Austria - Österreich
A Soldier's Guide - Ein Leitfaden für Soldaten
(Sprache: Englisch, Deutsch)
Während sie die Stiftung „SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten" kurierten, entdeckten Niko Wahl und Philipp Rohrbach im Zuge ihrer Recherchen den „Soldier's...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Austria - Österreich “
Während sie die Stiftung „SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten" kurierten, entdeckten Niko Wahl und Philipp Rohrbach im Zuge ihrer Recherchen den „Soldier's Guide".
„Austria - A Soldier's Guide" wurde als Leitfaden für amerikanische und britische Besatzungssoldaten verfasst. Der „Guide" enthält Informationen zum klassischen Charakter der Österreicher und wie sich die Soldaten als Sieger gegenüber dem befreiten Volk verhalten sollten. Teils wahr und teils nicht ganz richtig stellt „Austria - A Soldier's Guide" dem Leser ein Österreich vor, das auch heute noch so besteht. Ein geographischer, politischer und historischer Überblick mit Ernst und Humor.
Bestellen Sie „Austria - A Soldier's Guide" bequem und portofrei zu sich nach Hause.
Klappentext zu „Austria - Österreich “
"Austria. A Soldier's Guide" war das Handbuch für amerikanische und britische Besatzungssoldaten, wie sie sich im Jahr 1945 als "Befreier und Sieger" den Österreichern gegenüber verhalten sollten. Das außergewöhnliche Zeitzeugnis beleuchtet Geografie, Geschichte und Politik des Landes, welchen Charakter der Österreicher an sich hat, wie er denkt, was er gerne tut, isst und trinkt."Austria" bietet einen spannenden Blick auf Österreich und seine Bewohner - Skurrilitäten, bittere Wahrheiten und interessante Halbwahrheiten eingeschlossen. Und das liest sich erstaunlich aktuell.»Es hat keinen Sinn, von den Österreichern Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu erwarten, so wie wir diese Begriffe verstehen. So sind sie nicht gestrickt. Sie meinen es wirklich ehrlich, wenn sie versprechen, etwas zu tun. Sie meinen es genauso ehrlich, wenn sie sich dafür entschuldigen, es nicht getan zu haben. Dafür haben sie Sinn für "Stil".«
Lese-Probe zu „Austria - Österreich “
AUSTRIA - A SOLDIER'S GUIDEVorwort
„Österreicher und Deutsche sprechen zwar die gleiche Sprache,
Österreicher sind aber in vielerlei Hinsicht ein anderes Volk" -
so steht es in dem handlichen „Soldier's Guide", den US-amerikanische
Besatzungssoldaten ab 1945 als Vorbereitung auf ihre
Dienstzeit in Österreich erhielten. Das Büchlein sollte den GIs
während ihres Aufenthalts in der Alpenrepublik als Orientierungshilfe
dienen, die Geschichte des Landes vorstellen und
Erläuterungen zu den Charaktereigenschaften der österreichischen
Bevölkerung geben, und so den Dienstalltag der amerikanischen
Soldaten erleichtern: „Es hat keinen Sinn, von den Österreichern
Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu erwarten, so wie wir
diese Begriffe verstehen. So sind sie nicht gestrickt. Sie meinen es
wirklich ehrlich, wenn sie versprechen, etwas zu tun. Sie meinen
es genauso ehrlich, wenn sie sich dafür entschuldigen, es nicht
getan zu haben. Dafür haben sie Sinn für ‚Stil‘."
... mehr
Herausgegeben wurde das Büchlein von der „Information &
Education Section" des „Mediterranean Theater of Operations,
United States Army" (MTOUSA). So wurde der Einsatzstab der
amerikanischen Armee bezeichnet, der für Militäroperationen im
Mittelmeerraum inklusive Südeuropa und Österreich zuständig
war. Ab Anfang 1945 wurden im MTOUSA auch amerikanische
Truppen für den Einsatz in Österreich zusammengezogen und
ausgebildet. Wer den Guide verfasst hat, ist nicht bekannt.
Eine frühe Version des Büchleins ist wahrscheinlich bereits
1942 als Teil einer Serie von „pocket-sized soldier's guides" der
„Psychology Division" des US-Nachrichtendienstes OSS verfasst
worden. Die Arbeit an diesen Soldatenführern wurde jedoch
1943 eingestellt; die weitere Geschichte von „Austria. A Soldier's
Guide" bis zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Jahre 1945
liegt im Dunkeln.
Bei den Autoren des Heftes könnte es sich um ehemalige Österreicher
handeln, die nach dem „Anschluss" der Alpenrepublik an
Hitlerdeutschland vor rassischer beziehungsweise politischer Verfolgung
durch das NS-Regime fliehen mussten.
Gerade in den Propaganda- und Informationsabteilungen der
Alliierten engagierten sich viele Emigranten im Kampf gegen den
Nationalsozialismus. Die Aufgabe, das ehemalige Heimatland
zu analysieren, war - nicht zuletzt auch der widersprüchlichen
Haltung wegen, die die Alliierten Österreich gegenüber an den
Tag legten - kompliziert. Bereits der erste Satz des Guides macht
dies deutlich: „SIE kommen als Mitglied der alliierten Streitkräfte
nach Österreich, als Sieger und Befreier." Diese Doppelfunktion
gestaltete die Einstimmung auf den neuen Standort für
die Soldaten nicht gerade einfach. Österreich dürfte das einzige
„befreite" Land gewesen sein, in dem die GIs zumindest anfänglich
an ein Fraternisierungsverbot gebunden waren. Dieses bedeutete
für die GIs ein Verbot privater, freundschaftlicher oder gar intimer
Kontakte zur österreichischen Bevölkerung, um die Truppen vor
befürchteten Anschlägen nationalsozialistischer Freischärlergruppen
beziehungsweise vor nationalsozialistischer Indoktrinierung
zu schützen. Wie weit das Misstrauen der österreichischen Bevölkerung
gegenüber reichte, kann dem Guide an verschiedenen
Stellen entnommen werden, etwa wenn die Verfasser meinen:
„Auch wenn Sie die Österreicher ohne Zweifel im Großen und
Ganzen als Befreier empfangen werden, heißt das nicht zwangsläufig,
dass sie alle unsere Freunde sind. Denn viele von ihnen
haben 1939 [sic!] die Deutschen ebenfalls als Befreier empfangen."
- Eine knappe, treffende Beschreibung der Doppelbödigkeit
der österreichischen Haltung, die sich in der Zweiten Republik
auch im jahrzehntelangen Festhalten an der „Opferthese", in der
„Waldheim-Affäre" und in personellen nationalsozialistischen
Kontinuitäten in fast allen politischen Parteien, speziell aber im
„Verband der Unabhängigen" (VdU), der späteren „Freiheitlichen
Partei Österreichs" (FPÖ), widerspiegelt.
Darüber hinaus konnten die Autoren auch ganz schwer einschätzen,
wie sich die Österreicher angesichts der nationalsozialistischen
Niederlage verhalten würden. Um die Soldaten auf
eventuelle Gefahren vorzubereiten, schreiben sie: „Zu dem Zeitpunkt,
zu dem Sie [in Österreich] ankommen, werden die Führer
der österreichischen Nazis wahrscheinlich beseitigt sein, aber das
Fußvolk wird noch da sein. Einige von ihnen waren ausgesprochen
widerwärtige Charaktere." Und: „Man kann mit Sicherheit
davon ausgehen, dass in Österreich noch immer eine Nazi-Untergrundbewegung
existiert. Es wird versucht werden, einen
neuen Nazismus voranzutreiben. [...] Seien Sie auf der Hut vor
Nazi-Propaganda."
Trotz dieser expliziten Hinweise und Warnungen entsteht bei
der Lektüre des Guides der Eindruck, dass die Autoren bis zu
einem gewissen Grad emotional an Österreich gebunden waren.
So bemühen sie sich vehement um eine klare Unterscheidung
zwischen „befreiten" Österreichern und „besiegten" Deutschen.
Lokalpatriotismus scheint hier immer wieder die Erlebnisse der
Verfolgung und Vertreibung zu überlagern. So stellen die Verfasser
zwar fest, dass die Österreicher „die gleiche Sprache" wie
die Deutschen sprechen, weisen aber sogleich darauf hin, dass sie
sich durch „Geschichte und Denkweise" von diesen unterscheiden.
