Bekker, A: Sohn der Halblinge
Arvan Aradis ist ein Mensch, doch er wächst bei den Halblingen auf und führt ein ruhiges, beschauliches Leben. Bis er den Elb Lirandil kennen lernt und so von der schrecklichen Bedrohung erfährt, die sich im Reich der Orks erhoben hat. Der...
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Produktinformationen zu „Bekker, A: Sohn der Halblinge “
Arvan Aradis ist ein Mensch, doch er wächst bei den Halblingen auf und führt ein ruhiges, beschauliches Leben. Bis er den Elb Lirandil kennen lernt und so von der schrecklichen Bedrohung erfährt, die sich im Reich der Orks erhoben hat. Der Verderber des Schicksals ist erwacht! Lirandil will ein Bündnis gegen dessen dunkle Horden schmieden. Arvan und die Halblinge Borro, Neldo und Zalea schließen sich ihm an. Am Anfang suchen sie nur ein Abenteuer. Doch nicht zum ersten Mal ist es das kleine Volk, von dem die Rettung der Welt abhängt.
Lese-Probe zu „Bekker, A: Sohn der Halblinge “
Der Sohn der Halblinge von Alfred Bekker1. Kapitel
Arvan
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Bleib hier, du dummes Baumschaf!
Arvan versuchte, das vielfüßige, von Wolle überwucherte Geschöpf mit einem strengen Gedanken daran zu hindern, sich in das äußere Geäst zu begeben. Selbst bei den Riesenbäumen der Wälder am Langen See war dieses Astwerk oft so dünn, dass es auch Baumschafe nicht tragen konnte. Schon gar nicht Baumschafe, die so fett waren wie dieses Exemplar.
Zudem musste Arvan die Herde zusammenhalten. Das war die Aufgabe, die ihm der Halblingstamm, bei dem er lebte, zugewiesen hatte - auch deshalb, weil er für andere Dinge kein richtiges Talent zu haben schien.
Arvan war siebzehn Jahre alt. Er hatte kleine Menschenfüße, ansonsten aber war bei ihm alles größer und kräftiger als bei den Halblingen. Er war kein geschickter Kletterer, sein Menschenkörper war dazu einfach nicht geeignet. Zum Eisenbieger und Schmied taugte er allerdings auch nicht, denn in die niedrigen Höhlen, die zur Verhüttung von Metallen von den Halblingstämmen betrieben wurden und die im Fall der Gefahr schnell verlassen werden mussten, passte er nur dann, wenn er auf Knien herumrutschte.
So hatte sein Ziehvater Gomlo, Baum-Meister des Stammes von Brado dem Flüchter, beschlossen, dass Arvan die Baumschafe hüten sollte. »Diese Kreaturen sind dir ähnlich, Arvan«, hatte er gesagt. »Sie sind schwerfällig im Geiste und in der Bewegung, was bei den meisten Geschöpfen aufs Gleiche herauskommt. Wenn du einigermaßen aufmerksam bist, kannst du die Herde beisammenhalten, ohne allzu viel klettern zu müssen, und das wiederum bedeutet, dass du nicht so häufig abstürzt wie bisher.«
Das war vor drei Jahren gewesen - und wider Erwarten hatte sich Arvan zumindest für diese einfache Aufgabe als talentiert erwiesen. Die vielbeinigen Baumschafe gehorchten ihm. Die Größe dieser Geschöpfe schwankte je nach Ernährung und Zucht zwischen einem großen Halblingsfuß und einem Wildschwein. Mit ihren Klammerkrallen fanden sie an jeder Baumrinde Halt, und sie fraßen Moose, Käfer und Raupen und schlürften manchmal auch das Harz.
Arvan saß Tag für Tag stundenlang auf einem der Riesenbäume, die den Baumschafen vorbehalten waren, denn auf ihren Wohnbäumen wollten die Halblinge aus dem Stamm von Brado dem Flüchter sie nicht haben, weil sie überall ihre Ausscheidungen hinterließen. Diese veränderten über längere Zeit das Harz der Riesenbäume, aus denen die Halblinge seit langer Zeit den Baumsaft gewannen, eine magische Essenz, deren Rezeptur ein Geheimnis ihres Volkes war.
Die Bäume der Baumschafherden befanden sich deshalb in sicherer Entfernung zu den Wohnbäumen der Halblinge.
Arvan saß zumeist einfach nur da, hing seinen Gedanken nach und träumte davon, eines Tages in die große weite Welt zu ziehen und all die Dinge zu sehen, die er bisher nur aus Erzählungen kannte. Die Wunder von Carabor, der größten Stadt der Welt mit ihren zehntausend Schiffen zum Beispiel. Oder Aladar, die Hauptstadt des mächtigen Königreichs Beiderland, in der es angeblich riesige Gebäude mit goldenen Kuppeln gab, deren Pracht und Glanz die Augen blendeten. Oder die Gestade des Fernen Elbenreichs, einem Land voller Magie, aber auch Weisheit, das so abgeschieden lag, dass kaum ein Halbling oder Mensch jemals dorthin gelangt war.
Eines Tages, dachte Arvan, werde ich das alles mit eigenen Augen sehen.
