3 Wochen bis zur Wahrheit
Annie Milliken reicht es: Sie verlässt endlich ihren untreuen Ehemann und zieht mit ihrem Baby zu ihrer Zwillingsschwester Julie nach New York. Doch kurz nachdem sie angekommen ist, wird eine junge Frau vor Julies Haus tot aufgefunden. Das Unheimliche...
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Annie Milliken reicht es: Sie verlässt endlich ihren untreuen Ehemann und zieht mit ihrem Baby zu ihrer Zwillingsschwester Julie nach New York. Doch kurz nachdem sie angekommen ist, wird eine junge Frau vor Julies Haus tot aufgefunden. Das Unheimliche daran ist: Die Frau sieht den Zwillingen verblüffend ähnlich. Dann verschwinden nur kurze Zeit später auch noch Julie und das Baby spurlos. Annie gerät unter Verdacht und wird verhaftet.
Hochspannender Thriller der Spitzenklasse!
Jemand mordet in deinem Namen.
Jemand hat dein Kind.
Eigentlich hat Annie bei ihrer Zwillingsschwester und engsten Vertrauten Julie Ruhe und Trost gesucht - vom Ehemann betrogen, ist sie mit ihrer fünf Monate alten Tochter auf sich gestellt. Doch kaum angekommen, bricht das Grauen über sie herein: Vor Julies Haus liegt eine brutal ermordete Frau, die den Schwestern erschreckend ähnlich sieht. Sollte in Wahrheit einer der Zwillinge sterben? Als Annie kurz darauf merkt, dass jemand ihre Kreditkarten und persönlichen Daten für illegale Machenschaften benutzt, gerät sie in Panik. Dann wird sie verhaftet. Ihre Schwester und das Baby sind spurlos verschwunden.
3 Wochen bis zur Wahrheit von Kate Pepper
LESEPROBE
KAPITEL 1
Durch denbunten Glaseinsatz unserer Haustür fiel Sonnenlicht herein und malte einenimpressionistischen Regenbogen auf den Boden der Diele. Meine beiden großen Kofferstanden bereit. Sie enthielten alles, was ich in den nächsten paar Monatenbrauchen würde, und dazu Kinderkleidung in verschiedenen Größen, in die Lexy hineinwachsen konnte. Ich stand daneben, ganzbenommen von der Erkenntnis, dass das alles wirklich geschah. Ich war im Begriff,es zu tun: Ich würde meinen Mann verlassen. Da stand ich, gefangen in einemAugenblick, der mir viel zu lang und viel zu lastend vorkam, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, meine Tochter in Ruhe ihrMorgenschläfchen beenden zu lassen, und dem Impuls, sie einfach aufzuweckenund zu gehen.
Schließlichbeschloss ich, sie zu wecken, weil wir sonst das Flugzeug verpassen würden.Wenn ich ehrlich war, hatte ich auch Angst vor einer weiteren Auseinandersetzungmit Bobby. Unsere Streitereien waren inzwischen reine Füllmasse geworden, wirkauten das alles seit Monaten durch, immer und immer wieder, und kamen trotzdemkeinen Schritt weiter. Aber noch bevor ich an der Treppe war, hörte ich seinegleichmäßigen Schritte von der Küche her. Ich drehte mich um und sah ihn an.
«Was wirddas denn?», fragte er.
«Ich kannnicht mehr.»
Da stander, mein gutaussehender Ehemann. Hellbraunes Haar,noch ganz verwuschelt vom Schlafen. Karierte Schlafanzughose und ein altesT-Shirt mit dem Logo einer Zahnarztpraxis aus Oregon. Meerblaue Augen, die michprüfend musterten. Er war schockiert, dass ich meine Drohung, ihn zu verlassen,nun tatsächlich wahr machte. An der Wange hatte er etwas Druckerschwärze, erhatte wohl in der Küche Zeitung gelesen. Am liebsten wäre ich in Tränenausgebrochen. Aber ich ließ es. Bobby war die große Liebe meines Lebens selbst jetzt, wo wir in dieser Sackgasse steckten, wollte ich eigentlich nurauf ihn zugehen. Ich wollte seine Hände auf meiner Haut fühlen, mein Gesichtan seinem Hals vergraben und seinen Atem am Ohr spüren. Aber er hatte eineAffäre, mit irgendeiner Frau, die offenbar Hals über Kopf in ihn verliebt war.Er führte sie in teure Restaurants aus, überschüttete sie mit romantischenGeschenken lauter Dingen, die ich ihm während unserer kurzen Romanze nichtwert gewesen war. Und er bezahlte das alles mit unseren gemeinsamen Kreditkarten,wodurch es so offensichtlich wurde, dass er sie ebenso gut zum Abendessen mitnach Hause hätte bringen können. Er hatte die Affäre abgestritten und weit vonsich gewiesen, all die phantasielosen Ausgaben gemacht zu haben (Gedichtbände,Blumen, Pralinen, nicht ein originelles Geschenk darunter, aber dennoch ...).Und ich hatte ihm glauben wollen, ich hatte es wirklich versucht. Aber wenn ertatsächlich die Wahrheit sagte, warum tauchten derartige Ausgaben dann auch aufden Abrechnungen unserer neuen Karten wieder auf, nachdem wir die alten hattensperren lassen? Warum schrieb sie ihm immer noch, gerade heute erst wieder?
