra früh los und ...«
»Schon klar«, habe ich ihn unterbrochen. »Die Idee ist gut, ich helfe dir! Wir bauen die ganze Stadt mit Schneemännern voll! Und die Leute werden sich ganz schön wundern.«
Wir beschließen, dass wir gleich nach der Schule weitermachen. Aber da brauchen wir schon gar nichts mehr zu tun: Überall, wo wir hinkommen, stehen Schneemänner! Oder irgendwelche Leute sind gerade dabei, einen Schneemann zu bauen. Und alle haben gute Laune und freuen sich und reden miteinander. Die Leute natürlich, nicht die Schneemänner. Ob vielleicht noch jemand einen alten Hut übrig hat. Oder einen Kochtopf oder eine Bratpfanne.
Als wir in unsere Straße einbiegen, rollt mein Vater gerade eine große Schneekugel über den Weg. Und neben ihm stehen unsere Nachbarn. Herr Klingebiel hat einen Tannenzweig in der Hand. Frau Klingebiel ist dabei, ein paar bunte Weihnachtskugeln daran zu befestigen. Klar, der Tannenzweig ist natürlich für den Schneemann, den mein Vater baut.
Kemal und ich klatschen uns ab.
»Cool«, sagt Kemal.
»Cool«, sage ich. »Und was machen wir jetzt?«
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt
Harvey, FranziskaFranziska Harvey, geboren 1968, studierte Illustration und Kalligraphie und arbeitet als freie Illustratorin für verschiedene Verlage und Agenturen. Sie lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.
Bibliographische Angaben
- Altersempfehlung: 8 - 10 Jahre
- 2019, 3. Aufl., 200 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 12,6 x 19,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben von Braun, Katharina
- Herausgegeben: Katharina Braun
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596811074
- ISBN-13: 9783596811076
- Erscheinungsdatum: 26.09.2012
Kommentar zu "24 Geschichten bis Weihnachten"
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