A long way down
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Hornby at his best - in diesem urkomischen, rasanten und mit schwarzem Humor gespickten Roman beweist Hornby wieder einmal seine ganze Meisterschaft. Leser, freut Euch!
Silvester, auf dem Dach eines Hochhauses: Pech, dass gleich vier Menschen auf die Idee gekommen sind, sich dort das Leben zu nehmen. Da man sich schlecht umbringen kann, wenn einem andere dabei zusehen, steigt die seltsame Gruppe erst mal vom Dach, um das Problem der jüngsten Kandidatin, die nicht weiß, warum ihr Freund sie verlassen hat, zu lösen. Nach und nach erzählen sie sich ihre Geschichten.Da ist die altjüngferliche Maureen, deren Sohn Matty schwerstbehindert ist und die diese Belastung allein tragen muss, da ist Martin, der berühmte Talkmaster, den nach einem Gefängnisaufenthalt niemand mehr auf dem Bildschirm sehen will, Jess, die aufmüpfige Tochter eines Politikers, ist so direkt, dass sie alle vor den Kopf stößt, und JJ, der von seinem besten Freund, dem Sänger seiner Band, im Stich gelassen wurde. Die vier verabreden, mit dem finalen Sprung bis zum Valentinstag zu warten - und so findet eine Gruppe von Menschen zueinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die einander doch auf wundersame Weise zu helfen wissen.
Hornby at his best - in diesem urkomischen, rasanten und mit schwarzem Humor gespickten Roman beweist Hornby wieder einmal seine ganze Meisterschaft.
A Long Way Downvon NickHornby
LESEPROBE
MARTIN
Keine Frage, hätte sienicht versucht, mich umzubringen, wäre ich jetzt tot. Aber wir alle haben sowas wie einen Selbsterhaltungstrieb, oder? Auch wenn er anspringt, während wirgerade versuchen, uns umzubringen. Ich weiß nur, dass ich diesen Stoß im Rückenverspürte, und ich drehte mich um, packte das Geländer hinter mir und fing anzu brüllen. Zu dem Zeitpunkt war ich schon betrunken. Ich hatte eine Zeit langimmer wieder aus dem Flachmann getrunken, und auch schon ganz schön einensitzen gehabt, bevor ich hergefahren war. (Ich weiß, ich weiß, ich hätte nichtfahren sollen. Aber ich wollte die gottverdammte Leiter nicht im Busmitnehmen.) Und darum, ja, ich hab ihr so einiges an den Kopf geworfen. Hätteich gewusst, dass es Maureen war, wie Maureen war, hätte ich michwahrscheinlich etwas zurückgehalten, aber ich tat es nicht; womöglich habe ichsogar das böse F-Wort benutzt, wofür ich mich entschuldigt habe. Aber Siemüssen zugeben, es war schon eine beispiellose Situation.
Ich stand auf und drehte mich vorsichtig um, denn ich wollte nichtrunterstürzen, bevor ich mich selbst dazu entschlossen hatte, und brüllte siean, und sie glotzte nur.
»Ich kenne Sie«, sagte sie.
»Was?« Ich war nicht ganz bei der Sache. Leute treten in Restaurants, Shops,Theatern, an Tankstellen und in öffentlichen Bedürfnisanstalten in ganz Englandan mich heran und sagen: »Ich kenne Sie«, und sie meinen damit stets genau dasGegenteil; sie meinen: »Ich kenne Sie nicht. Aber ich habe Sie im Fernsehengesehen.« Und dann wollen sie ein Autogramm oder darüber reden, wie PennyChambers privat ist, im wirklichen Leben. Aber an dem Abend rechnete icheinfach nicht damit. Das erschien mir alles ein bisschen irrelevant, dieseSeite meines Lebens.