Letztendlich war er sich jedoch nicht sicher, ob es nicht besser war, einfach etwas mehr vom magischen Baumsaft der Halblinge zu nehmen, auf einem Herdenbaum zu sitzen und von diesen Dingen nur zu träumen. Das war bestimmt ungefährlicher, als solche Reisen selbst zu unternehmen - vor allem, wenn man so ungeschickt war wie Arvan.
Manchmal, wenn sein Kopf vom vielen Nachdenken ganz leer war, vertrieb er sich die Zeit damit, Rankpfanzen sich mehr oder weniger kunstvoll zusammenknoten zu lassen. Auch diese gehorchten seinen Gedanken, wenn er sich auf sie einstellte. Die Gefahr dabei war nur, dass er dann mitunter
nicht genug auf die Baumschafe achtete.
Aber im letzten Moment hatte er ein paar Ausbrecher noch immer durch einen beherzten Gedanken daran hindern können, sich zu weit von der Herde zu entfernen.
Eine auseinandergesprengte Herde von mehr als tausend Baumschafen wieder einzusammeln war eine Geduldsprobe. Arvan hatte das schon erlebt - wenn er morgens zu spät aufgestanden war und die Baumschafe, die die Nacht über in den höheren Bereichen des jeweiligen Herdenbaums schliefen, schon vor Eintreffen des Hirten erwacht waren. Halblinghirten lösten das Problem dann meistens dadurch, dass sie in einer für Menschen schier unglaublichen Geschwindigkeit den Tieren hinterherkletterten, um sie dann wieder zusammenzutreiben. Die Baumschafe gehorchten zwar jedem intensiveren Gedanken, aber die meisten Hirten mussten dafür näher als zwanzig Schritte an die Tiere heran, und viele waren außerdem darauf angewiesen, ihre Befehle gleichzeitig auch zu rufen, da sie sonst nicht stark genug waren. Abgesehen davon gab es hin und wieder auch sehr störrische Baumschafe. Gedanken-Taublinge wurden sie genannt, und jeder Baumschafzüchter
schlachtete sie als Erste.
In den Herden, die Arvan hütete, schien es allerdings nicht einen einzigen Gedanken-Taubling zu geben. Die zotteligen Geschöpfe hörten selbst dann noch auf ihn, wenn er auf der Hauptastgabel blieb, während sich einige von ihnen bis in die Baumkrone verzogen.
Allerdings war das auch Arvans Glück. Denn schnell genug hinter ihnen herzuklettern wäre ihm unmöglich gewesen.
Arvan war darauf konzentriert gewesen, einen kunstvollen Knoten aus drei Rankpfanzen zu binden, die von einem der höheren Äste herabbaumelten. Er hatte schon durch seine geduldige Beeinflussung bewirkt, dass sie überhaupt in dieser widernatürlichen Gleichmäßigkeit von dem Ast hingen.
Da hatte er bemerkt, dass eines der Baumschafe, die sich vorhin bereits gefährlich weit in das äußere Geäst gewagt hatten, einen erneuten Versuch in diese Richtung unternahm.
Komm zurück, du dumme Moosfussel!, sandte er einen weiteren Gedankenbefehl, und normalerweise hätte das Baumschaf auf diesen sehr energischen Gedanken sofort reagiert.
Aber genau in diesem Augenblick zischte etwas durch die Luft, und ein Pfeil bohrte sich durch das Baumschaf. Es stieß einen durchdringenden Schrei aus, der fast an die Stimme eines Halblingkinds erinnerte, und fiel in die Tiefe, wo es auf dem weichen Waldboden dumpf aufschlug.
Ein wahrer Hagel aus Pfeilen folgte. Die Schützen mussten aus dem Unterholz am Boden herausschießen. Vier, fünf Baumschafe, die auf niedrig gelegenen Nebenästen die Rinde nach Käfern und Moos fechten abgesucht hatten, wurden innerhalb von wenigen Augenblicken getroffen. Sie schrien erbarmungswürdig auf und stürzten ebenfalls in die Tiefe. Triumphgeheul war aus dem dichten Unterholz zu hören.
»Hinauf«, rief Arvan, der sofort aufsprang. Normalerweise brauchte er einen Gedanken nicht auszusprechen oder gar zu schreien, damit die Baumschafe ihn befolgten. Aber in so einer Notlage konnte man nicht deutlich genug sein.
Die Baumschafe stoben schreiend die Äste entlang. Nach oben!, wiederholte Arvan in Gedanken. Man musste Baumschafen eine Richtung vorgeben, sonst waren sie völlig orientierungslos und stürzten in ihrer Panik sogar vom Ast, weil sie vergaßen, sich gut genug mit ihren Krallen festzuhalten.
Es war immer ein gewisses Risiko, die Baumschafe die Rinde in den unteren Bereichen des Herdenbaums absuchen zu lassen. Doch dort gab es oft die besten Leckerbissen, und der Verzehr der Moose, die dort in den feinen Rindenspalten wuchsen, verbesserte die Qualität der Wolle. Es war ja auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass sich wildernde Soldaten in der Gegend aufhielten.
Normalerweise wären alle Hirten vorher gewarnt worden. Diesmal war das jedoch nicht geschehen.