Während den Österreichern ein ausgeprägtes Stilbewusstsein
und ein großer Charme nachgesagt werden, wird ihre Beteiligung
an den nationalsozialistischen Verbrechen an mehreren Stellen
kleingeschrieben. An einer Stelle des Textes schildern die Autoren
sogar ein leichtlebig-sorgloses Alpenvolk, das von deutschen
Nazis in eine Form gepresst, ja, von den Deutschen zu NS-Robotern
umfunktioniert werden sollte - eine Geschichtsdarstellung,
die die Österreicher in überproportionalem Ausmaß von Schuld
befreit.
Auch an anderen Stellen liegen die Verfasser mit ihren Einschätzungen
falsch: Die Aussage, dass Engelbert Dollfuß, der
Begründer des austrofaschistischen Ständestaates, keinen „großen
Gefallen am Faschismus gefunden hatte", kann sich aus der Kürze
des Textes ergeben haben, das Statement, dass nur wenige Folterknechte
des Regimes aus Österreich kamen, muss als völlig falsch
zurückgewiesen werden.
Generell ist der von MTOUSA herausgegebene „Soldier's
Guide" aus der Entstehungszeit heraus zu verstehen. Noch
während der Kriegshandlungen verfasst, wird in ihm nicht nur
ein österreichisches Nachkriegsszenario skizziert, sondern er ist
als Publikation der US-Armee in seinen Darstellungen von den
offiziellen Leitlinien alliierter Politik mit der Zielsetzung der
Reeducation und Entnazifzierung, den Plänen der Alliierten,
nach dem Krieg ein unabhängiges freies Österreich zu errichten,
und den Ansichten, die seine Verfasser von Österreich hatten,
geprägt.
Wie stark zeitgebunden der Guide ist, zeigt sich auch in den
zahlreichen Hinweisen auf Engpässe im Land, auf die die GIs
mithilfe des Büchleins vorbereitet werden sollten, beispielsweise
wenn es heißt: „[Sie werden] rasch herausfinden, dass es so gut
wie nichts zu kaufen gibt. Lebensmittel, Kleidung und Tabak
werden strikt rationiert. Es gibt keine Kleinigkeiten, die Sie als
Geschenke nach Hause schicken können, die Geschäfte werden
leer sein. [...] Fürs Erste gibt es also wenig, was Sie mit Ihrem
Sold tun können, außer sparen."
Trotz der zahlreichen Hinweise, die die GIs vor Enttäuschungen
bewahren sollen, liest sich das Büchlein gelegentlich wie der
erste Reiseführer der Zweiten Republik. Analog zu einem regulären
Reiseführer verfügt der Guide über ein Kompendium mit
nützlichen deutschsprachigen Phrasen, die den Soldaten bei
ihrem Österreich-Aufenthalt behilflich sein sollten. Darunter
finden sich unverdächtige Sätze wie „Ich habe mich verlaufen"
oder „Ich möchte essen", aber auch Vokabeln wie „Deckung!",
die den heutigen Lesern die Unsicherheit im Umgang mit den
Österreichern und die Situation nach dem eben erst beendeten
Krieg klar vor Augen führen.
Zu den kulturellen Gewohnheiten und Verhaltensweisen
der Österreicher gibt es in dem Büchlein Informationen, die es
den US-Soldaten ermöglichen sollten, sich in der Alpenrepublik
zurechtzufinden. So werden beispielsweise die lokalen Trinkgewohnheiten
angeführt und mit lokalpatriotischem Unterton
die musikalische Kultur beschrieben: „Bier, das normalerweise
eisgekühlt wird, ist das in Österreich bevorzugte Getränk. Das
helle mehr als das dunkle. Wein, billig im Vergleich zu britischen
Preisen, ist von guter Qualität." Und: „Die Österreicher
sind äußerst musikalisch und sie haben einige der größten Komponisten
und Interpreten hervorgebracht. [...] Jazz und Swing
sind beliebt, aber die einheimischen Walzer, wie jene von Johann
Strauss und Leo Fall, die vor 30 Jahren in England große ‚Hits‘
waren, sind noch immer sehr gefragt."
Viele US-Soldaten verbrachten ihre Freizeit bei Getränken und
Jazz, Swing oder Walzer - gemeinsam mit den Einheimischen.
Noch im Herbst 1945 wurde das Fraternisierungsverbot aufgehoben.
Mit den GIs erlebte das Land eine Öffnung zur Welt, ein
Wirtschaftswunder und für weite Teile der Bevölkerung auch
einen ideologischen Abschied von der fatalen Begeisterung für
den Nationalsozialismus. Auch auf privater Ebene hinterließen
die Begegnungen zwischen Soldaten und Einheimischen Spuren:
Historiker gehen heute von bis zu 30.000 Kindern aus, die aus
Kontakten und Beziehungen zwischen alliierten Soldaten und
österreichischen Frauen hervorgingen.
Das hier abgedruckte Büchlein stammt aus dem Besitz von
Peter, dem Sohn eines amerikanischen GIs. Sein Vater Godrick
James Williams kam, mit diesem Guide im Gepäck, erst gegen
Ende der Besatzungszeit als Soldat nach Österreich. Als Williams
am Ende seines Dienstes wieder in die USA zurückkehrte, ließ er
seine Partnerin und seinen Sohn Peter in Oberösterreich zurück.
Godrick und sein Sohn nahmen erst knapp 40 Jahre später
Kontakt zueinander auf. Peter erinnert sich gut daran, dass ihm
sein Vater in einem der ersten Telefonate - Anfang der 1990er
Jahre - anbot, Kleidung oder andere Bedarfsartikel des täglichen
Gebrauchs zu schicken: In Godricks Erinnerung war Österreich
immer noch ein Land, das von Armut und Mangel geprägt war -
genauso, wie es im „Soldier's Guide" beschrieben war.
Philipp Rohrbach
Niko Wahl
Österreich
Zu Beginn
SIE kommen als Mitglied der alliierten Streitkräfte nach Österreich,
als Sieger und Befreier. Österreicher und Deutsche sprechen
zwar die gleiche Sprache, Österreicher sind aber in vielerlei
Hinsicht ein anderes Volk mit einer anderen Geschichte und
einer anderen Denkweise.
Als Volk waren sie uns gegenüber niemals so feindselig eingestellt
wie die Deutschen. Aber Österreich wurde vom Gedankengut
der Nazis, für dessen Vernichtung wir gekämpft haben, ebenso
verseucht. Und wenn Sie nach Österreich kommen, werden viele
unserer Feinde noch dort sein, manche werden Deutsche sein,
andere Österreicher.
Auch wenn Sie die Österreicher ohne Zweifel im Großen und
Ganzen als Befreier empfangen werden, heißt das nicht zwangsläufig,
dass sie alle unsere Freunde sind. Denn viele von ihnen
haben 1939 [sic!] die Deutschen ebenfalls als Befreier empfangen.
Sie sind natürlich darauf erpicht, für sich das Bestmögliche herauszuholen,
und das bedeutet, dass sie sich mit den Gewinnern
gutstellen werden.
Eines der Kriegsziele der Alliierten ist es, ein freies und souveränes
Österreich wiederherzustellen. Wir haben guten Grund
zu der Annahme, dass dies auch der Wunsch der Mehrheit der
österreichischen Bevölkerung ist. Das war aber nicht immer so.
Es war teilweise ihre eigene Schuld, dass ihr Land von den Deutschen
überrannt wurde und dass sie sich anschließend in Hitlers
Armeen kämpfend wiederfanden. (Erinnern Sie sich daran, wenn
Ihnen die Österreicher von ihrem schweren Los erzählen.)
Die Tatsache, dass wir Hitler geschlagen haben, gibt ihnen eine neue
Chance. Sie haben Glück.
Wir wollen, dass sich die Österreicher als friedliebendes Volk
neu definieren. Sie können dabei helfen, indem Sie Selbstdisziplin
und Selbstkontrolle zeigen und die Österreicher fair und anständig
behandeln.
