50 Vorschläge für eine gerechtere Welt
Gegen Konzernmacht und Kapitalismus
Der globalisierungskritischen Bewegung wird immer wieder vorgeworfen, sie würde nur Probleme aufzeigen, aber keine Lösungen bieten.
Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, entkräftet diesen Vorwurf eindrucksvoll: Pointiert, doch überzeugend...
Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, entkräftet diesen Vorwurf eindrucksvoll: Pointiert, doch überzeugend...
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Produktinformationen zu „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt “
Klappentext zu „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt “
Der globalisierungskritischen Bewegung wird immer wieder vorgeworfen, sie würde nur Probleme aufzeigen, aber keine Lösungen bieten. Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, entkräftet diesen Vorwurf eindrucksvoll: Pointiert, doch überzeugend präsentiert er 50 konkrete Alternativen zu neoliberalen Strategien der Globalisierung und Ökonomisierung unseres Lebens.
Seine Lösungsmodelle reichen dabei von der Neugestaltung der Finanzmärkte und des Welthandels bis hin zu allgemein verbindlichen Regeln für Konzerne und Standortkooperationen.
Ein Plädoyer dafür, die Gestaltung unseres Zusammenlebens aktiv in die Hand zu nehmen und die Spielregeln neu zu schreiben.
Lese-Probe zu „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt “
Globale Kooperation"Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker."
Che Guevara
"Wer einen Weltmarkt einrichtet, muss auch die nötigen Rahmenbedingungen schaffen." "Der ökonomischen Globalisierung muss eine politische folgen." Sätzen wie diesen stimmen vermutlich neun von zehn LeserInnen zu. Dennoch führen sie ein bisschen in die Irre. Denn die ökonomische Globalisierung, so wie wir sie derzeit erleben und wie sie vielen Menschen Unbehagen bereitet, ist bereits das Produkt einer politischen Regulierung: von der Liberalisierung des Kapitalverkehrs über den GATT-WTO-Prozess bis hin zur Einrichtung von internationalen Tribunalen, bei denen multinationale Konzerne Staaten verklagen können.
Das heißt, es geht nicht darum, einen scheinbar chaotischen oder ungezügelten Prozess endlich zu regulieren, sondern darum, die schon vorhandenen Regulierungen zu ändern und nach neuen Zielen und Werten auszurichten. Oft braucht es nur Neugewichtungen, so gibt es heute schon globale Abkommen und Organisationen zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte, zur Förderung von Entwicklung und Geschlechtergleichheit und zum Erhalt der kulturellen Vielfalt. Der Haken: Sie sind in der Regel unverbindlich und besitzen nicht dieselbe Durchschlagskraft wie der Freihandel. Manche bezeichnen die WTO deshalb als die eigentliche "Weltregierung". Sie ist der Kristallisationskern von "strong global governance", während die UN-Organisationen vergleichsweise zahnlos sind: "weak global governance".
Auffallend ist: Während sich "strong global governance" im Wesentlichen auf die Triade Weltbank, Währungsfonds und WTO beschränkt, gekittet durch die G7, sind die Schwachen stark an der Zahl: Innerhalb der UNO gibt es Programme, Kommissionen und Organisationen für Entwicklung (UNDP), Handel und Entwicklung (UNCTAD), nachhaltige Entwicklung (UNCED), Arbeit (ILO), Umwelt (UNEP), Ernährung und Landwirtschaft (WFP, FAO), Gesundheit (WHO), Menschenrechte (OHCHR), Frauen (UNIFEM) oder kulturelle
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Vielfalt (UNESCO). Dass sie weitgehend zahnlos sind, hat nicht gerade zu ihrer Bekanntheit beigetragen.
Global Governance?
Im Unterschied zu Global Government bezeichnet Global Governance weder einen Weltstaat noch eine Weltregierung, zwei gefährlich zentralistische Ideen, sondern das nötige Minimum an globaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um globale Probleme zu lösen - Beispiel Treibhauseffekt oder Steuerflucht. Der Nabel von Global Governance ist das UN-System. KritikerInnen von Global Governance befürchten, dass auf globaler Ebene das Demokratiedefizit und die Machtungleichgewichte zwischen Nationalstaaten noch verstärkt würden. Das stimmt zum Teil, doch die Alternative wäre nur radikale Deglobalisierung.