»Aus dem Fernsehen.«
»Du lieber Himmel. Eigentlich wollte ich mich gerade umbringen, aber keinProblem, für ein Autogramm ist immer Zeit. Haben Sie einen Stift? Oder einStück Papier? Und bevor Sie fragen, sie ist ein abgefeimtes Miststück, das sichalles reinzieht und mit jedem fickt. Aber was machen Sie eigentlich hier oben?«
»Ich wollte ich wollte auch runterspringen. Ich wollte mir Ihre Leiterborgen.«
Darauf läuft es letztendlich immer hinaus: Leitern. Na schön, nicht imWortsinn; der Friedensprozess im Nahen Osten läuft nicht letztendlich auf Leiternhinaus und die Geldmärkte auch nicht. Aber durch meine Sendung und dieInterviews habe ich gelernt, dass sich auch die größten und kompliziertestenThemen auf kleinste Kleingkeiten reduzieren lassen, als wäre das Leben einAirfixmodell. Ich habe gehört, dass ein religiöser Führer seine Erweckung aufeinen defekten Riegel an einem Gartenschuppen zurückführte (er hatte sich alsKind für eine Nacht darin eingesperrt, und Gott stand ihm in der Finsternisbei); ich habe eine Geisel schildern hören, dass er überlebte, weil einer derGeiselnehmer so fasziniert von seiner ermäßigten Familienkarte für den LondonerZoo war, die der Mann im Portemonnaie bei sich trug. Man will über diewichtigen Dinge reden, aber es sind die Riegel am Gartenschuppen und die Eintrittskartenfür den Londoner Zoo, die einem Anknüpfungspunkte geben, ohne sie wüsste mannicht, wo man anfangen sollte. Jedenfalls nicht als Moderator von Guten Morgenmit Martin und Penny. Maureen und ich konnten nicht darüber reden, warum wir sounglücklich waren, dass wir wollten, dass unser Gehirn wie ein Milkshake vonMcDonalds über den Asphalt spritzte, und deshalb redeten wir über die Leiter.
»Bedienen Sie sich.«
»Ich warte, bis Sie Gut, ich warte.«
»Sie wollen also einfach dastehen und zugucken?«
»Nein. Natürlich nicht. Ich könnte mir denken, dass Sie gerne ungestört dabeiwären.«
»Da denken Sie richtig.«
»Ich werd dahinten rüber gehen.« Sie zeigte auf die andere Seite des Daches.
»Ich rufe dann, wenn ich auf dem Weg nach unten bin.«
Ich lachte, sie jedoch nicht.
»Kommen Sie. Der Witz war nicht schlecht. Unter den gegebenen Umständen.«
»Ich vermute, ich bin nicht in der Stimmung, Mr Sharp.«
Ich glaube nicht, dass es witzig gemeint war, aber was sie sagte, brachte michnoch mehr zum lachen.
Maureen ging auf dieandere Seite des Daches und setzte sich mit dem Rücken an die Mauer gelehnthin. Ich drehte mich um und setzte mich wieder auf den Sims. Aber ich konntemich nicht konzentrieren. Ich hatte den richtigen Moment verpasst. Sie denkenwahrscheinlich, wie viel Konzentration braucht man schon, um sich vom Dacheines hohen Gebäudes zu stürzen? Tja, da wären Sie überrascht. Bevor Maureenkam, war ich vollkommen lösgelöst; ich war an dem Punkt, an dem es ein Leichtesgewesen wäre, runterzuspringen. Ich war völlig auf die Gründe konzentriert, ausdenen ich eigentlich dort oben war; ich verstand mit schrecklicher Klarheit,dass ich gar nicht erst zu versuchen brauchte, mein Leben da unten wiederaufzunehmen. Aber der Wortwechsel mit ihr hatte mich abgelenkt, mich wieder indie Welt zurückgeholt, in die Kälte und den Wind und den Klang der wummerndenBässe sieben Stockwerke tiefer. Ich kam nicht mehr in Stimmung; es war so, alswäre eins der Kinder genau in dem Moment wach geworden, als Cindy und ich miteinanderschlafen wollten. Für mich hatte es nichts geändert, und ich wusste immer noch,dass ich es irgendwann würde tun müssen. Aber ich wusste, dass ich in dennächsten fünf Minuten nicht dazu kommen würde.
Ich rief Maureen zu: »He! Möchten Sie Plätze tauschen? Sehen, ob Sie esschaffen?« Und ich lachte wieder. Ich fühlte mich wie der geborene Komiker,betrunken und wohl auch geistig zerrüttet genug, um zu glauben, einfach alles,was ich sagte, wäre zum Brüllen komisch.
Maureen trat aus dem Schatten und näherte sich vorsichtig der Lücke im Draht.
»Ich möchte auch alleine dabei sein«, sagte sie.
»Das werden Sie. Ich gebe Ihnen zwanzig Minuten. Danach will ich meinen Platzwiederhaben.«
»Wie wollen Sie wieder zurück auf diese Seite kommen?«
Daran hatte ich nicht gedacht. Die Trittleiter funktionierte tatsächlich nur ineine Richtung: Auf meiner Seite des Gitters war nicht genug Platz, um sieauszuklappen.
»Sie müssen sie wohl festhalten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie reichen sie mir oben rüber. Ich lehne sie direkt ans Gitter. Und Siehalten sie von Ihrer Seite aus.«
»Die kann ich unmöglich festhalten. Sie sind zu schwer.«
Und sie war zu leicht. Sie war klein, und sie hatte überhaupt nichts auf denRippen. Ich fragte mich, ob sie sich vielleicht umbringen wollte, weil sielangsam und qualvoll an irgendeiner Krankheit starb.