«Annie, ichbitte dich.» Er machte einen Schritt auf mich zu. Ich schüttelte nur den Kopf.
«Lies das.»Ich öffnete meine Handtasche, die auf dem einen Koffer stand, zog die E-Mailhervor, die ich frühmorgens ausgedruckt hatte, und gab sie ihm. Er mochte Computernicht, checkte seine Mails fast nie selbst. Und in letzter Zeit, seit das allesangefangen hatte, hatte ich diese Aufgabe ganz für ihn übernommen.
Ich standmitten in einer Pfütze aus buntem Licht und sah ihm dabei zu, wie er den Brieflas. Es war der schmerzhafteste bisher, ohne jeden Zweifel: Er enthieltdetaillierte Beschreibungen von Bobbys Körper, von seinen Schlüsselbeinen, diesich wie Flügel auszubreiten schienen, wenn er beim Sex oben war. Beim erstenLesen hatte mir die Vorstellung von ihm über ihr soheftigen Schmerz bereitet, dass ich den Blick vom Bildschirm abwenden musste.Nach dem dritten oder vierten Mal berührte es mich schon kaum noch, und nachdem fünften Mal Lesen sah ich ihn in meiner Vorstellung auf seinen Flügelndavonfliegen. Sie sprach ihn in der Mail mit seinem Spitznamen aus derKindheit an, Bobbybob, und unterschrieb mit einer wahren Salve an Intimität,die mir zugleich ihren richtigen Namen verbarg: Lovyluv.
Bobby ließden Brief sinken. «Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Ich habe nicht dieleiseste Ahnung, wer mir diese E-Mails schickt.»
«Ich hättenie gedacht, dass du mich so belügen kannst.»
«Tue ichdoch auch gar nicht.»
«Dieseganzen Liebesbriefe sind also reine Erfindung?» «Bitte, Annie ...»
«Und die Kreditkartenabrechnungen?»
«Warumwillst du mir denn nicht glauben?»
«Eins willich dich schon lange fragen», sagte ich. «Und sag mir bitte die Wahrheit:Hättest du mich überhaupt geheiratet, wenn ich nicht schwanger geworden wäre?»
«Das führtdoch zu nichts, Annie.»
«Es würdemir aber helfen, es zu wissen.»
«Ich habedich nicht geheiratet, weil du schwanger warst. Ich habe dich geheiratet, weilich dich liebe. Die Schwangerschaft hat alles nur ein bisschen beschleunigt.» Erkam noch näher, fasste mich am Arm und sagte: «Geh nicht.»
Instinktivwich ich ihm aus, stolperte dabei über den vorderen Koffer und fiel gegen dieHaustür. Dabei stieß ich mit dem pullovergepolsterten Ellbogen gegen die Buntglasscheibe.Mein erster Gedanke war, wie empfindlich diese Scheibe doch sein musste, derenBleieinfassung schon unter diesem leichten Druck nachzugeben schien. Danndachte ich: Wer könnte eine solche Scheibe wohl reparieren? Und dann richteteich mich wieder auf und trat einen Schritt von der Tür weg. Eine Reparatur warnicht mehr mein Problem. Ich würde ja bald fort sein.
«Und wasist mit Kent?», fragte Bobby. «Wann willst du es ihm sagen?»
Draußenstimmte ein Vogel sein abruptes, bebendes Frühlingslied an. Ich gab mir Mühe,meine Stimme leise und ruhig zu halten. Was ich jetzt sagte, würde ihm endgültigklarmachen, wie ernst ich es meinte. «Ich habe bereits gekündigt, Bobby. Ichhabe Kent noch heute Morgen zu Hause angerufen. Schließlich denke ich schoneine ganze Weile darüber nach. Und ich habe auch schon eine neue Stelle in NewYork in Aussicht.»