Ziel von Global Governance sollte nicht nur die Lösung globaler Probleme, sondern auch die Stärkung der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten und Regionen sein. Die Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft schreibt: "Global Governance läutet gerade nicht das Sterbeglöckchen für den Nationalstaat, sondern will ihm dort Handlungskompetenz zurückgeben, wo er diese durch Globalisierungsprozesse zu verlieren droht."1
Die Voraussetzung für gelingende Global Governance ist das Bekenntnis der Nationalstaaten zur Kooperation. Das größte Hindernis hierfür ist gegenwärtig das egoistische, unilaterale Verhalten der USA. Sie machen einseitig von ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat Gebrauch und führen ohne UN-Mandat Kriege. Zahlreiche internationale Abkommen müssen ohne die USA auskommen: das Klimaschutzabkommen, der Strafgerichtshof, die OECD-Arbeitsgruppe gegen schädliche Steuerpraktiken oder das Protokoll über Biologische Sicherheit.
Dieses unkooperative Verhalten wird von der EU nur teilweise konterkariert - etwa in Menschenrechts- oder Umweltfragen. In ökonomischen Angelegenheiten fährt die EU im Windschatten der USA oder ist sogar treibende Kraft, etwa bei den Dienstleistungsverhandlungen der Welthandelsorganisation. Zudem schließen beide Großmächte derzeit bilaterale und regionale Freihandels- und Investitionsabkommen ab, die über den WTO-Standard hinausgehen. Dieser Unilateralismus trägt neokoloniale Züge; er sollte kooperativem Multilateralismus weichen.
Angesichts der wachsenden globalen Probleme wie Klimawandel, Umweltkrisen, Migration, Armut, Hunger und Terror wäre es fatal, sich auf diesem winzigen Planeten als Konkurrenten zu verstehen. Kooperation ist das logische Klimaxstadium politischer und kultureller Globalisierung: gewissermaßen eine "Finalität" des Globalisierungsprozesses.
Wenn alle, die dies für vernünftig halten, sich für globale Kooperation einsetzen, könnte die Ära der "Falken" und Freihändler bald vorbei sein. Die Fähigkeit zur globalen Zusammenarbeit ist letztlich eine Überlebensfrage der Menschheit. Was Immanuel Kant vor 200 Jahren im "Ewigen Frieden" als "Föderation von freien Republiken" andachte - die gemeinsame Sicherung des Weltfriedens durch einen Staatenbund -, ist aktueller und notwendiger denn je. Die UNO ist die ansatzweise Verwirklichung dieser Idee, doch vor allem im Sicherheitsrat sind Macht und Rechte ungleich verteilt - ein Grund für ihr schlechtes Funktionieren.
ALTERNATIVEN
47 Stärkung des UN-Systems
Der erste Reformschritt gilt deshalb dem Sicherheitsrat. Die Macht der Großen muss beschnitten und fair verteilt werden. Zweitens müssen die schwachen Organisationen in starke umgewandelt werden. Die starken Organisationen sollten nicht Freihandel und freien Kapitalverkehr durchsetzen, sondern Ziele wie soziale Sicherheit, nachhaltige Entwicklung, Ressourcen- und Generationengerechtigkeit, Menschenrechte, die Förderung der Frauen, den Schutz von Minderheiten und indigenen Bevölkerungen. Drittens bedarf es einer Reihe von neuen Organisationen, wenn die bisherigen Vorschläge umgesetzt werden sollen:
Die Weltsteuerbehörde würde nur ergänzende globale Aufgaben wahrnehmen: Sie würde die Probleme Steuerflucht, Steuerwettbewerb und Steuerungerechtigkeit anpacken und globale Steuern einführen: auf Ressourcen, öffentliche Güter (Meeresengen, Atmosphäre) und globale ökonomische Aktivitäten (Finanztransaktionen, Handel, Investitionen, Fusionen).