Weitere Pfeile wurden vom Boden aus abgeschossen. Die Schreie der Tiere schallten durch den Wald und wurden von Baumschafen auf anderen, weiter entfernten Herdenbäumen beantwortet, wo die Tiere ebenfalls in Panik gerieten.
Arvan blickte in die Tiefe und sah Soldaten aus dem Unterholz hervorbrechen, unter ihnen viele Bogenschützen. Sie trugen Helme und Harnische. Der Hauptmann jedoch trug keinen Harnisch, sondern ein Kettenhemd und darüber ein weißes Obergewand, auf das Baum, Krone und Schwert gestickt waren - das Wappen des Waldkönigs Haraban.
Haut ab, ihr Dummschafe!, dachte Arvan - und schon verfehlten die ersten Schüsse ihre Ziele, weil die Baumschafe hoch ins Geäst flüchteten. Für die Tiere war es keine Schwierigkeit, senkrecht am Hauptstamm emporzulaufen, und sie taten dies mit einer Geschwindigkeit, die selbst ein guter menschlicher Läufer kaum auf ebener Strecke zu erreichen vermochte.
Einer der Pfeile schnellte so dicht an Arvans Kopf vorbei, dass er instinktiv zur Seite wich. Es hatte in letzter Zeit viel geregnet. Auf den Bäumen war es darum glitschig. Arvan war daher besonders vorsichtig und beim Klettern noch zurückhaltender gewesen. Wie oft war er früher schon gestürzt, weil er es unbedingt seinen Halbling-Altersgenossen hatte gleichtun wollen. Manche hielten es für ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte und sich nicht längst den Hals gebrochen hatte.
Die Soldaten achteten nicht weiter auf ihn, doch sie nahmen auf ihn auch keine Rücksicht. Für sie war er nur ein Waldbewohner und damit nicht mehr wert als ein Baumschaf. Vielleicht sogar weniger, denn die konnte man immerhin essen.
Arvan machte eine unbedachte Bewegung, als ihn ein weiterer Pfeil beinahe traf und ganz in der Nähe zitternd im Hauptstamm stecken blieb. Diesmal rutschte er aus, und schon ging es abwärts - er stürzte in die Tiefe.
Ein Geflecht aus Rankpfanzen fing ihn auf. Ihre grünen Stränge wurden bis aufs Äußerste gedehnt und bogen die dünnen Zweige, an denen sie hingen, weit nach unten. Der Sturz wurde dadurch abgefedert. Ungefähr eine Mannslänge hoch hing Arvan nun über dem Waldboden wie eine hilflose Jagdbeute in einem Fangnetz.
Einem Fangnetz, das er selbst in Momenten der Langeweile geknüpft hatte.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Immerhin - die Rankpfanzen waren seinen Gedanken sogar besser gefolgt als so manches störrische Baumschaf. Aber das lag wohl daran, dass pflanzliche Geschöpfe einem fremden Gedanken generell weniger Widerstand entgegensetzten.
»He, wen haben wir denn da«, rief eine raue Stimme.
»Einen Riesenhalbling«, antwortete eine andere. Sie redeten Relinga, die Sprache, die von den meisten Menschenvölkern benutzt wurde und sich daher schon vor langer Zeit als Verkehrssprache in ganz Athranor durchgesetzt hatte. und da die Soldaten des Waldkönigs Haraban in aller Herren Länder angeworben wurden, war es auch die Sprache seiner Armee. Auch die Halblinge konnten sie verstehen, und manche älteren Halblinge trieb schon die Sorge um, die eigene Sprache könnte irgendwann von ihr ersetzt werden.
Arvan drehte den Kopf und sah, dass der Waldboden mit getöteten Baumschafen übersät war. Die Pfeile der Söldner des Waldkönigs hatten mindestens ein Dutzend von ihnen aus dem Geäst geholt. Manche hatten Pfeil und Sturz zwar überlebt, wurden aber nun der Reihe nach abgeschlachtet.
Doch die anderen sind gerettet, dachte Arvan erleichtert. Ein Dutzend verloren, aber anderthalbtausend gerettet. Gomlo wird mit mir zufrieden sein.
Einer der Söldner schnitt die Ranken durch, an denen Arvan hing. Er fiel auf den Boden.
»Zusätzlich zu gebratenem Baumschaf auch noch gedünstete Halblingszunge - wie gefällt uns das denn«, rief einer der Kerle, der sich auf seinen Langbogen stützte. »unser Speiseplan wird ja noch reichhaltiger, als ich zu hoffen wagte.«
Die anderen lachten.
»Halblinge sind keine Tiere, sondern Bürger in Harabans Reich«, warf ein anderer ein. »und die sollen wir doch beschützen und nicht essen!«
Das Gelächter wurde noch lauter und rauer.
Einer stieß Arvan mit dem Speerschaft an. Er befreite sich aus den Ranken. »Der hat ja kleine Füße«, sagte ein Kerl, dem der Vollbart unter dem Helmriemen hervorquoll.