Dieser Leitfaden gibt Ihnen ein paar Tipps, wie Sie sich
während Ihres Aufenthaltes in Österreich benehmen sollten und
wie Sie mit alltäglichen Problemen umgehen können, auf die Sie
dort stoßen werden.
Das Gebiet Österreichs
Österreich ist etwa so groß wie Schottland oder South
Carolina, hatte 1934 aber 6.760.000 Einwohner. Die Form des
Landes erinnert an einen Schuh. Die Schuhspitze, die nach
Westen zeigt, besteht beinahe vollständig aus Gebirge, das sich
auflockert und dessen Höhe abnimmt, wenn man sich Richtung
Ferse bewegt. Die Landschaft setzt sich aus Granit-Plateaus mit
Wäldern und Schwemmland zusammen, die vom Donautal
durchschnitten und vom Wiener Becken ausgehöhlt werden.
Österreich hat keine Meeresküste. Schifffahrt wird auf der
Donau betrieben. Beinahe alle österreichischen Flüsse münden
in diesen historischen Wasserweg. Der Rhein, der die westliche
Grenze des Landes bildet, ist hier noch ein kleiner Fluss.
Das Klima ist schwer zu beschreiben, da es in den verschiedenen
Regionen unterschiedlich ist, und das Klima eines Tales
ist oft völlig anders als das eines nur wenige Kilometer entfernt
liegenden Nachbartals.
Falls Sie später die Gelegenheit dazu haben, Österreich zu
bereisen, werden Sie beinahe jede Art von Landschaft entdecken.
Schneefelder und Gletscher bedecken die am höchsten
gelegenen Gebiete im Westen; dann steigt man durch alpine
Weideflächen hinunter bis zu Lärchen- und Kiefernwälder, in
die gepflegte Lichtungen gestreut sind, ehe man Buchenwälder
und zu guter Letzt - wenn Sie sich im Süden befinden - sonnige
Weingärten erreicht.
Der Norden neigt dazu, trostlos zu sein, der Süden ist warm
und freundlich.
Wien. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt in den Städten. Die
größte unter ihnen ist die Hauptstadt, Wien, das mit ein dreiviertel
Millionen Einwohnern etwa viermal so groß ist wie Cincinnati
oder Edinburgh. Wien ist eine der schönsten und elegantesten
Städte Europas und war jahrhundertelang östlicher Vorposten der
christlichen Kultur. Wien verfügt über große industrielle Vororte
im Osten und im Süden, die von den Nazis aufgebaut wurden.
Wien ist zehnmal so groß wie die zweitgrößte Stadt, Graz (südöstliches
Österreich), das etwa so groß ist wie Brighton oder Worcester,
Massachusetts. Weitere wichtige Industriestädte sind Linz, im
Norden, Wiener Neustadt, etwa 30 Kilometer südlich von Wien,
und Steyr in der Mitte Österreichs. Salzburg, im Nordwesten, ist
eine der Vorzeigestädte in Mitteleuropa.
Vor der deutschen Okkupation
In den 20 Jahren von 1918 bis 1938 stieg Österreich von einem
führenden europäischen Kaiserreich zu einer Provinz Nazideutschlands
ab.
Unterernährung und Überarbeitung. Die meisten Österreicher,
die Sie treffen, werden unterernährt sein. Vor der Besetzung
durch die Nazis 1938 herrschte weitverbreitete Arbeitslosigkeit.
Die Deutschen gaben den Österreichern Arbeit, hielten
sie aber mit der Verpflegung an der kurzen Leine. Deutschland
wollte lieber Waffen statt Butter. 18 Monate nach dem Anschluss
kam der Krieg: Rationen wurden gekürzt und die Österreicher
bekamen weniger Brot, Fleisch und Milch und ihre Lebensmittel
waren von minderer Qualität.
Mit dieser mangelhaften Ernährung mussten sich die Arbeiter,
die in der Industrie blieben, und die Frauen, die die in die
Armee eingezogenen Männer ersetzten, in der Rüstungsindustrie
stundenlang abschuften, bis sie oft vor Erschöpfung zusammenbrachen.
Den Bauern am Land ging es besser, aber sogar sie
wurden dazu gezwungen, ihre Erzeugnisse bis auf ein Minimum
abzugeben. Als die Männer einberufen wurden, mussten Frauen
und Kinder deren Plätze auf den Feldern einnehmen.
Sie werden in Österreich viel Armut vorfinden, vor allem
in den Industriestädten, wo es problematisch sein wird, von
Kriegsproduktion auf Friedensproduktion umzustellen. Seien
Sie vorsichtig, wenn man versucht, von Ihnen Stiefel oder
Unterwäsche zu erbetteln, Sie ihnen abzukaufen oder zu
stehlen.
Sobald jene Nazis, die Schlüsselstellen in Österreich innehatten,
geflohen oder „liquidiert" sind, wird es wahrscheinlich
zu einem zeitweisen Zusammenbruch im öffentlichen Dienst
kommen. Das Chaos wird durch Gruppen von Fremdarbeitern,
die versuchen, nach Hause zu kommen, noch verschlimmert
werden, denn während des Krieges schickten die Deutschen
Hunderttausende Italiener, Polen, Tschechen und Russen nach
Österreich, viele von ihnen als Zwangsarbeiter, und nötigten sie,
dort für die deutsche Kriegsmaschinerie zu arbeiten. Es wird
auch Kriegsgefangene geben, die aus den Lagern, von Bauernhöfen
und Fabriken abgeholt und zurück nach Hause geschickt
werden.
Ohne Zweifel werden die meisten Österreicher bereitwillig dabei
behilflich sein, ihr Land aufzuräumen und klare Verhältnisse zu
schaffen. Aber es wird einige Zeit dauern, bis das Leben wieder
annähernd normal verläuft.
Wie die Österreicher sind
Erst seit 1918 ist Österreich von den benachbarten Gebieten politisch
getrennt und ein eigenständiger Staat. Deshalb hatten die
Österreicher bisher wenig Zeit, das Gefühl zu entwickeln, eine
Nation zu sein. Sie werden wahrscheinlich bemerken, dass das
einzig Verbindende für sie ihre Erleichterung über die Befreiung
von den Deutschen ist.
Österreicher haben „Charme". Sie sind freundlich und heiter
und verstehen einen Spaß so schnell wie Sie, manchmal sogar
schneller. Sie haben wenig Achtung vor Regeln und Vorschriften,
was die Deutschen, die ohne viel Erfolg ihr Möglichstes
taten, um die Österreicher in ein preußisches Muster zu pressen,
verärgerte.
Vor dem Anschluss erzählten sich die Österreicher folgenden
Witz:
„In England ist alles erlaubt, was nicht verboten ist; in Deutschland
ist alles verboten, was nicht erlaubt ist; in Österreich ist alles
erlaubt, egal ob verboten oder nicht."
Das bedeutet nicht, dass auf Autorität verzichtet wird. Ganz
im Gegenteil, es muss klar sein, dass Vorschriften dazu da
sind, befolgt zu werden. Aber Druck sollte mithilfe einer guten
Stimmung ausgeübt werden.
Es hat keinen Sinn, von den Österreichern Pünktlichkeit und
Verlässlichkeit zu erwarten, so wie wir diese Begriffe verstehen.
So sind sie nicht gestrickt. Sie meinen es wirklich ehrlich, wenn
sie versprechen, etwas zu tun. Sie meinen es genauso ehrlich,
wenn sie sich dafür entschuldigen, es nicht getan zu haben. Dafür
haben sie Sinn für „Stil". Österreicher haben kein Verständnis für
einen nachlässigen Soldaten.
Sie erwarten von Ihnen, dass Sie gut
angezogen sind und sich gut benehmen. Sie werden Ihre Tüchtigkeit
schätzen, auch wenn sie selbst nicht immer tüchtig sind.
Die Wiener, die ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen,
bestehen aus Menschen tschechischer, ungarischer, polnischer
und jüdischer Herkunft sowie aus Österreichern. Sie sind
daher weitaus durchmischter als die Bevölkerung der Landbezirke.
Abgesehen davon ist Wien überwiegend industriell, traditionell
politisch stark sozialistisch und antiklerikal geprägt, während der
Rest Österreichs hauptsächlich bäuerlich, konservativ und daher
insgesamt auch religiöser ist. Dennoch verfügen die Wiener über
alle typischen österreichischen Eigenschaften. Wenn überhaupt,
so zeigen sie diese in einem stärkeren Ausmaß als die Österreicher
in den kleineren Städten und Dörfern.