Fusionskontrolle und Weltkartellamt: Um der Fusionitis Einhalt zu gebieten, braucht es ein effektives Weltkartellamt mit doppelter Stoßrichtung: Es müssen sowohl Megafusionen verhindert werden als auch marktbeherrschende Stellungen von Konzernen, die durch reines Wachstum zustande kommen. Das Weltkartellamt könnte auch bei der Überführung allzu großer Konzerne unter öffentliche Kontrolle behilflich sein.
Weltbehörde für nachhaltige Entwicklung/UNESC: Da nachhaltige Entwicklung das Leitbild einer alternativen Globalisierung darstellt, sollten auch die Institutionen, die sie fördern und umsetzen, zum Herzstück des UN-Systems werden (neben dem Sicherheitsrat). Derzeit gibt es das Entwicklungsprogramm (UNDP), die Kommission für nachhaltige Entwicklung (UNCED) und das Umweltprogramm (UNEP). Sie könnten entweder zu einer UN-Organisation für nachhaltige Entwicklung verschmelzen oder - gemeinsam mit der Arbeitsorganisation (ILO) und der Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) - unter dem Schirm eines neuen Wirtschafts- und Sozialrats zusammengefasst werden. Dieser Vorschlag kommt vom Administrator des UNDP, Kemal Dervis. Der "United Nations Economic and Social Council" (UNESC) sollte nur die strategischen Leitlinien für die Teilorganisationen vorgeben, für Kohärenz sorgen und evaluieren. Er müsste von hoher demokratischer Legitimation sein und dürfte "keine Gruppeninteressen" vertreten. Auch Dervis plädiert dafür, sowohl die Handelsfrage (derzeit in der WTO geregelt) als auch die Bretton-Woods-Organisationen unter den Legitimationsschirm der UNO zu holen, um mit den einander widersprechenden Politiken Schluss zu machen.
Auch die von Colin Hines vorgeschlagene Weltlokalisierungsorganisation könnte unter diesem Schirm Platz nehmen. Sie bestärkt jede Region darin, einen eigenständigen Entwicklungsweg zu beschreiten anstelle des neoliberalen Washington Consensus; und sie achtet im ökonomischen Sinne auf die Einhaltung der UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt. Diese besagt unter anderem, dass lokale Unternehmen und Märkte geschützt und gefördert werden dürfen, was der WTO-Logik diametral widerspricht.
Clearing Union, Weltfinanzbehörde und Entschuldungsgericht: Über die Clearing Union würden der globale Handel verrechnet und die Leistungsbilanzen in Balance gehalten. Die Weltfinanzbehörde könnte den Währungsfonds ablösen und die Funktion des letzten globalen Kreditgebers übernehmen. Als dritte Institution könnte im "Finanzbezirk" das vorgeschlagene FTAP angesiedelt werden, das überschuldete Länder in den Genuss eines fairen Entschuldungsverfahrens brächte.
Globales Rohstoffmanagement: Aufgabe eines solchen wäre es zunächst, die extremen Preisschwankungen abzufedern oder durch Festsetzung zu beenden. Zweitens müsste ein ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen gefunden werden. Nicht erneuerbare Ressourcen sind einerseits globale öffentliche Güter, ihr Nutzen sollte allen Menschen in fairer Weise zugute kommen, inklusive kommenden Generationen. Gleichzeitig müssen aber die Lebensräume von Menschen, in denen Ressourcen lagern, geschützt und die Ressourcen in nachhaltigem Maße genutzt werden.
Stelle für Technologietransfer: Um die Abhängigkeit von westlichen Konzern-Investoren zu verringern und den armen Ländern eine eigenständige technologische Entwicklung zu erlauben, sollte ein gut dotierter Fonds für den globalen Technologietransfer eingerichtet werden. CSRI und ICS könnten zu einem Milliarden-Programm aufgestockt werden und globale Forschungskooperationen an Lösungen für Menschheitsprobleme arbeiten.
