Alles unter Kontrolle?
Zur Geschichte der Zensur an der Universität Jena 1557/58 bis 1848/49
Auftakt der Geschichte der Jenaer Zensur ist ein zensurnaher Akt: Martin Luther vertreibt 1524 den Reformator Andreas Karlstadt und Jenas ersten Drucker. Mit der Jenaer Lutherausgabe (1555-1558) wird die Zensur dann auch in der Saalestadt relevant. Sie wird...
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Produktinformationen zu „Alles unter Kontrolle? “
Klappentext zu „Alles unter Kontrolle? “
Auftakt der Geschichte der Jenaer Zensur ist ein zensurnaher Akt: Martin Luther vertreibt 1524 den Reformator Andreas Karlstadt und Jenas ersten Drucker. Mit der Jenaer Lutherausgabe (1555-1558) wird die Zensur dann auch in der Saalestadt relevant. Sie wird zunächst vom Weimarer Hof direkt ausgeübt. Als Vorrecht der 1558 gegründeten »Salana« wird die Zensur erstmals in ihrem Statut von 1569 ausgewiesen. Anhand der folgenden Statuten und der sie begleitenden landesherrlichen Visitationen wird gezeigt, wie sich die Zensur als akademische »Observanz« inhaltlich entwickelte und wandelte.
Lese-Probe zu „Alles unter Kontrolle? “
VorwortAm 10. Oktober 1962 veröffentlichte Der Spiegel anlässlich des NATO-Manövers Fallex 62 einen Artikel, der erhebliche Zweifel an der bundesdeutschen Verteidigungsfähigkeit äußerte. Die Bundesanwaltschaft betrachtete diese Veröffentlichung als militärischen Landesverrat und staatsgefährdende Verschwörung. Am 26. Oktober 1962 besetzten Polizeibeamte und Staatsanwälte Diensträume der Spiegel-Redaktionen in Hamburg, Düsseldorf und Bonn. Herausgeber, Autoren und Redakteure des Hamburger Nachrichtenmagazins wurden verhaftet. Doch die Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos. Die konservativ geführte Bundesregierung, die sich die Verdächtigungen zu eigen gemacht hatte, musste zurückstecken: Zwei Staatssekretäre wurden entlassen, der Verteidigungsminister trat zurück, die inhaftierten Journalisten wurden freigelassen. Der Skandal endete mit einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts, dass die Aktion gegen das Printmagazin ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit darstellt. Es stellte zugleich fest, dass eine freie, von der öffentlichen Gewalt unabhängige Presse ein Wesensmerkmal des freiheitlichen Rechtsstaates ist. Die Aktion gegen den Spiegel und Versuche ähnlicher Art sind an der Wachsamkeit der Öffentlichkeit und der Unabhängigkeit der Rechtsprechung gescheitert. Die parlamentarische Demokratie erwies sich als wehrhaft und robust.Die Spiegel-Affäre war nicht nur ein Bruch der in Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes proklamierten Meinungsfreiheit, sondern verstieß auch gegen das an gleicher Stelle garantierte Gebot: »Eine Zensur findet nicht statt.« Zensur im Sinne des Grundgesetzes ist ein »kommunikationsgerichtetes Inhaltskontrollverfahren. Es besteht aus einem auf inhaltliche Prüfung abzielenden Überwachungsvorgang und kann auf ein zurechenbares Drohpotential von grundrechtseingreifenden Sanktionsinstrumenten zurückgreifen, die auf die Kommunikation belastend einwirken.« Das Zensurverbot ist daher eine absolute Eingriffsschranke
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und das Existenzminimum der Meinungs- und Pressefreiheit. Die behördliche Vorprüfung des Inhalts eines Geisteswerkes vor seiner Verbreitung ist nicht statthaft und rechtswidrig. Das Zensurverbot des Grundgesetzes verhindert »die präventive Vorschaltung eines behördlichen Verfahrens [...] vor dessen Abschluß das Werk nicht publiziert werden darf.« Im demokratischen Rechtsstaat ist somit die Verbreitung von Stellungnahmen oder Beurteilungen geschützt, gleichviel ob sie richtig, falsch oder einseitig sind. Auch provozierende, unbequeme oder schockierende Äußerungen in Presse, Funk, Theater, Internet und Fernsehen, in Büchern, Vorträgen, in der bildenden Kunst und auf Tonträgern sind erlaubt. Die Freiheitsrechte sind Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat, sie sind die Voraussetzung der demokratischen Willensbildung. Unbegrenzt ist die öffentliche Kommunikation im modernen Rechtsstaat gleichwohl nicht. Dass öffentliche Kommunikation, Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind, bedeutet nicht, dass diese Freiheit schrankenlos ist. Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland heißt es daher: »Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung« (Art 5, Absatz 3). Grenzen setzen die aus der Würde des Menschen als oberstem Verfassungsgebot abgeleiteten gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre. Diese Rahmen setzenden Schranken ermöglichen den gleichberechtigten, diskriminierungsfreien Diskurs in der Gesellschaft. Äußerungen mündlicher oder gedruckter Art, die den Straftatbestand der Rassendiskriminierung, des Antisemitismus sowie der Volksverhetzung erfüllen, sind verboten. Strafrechtlich verfolgt werden auch die Leugnung des Holocausts, die öffentliche Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole sowie Aufrufe zu Straftaten, die Verletzung der Ehre von Personen und die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Meinungsfreiheit gilt also unter dem Vorbehalt, dass andere Rechtsgüter mit Verfassungs