Die österreichischen Nazis. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie
dort ankommen, werden die Führer der österreichischen Nazis
wahrscheinlich beseitigt sein, aber das Fußvolk wird noch da sein.
Einige von ihnen waren ausgesprochen widerwärtige Charaktere.
Die Partei der Nazis war ein Treibhaus für alles, was hartherzig
und brutal war.
In dem Bestreben zu beweisen, genauso „hart" wie ihre deutschen
Vorbilder zu sein, begingen die österreichischen Nazis Gräueltaten,
insbesondere direkt nach dem Anschluss, so grausam und
abstoßend wie alles, was die Deutschen getan haben. Wie sie die
sozialistischen Führer und die Juden, wenn auch aufgehetzt von
Hitlers Rädelsführern, behandelt haben, hinterlässt einen Makel
auf dem Namen Österreich, der sich für sehr lange Zeit nicht
entfernen lassen wird. Anständige Österreicher waren wegen
dieser Exzesse entsetzt. Es ist in ihrem Sinn, dass jene Schergen,
die diese Verbrechen verübt haben, ihre gerechte Strafe erhalten,
sofern sie nicht schon als Kriegsverbrecher von den Alliierten eingestuft
werden.
Das Verhalten der Deutschen nach dem Anschluss war selbst
für die Nazis in Österreich eine schwere Enttäuschung. Die
einträglichen Arbeiten, auf die sie gehofft hatten, bekamen
Deutsche; für sie blieben die Krümel - und vor allem Tritte. Die
Österreicher ändern rasch ihre politische Einstellung. Viele, die
gestern noch die Nazis unterstützt haben, beweisen sich morgen
als brennende Unterstützer eines demokratischen und unabhängigen
Österreich.
Allerdings wird eine beträchtliche Anzahl Österreicher mit
dem Gift der Nazis zu intensiv in Berührung gekommen sein,
um es aus ihrem System wieder herauszubekommen. Wenn sie
versuchen sollten, Ihnen von den Vorteilen des Anschlusses zu
erzählen, wird es genügen, sie daran zu erinnern, dass sie diejenigen
waren, die Österreich 1938 an Deutschland ausgeliefert und
es in einen katastrophalen Krieg gestürzt haben. Wollen sie das
Gleiche immer wieder?
Machen Sie nicht den Fehler anzunehmen, dass jeder Österreicher
ein Nazigegner wäre, weil Hitler das Land mit Gewalt
besetzt hat. Zehntausende Österreicher waren vor 1938 fanatische
Anhänger Hitlers und viele weitere überschlugen sich
dabei, die Nazis willkommen zu heißen, als sie in ihr Land
kamen.
Geld. Österreich hatte vor dem Anschluss seine eigene Währung.
Grundnominale war der Schilling, der sich in 100 Groschen unterteilen
ließ. Die Deutschen führten ihre Rentenmark und Reichsmark
ein, beide in 100 Pfennig teilbar.
Die Alliierten haben beschlossen, den Militärschilling zu
verwenden, unterteilt in 100 Groschen. Die Wechselrate vom
1. Mai 1945 wird angewendet: 10 Cent oder 1 Sixpence entsprechen
1 Militärschilling oder 1 Mark (entweder Rentenmark oder
Reichsmark) oder einem halben Rubel. Vorläufig sind Mark und
Schilling gültige Währungen, aber deutsches Besatzungsgeld oder
Militärgeld werden nicht legal bleiben.
Die in Österreich nun im Umlauf befindlichen Münzen
umfassen 1-, 5- und 10-Pfennig-Stücke aus einer Aluminium
Bronze Legierung, 50-Pfennig-Stücke aus Aluminium und
2-Mark-Stücke aus einer Kupfer-Silber-Legierung. Einige österreichische
Groschen sind vielleicht noch im Umlauf, sie haben
den gleichen Wert wie die Pfennigstücke.
Es gibt 2- und 5-Mark-Banknoten, ausgegeben von der Rentenbank,
und 10-, 20-, 50- und 100-Mark-Banknoten, ausgegeben
von der Reichsbank. Manche österreichischen Städte haben
Papiergeld in verschiedenen Nennwerten ausgegeben, die noch in
Umlauf sein können.
Wo immer Sie in Österreich stationiert sind, werden Sie
rasch herausfinden, dass es so gut wie nichts zu kaufen gibt.
Lebensmittel, Kleidung und Tabak werden strikt rationiert.
Es gibt keine Kleinigkeiten, die Sie als Geschenke nach Hause
schicken können, die Geschäfte werden leer sein.
Wenn Sie bei den amerikanischen Streitkräften sind, wird Ihr
Bedarf durch die PX-Stores gedeckt, oder, wenn Sie bei den britischen
Streitkräften sind, durch die Armee oder die R.A.F. und die
NAAFI-Stores Das Einzige, was Sie den Österreichern abkaufen
können, ist ein Glas Bier oder Wein.
Es wird längere Zeit dauern, bis die Grundbedürfnisse der
österreichischen Bevölkerung gedeckt sind und nicht lebensnotwendige
Güter wieder produziert werden.
Fürs Erste gibt es also wenig, was Sie mit Ihrem Sold tun
können, außer sparen.
DO'S
HALTEN SIE Ihre Augen und Ohren offen.
SEIEN SIE tadellos und soldatenhaft hinsichtlich Auftreten und
Kleidung.
SEIEN SIE standhaft und fair in Ihrem Umgang mit Österreichern.
GEHEN SIE mit Schnaps sparsam um.
HALTEN SIE sich von zwielichtigen Varietés und anderen Orten
fern, an denen Sie ausgenommen werden könnten.
DENKEN SIE daran, dass Geschlechtskrankheiten grassieren.
DENKEN SIE daran, dass Sie ein Vertreter Ihres Landes sind.
Österreicher werden sich ihre Meinung entsprechend Ihrem
Verhalten bilden.
DON'TS
FRATERNISIEREN SIE NICHT, verkaufen oder geben Sie
nichts von Ihrer Kleidung oder Ausrüstung her.
SEIEN SIE NICHT sentimental. Wenn die Zustände für die
Österreicher hart sind, müssen Sie selbst die Verantwortung
dafür tragen.
GLAUBEN SIE NICHT den österreichischen Erzählungen vom
Krieg oder was zu ihm geführt hat. Der Großteil ihres Gedankenguts
stammt aus verlogener Propaganda.
GLAUBEN SIE KEINERLEI Geschichten gegen die Alliierten.
Sie sollen lediglich Feindschaft zwischen uns säen.
GLAUBEN SIE KEINE politischen Leidensgeschichten.
Machen Sie sich verständlich
Österreicher sprechen Deutsch als Muttersprache.
Englisch wird in allen weiterführenden Schulen als Zweitsprache
unterrichtet und ist meistens verpflichtend. Englisch wird
auch in einer Vielzahl von Sprachschulen und in Handelsschulen
im ganzen Land gelehrt, daher sprechen viele Österreicher
etwas Englisch. In den meisten Hotels, größeren Restaurants, den
Regierungs- und Gemeindeverwaltungen und größeren Geschäften
wird es so gut wie sicher jemanden geben, der Englisch spricht.
Aber im Landesinneren oder in den Arbeiterbezirken werden Sie
Deutsch sprechen müssen, wenn Sie mit der Zeichensprache
nicht weiterkommen.
Eine hilfreiche Liste an Wörtern und Redewendungen folgt.
Hinweise zur Aussprache finden Sie bei jedem deutschen Wort.
Die Aussprache im Deutschen ist einfach, bis auf zwei oder
drei Laute, die wir im Englischen nicht verwenden.
Viele deutsche Wörter sind den englischen ähnlich, vor allem
diejenigen, die man im Alltag verwendet, zum Beispiel: Mann -
man, Haus - house, Garten - garden, Butter - butter und Brot
- bread. Das liegt vor allem daran, dass die beiden Sprachen zu
einem großen Teil eine gemeinsame Wurzel haben.