Konzerngericht (Schiedsgericht für Corporate Accountability): Um die neuen Pflichten für transnationale Konzerne durchzusetzen, braucht es eine Gerichtsinstanz, bei der lokale Bevölkerungen, indigene Minderheiten oder andere betroffene "Stakeholder" globale Investoren klagen können. Bei der UNO ist bereits eine Stelle eingerichtet (UNCITRAL), sie könnte die von der UN-Unterkommission zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte entwickelten Regeln für Konzerne exekutieren. Ein Beispiel: Derzeit zerstören zahlreiche Erdölkonzerne die tropischen Regenwälder Perus. Die lokale Bevölkerung verliert ihre Lebensgrundlage. Ihre Klage vor nationalen Gerichten hat aber keinen Erfolg, weil die Regierung mit dem multinationalen Konzern paktiert.
Diese Institutionen dürfen keine Weltregierung darstellen und keinen Ersatz für demokratische Strukturen auf lokalerer Ebene. Sie sind nur eine supranationale Ergänzung, ein dünner "Überzug", die dem Subsidiaritätsprinzip streng Folge leisten. Es geht nicht um Allzuständigkeit, sondern um die unterstützende Regelung von Problem- und Politikfeldern, wo nationalstaatliches Handeln nicht mehr ausreicht. "In der Schadensvermeidung, nicht in der Wohlstandsmehrung liegt der Kern transnationaler Verantwortung."2 Intelligent angelegt, können globale Institutionen den Handlungsspielraum kleinerer Einheiten und die Souveränität von Nationalstaaten sogar wieder vergrößern, zum Beispiel durch die Verhinderung von Steuerflucht, stabile Rohstoffpreise, die Durchsetzung ökologischer Kostenwahrheit oder verbindlicher Regeln für Konzerne.
Ein häufiger Einwand gegen globale Behörden ist Korruption. Dieses Argument ist schwach, weil Korruption und Veruntreuung weit verbreitete Phänome sind, die auf allen Ebenen der Politik vorkommen, allein in der EU beläuft sich die bisherige Schadenssumme laut OLAF auf mehrere Milliarden Euro. Wer also wegen Korruption gegen globale Institutionen ist, müsste auch die EU und nationale Ministerien abschaffen. Grundsätzlich ist keine öffentliche Einrichtung vor Korruption gefeit. Überspitzt formuliert ist Korruption der Preis der Demokratie. Daher sollten Demokratien nicht sinnvolle Institutionen abschaffen, sondern effiziente Korruptionsbekämpfungsprogramme einrichten.
Der wohl schwerwiegendste Einwand gegen ein gestärktes UN-System ist ein anderer: Solange sich die USA und die EU egoistisch verhalten, werden sie es auch innerhalb einer erstarkten UNO tun und versuchen, diese auf Freihandelskurs zu bringen. Solange es Egoisten gibt auf dem globalen Parkett, werden sie versuchen, ihr Eigeninteresse egal in welchem Forum durchzusetzen. Zwar würden sie sich in der UNO vermutlich schwerer tun, weil dort die Politik jeder Organisation stärker mit den anderen abgestimmt wird - was ja der Grund war, warum die WTO außerhalb der UN-Familie angelegt wurde. Andererseits macht die UNO derzeit zwar wirkungslose, aber doch inhaltlich klare Oppositionspolitik zur WTO. Diese Rolle könnte durch eine Vereinigung sämtlicher Global Governance in der UNO verwaschen werden. Das ist die größte Gefahr eines "forum shifting" von der WTO zur UNO.
Dass die USA immer auf "Falken"-Kurs bleiben werden, ist freilich nicht gesagt. Es gibt auch in den USA starke Gruppierungen, die auf den Pfad der globalen Kooperation einschwenken wollen. Immer mehr Menschen denken wirklich global. Ihnen müsste der Rücken gestärkt werden, indem andere Staaten vorausgehen. Das Nichtwarten auf die USA hat sich schon beim Kyoto-Protokoll und bei der Artenvielfaltskonvention, beim Strafgerichtshof und beim Protokoll über Biologische Sicherheit gelohnt.