Schnell hatte sich ein Ring um Arvan gebildet. Die Soldaten starrten ihn an. Arvan trug ein Wams aus Baumschafwolle, das in der Mitte von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Ein Langmesser hing in einer bestickten Lederscheide an seinem Gürtel. Seine Halbling-Ziehmutter Brongelle hatte die Stickerei in liebevoller Kleinarbeit eingearbeitet - so fein, wie es wohl nur den geschickten Händen des kleinen Volkes möglich war. Arvans Hose war aus Baumschafleder und
endete knapp über den Knöcheln. Er war barfuß - und man brauchte keinen Halbling zum Vergleich, um zu erkennen, dass seine Füße nicht einmal halb so groß waren, wie man es
von einem Bewohner dieser Wälder erwartet hätte. Außerdem stand der Junge einigen der Söldner sogar auf Augenhöhe gegenüber.
»Du bist kein Halbling«, sagte einer der Söldner verblüfft.
»Ich gehöre zum Stamm, dessen Urvater Brado der Flüchter ist«, sagte Arvan auf Relinga.
»Er scheint mir ein fleischgewordener Fluch der Baumdämonen zu sein«, keuchte ein anderer Soldat.
Arvan deutete auf die getöteten Baumschafe. »Ihr habt euch an fremdem Eigentum vergriffen. Niemand hat euch erlaubt, Baumschafe aus der Herde zu nehmen!«
»Ein großes Mundwerk und wenig Verstand«, lautete der Kommentar des Söldners mit dem Vollbart. »Und selbst zum Klettern anscheinend zu dämlich!«
Einer der anderen Männer legte die Hand um den Griff seines Schwerts und zog die Klinge. »Töten wir ihn. Sonst gibt es nur Ärger.«
Da schritt der Hauptmann ein, dem es bisher wichtiger gewesen war, den toten Baumschafen die nur etwa daumengroßen Stummelhörner aus der Stirn zu brechen. Sie bestanden aus einem hornigen Material und waren entweder grau oder schwarz. Letztere waren sehr selten und galten als Glücksbringer und in pulverisierter Form als Heilmedizin. Man konnte gute Preise damit erzielen.
Im ungeschorenen Zustand waren diese Hörner bei den Schafen nicht zu sehen.
Immerhin eines der Hörner war schwarz und damit wertvoll. Baumschafblut besudelte das Übergewand des Hauptmanns, während er seine Trophäe ins Licht hielt, das durch eine der wenigen Lücken im Geäst der Riesenbäume bis zum Waldboden fiel. Er lachte zufrieden. »Mal sehen, ob die Narbe, die mir der letzte Feldzug eingebracht hat, aufhört zu schmerzen, wenn ich das hier bei mir trage.« Dann wandte er sich zu Arvan um. »Wer bist du?«
»Mein Name ist Arvan.«
»Du siehst aus wie ein Mensch, aber du lebst bei den Halblingen?«
»Ich bewache die Herde von Gomlo, dem Baum-Meister des Stammes von Brado dem Flüchter.«
»Dann gehört ihm die Herde und nicht etwa dir?«
»Ich bin sein Sohn, und was Ihr hier tut, verstößt sowohl gegen die Gesetze des Halblingwaldes als auch gegen die von Harabans Reich.«
»Wenn er der Sohn eines Halblings bist, dann möchte ich nicht die Frau sehen, die diese Missgeburt hervorgebracht hat«, rief der Kerl mit dem Vollbart, und aus mindestens einem Dutzend heiserer Kehlen wurde dazu dreckig gelacht.
Der Hauptmann hob die Hand. Sein Gesicht blieb unbewegt. Er schien den Humor seiner Männer nicht zu teilen.
»Töten wir ihn«, sagte er dann. »Sonst gibt es nur unangenehme Fragen. Wenn man uns schon in diesen von den Göttern verlassenen Wald schickt, ohne uns richtig zu versorgen, will ich nicht auch noch durch Halblingsangelegenheiten beim Essen gestört werden!«
Daraufhin zog auch der Kerl mit dem Vollbart sein Schwert. Er nahm es in beide Hände und trat auf Arvan zu.
Dann wirbelte die Klinge durch die Luft.
Arvan zog sein Langmesser, das zwar nach Halblingsart einschneidig und sehr stabil war, aber keine Waffe, um sich gegen einen Schwertkämpfer zu verteidigen. Es diente eher als Werkzeug, weniger zum Kampf. Den ersten Hieb parierte er mit einiger Mühe. Er konnte das Schwert des Söldners gerade eben zur Seite schlagen und taumelte einen Schritt zurück. Mit den Füßen verfing er sich in den Resten des Pfanzengeflechts, das ihn davor bewahrt hatte, auf den Waldboden zu prallen. Er stolperte und fiel rücklings auf die Erde.
Der bärtige Söldner war bereits über ihm und holte zum tödlichen Schlag aus, wobei er einen barbarischen Kampfschrei ausstieß.
Doch der Laut wandelte sich in einen gellenden Todes-schrei.
Eine Wurfaxt drang dem Söldner mit ungeheurer Wucht in die Stirn und spaltete ihm den Schädel. Sie war mit einer so enormen Kraft geschleudert worden, dass sie mühelos den Lederhelm durchdrang - Blut und Hirn quollen unter dem Nasenschutz hervor. Regungslos, mit geöffnetem Mund und erstarrten Augen, stand der Söldner einen Moment da, das Schwert noch immer zum Schlag erhoben. Bevor er über Arvan zusammenbrach, drehte der sich um die eigene Achse nach links und war im nächsten Augenblick wieder auf den Beinen.