»Dann werden Sie sich damit abfinden müssen, dass ich hier bin.«
Ich war mir sowieso nicht sicher, dass ich wieder auf die andere Seite kletternwollte. Das Gitter markierte nun eine Grenze: Vom Dach aus konnte man insTreppenhaus und vom Treppenhaus auf die Straße und von der Straße zu Cindy undden Kindern und Tina und ihrem Dad und all dem anderen, das mich hierhochgewirbelt hatte wie eine leere Chipstüte im Sturm. Der Sims gab Sicherheit.Dort gab es keine Erniedrigung und Scham - abgesehen von dem Gefühl derErniedrigung und Scham, das sich zwangsläufig einstellt, wenn man am letztenTag des Jahres allein auf einem Dachsims sitzt.
»Warum können Sie nicht ums Dach herum auf die andere Seite gehen?«
»Das Gleiche gilt für Sie. Es ist meine Leiter.«
»Sie sind nicht gerade ein Gentleman.«
»Scheiße, das bin ich wahrhaftig nicht. Das ist mit einer der Gründe, warum ichhier oben bin. Lesen Sie denn keine Zeitung?«
»Ich überfliege manchmal die Lokalzeitung.«
»Und was wissen Sie über mich?«
»Sie waren immer im Fernsehen.«
»Mehr nicht?«
»Ich glaub nicht.« Sie sann einen Moment nach. »Waren Sie mit einer von Abbaverheiratet?«
»Nein.«
»Oder einer anderen Sängerin?«
»Nein.«
»Ach ja. Sie mögen Pilze, das weiß ich.«
»Pilze?«
»Sagten Sie. Das weiß ich noch. Da war einer von diesen Fernsehköchen imStudio, und der hat Ihnen was zum Probieren gegeben, und Sie haben gesagt:Mmmmm, ich liebe Pilze. Ich könnte den ganzen Tag nur Pilze essen. Waren Siedas nicht?«
»Kann sein. Aber mehr fällt Ihnen nicht ein?«
»Nein.«
»Und warum, glauben Sie, will ich mich dann umbringen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sie verarschen mich.«
»Würden Sie bitte auf Ihre Ausdrucksweise achten? Ich finde das beleidigend.«
»Verzeihung.«
Aber ich konnte eseinfach nicht fassen. Ich konnte nicht fassen, dass ich jemanden gefundenhatte, der es nicht wusste. Bevor ich ins Gefängnis musste, lauerten die Hyänenvon der Boulevardpresse schon vor der Haustür, wenn ich morgens wach wurde. Ichhatte Krisensitzungen mit Agenten und Managern und Fernsehverantwortlichen. Eserschien mir unmöglich, dass irgendwer in England kein Interesse an dem habensollte, was ich getan hatte, hauptsächlich, weil ich in einer Welt lebte, inder es das einzig Wichtige zu sein schien. Vielleicht hatte Maureen hier aufdem Dach gelebt, überlegte ich. Wenn man hier oben lebte, wäre es ein Leichtes,den Anschluss zu verlieren.
»Was ist mit Ihrem Gürtel?« Sie wies mit dem Kopf auf meine Taille. Für Maureenwaren dies die letzten Augenblicke auf Erden. Die wollte sie nicht mit Geredeüber meine Vorliebe für Pilze vergeuden (eine Vorliebe, die, fürchte ich,ohnehin nur für die Kamera geheuchelt gewesen war). Sie wollte, dass es zügigweiterging.
»Was ist damit?«
»Machen Sie Ihren Gürtel ab und schlingen Sie ihn um die Leiter. Schnallen Sieihn auf ihrer Seite des Gitters zu.«
Ich kapierte, was sie meinte und dass es funktionieren würde, und die nächstenpaar Minuten arbeiteten wir in einvernehmlichem Schweigen; sie hab die Leiterüber den Maschendraht, und ich nahm meinen Gürtel ab, führte ihn um Leiter undGitter, zog ihn fest, verschloss ihn, und ruckelte daran, um zu sehen, ob erhielt. Ich wollte wirklich nicht rückwärts fallend sterben. Ich kletterte obendrüber zurück, und wir schnallten den Gürtel ab und stellten die Leiter wiederan ihren ursprünglichen Platz.
Und als ich Maureen gerade friedlich runterspringen lassen wollte, da stürzte dieseIrre brüllend auf uns zu.
© 2005 by VerlagKiepenheuer & Witsch, Köln
Übersetzung: ClaraDrechsler und Harald Hellmann
- Autor: Nick Hornby
- 2005, 10. Aufl., 352 Seiten, Maße: 13,4 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Clara Drechsler, Harald Hellmann
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462034553
- ISBN-13: 9783462034554
- Erscheinungsdatum: 20.05.2005
3.5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "A long way down".
Kommentar verfassen