Nationalstaat und Demokratie sind historisch junge Phänomene, die UNO gibt es erst seit 60 Jahren. Warum sollten Kooperation und Solidarität in einigen Jahrzehnten nicht Standard in den globalen Beziehungen sein? Der Kantianische Traum einer gleichberechtigten "Föderation freier Republiken" ist aufrecht. Dieses globalste aller Denken wurde übrigens lokal produziert: Kant kam zeitlebens kaum aus Königsberg heraus. Er hat das Motto "global denken, lokal handeln" vorgelebt.
1 DEUTSCHER BUNDESTAG (2002), S. 420.
2 WUPPERTAL-INSTITUT (2005), S. 129.
Global Governance?
Im Unterschied zu Global Government bezeichnet Global Governance weder einen Weltstaat noch eine Weltregierung, zwei gefährlich zentralistische Ideen, sondern das nötige Minimum an globaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um globale Probleme zu lösen - Beispiel Treibhauseffekt oder Steuerflucht. Der Nabel von Global Governance ist das UN-System. KritikerInnen von Global Governance befürchten, dass auf globaler Ebene das Demokratiedefizit und die Machtungleichgewichte zwischen Nationalstaaten noch verstärkt würden. Das stimmt zum Teil, doch die Alternative wäre nur radikale Deglobalisierung.
Ziel von Global Governance sollte nicht nur die Lösung globaler Probleme, sondern auch die Stärkung der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten und Regionen sein. Die Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft schreibt: "Global Governance läutet gerade nicht das Sterbeglöckchen für den Nationalstaat, sondern will ihm dort Handlungskompetenz zurückgeben, wo er diese durch Globalisierungsprozesse zu verlieren droht."1
Die Voraussetzung für gelingende Global Governance ist das Bekenntnis der Nationalstaaten zur Kooperation. Das größte Hindernis hierfür ist gegenwärtig das egoistische, unilaterale Verhalten der USA. Sie machen einseitig von ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat Gebrauch und führen ohne UN-Mandat Kriege. Zahlreiche internationale Abkommen müssen ohne die USA auskommen: das Klimaschutzabkommen, der Strafgerichtshof, die OECD-Arbeitsgruppe gegen schädliche Steuerpraktiken oder das Protokoll über Biologische Sicherheit.
Dieses unkooperative Verhalten wird von der EU nur teilweise konterkariert - etwa in Menschenrechts- oder Umweltfragen. In ökonomischen Angelegenheiten fährt die EU im Windschatten der USA oder ist sogar treibende Kraft, etwa bei den Dienstleistungsverhandlungen der Welthandelsorganisation. Zudem schließen beide Großmächte derzeit bilaterale und regionale Freihandels- und Investitionsabkommen ab, die über den WTO-Standard hinausgehen. Dieser Unilateralismus trägt neokoloniale Züge; er sollte kooperativem Multilateralismus weichen.
Angesichts der wachsenden globalen Probleme wie Klimawandel, Umweltkrisen, Migration, Armut, Hunger und Terror wäre es fatal, sich auf diesem winzigen Planeten als Konkurrenten zu verstehen. Kooperation ist das logische Klimaxstadium politischer und kultureller Globalisierung: gewissermaßen eine "Finalität" des Globalisierungsprozesses.
Wenn alle, die dies für vernünftig halten, sich für globale Kooperation einsetzen, könnte die Ära der "Falken" und Freihändler bald vorbei sein. Die Fähigkeit zur globalen Zusammenarbeit ist letztlich eine Überlebensfrage der Menschheit. Was Immanuel Kant vor 200 Jahren im "Ewigen Frieden" als "Föderation von freien Republiken" andachte - die gemeinsame Sicherung des Weltfriedens durch einen Staatenbund -, ist aktueller und notwendiger denn je. Die UNO ist die ansatzweise Verwirklichung dieser Idee, doch vor allem im Sicherheitsrat sind Macht und Rechte ungleich verteilt - ein Grund für ihr schlechtes Funktionieren.