SeinGesicht, ohnehin noch blass vom Winter, wurde aschfahl. Bobby arbeitete seitneunzehn Jahren im Staatsdienst, als Physiotherapeut. In einem guten Jahrwürde er sich mit einer großzügigen, lebenslangen Rente zur Ruhe setzen können.Ich selbst hatte erst zwei Jahre hinter mir, aber mir war inzwischen ohnehinalles egal. Nach Lexys Geburt hatte ich nur sechsWochen Pause gehabt, bevor ich wieder in die Tretmühle zurückmusste. Unser Arbeits
tag imGefängnis begann um sieben Uhr morgens. Ich hatte genug davon, mein Kindfrühmorgens, im Stockdunkeln, in der Kinderkrippe abliefern zu müssen.
«Verlassmich nicht, Annie.» Es tat mir weh zu hören, wie gepresst seine Stimme klang,wie verzweifelt, wie sehnsüchtig. «Ich werde einen Weg finden, dir zu beweisen,dass du dich irrst.»
Dann beweises mir doch!, wollte ich rufen. Aber ich schwieg. Dieganze Zeit hatte ich diese Bitte gebetsmühlenartig wiederholt, und dennoch:nichts. Ich wollte nicht noch länger warten. Die heutige Mail hatte das Fasszum Überlaufen gebracht. In letzter Zeit hatte ich häufig darüber nachgedacht,ob er die andere vielleicht kennengelernt hatte, alsich mit Lexy schwanger war, gegen Ende, als wir nichtmehr miteinander schliefen. Meine Zwillingsschwester Julie hatte erzählt,einer Freundin von ihr sei genau dasselbe passiert: eine glückliche Ehe, einWunschkind, und dann konnte der Mann sich plötzlich nicht mit ein paar Monatensexueller Abstinenz abfinden und war auf Abwege geraten. Für mich klang dasirgendwie nach einer Kuh, die durch einen kaputten Zaun von der Weide lief.Bobby hätte ich so etwas niemals zugetraut. Niemals. Aber auch das ging JuliesFreundin genauso wahrscheinlich ist es einfach immer so.
«Ich gehesie jetzt wecken», sagte ich. «Sonst verpassen wir noch das Flugzeug.»
«Wo wolltihr denn hin?»
«Zu Julie.»
SeinGesicht verkrampfte sich, als ich ihren Namen sagte. Das wunderte mich nicht.Eigentlich hatte ich immer vermutet, dass er ganz tief drinnen eifersüchtig warauf meine enge Beziehung zu meiner Zwillingsschwester.
Als ich zurTreppe ging, kam er mir nach. «Annie, bitte ... bitte nimm mir Lexy nicht weg.»
© RowohltVerlag
Übersetzung:Tanja Handels
Es gab jemanden in Kate Peppers Leben, der schon sehr früh an ihr Talent als Schriftstellerin glaubte: ihre Lehrerin. Sie machte Kates Eltern darauf aufmerksam, nachdem Kate eine phantastische Geschichte als Aufsatz geschrieben hatte. Und die Lehrerin hatte recht. Kate Pepper, geboren 1959, brauchte zwar einige Umwege, während derer sie sich mit den unterschiedlichsten Jobs über Wasser hielt, ihren Magister in Literatur und Kreativem Schreiben machte, an einem College sogar Kreatives Schreiben unterrichtete - doch das Schreiben kam zu Kate, und sie nahm es an.
Geboren wurde Kate als Tochter amerikanischer Eltern in Frankreich und wuchs in Massachusetts und New York auf. Dort lebt sie heute auch mit ihrem Mann, einem Filmproduzenten, und ihren beiden Kindern. Familienidylle also - doch in ihren Büchern ist es vorbei mit der Idylle. Die mittlerweile zahlreichen Thriller drehen sich z. B. um den Domino-Killer, den die Detectives nur JPP (Just Plain Psycho) - „einfach nur krank" - genannt haben, irre Stalker oder Mädchenmörder. Und Kate Pepper ist damit höchst erfolgreich. Abgehoben ist sie deswegen nicht: Wenn sie noch Zeit neben ihren Jobs als Ehefrau, Mutter und Autorin findet, unterrichtet sie ab und an noch Kreatives Schreiben an einer Universität. Sehr zur Freude ihrer Studenten.
- Autor: Kate Pepper
- 2007, 4. Aufl., 347 Seiten, Maße: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Handels, Tanja
- Herausgegeben: Katharina Gerhardt
- Übersetzer: Tanja Handels
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499245558
- ISBN-13: 9783499245558
- Erscheinungsdatum: 01.10.2007
4.5 von 5 Sternen
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