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Inhaltsverzeichnis zu „Alles unter Kontrolle? “
Vorwort9Einleitung12Zur Anlage der Studie12Forschungen, Studien, Editionen, Projekte13Beiträge zur Jenaer Zensurgeschichte19Zensur: Begrifflichkeit23Etablierung von Buchdruck und Zensur28Zensur im historischen Diskurs31Altgläubige Apologetik31Polizei, Polizeiwissenschaft, Polizeirecht32Kontroversen der Aufklärung36Zensurkritik vom Vormärz bis zum Kaiserreich39Zensur im Kirchen-, Reichs- und Landesrecht43Kirchenrecht43Reichsrecht44Landesordnungen52Vorspiel: Karlstadt vs. Luther (1523/24)55Zensurpraxis des Weimarer Hofes (1553 - 1560)66Das »bessere Wittenberg«66Der konfiszierte Hofteufel (1553)66Die Jenaer Lutherausgabe (1555-1558)68Mandatierte Kleindrucke (1553-1560)72Die Etablierung der Zensur an der »Salana« 76Zensur als akademische Observanz76»Kleinod« der Ernestiner77Das ius censendi in den Statuten und Visitationsdekreten78Zensur, Zensoren, Zensierte87Die Normen89Das Prozedere90Innerprotestantische Glaubenskämpfe94Ernestinische Erhalter und flacianische Theologen (1556-1562)94Signifikante Bücherliste: Martin Bott (1555-1563)100Ein Streitfall unter kursächsischer Kuratel (1573-1586)102Für und Wider in der »Weigelzeit«105Aufschwung und Kriegsnöte105Beistand in der Not: Johann Arndt und Johann Gerhard (1606/07)105Braunschweigische Intervention: Friedrich Hortleder (1617/18)107»uber die limites Facultatum«108»Oberzensor« - ein erfolgloser Versuch: Johannes Strauch (1672)109Der Verfemte: Matthias Knutzen (1674/75)110Lob der Zensur: Ahasver Fritsch (1675, 1684), Adrian Beyer d. J. (1690), Johann David Werther (1721), Burkhard Gotthelf Struve (1706)112Streitbare Aufklärer118»Das Buch darf nicht in die Öffentlichkeit gelangen!«: Erhard Weigel (1658-1680)118Ein »Martyr philosophiae Pufendorfianae«: Gottfried Klinger (1672-1677)120Radikale Religionskritik: Friedrich Wilhelm Stosch (1692-1694)122Anzügliche Räsonnements: Martin Schmeizel (1725)124Senat oder Hof?: Johann David Werther und Christoph David Werther (1724, 1727, 1731-1733)125Akademische Intrigen: Jacob Carpov
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(1735-1737)126Feindbild der Theologen, Günstling des Hofes: Joachim Georg Darjes (1744)128Allzu freimütig: »Ein Gespräch im Reich der Herren Studenten« (1741)130Rücksicht auf »gefährliche Nachbarn«: Christoph Gottlieb Richter, Johann Ernst Philippi, Georg Michael Marggraf (1745, 1749, 1756)130Ein aufsässiger Magister: Johann August Schlettwein (1758-1760)133Die konfiszierte Muse: Christian Jonas von Rettberg (1759/60)135Verpflichtung zur Subordination: Gotthelf Hartmann Schramm (1760)136»In Ansehung der Buchdrucker ...«: Achatius Ludwig Carl Schmid (1772)137Wandlungen und Turbulenzen um 1800139Paradigmenwechsel (1785)139Gescheiterte Karrieren: Johann Ernst Ehregott Fabri und Karl Traugott Hammerdörfer (1786-1794)140»Ans Licht gestellt«: Rindvigius (1790)144Sanfter Druck: Gottlieb Hufeland (1790-1792)147Umgang mit einem Dissidenten: Georg Friedrich Rebmann (1790-1793)150Eisenacher Interventionen: Johann Ludwig Bechtolsheim, Christian Wilhelm Schneider (1794, 1797)153»Mit einem Bein im Untergrund«: Christian Ernst Gabler, Friedrich Carl Forberg, Johann Gottlieb Fichte (1794/95)155Ein Querdenker: Johann Gottlob Heynig (1795)158Votum für einen Revolutionsfreund: Thomas Paine (1795)159Unerwünschte »Revolutions-Charteken«: Paul Usteri (1796/97)161Ein »elendes Ding«?: Der »Burschen-Comment« (1798)165»... als Polizey tractiren«: Der Jenaer Atheismusstreit (1798/99)167Denkwürdiges Plazet: Johann Adam Bergk (1799)175Repertorium der Zensur: Johannes Schmidt, Carl Leopold Schmidt (1800-1819)179»... der Censur-Freiheit wegen«: Johann Gottlieb Fichte vs. Friedrich Nicolai (1801)180Projekt Spinoza: Schack Hermann Ewald und Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1787-1793; 1802/03)182»Sticheleien und Anzüglichkeiten«: Johann Gottfried Seume (1810/11)185»Mir scheint der Verf. zu rappeln«: Jean Paul (1804/05; 1809)193Zensorenscharmützel (1806;
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Bibliographische Angaben
- Autor: Günter Schmidt
- 2023, Neuausgabe, 368 Seiten, Maße: 17,9 x 24,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung F. Mauke
- ISBN-10: 3948259186
- ISBN-13: 9783948259181
- Erscheinungsdatum: 29.12.2023
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