ALTERNATIVEN
47 Stärkung des UN-Systems
Der erste Reformschritt gilt deshalb dem Sicherheitsrat. Die Macht der Großen muss beschnitten und fair verteilt werden. Zweitens müssen die schwachen Organisationen in starke umgewandelt werden. Die starken Organisationen sollten nicht Freihandel und freien Kapitalverkehr durchsetzen, sondern Ziele wie soziale Sicherheit, nachhaltige Entwicklung, Ressourcen- und Generationengerechtigkeit, Menschenrechte, die Förderung der Frauen, den Schutz von Minderheiten und indigenen Bevölkerungen. Drittens bedarf es einer Reihe von neuen Organisationen, wenn die bisherigen Vorschläge umgesetzt werden sollen:
Die Weltsteuerbehörde würde nur ergänzende globale Aufgaben wahrnehmen: Sie würde die Probleme Steuerflucht, Steuerwettbewerb und Steuerungerechtigkeit anpacken und globale Steuern einführen: auf Ressourcen, öffentliche Güter (Meeresengen, Atmosphäre) und globale ökonomische Aktivitäten (Finanztransaktionen, Handel, Investitionen, Fusionen).
Fusionskontrolle und Weltkartellamt: Um der Fusionitis Einhalt zu gebieten, braucht es ein effektives Weltkartellamt mit doppelter Stoßrichtung: Es müssen sowohl Megafusionen verhindert werden als auch marktbeherrschende Stellungen von Konzernen, die durch reines Wachstum zustande kommen. Das Weltkartellamt könnte auch bei der Überführung allzu großer Konzerne unter öffentliche Kontrolle behilflich sein.
Weltbehörde für nachhaltige Entwicklung/UNESC: Da nachhaltige Entwicklung das Leitbild einer alternativen Globalisierung darstellt, sollten auch die Institutionen, die sie fördern und umsetzen, zum Herzstück des UN-Systems werden (neben dem Sicherheitsrat). Derzeit gibt es das Entwicklungsprogramm (UNDP), die Kommission für nachhaltige Entwicklung (UNCED) und das Umweltprogramm (UNEP). Sie könnten entweder zu einer UN-Organisation für nachhaltige Entwicklung verschmelzen oder - gemeinsam mit der Arbeitsorganisation (ILO) und der Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) - unter dem Schirm eines neuen Wirtschafts- und Sozialrats zusammengefasst werden. Dieser Vorschlag kommt vom Administrator des UNDP, Kemal Dervis. Der "United Nations Economic and Social Council" (UNESC) sollte nur die strategischen Leitlinien für die Teilorganisationen vorgeben, für Kohärenz sorgen und evaluieren. Er müsste von hoher demokratischer Legitimation sein und dürfte "keine Gruppeninteressen" vertreten. Auch Dervis plädiert dafür, sowohl die Handelsfrage (derzeit in der WTO geregelt) als auch die Bretton-Woods-Organisationen unter den Legitimationsschirm der UNO zu holen, um mit den einander widersprechenden Politiken Schluss zu machen.
Auch die von Colin Hines vorgeschlagene Weltlokalisierungsorganisation könnte unter diesem Schirm Platz nehmen. Sie bestärkt jede Region darin, einen eigenständigen Entwicklungsweg zu beschreiten anstelle des neoliberalen Washington Consensus; und sie achtet im ökonomischen Sinne auf die Einhaltung der UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt. Diese besagt unter anderem, dass lokale Unternehmen und Märkte geschützt und gefördert werden dürfen, was der WTO-Logik diametral widerspricht.
Clearing Union, Weltfinanzbehörde und Entschuldungsgericht: Über die Clearing Union würden der globale Handel verrechnet und die Leistungsbilanzen in Balance gehalten. Die Weltfinanzbehörde könnte den Währungsfonds ablösen und die Funktion des letzten globalen Kreditgebers übernehmen. Als dritte Institution könnte im "Finanzbezirk" das vorgeschlagene FTAP angesiedelt werden, das überschuldete Länder in den Genuss eines fairen Entschuldungsverfahrens brächte.
Globales Rohstoffmanagement: Aufgabe eines solchen wäre es zunächst, die extremen Preisschwankungen abzufedern oder durch Festsetzung zu beenden. Zweitens müsste ein ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen gefunden werden. Nicht erneuerbare Ressourcen sind einerseits globale öffentliche Güter, ihr Nutzen sollte allen Menschen in fairer Weise zugute kommen, inklusive kommenden Generationen. Gleichzeitig müssen aber die Lebensräume von Menschen, in denen Ressourcen lagern, geschützt und die Ressourcen in nachhaltigem Maße genutzt werden.