Wenn man versucht, eine Sprache zu sprechen, die man nicht
kennt, sollte man die goldene Regel befolgen, es so einfach wie
möglich zu halten. Nehmen Sie sich ein zweijähriges Kind zum
Vorbild. Versuchen Sie keine Sätze zu bilden, benutzen Sie Substantive
und Verben.
Versuchen Sie am Anfang Fragen zu stellen, die mit Ja (yes)
oder Nein (no) beantwortet werden können. Sprechen Sie mit
einer normalen Stimme, Sie machen sich nicht verständlicher,
wenn Sie schreien. Wenn man Sie nicht versteht, zeigen Sie auf
die Wörter oder Sätze in Ihrer Liste der Redewendungen.
Sicherheit
Nun, da die Feindschaften offiziell beendet sind, glauben Sie vielleicht,
dass in einem Land wie Österreich, dessen Bevölkerung
den Ruf hat, freundlich und gelassen zu sein, Sicherheit nicht
mehr notwendig ist.
Das ist nicht der Fall.
Obwohl Österreich eines der Länder ist, das unter deutscher
Besatzung gelitten hat, und die Mehrheit der österreichischen
©Czernin Verlags GmbH
Herausgegeben wurde das Büchlein von der „Information &
Education Section" des „Mediterranean Theater of Operations,
United States Army" (MTOUSA). So wurde der Einsatzstab der
amerikanischen Armee bezeichnet, der für Militäroperationen im
Mittelmeerraum inklusive Südeuropa und Österreich zuständig
war. Ab Anfang 1945 wurden im MTOUSA auch amerikanische
Truppen für den Einsatz in Österreich zusammengezogen und
ausgebildet. Wer den Guide verfasst hat, ist nicht bekannt.
Eine frühe Version des Büchleins ist wahrscheinlich bereits
1942 als Teil einer Serie von „pocket-sized soldier's guides" der
„Psychology Division" des US-Nachrichtendienstes OSS verfasst
worden. Die Arbeit an diesen Soldatenführern wurde jedoch
1943 eingestellt; die weitere Geschichte von „Austria. A Soldier's
Guide" bis zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Jahre 1945
liegt im Dunkeln.
Bei den Autoren des Heftes könnte es sich um ehemalige Österreicher
handeln, die nach dem „Anschluss" der Alpenrepublik an
Hitlerdeutschland vor rassischer beziehungsweise politischer Verfolgung
durch das NS-Regime fliehen mussten.
Gerade in den Propaganda- und Informationsabteilungen der
Alliierten engagierten sich viele Emigranten im Kampf gegen den
Nationalsozialismus. Die Aufgabe, das ehemalige Heimatland
zu analysieren, war - nicht zuletzt auch der widersprüchlichen
Haltung wegen, die die Alliierten Österreich gegenüber an den
Tag legten - kompliziert. Bereits der erste Satz des Guides macht
dies deutlich: „SIE kommen als Mitglied der alliierten Streitkräfte
nach Österreich, als Sieger und Befreier." Diese Doppelfunktion
gestaltete die Einstimmung auf den neuen Standort für
die Soldaten nicht gerade einfach. Österreich dürfte das einzige
„befreite" Land gewesen sein, in dem die GIs zumindest anfänglich
an ein Fraternisierungsverbot gebunden waren. Dieses bedeutete
für die GIs ein Verbot privater, freundschaftlicher oder gar intimer
Kontakte zur österreichischen Bevölkerung, um die Truppen vor
befürchteten Anschlägen nationalsozialistischer Freischärlergruppen
beziehungsweise vor nationalsozialistischer Indoktrinierung
zu schützen. Wie weit das Misstrauen der österreichischen Bevölkerung
gegenüber reichte, kann dem Guide an verschiedenen
Stellen entnommen werden, etwa wenn die Verfasser meinen:
„Auch wenn Sie die Österreicher ohne Zweifel im Großen und
Ganzen als Befreier empfangen werden, heißt das nicht zwangsläufig,
dass sie alle unsere Freunde sind. Denn viele von ihnen
haben 1939 [sic!] die Deutschen ebenfalls als Befreier empfangen."
- Eine knappe, treffende Beschreibung der Doppelbödigkeit
der österreichischen Haltung, die sich in der Zweiten Republik
auch im jahrzehntelangen Festhalten an der „Opferthese", in der
„Waldheim-Affäre" und in personellen nationalsozialistischen
Kontinuitäten in fast allen politischen Parteien, speziell aber im
„Verband der Unabhängigen" (VdU), der späteren „Freiheitlichen
Partei Österreichs" (FPÖ), widerspiegelt.
Darüber hinaus konnten die Autoren auch ganz schwer einschätzen,
wie sich die Österreicher angesichts der nationalsozialistischen
Niederlage verhalten würden. Um die Soldaten auf
eventuelle Gefahren vorzubereiten, schreiben sie: „Zu dem Zeitpunkt,
zu dem Sie [in Österreich] ankommen, werden die Führer
der österreichischen Nazis wahrscheinlich beseitigt sein, aber das
Fußvolk wird noch da sein. Einige von ihnen waren ausgesprochen
widerwärtige Charaktere." Und: „Man kann mit Sicherheit
davon ausgehen, dass in Österreich noch immer eine Nazi-Untergrundbewegung
existiert. Es wird versucht werden, einen
neuen Nazismus voranzutreiben. [...] Seien Sie auf der Hut vor
Nazi-Propaganda."
Trotz dieser expliziten Hinweise und Warnungen entsteht bei
der Lektüre des Guides der Eindruck, dass die Autoren bis zu
einem gewissen Grad emotional an Österreich gebunden waren.
So bemühen sie sich vehement um eine klare Unterscheidung
zwischen „befreiten" Österreichern und „besiegten" Deutschen.
Lokalpatriotismus scheint hier immer wieder die Erlebnisse der
Verfolgung und Vertreibung zu überlagern. So stellen die Verfasser
zwar fest, dass die Österreicher „die gleiche Sprache" wie
die Deutschen sprechen, weisen aber sogleich darauf hin, dass sie
sich durch „Geschichte und Denkweise" von diesen unterscheiden.
Während den Österreichern ein ausgeprägtes Stilbewusstsein
und ein großer Charme nachgesagt werden, wird ihre Beteiligung
an den nationalsozialistischen Verbrechen an mehreren Stellen
kleingeschrieben. An einer Stelle des Textes schildern die Autoren
sogar ein leichtlebig-sorgloses Alpenvolk, das von deutschen
Nazis in eine Form gepresst, ja, von den Deutschen zu NS-Robotern
umfunktioniert werden sollte - eine Geschichtsdarstellung,
die die Österreicher in überproportionalem Ausmaß von Schuld
befreit.
Auch an anderen Stellen liegen die Verfasser mit ihren Einschätzungen
falsch: Die Aussage, dass Engelbert Dollfuß, der
Begründer des austrofaschistischen Ständestaates, keinen „großen
Gefallen am Faschismus gefunden hatte", kann sich aus der Kürze
des Textes ergeben haben, das Statement, dass nur wenige Folterknechte
des Regimes aus Österreich kamen, muss als völlig falsch
zurückgewiesen werden.
Generell ist der von MTOUSA herausgegebene „Soldier's
Guide" aus der Entstehungszeit heraus zu verstehen. Noch
während der Kriegshandlungen verfasst, wird in ihm nicht nur
ein österreichisches Nachkriegsszenario skizziert, sondern er ist
als Publikation der US-Armee in seinen Darstellungen von den
offiziellen Leitlinien alliierter Politik mit der Zielsetzung der
Reeducation und Entnazifzierung, den Plänen der Alliierten,
nach dem Krieg ein unabhängiges freies Österreich zu errichten,
und den Ansichten, die seine Verfasser von Österreich hatten,
geprägt.
Wie stark zeitgebunden der Guide ist, zeigt sich auch in den
zahlreichen Hinweisen auf Engpässe im Land, auf die die GIs
mithilfe des Büchleins vorbereitet werden sollten, beispielsweise
wenn es heißt: „[Sie werden] rasch herausfinden, dass es so gut
wie nichts zu kaufen gibt. Lebensmittel, Kleidung und Tabak
werden strikt rationiert. Es gibt keine Kleinigkeiten, die Sie als
Geschenke nach Hause schicken können, die Geschäfte werden
leer sein. [...] Fürs Erste gibt es also wenig, was Sie mit Ihrem
Sold tun können, außer sparen."