© 2012 by alfred bekker
Bleib hier, du dummes Baumschaf!
Arvan versuchte, das vielfüßige, von Wolle überwucherte Geschöpf mit einem strengen Gedanken daran zu hindern, sich in das äußere Geäst zu begeben. Selbst bei den Riesenbäumen der Wälder am Langen See war dieses Astwerk oft so dünn, dass es auch Baumschafe nicht tragen konnte. Schon gar nicht Baumschafe, die so fett waren wie dieses Exemplar.
Zudem musste Arvan die Herde zusammenhalten. Das war die Aufgabe, die ihm der Halblingstamm, bei dem er lebte, zugewiesen hatte - auch deshalb, weil er für andere Dinge kein richtiges Talent zu haben schien.
Arvan war siebzehn Jahre alt. Er hatte kleine Menschenfüße, ansonsten aber war bei ihm alles größer und kräftiger als bei den Halblingen. Er war kein geschickter Kletterer, sein Menschenkörper war dazu einfach nicht geeignet. Zum Eisenbieger und Schmied taugte er allerdings auch nicht, denn in die niedrigen Höhlen, die zur Verhüttung von Metallen von den Halblingstämmen betrieben wurden und die im Fall der Gefahr schnell verlassen werden mussten, passte er nur dann, wenn er auf Knien herumrutschte.
So hatte sein Ziehvater Gomlo, Baum-Meister des Stammes von Brado dem Flüchter, beschlossen, dass Arvan die Baumschafe hüten sollte. »Diese Kreaturen sind dir ähnlich, Arvan«, hatte er gesagt. »Sie sind schwerfällig im Geiste und in der Bewegung, was bei den meisten Geschöpfen aufs Gleiche herauskommt. Wenn du einigermaßen aufmerksam bist, kannst du die Herde beisammenhalten, ohne allzu viel klettern zu müssen, und das wiederum bedeutet, dass du nicht so häufig abstürzt wie bisher.«
Das war vor drei Jahren gewesen - und wider Erwarten hatte sich Arvan zumindest für diese einfache Aufgabe als talentiert erwiesen. Die vielbeinigen Baumschafe gehorchten ihm. Die Größe dieser Geschöpfe schwankte je nach Ernährung und Zucht zwischen einem großen Halblingsfuß und einem Wildschwein. Mit ihren Klammerkrallen fanden sie an jeder Baumrinde Halt, und sie fraßen Moose, Käfer und Raupen und schlürften manchmal auch das Harz.
Arvan saß Tag für Tag stundenlang auf einem der Riesenbäume, die den Baumschafen vorbehalten waren, denn auf ihren Wohnbäumen wollten die Halblinge aus dem Stamm von Brado dem Flüchter sie nicht haben, weil sie überall ihre Ausscheidungen hinterließen. Diese veränderten über längere Zeit das Harz der Riesenbäume, aus denen die Halblinge seit langer Zeit den Baumsaft gewannen, eine magische Essenz, deren Rezeptur ein Geheimnis ihres Volkes war.
Die Bäume der Baumschafherden befanden sich deshalb in sicherer Entfernung zu den Wohnbäumen der Halblinge.
Arvan saß zumeist einfach nur da, hing seinen Gedanken nach und träumte davon, eines Tages in die große weite Welt zu ziehen und all die Dinge zu sehen, die er bisher nur aus Erzählungen kannte. Die Wunder von Carabor, der größten Stadt der Welt mit ihren zehntausend Schiffen zum Beispiel. Oder Aladar, die Hauptstadt des mächtigen Königreichs Beiderland, in der es angeblich riesige Gebäude mit goldenen Kuppeln gab, deren Pracht und Glanz die Augen blendeten. Oder die Gestade des Fernen Elbenreichs, einem Land voller Magie, aber auch Weisheit, das so abgeschieden lag, dass kaum ein Halbling oder Mensch jemals dorthin gelangt war.
Eines Tages, dachte Arvan, werde ich das alles mit eigenen Augen sehen.
Letztendlich war er sich jedoch nicht sicher, ob es nicht besser war, einfach etwas mehr vom magischen Baumsaft der Halblinge zu nehmen, auf einem Herdenbaum zu sitzen und von diesen Dingen nur zu träumen. Das war bestimmt ungefährlicher, als solche Reisen selbst zu unternehmen - vor allem, wenn man so ungeschickt war wie Arvan.
Manchmal, wenn sein Kopf vom vielen Nachdenken ganz leer war, vertrieb er sich die Zeit damit, Rankpfanzen sich mehr oder weniger kunstvoll zusammenknoten zu lassen. Auch diese gehorchten seinen Gedanken, wenn er sich auf sie einstellte. Die Gefahr dabei war nur, dass er dann mitunter
nicht genug auf die Baumschafe achtete.
Aber im letzten Moment hatte er ein paar Ausbrecher noch immer durch einen beherzten Gedanken daran hindern können, sich zu weit von der Herde zu entfernen.