Stelle für Technologietransfer: Um die Abhängigkeit von westlichen Konzern-Investoren zu verringern und den armen Ländern eine eigenständige technologische Entwicklung zu erlauben, sollte ein gut dotierter Fonds für den globalen Technologietransfer eingerichtet werden. CSRI und ICS könnten zu einem Milliarden-Programm aufgestockt werden und globale Forschungskooperationen an Lösungen für Menschheitsprobleme arbeiten.
Konzerngericht (Schiedsgericht für Corporate Accountability): Um die neuen Pflichten für transnationale Konzerne durchzusetzen, braucht es eine Gerichtsinstanz, bei der lokale Bevölkerungen, indigene Minderheiten oder andere betroffene "Stakeholder" globale Investoren klagen können. Bei der UNO ist bereits eine Stelle eingerichtet (UNCITRAL), sie könnte die von der UN-Unterkommission zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte entwickelten Regeln für Konzerne exekutieren. Ein Beispiel: Derzeit zerstören zahlreiche Erdölkonzerne die tropischen Regenwälder Perus. Die lokale Bevölkerung verliert ihre Lebensgrundlage. Ihre Klage vor nationalen Gerichten hat aber keinen Erfolg, weil die Regierung mit dem multinationalen Konzern paktiert.
Diese Institutionen dürfen keine Weltregierung darstellen und keinen Ersatz für demokratische Strukturen auf lokalerer Ebene. Sie sind nur eine supranationale Ergänzung, ein dünner "Überzug", die dem Subsidiaritätsprinzip streng Folge leisten. Es geht nicht um Allzuständigkeit, sondern um die unterstützende Regelung von Problem- und Politikfeldern, wo nationalstaatliches Handeln nicht mehr ausreicht. "In der Schadensvermeidung, nicht in der Wohlstandsmehrung liegt der Kern transnationaler Verantwortung."2 Intelligent angelegt, können globale Institutionen den Handlungsspielraum kleinerer Einheiten und die Souveränität von Nationalstaaten sogar wieder vergrößern, zum Beispiel durch die Verhinderung von Steuerflucht, stabile Rohstoffpreise, die Durchsetzung ökologischer Kostenwahrheit oder verbindlicher Regeln für Konzerne.
Ein häufiger Einwand gegen globale Behörden ist Korruption. Dieses Argument ist schwach, weil Korruption und Veruntreuung weit verbreitete Phänome sind, die auf allen Ebenen der Politik vorkommen, allein in der EU beläuft sich die bisherige Schadenssumme laut OLAF auf mehrere Milliarden Euro. Wer also wegen Korruption gegen globale Institutionen ist, müsste auch die EU und nationale Ministerien abschaffen. Grundsätzlich ist keine öffentliche Einrichtung vor Korruption gefeit. Überspitzt formuliert ist Korruption der Preis der Demokratie. Daher sollten Demokratien nicht sinnvolle Institutionen abschaffen, sondern effiziente Korruptionsbekämpfungsprogramme einrichten.
Der wohl schwerwiegendste Einwand gegen ein gestärktes UN-System ist ein anderer: Solange sich die USA und die EU egoistisch verhalten, werden sie es auch innerhalb einer erstarkten UNO tun und versuchen, diese auf Freihandelskurs zu bringen. Solange es Egoisten gibt auf dem globalen Parkett, werden sie versuchen, ihr Eigeninteresse egal in welchem Forum durchzusetzen. Zwar würden sie sich in der UNO vermutlich schwerer tun, weil dort die Politik jeder Organisation stärker mit den anderen abgestimmt wird - was ja der Grund war, warum die WTO außerhalb der UN-Familie angelegt wurde. Andererseits macht die UNO derzeit zwar wirkungslose, aber doch inhaltlich klare Oppositionspolitik zur WTO. Diese Rolle könnte durch eine Vereinigung sämtlicher Global Governance in der UNO verwaschen werden. Das ist die größte Gefahr eines "forum shifting" von der WTO zur UNO.