Trotz der zahlreichen Hinweise, die die GIs vor Enttäuschungen
bewahren sollen, liest sich das Büchlein gelegentlich wie der
erste Reiseführer der Zweiten Republik. Analog zu einem regulären
Reiseführer verfügt der Guide über ein Kompendium mit
nützlichen deutschsprachigen Phrasen, die den Soldaten bei
ihrem Österreich-Aufenthalt behilflich sein sollten. Darunter
finden sich unverdächtige Sätze wie „Ich habe mich verlaufen"
oder „Ich möchte essen", aber auch Vokabeln wie „Deckung!",
die den heutigen Lesern die Unsicherheit im Umgang mit den
Österreichern und die Situation nach dem eben erst beendeten
Krieg klar vor Augen führen.
Zu den kulturellen Gewohnheiten und Verhaltensweisen
der Österreicher gibt es in dem Büchlein Informationen, die es
den US-Soldaten ermöglichen sollten, sich in der Alpenrepublik
zurechtzufinden. So werden beispielsweise die lokalen Trinkgewohnheiten
angeführt und mit lokalpatriotischem Unterton
die musikalische Kultur beschrieben: „Bier, das normalerweise
eisgekühlt wird, ist das in Österreich bevorzugte Getränk. Das
helle mehr als das dunkle. Wein, billig im Vergleich zu britischen
Preisen, ist von guter Qualität." Und: „Die Österreicher
sind äußerst musikalisch und sie haben einige der größten Komponisten
und Interpreten hervorgebracht. [...] Jazz und Swing
sind beliebt, aber die einheimischen Walzer, wie jene von Johann
Strauss und Leo Fall, die vor 30 Jahren in England große ‚Hits‘
waren, sind noch immer sehr gefragt."
Viele US-Soldaten verbrachten ihre Freizeit bei Getränken und
Jazz, Swing oder Walzer - gemeinsam mit den Einheimischen.
Noch im Herbst 1945 wurde das Fraternisierungsverbot aufgehoben.
Mit den GIs erlebte das Land eine Öffnung zur Welt, ein
Wirtschaftswunder und für weite Teile der Bevölkerung auch
einen ideologischen Abschied von der fatalen Begeisterung für
den Nationalsozialismus. Auch auf privater Ebene hinterließen
die Begegnungen zwischen Soldaten und Einheimischen Spuren:
Historiker gehen heute von bis zu 30.000 Kindern aus, die aus
Kontakten und Beziehungen zwischen alliierten Soldaten und
österreichischen Frauen hervorgingen.
Das hier abgedruckte Büchlein stammt aus dem Besitz von
Peter, dem Sohn eines amerikanischen GIs. Sein Vater Godrick
James Williams kam, mit diesem Guide im Gepäck, erst gegen
Ende der Besatzungszeit als Soldat nach Österreich. Als Williams
am Ende seines Dienstes wieder in die USA zurückkehrte, ließ er
seine Partnerin und seinen Sohn Peter in Oberösterreich zurück.
Godrick und sein Sohn nahmen erst knapp 40 Jahre später
Kontakt zueinander auf. Peter erinnert sich gut daran, dass ihm
sein Vater in einem der ersten Telefonate - Anfang der 1990er
Jahre - anbot, Kleidung oder andere Bedarfsartikel des täglichen
Gebrauchs zu schicken: In Godricks Erinnerung war Österreich
immer noch ein Land, das von Armut und Mangel geprägt war -
genauso, wie es im „Soldier's Guide" beschrieben war.
Philipp Rohrbach
Niko Wahl
Österreich
Zu Beginn
SIE kommen als Mitglied der alliierten Streitkräfte nach Österreich,
als Sieger und Befreier. Österreicher und Deutsche sprechen
zwar die gleiche Sprache, Österreicher sind aber in vielerlei
Hinsicht ein anderes Volk mit einer anderen Geschichte und
einer anderen Denkweise.
Als Volk waren sie uns gegenüber niemals so feindselig eingestellt
wie die Deutschen. Aber Österreich wurde vom Gedankengut
der Nazis, für dessen Vernichtung wir gekämpft haben, ebenso
verseucht. Und wenn Sie nach Österreich kommen, werden viele
unserer Feinde noch dort sein, manche werden Deutsche sein,
andere Österreicher.
Auch wenn Sie die Österreicher ohne Zweifel im Großen und
Ganzen als Befreier empfangen werden, heißt das nicht zwangsläufig,
dass sie alle unsere Freunde sind. Denn viele von ihnen
haben 1939 [sic!] die Deutschen ebenfalls als Befreier empfangen.
Sie sind natürlich darauf erpicht, für sich das Bestmögliche herauszuholen,
und das bedeutet, dass sie sich mit den Gewinnern
gutstellen werden.
Eines der Kriegsziele der Alliierten ist es, ein freies und souveränes
Österreich wiederherzustellen. Wir haben guten Grund
zu der Annahme, dass dies auch der Wunsch der Mehrheit der
österreichischen Bevölkerung ist. Das war aber nicht immer so.
Es war teilweise ihre eigene Schuld, dass ihr Land von den Deutschen
überrannt wurde und dass sie sich anschließend in Hitlers
Armeen kämpfend wiederfanden. (Erinnern Sie sich daran, wenn
Ihnen die Österreicher von ihrem schweren Los erzählen.)
Die Tatsache, dass wir Hitler geschlagen haben, gibt ihnen eine neue
Chance. Sie haben Glück.
Wir wollen, dass sich die Österreicher als friedliebendes Volk
neu definieren. Sie können dabei helfen, indem Sie Selbstdisziplin
und Selbstkontrolle zeigen und die Österreicher fair und anständig
behandeln.
Dieser Leitfaden gibt Ihnen ein paar Tipps, wie Sie sich
während Ihres Aufenthaltes in Österreich benehmen sollten und
wie Sie mit alltäglichen Problemen umgehen können, auf die Sie
dort stoßen werden.
Das Gebiet Österreichs
Österreich ist etwa so groß wie Schottland oder South
Carolina, hatte 1934 aber 6.760.000 Einwohner. Die Form des
Landes erinnert an einen Schuh. Die Schuhspitze, die nach
Westen zeigt, besteht beinahe vollständig aus Gebirge, das sich
auflockert und dessen Höhe abnimmt, wenn man sich Richtung
Ferse bewegt. Die Landschaft setzt sich aus Granit-Plateaus mit
Wäldern und Schwemmland zusammen, die vom Donautal
durchschnitten und vom Wiener Becken ausgehöhlt werden.
Österreich hat keine Meeresküste. Schifffahrt wird auf der
Donau betrieben. Beinahe alle österreichischen Flüsse münden
in diesen historischen Wasserweg. Der Rhein, der die westliche
Grenze des Landes bildet, ist hier noch ein kleiner Fluss.
Das Klima ist schwer zu beschreiben, da es in den verschiedenen
Regionen unterschiedlich ist, und das Klima eines Tales
ist oft völlig anders als das eines nur wenige Kilometer entfernt
liegenden Nachbartals.
Falls Sie später die Gelegenheit dazu haben, Österreich zu
bereisen, werden Sie beinahe jede Art von Landschaft entdecken.
Schneefelder und Gletscher bedecken die am höchsten
gelegenen Gebiete im Westen; dann steigt man durch alpine
Weideflächen hinunter bis zu Lärchen- und Kiefernwälder, in
die gepflegte Lichtungen gestreut sind, ehe man Buchenwälder
und zu guter Letzt - wenn Sie sich im Süden befinden - sonnige
Weingärten erreicht.
Der Norden neigt dazu, trostlos zu sein, der Süden ist warm
und freundlich.
Wien. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt in den Städten. Die
größte unter ihnen ist die Hauptstadt, Wien, das mit ein dreiviertel
Millionen Einwohnern etwa viermal so groß ist wie Cincinnati
oder Edinburgh. Wien ist eine der schönsten und elegantesten
Städte Europas und war jahrhundertelang östlicher Vorposten der
christlichen Kultur. Wien verfügt über große industrielle Vororte
im Osten und im Süden, die von den Nazis aufgebaut wurden.