Eine auseinandergesprengte Herde von mehr als tausend Baumschafen wieder einzusammeln war eine Geduldsprobe. Arvan hatte das schon erlebt - wenn er morgens zu spät aufgestanden war und die Baumschafe, die die Nacht über in den höheren Bereichen des jeweiligen Herdenbaums schliefen, schon vor Eintreffen des Hirten erwacht waren. Halblinghirten lösten das Problem dann meistens dadurch, dass sie in einer für Menschen schier unglaublichen Geschwindigkeit den Tieren hinterherkletterten, um sie dann wieder zusammenzutreiben. Die Baumschafe gehorchten zwar jedem intensiveren Gedanken, aber die meisten Hirten mussten dafür näher als zwanzig Schritte an die Tiere heran, und viele waren außerdem darauf angewiesen, ihre Befehle gleichzeitig auch zu rufen, da sie sonst nicht stark genug waren. Abgesehen davon gab es hin und wieder auch sehr störrische Baumschafe. Gedanken-Taublinge wurden sie genannt, und jeder Baumschafzüchter
schlachtete sie als Erste.
In den Herden, die Arvan hütete, schien es allerdings nicht einen einzigen Gedanken-Taubling zu geben. Die zotteligen Geschöpfe hörten selbst dann noch auf ihn, wenn er auf der Hauptastgabel blieb, während sich einige von ihnen bis in die Baumkrone verzogen.
Allerdings war das auch Arvans Glück. Denn schnell genug hinter ihnen herzuklettern wäre ihm unmöglich gewesen.
Arvan war darauf konzentriert gewesen, einen kunstvollen Knoten aus drei Rankpfanzen zu binden, die von einem der höheren Äste herabbaumelten. Er hatte schon durch seine geduldige Beeinflussung bewirkt, dass sie überhaupt in dieser widernatürlichen Gleichmäßigkeit von dem Ast hingen.
Da hatte er bemerkt, dass eines der Baumschafe, die sich vorhin bereits gefährlich weit in das äußere Geäst gewagt hatten, einen erneuten Versuch in diese Richtung unternahm.
Komm zurück, du dumme Moosfussel!, sandte er einen weiteren Gedankenbefehl, und normalerweise hätte das Baumschaf auf diesen sehr energischen Gedanken sofort reagiert.
Aber genau in diesem Augenblick zischte etwas durch die Luft, und ein Pfeil bohrte sich durch das Baumschaf. Es stieß einen durchdringenden Schrei aus, der fast an die Stimme eines Halblingkinds erinnerte, und fiel in die Tiefe, wo es auf dem weichen Waldboden dumpf aufschlug.
Ein wahrer Hagel aus Pfeilen folgte. Die Schützen mussten aus dem Unterholz am Boden herausschießen. Vier, fünf Baumschafe, die auf niedrig gelegenen Nebenästen die Rinde nach Käfern und Moos fechten abgesucht hatten, wurden innerhalb von wenigen Augenblicken getroffen. Sie schrien erbarmungswürdig auf und stürzten ebenfalls in die Tiefe. Triumphgeheul war aus dem dichten Unterholz zu hören.
»Hinauf«, rief Arvan, der sofort aufsprang. Normalerweise brauchte er einen Gedanken nicht auszusprechen oder gar zu schreien, damit die Baumschafe ihn befolgten. Aber in so einer Notlage konnte man nicht deutlich genug sein.
Die Baumschafe stoben schreiend die Äste entlang. Nach oben!, wiederholte Arvan in Gedanken. Man musste Baumschafen eine Richtung vorgeben, sonst waren sie völlig orientierungslos und stürzten in ihrer Panik sogar vom Ast, weil sie vergaßen, sich gut genug mit ihren Krallen festzuhalten.
Es war immer ein gewisses Risiko, die Baumschafe die Rinde in den unteren Bereichen des Herdenbaums absuchen zu lassen. Doch dort gab es oft die besten Leckerbissen, und der Verzehr der Moose, die dort in den feinen Rindenspalten wuchsen, verbesserte die Qualität der Wolle. Es war ja auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass sich wildernde Soldaten in der Gegend aufhielten.
Normalerweise wären alle Hirten vorher gewarnt worden. Diesmal war das jedoch nicht geschehen.
Weitere Pfeile wurden vom Boden aus abgeschossen. Die Schreie der Tiere schallten durch den Wald und wurden von Baumschafen auf anderen, weiter entfernten Herdenbäumen beantwortet, wo die Tiere ebenfalls in Panik gerieten.
Arvan blickte in die Tiefe und sah Soldaten aus dem Unterholz hervorbrechen, unter ihnen viele Bogenschützen. Sie trugen Helme und Harnische. Der Hauptmann jedoch trug keinen Harnisch, sondern ein Kettenhemd und darüber ein weißes Obergewand, auf das Baum, Krone und Schwert gestickt waren - das Wappen des Waldkönigs Haraban.