Dass die USA immer auf "Falken"-Kurs bleiben werden, ist freilich nicht gesagt. Es gibt auch in den USA starke Gruppierungen, die auf den Pfad der globalen Kooperation einschwenken wollen. Immer mehr Menschen denken wirklich global. Ihnen müsste der Rücken gestärkt werden, indem andere Staaten vorausgehen. Das Nichtwarten auf die USA hat sich schon beim Kyoto-Protokoll und bei der Artenvielfaltskonvention, beim Strafgerichtshof und beim Protokoll über Biologische Sicherheit gelohnt.
Nationalstaat und Demokratie sind historisch junge Phänomene, die UNO gibt es erst seit 60 Jahren. Warum sollten Kooperation und Solidarität in einigen Jahrzehnten nicht Standard in den globalen Beziehungen sein? Der Kantianische Traum einer gleichberechtigten "Föderation freier Republiken" ist aufrecht. Dieses globalste aller Denken wurde übrigens lokal produziert: Kant kam zeitlebens kaum aus Königsberg heraus. Er hat das Motto "global denken, lokal handeln" vorgelebt.
1 DEUTSCHER BUNDESTAG (2002), S. 420.
2 WUPPERTAL-INSTITUT (2005), S. 129.
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Autoren-Porträt von Christian Felber
Christian Felber, geboren 1972, lebt in Wien. Er hat Attac Österreich mitbegründet und initiierte 2010 die internationale Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung sowie das Projekt "Genossenschaft für Gemeinwohl". Zuletzt erschienen bei Deuticke: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft (2010), Retten wir den Euro! (2012), Geld. Die neuen Spielregeln (2014), für das er den "getAbstract International Book Award" für das Business Buch des Jahres erhielt, und Ethischer Welthandel. Alternativen zu TTIP, WTO & Co (2017). 2019 folgte sein neues Buch This is not economy.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christian Felber
- 2006, 9. Aufl., 336 Seiten, Maße: 15,1 x 22 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Paul Zsolnay Verlag
- ISBN-10: 3552060405
- ISBN-13: 9783552060401
Rezension zu „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt “
"Fundiert, faktenreich und aufgelockert mit erfrischenden Pointen formuliert Christian Felber seine 'Vorschläge für eine gerechtere Welt'. Er stellt Zusammenhänge her, deckt ' ökonomische Mythen' auf und bezieht Position."Hans Holzinger, Falter Buchbeilage, 40/06
"Würden Christian Felbers Vorschläge tatsächlich angewandt, würde aus dem Raubtier Kapitalismus wohl mehr als nur ein nützliches und ungefährliches Haustier werden."
Rudolf Speth, Frankfurter Rundschau, 8.11.2006"Das Buch ist eine große Fundgrube an Hoffnung machenden Lösungsansätzen für einen systemischen Wertewandel. Ein Buch vor allem für Menschen, meint der Autor, die im Bauch spüren und im Kopf wissen, dass wir uns in eine falsche Richtung bewegen."
Monika Kalcsics, Ö1 Kontext
Pressezitat
"Fundiert, faktenreich und aufgelockert mit erfrischenden Pointen formuliert Christian Felber seine 'Vorschläge für eine gerechtere Welt'. Er stellt Zusammenhänge her, deckt ' ökonomische Mythen' auf und bezieht Position."Hans Holzinger, Falter Buchbeilage, 40/06
"Würden Christian Felbers Vorschläge tatsächlich angewandt, würde aus dem Raubtier Kapitalismus wohl mehr als nur ein nützliches und ungefährliches Haustier werden."
Rudolf Speth, Frankfurter Rundschau, 8.11.2006
"Das Buch ist eine große Fundgrube an Hoffnung machenden Lösungsansätzen für einen systemischen Wertewandel. Ein Buch vor allem für Menschen, meint der Autor, die im Bauch spüren und im Kopf wissen, dass wir uns in eine falsche Richtung bewegen."
Monika Kalcsics, Ö1 Kontext
Kommentar zu "50 Vorschläge für eine gerechtere Welt"
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