Wien ist zehnmal so groß wie die zweitgrößte Stadt, Graz (südöstliches
Österreich), das etwa so groß ist wie Brighton oder Worcester,
Massachusetts. Weitere wichtige Industriestädte sind Linz, im
Norden, Wiener Neustadt, etwa 30 Kilometer südlich von Wien,
und Steyr in der Mitte Österreichs. Salzburg, im Nordwesten, ist
eine der Vorzeigestädte in Mitteleuropa.
Vor der deutschen Okkupation
In den 20 Jahren von 1918 bis 1938 stieg Österreich von einem
führenden europäischen Kaiserreich zu einer Provinz Nazideutschlands
ab.
Unterernährung und Überarbeitung. Die meisten Österreicher,
die Sie treffen, werden unterernährt sein. Vor der Besetzung
durch die Nazis 1938 herrschte weitverbreitete Arbeitslosigkeit.
Die Deutschen gaben den Österreichern Arbeit, hielten
sie aber mit der Verpflegung an der kurzen Leine. Deutschland
wollte lieber Waffen statt Butter. 18 Monate nach dem Anschluss
kam der Krieg: Rationen wurden gekürzt und die Österreicher
bekamen weniger Brot, Fleisch und Milch und ihre Lebensmittel
waren von minderer Qualität.
Mit dieser mangelhaften Ernährung mussten sich die Arbeiter,
die in der Industrie blieben, und die Frauen, die die in die
Armee eingezogenen Männer ersetzten, in der Rüstungsindustrie
stundenlang abschuften, bis sie oft vor Erschöpfung zusammenbrachen.
Den Bauern am Land ging es besser, aber sogar sie
wurden dazu gezwungen, ihre Erzeugnisse bis auf ein Minimum
abzugeben. Als die Männer einberufen wurden, mussten Frauen
und Kinder deren Plätze auf den Feldern einnehmen.
Sie werden in Österreich viel Armut vorfinden, vor allem
in den Industriestädten, wo es problematisch sein wird, von
Kriegsproduktion auf Friedensproduktion umzustellen. Seien
Sie vorsichtig, wenn man versucht, von Ihnen Stiefel oder
Unterwäsche zu erbetteln, Sie ihnen abzukaufen oder zu
stehlen.
Sobald jene Nazis, die Schlüsselstellen in Österreich innehatten,
geflohen oder „liquidiert" sind, wird es wahrscheinlich
zu einem zeitweisen Zusammenbruch im öffentlichen Dienst
kommen. Das Chaos wird durch Gruppen von Fremdarbeitern,
die versuchen, nach Hause zu kommen, noch verschlimmert
werden, denn während des Krieges schickten die Deutschen
Hunderttausende Italiener, Polen, Tschechen und Russen nach
Österreich, viele von ihnen als Zwangsarbeiter, und nötigten sie,
dort für die deutsche Kriegsmaschinerie zu arbeiten. Es wird
auch Kriegsgefangene geben, die aus den Lagern, von Bauernhöfen
und Fabriken abgeholt und zurück nach Hause geschickt
werden.
Ohne Zweifel werden die meisten Österreicher bereitwillig dabei
behilflich sein, ihr Land aufzuräumen und klare Verhältnisse zu
schaffen. Aber es wird einige Zeit dauern, bis das Leben wieder
annähernd normal verläuft.
Wie die Österreicher sind
Erst seit 1918 ist Österreich von den benachbarten Gebieten politisch
getrennt und ein eigenständiger Staat. Deshalb hatten die
Österreicher bisher wenig Zeit, das Gefühl zu entwickeln, eine
Nation zu sein. Sie werden wahrscheinlich bemerken, dass das
einzig Verbindende für sie ihre Erleichterung über die Befreiung
von den Deutschen ist.
Österreicher haben „Charme". Sie sind freundlich und heiter
und verstehen einen Spaß so schnell wie Sie, manchmal sogar
schneller. Sie haben wenig Achtung vor Regeln und Vorschriften,
was die Deutschen, die ohne viel Erfolg ihr Möglichstes
taten, um die Österreicher in ein preußisches Muster zu pressen,
verärgerte.
Vor dem Anschluss erzählten sich die Österreicher folgenden
Witz:
„In England ist alles erlaubt, was nicht verboten ist; in Deutschland
ist alles verboten, was nicht erlaubt ist; in Österreich ist alles
erlaubt, egal ob verboten oder nicht."
Das bedeutet nicht, dass auf Autorität verzichtet wird. Ganz
im Gegenteil, es muss klar sein, dass Vorschriften dazu da
sind, befolgt zu werden. Aber Druck sollte mithilfe einer guten
Stimmung ausgeübt werden.
Es hat keinen Sinn, von den Österreichern Pünktlichkeit und
Verlässlichkeit zu erwarten, so wie wir diese Begriffe verstehen.
So sind sie nicht gestrickt. Sie meinen es wirklich ehrlich, wenn
sie versprechen, etwas zu tun. Sie meinen es genauso ehrlich,
wenn sie sich dafür entschuldigen, es nicht getan zu haben. Dafür
haben sie Sinn für „Stil". Österreicher haben kein Verständnis für
einen nachlässigen Soldaten.
Sie erwarten von Ihnen, dass Sie gut
angezogen sind und sich gut benehmen. Sie werden Ihre Tüchtigkeit
schätzen, auch wenn sie selbst nicht immer tüchtig sind.
Die Wiener, die ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen,
bestehen aus Menschen tschechischer, ungarischer, polnischer
und jüdischer Herkunft sowie aus Österreichern. Sie sind
daher weitaus durchmischter als die Bevölkerung der Landbezirke.
Abgesehen davon ist Wien überwiegend industriell, traditionell
politisch stark sozialistisch und antiklerikal geprägt, während der
Rest Österreichs hauptsächlich bäuerlich, konservativ und daher
insgesamt auch religiöser ist. Dennoch verfügen die Wiener über
alle typischen österreichischen Eigenschaften. Wenn überhaupt,
so zeigen sie diese in einem stärkeren Ausmaß als die Österreicher
in den kleineren Städten und Dörfern.
Die österreichischen Nazis. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie
dort ankommen, werden die Führer der österreichischen Nazis
wahrscheinlich beseitigt sein, aber das Fußvolk wird noch da sein.
Einige von ihnen waren ausgesprochen widerwärtige Charaktere.
Die Partei der Nazis war ein Treibhaus für alles, was hartherzig
und brutal war.
In dem Bestreben zu beweisen, genauso „hart" wie ihre deutschen
Vorbilder zu sein, begingen die österreichischen Nazis Gräueltaten,
insbesondere direkt nach dem Anschluss, so grausam und
abstoßend wie alles, was die Deutschen getan haben. Wie sie die
sozialistischen Führer und die Juden, wenn auch aufgehetzt von
Hitlers Rädelsführern, behandelt haben, hinterlässt einen Makel
auf dem Namen Österreich, der sich für sehr lange Zeit nicht
entfernen lassen wird. Anständige Österreicher waren wegen
dieser Exzesse entsetzt. Es ist in ihrem Sinn, dass jene Schergen,
die diese Verbrechen verübt haben, ihre gerechte Strafe erhalten,
sofern sie nicht schon als Kriegsverbrecher von den Alliierten eingestuft
werden.
Das Verhalten der Deutschen nach dem Anschluss war selbst
für die Nazis in Österreich eine schwere Enttäuschung. Die
einträglichen Arbeiten, auf die sie gehofft hatten, bekamen
Deutsche; für sie blieben die Krümel - und vor allem Tritte. Die
Österreicher ändern rasch ihre politische Einstellung. Viele, die
gestern noch die Nazis unterstützt haben, beweisen sich morgen
als brennende Unterstützer eines demokratischen und unabhängigen
Österreich.
Allerdings wird eine beträchtliche Anzahl Österreicher mit
dem Gift der Nazis zu intensiv in Berührung gekommen sein,
um es aus ihrem System wieder herauszubekommen. Wenn sie
versuchen sollten, Ihnen von den Vorteilen des Anschlusses zu
erzählen, wird es genügen, sie daran zu erinnern, dass sie diejenigen
waren, die Österreich 1938 an Deutschland ausgeliefert und
es in einen katastrophalen Krieg gestürzt haben. Wollen sie das
Gleiche immer wieder?