Haut ab, ihr Dummschafe!, dachte Arvan - und schon verfehlten die ersten Schüsse ihre Ziele, weil die Baumschafe hoch ins Geäst flüchteten. Für die Tiere war es keine Schwierigkeit, senkrecht am Hauptstamm emporzulaufen, und sie taten dies mit einer Geschwindigkeit, die selbst ein guter menschlicher Läufer kaum auf ebener Strecke zu erreichen vermochte.
Einer der Pfeile schnellte so dicht an Arvans Kopf vorbei, dass er instinktiv zur Seite wich. Es hatte in letzter Zeit viel geregnet. Auf den Bäumen war es darum glitschig. Arvan war daher besonders vorsichtig und beim Klettern noch zurückhaltender gewesen. Wie oft war er früher schon gestürzt, weil er es unbedingt seinen Halbling-Altersgenossen hatte gleichtun wollen. Manche hielten es für ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte und sich nicht längst den Hals gebrochen hatte.
Die Soldaten achteten nicht weiter auf ihn, doch sie nahmen auf ihn auch keine Rücksicht. Für sie war er nur ein Waldbewohner und damit nicht mehr wert als ein Baumschaf. Vielleicht sogar weniger, denn die konnte man immerhin essen.
Arvan machte eine unbedachte Bewegung, als ihn ein weiterer Pfeil beinahe traf und ganz in der Nähe zitternd im Hauptstamm stecken blieb. Diesmal rutschte er aus, und schon ging es abwärts - er stürzte in die Tiefe.
Ein Geflecht aus Rankpfanzen fing ihn auf. Ihre grünen Stränge wurden bis aufs Äußerste gedehnt und bogen die dünnen Zweige, an denen sie hingen, weit nach unten. Der Sturz wurde dadurch abgefedert. Ungefähr eine Mannslänge hoch hing Arvan nun über dem Waldboden wie eine hilflose Jagdbeute in einem Fangnetz.
Einem Fangnetz, das er selbst in Momenten der Langeweile geknüpft hatte.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Immerhin - die Rankpfanzen waren seinen Gedanken sogar besser gefolgt als so manches störrische Baumschaf. Aber das lag wohl daran, dass pflanzliche Geschöpfe einem fremden Gedanken generell weniger Widerstand entgegensetzten.
»He, wen haben wir denn da«, rief eine raue Stimme.
»Einen Riesenhalbling«, antwortete eine andere. Sie redeten Relinga, die Sprache, die von den meisten Menschenvölkern benutzt wurde und sich daher schon vor langer Zeit als Verkehrssprache in ganz Athranor durchgesetzt hatte. und da die Soldaten des Waldkönigs Haraban in aller Herren Länder angeworben wurden, war es auch die Sprache seiner Armee. Auch die Halblinge konnten sie verstehen, und manche älteren Halblinge trieb schon die Sorge um, die eigene Sprache könnte irgendwann von ihr ersetzt werden.
Arvan drehte den Kopf und sah, dass der Waldboden mit getöteten Baumschafen übersät war. Die Pfeile der Söldner des Waldkönigs hatten mindestens ein Dutzend von ihnen aus dem Geäst geholt. Manche hatten Pfeil und Sturz zwar überlebt, wurden aber nun der Reihe nach abgeschlachtet.
Doch die anderen sind gerettet, dachte Arvan erleichtert. Ein Dutzend verloren, aber anderthalbtausend gerettet. Gomlo wird mit mir zufrieden sein.
Einer der Söldner schnitt die Ranken durch, an denen Arvan hing. Er fiel auf den Boden.
»Zusätzlich zu gebratenem Baumschaf auch noch gedünstete Halblingszunge - wie gefällt uns das denn«, rief einer der Kerle, der sich auf seinen Langbogen stützte. »unser Speiseplan wird ja noch reichhaltiger, als ich zu hoffen wagte.«
Die anderen lachten.
»Halblinge sind keine Tiere, sondern Bürger in Harabans Reich«, warf ein anderer ein. »und die sollen wir doch beschützen und nicht essen!«
Das Gelächter wurde noch lauter und rauer.
Einer stieß Arvan mit dem Speerschaft an. Er befreite sich aus den Ranken. »Der hat ja kleine Füße«, sagte ein Kerl, dem der Vollbart unter dem Helmriemen hervorquoll.
Schnell hatte sich ein Ring um Arvan gebildet. Die Soldaten starrten ihn an. Arvan trug ein Wams aus Baumschafwolle, das in der Mitte von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Ein Langmesser hing in einer bestickten Lederscheide an seinem Gürtel. Seine Halbling-Ziehmutter Brongelle hatte die Stickerei in liebevoller Kleinarbeit eingearbeitet - so fein, wie es wohl nur den geschickten Händen des kleinen Volkes möglich war. Arvans Hose war aus Baumschafleder und
endete knapp über den Knöcheln. Er war barfuß - und man brauchte keinen Halbling zum Vergleich, um zu erkennen, dass seine Füße nicht einmal halb so groß waren, wie man es
von einem Bewohner dieser Wälder erwartet hätte. Außerdem stand der Junge einigen der Söldner sogar auf Augenhöhe gegenüber.
»Du bist kein Halbling«, sagte einer der Söldner verblüfft.
»Ich gehöre zum Stamm, dessen Urvater Brado der Flüchter ist«, sagte Arvan auf Relinga.