Machen Sie nicht den Fehler anzunehmen, dass jeder Österreicher
ein Nazigegner wäre, weil Hitler das Land mit Gewalt
besetzt hat. Zehntausende Österreicher waren vor 1938 fanatische
Anhänger Hitlers und viele weitere überschlugen sich
dabei, die Nazis willkommen zu heißen, als sie in ihr Land
kamen.
Geld. Österreich hatte vor dem Anschluss seine eigene Währung.
Grundnominale war der Schilling, der sich in 100 Groschen unterteilen
ließ. Die Deutschen führten ihre Rentenmark und Reichsmark
ein, beide in 100 Pfennig teilbar.
Die Alliierten haben beschlossen, den Militärschilling zu
verwenden, unterteilt in 100 Groschen. Die Wechselrate vom
1. Mai 1945 wird angewendet: 10 Cent oder 1 Sixpence entsprechen
1 Militärschilling oder 1 Mark (entweder Rentenmark oder
Reichsmark) oder einem halben Rubel. Vorläufig sind Mark und
Schilling gültige Währungen, aber deutsches Besatzungsgeld oder
Militärgeld werden nicht legal bleiben.
Die in Österreich nun im Umlauf befindlichen Münzen
umfassen 1-, 5- und 10-Pfennig-Stücke aus einer Aluminium
Bronze Legierung, 50-Pfennig-Stücke aus Aluminium und
2-Mark-Stücke aus einer Kupfer-Silber-Legierung. Einige österreichische
Groschen sind vielleicht noch im Umlauf, sie haben
den gleichen Wert wie die Pfennigstücke.
Es gibt 2- und 5-Mark-Banknoten, ausgegeben von der Rentenbank,
und 10-, 20-, 50- und 100-Mark-Banknoten, ausgegeben
von der Reichsbank. Manche österreichischen Städte haben
Papiergeld in verschiedenen Nennwerten ausgegeben, die noch in
Umlauf sein können.
Wo immer Sie in Österreich stationiert sind, werden Sie
rasch herausfinden, dass es so gut wie nichts zu kaufen gibt.
Lebensmittel, Kleidung und Tabak werden strikt rationiert.
Es gibt keine Kleinigkeiten, die Sie als Geschenke nach Hause
schicken können, die Geschäfte werden leer sein.
Wenn Sie bei den amerikanischen Streitkräften sind, wird Ihr
Bedarf durch die PX-Stores gedeckt, oder, wenn Sie bei den britischen
Streitkräften sind, durch die Armee oder die R.A.F. und die
NAAFI-Stores Das Einzige, was Sie den Österreichern abkaufen
können, ist ein Glas Bier oder Wein.
Es wird längere Zeit dauern, bis die Grundbedürfnisse der
österreichischen Bevölkerung gedeckt sind und nicht lebensnotwendige
Güter wieder produziert werden.
Fürs Erste gibt es also wenig, was Sie mit Ihrem Sold tun
können, außer sparen.
DO'S
HALTEN SIE Ihre Augen und Ohren offen.
SEIEN SIE tadellos und soldatenhaft hinsichtlich Auftreten und
Kleidung.
SEIEN SIE standhaft und fair in Ihrem Umgang mit Österreichern.
GEHEN SIE mit Schnaps sparsam um.
HALTEN SIE sich von zwielichtigen Varietés und anderen Orten
fern, an denen Sie ausgenommen werden könnten.
DENKEN SIE daran, dass Geschlechtskrankheiten grassieren.
DENKEN SIE daran, dass Sie ein Vertreter Ihres Landes sind.
Österreicher werden sich ihre Meinung entsprechend Ihrem
Verhalten bilden.
DON'TS
FRATERNISIEREN SIE NICHT, verkaufen oder geben Sie
nichts von Ihrer Kleidung oder Ausrüstung her.
SEIEN SIE NICHT sentimental. Wenn die Zustände für die
Österreicher hart sind, müssen Sie selbst die Verantwortung
dafür tragen.
GLAUBEN SIE NICHT den österreichischen Erzählungen vom
Krieg oder was zu ihm geführt hat. Der Großteil ihres Gedankenguts
stammt aus verlogener Propaganda.
GLAUBEN SIE KEINERLEI Geschichten gegen die Alliierten.
Sie sollen lediglich Feindschaft zwischen uns säen.
GLAUBEN SIE KEINE politischen Leidensgeschichten.
Machen Sie sich verständlich
Österreicher sprechen Deutsch als Muttersprache.
Englisch wird in allen weiterführenden Schulen als Zweitsprache
unterrichtet und ist meistens verpflichtend. Englisch wird
auch in einer Vielzahl von Sprachschulen und in Handelsschulen
im ganzen Land gelehrt, daher sprechen viele Österreicher
etwas Englisch. In den meisten Hotels, größeren Restaurants, den
Regierungs- und Gemeindeverwaltungen und größeren Geschäften
wird es so gut wie sicher jemanden geben, der Englisch spricht.
Aber im Landesinneren oder in den Arbeiterbezirken werden Sie
Deutsch sprechen müssen, wenn Sie mit der Zeichensprache
nicht weiterkommen.
Eine hilfreiche Liste an Wörtern und Redewendungen folgt.
Hinweise zur Aussprache finden Sie bei jedem deutschen Wort.
Die Aussprache im Deutschen ist einfach, bis auf zwei oder
drei Laute, die wir im Englischen nicht verwenden.
Viele deutsche Wörter sind den englischen ähnlich, vor allem
diejenigen, die man im Alltag verwendet, zum Beispiel: Mann -
man, Haus - house, Garten - garden, Butter - butter und Brot
- bread. Das liegt vor allem daran, dass die beiden Sprachen zu
einem großen Teil eine gemeinsame Wurzel haben.
Wenn man versucht, eine Sprache zu sprechen, die man nicht
kennt, sollte man die goldene Regel befolgen, es so einfach wie
möglich zu halten. Nehmen Sie sich ein zweijähriges Kind zum
Vorbild. Versuchen Sie keine Sätze zu bilden, benutzen Sie Substantive
und Verben.
Versuchen Sie am Anfang Fragen zu stellen, die mit Ja (yes)
oder Nein (no) beantwortet werden können. Sprechen Sie mit
einer normalen Stimme, Sie machen sich nicht verständlicher,
wenn Sie schreien. Wenn man Sie nicht versteht, zeigen Sie auf
die Wörter oder Sätze in Ihrer Liste der Redewendungen.
Sicherheit
Nun, da die Feindschaften offiziell beendet sind, glauben Sie vielleicht,
dass in einem Land wie Österreich, dessen Bevölkerung
den Ruf hat, freundlich und gelassen zu sein, Sicherheit nicht
mehr notwendig ist.
Das ist nicht der Fall.
Obwohl Österreich eines der Länder ist, das unter deutscher
Besatzung gelitten hat, und die Mehrheit der österreichischen
©Czernin Verlags GmbH
... weniger
Autoren-Porträt
Wahl, NikoNiko Wahl, geboren 1974 in Wien, studierte Geschichte an der Universität Wien. Er arbeitet als freier Kurator und ist Partner im Kulturbüro Kolwitz/Montefiore/Wahl. Kuratierte die Ausstellung »SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten«, bei deren Recherchen der »Soldier's Guide« entdeckt wurde. Rohrbach, Philipp
Philipp Rohrbach, geboren 1979 in Wien, studierte Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Wien. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) und arbeitet als freier Historiker. Kuratierte die Ausstellung »SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten«, bei deren Recherchen der »Soldier's Guide« entdeckt wurde.
Bibliographische Angaben
- 2017, 80 Seiten, Maße: 12,3 x 17,7 cm, Gebunden, Englisch/Deutsch
- Herausgegeben: Niko Wahl, Philipp Rohrbach
- Übersetzer: Evelyn Steinthaler
- Verlag: Czernin
- ISBN-10: 3707606031
- ISBN-13: 9783707606034
- Erscheinungsdatum: 21.03.2017
Sprache:
Englisch, Deutsch
Kommentar zu "Austria - Österreich"
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