»Er scheint mir ein fleischgewordener Fluch der Baumdämonen zu sein«, keuchte ein anderer Soldat.
Arvan deutete auf die getöteten Baumschafe. »Ihr habt euch an fremdem Eigentum vergriffen. Niemand hat euch erlaubt, Baumschafe aus der Herde zu nehmen!«
»Ein großes Mundwerk und wenig Verstand«, lautete der Kommentar des Söldners mit dem Vollbart. »Und selbst zum Klettern anscheinend zu dämlich!«
Einer der anderen Männer legte die Hand um den Griff seines Schwerts und zog die Klinge. »Töten wir ihn. Sonst gibt es nur Ärger.«
Da schritt der Hauptmann ein, dem es bisher wichtiger gewesen war, den toten Baumschafen die nur etwa daumengroßen Stummelhörner aus der Stirn zu brechen. Sie bestanden aus einem hornigen Material und waren entweder grau oder schwarz. Letztere waren sehr selten und galten als Glücksbringer und in pulverisierter Form als Heilmedizin. Man konnte gute Preise damit erzielen.
Im ungeschorenen Zustand waren diese Hörner bei den Schafen nicht zu sehen.
Immerhin eines der Hörner war schwarz und damit wertvoll. Baumschafblut besudelte das Übergewand des Hauptmanns, während er seine Trophäe ins Licht hielt, das durch eine der wenigen Lücken im Geäst der Riesenbäume bis zum Waldboden fiel. Er lachte zufrieden. »Mal sehen, ob die Narbe, die mir der letzte Feldzug eingebracht hat, aufhört zu schmerzen, wenn ich das hier bei mir trage.« Dann wandte er sich zu Arvan um. »Wer bist du?«
»Mein Name ist Arvan.«
»Du siehst aus wie ein Mensch, aber du lebst bei den Halblingen?«
»Ich bewache die Herde von Gomlo, dem Baum-Meister des Stammes von Brado dem Flüchter.«
»Dann gehört ihm die Herde und nicht etwa dir?«
»Ich bin sein Sohn, und was Ihr hier tut, verstößt sowohl gegen die Gesetze des Halblingwaldes als auch gegen die von Harabans Reich.«
»Wenn er der Sohn eines Halblings bist, dann möchte ich nicht die Frau sehen, die diese Missgeburt hervorgebracht hat«, rief der Kerl mit dem Vollbart, und aus mindestens einem Dutzend heiserer Kehlen wurde dazu dreckig gelacht.
Der Hauptmann hob die Hand. Sein Gesicht blieb unbewegt. Er schien den Humor seiner Männer nicht zu teilen.
»Töten wir ihn«, sagte er dann. »Sonst gibt es nur unangenehme Fragen. Wenn man uns schon in diesen von den Göttern verlassenen Wald schickt, ohne uns richtig zu versorgen, will ich nicht auch noch durch Halblingsangelegenheiten beim Essen gestört werden!«
Daraufhin zog auch der Kerl mit dem Vollbart sein Schwert. Er nahm es in beide Hände und trat auf Arvan zu.
Dann wirbelte die Klinge durch die Luft.
Arvan zog sein Langmesser, das zwar nach Halblingsart einschneidig und sehr stabil war, aber keine Waffe, um sich gegen einen Schwertkämpfer zu verteidigen. Es diente eher als Werkzeug, weniger zum Kampf. Den ersten Hieb parierte er mit einiger Mühe. Er konnte das Schwert des Söldners gerade eben zur Seite schlagen und taumelte einen Schritt zurück. Mit den Füßen verfing er sich in den Resten des Pfanzengeflechts, das ihn davor bewahrt hatte, auf den Waldboden zu prallen. Er stolperte und fiel rücklings auf die Erde.
Der bärtige Söldner war bereits über ihm und holte zum tödlichen Schlag aus, wobei er einen barbarischen Kampfschrei ausstieß.
Doch der Laut wandelte sich in einen gellenden Todes-schrei.
Eine Wurfaxt drang dem Söldner mit ungeheurer Wucht in die Stirn und spaltete ihm den Schädel. Sie war mit einer so enormen Kraft geschleudert worden, dass sie mühelos den Lederhelm durchdrang - Blut und Hirn quollen unter dem Nasenschutz hervor. Regungslos, mit geöffnetem Mund und erstarrten Augen, stand der Söldner einen Moment da, das Schwert noch immer zum Schlag erhoben. Bevor er über Arvan zusammenbrach, drehte der sich um die eigene Achse nach links und war im nächsten Augenblick wieder auf den Beinen.
© 2012 by alfred bekker
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Autoren-Porträt von Alfred Bekker
Alfred Bekker, geb. 1964, begann bereits als Kind zu schreiben. Seinen ersten Roman verfasste er im Alter von 14 Jahren. Neben über 300 Romanen in unterschiedlichen Genres, hat er Kurzgeschichten und Erzählungen geschrieben. Er lebt mit seiner Familie in Nordrhein-Westfalen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alfred Bekker
- 2012, 478 Seiten, Maße: 13,5 x 20,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442268877
- ISBN-13: 9783442268870
- Erscheinungsdatum: 19.11.2012
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