Best of Nöstlinger, 3 Bde.
Eine Frau sein ist kein Sport / Liebe macht blind - manche bleiben es / Glück ist was für Augenblicke
Wahrhaftig und kämpferisch, warmherzig und humorvoll erzählt Christine Nöstlinger in "Glück ist was für Augenblicke" die Geschichte ihres Lebens: Sie erinnert sich an eine Jugend in Wien, an den Krieg und einen Frieden, der schmeckt wie Bensdorp-Schokolade,...
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Wahrhaftig und kämpferisch, warmherzig und humorvoll erzählt Christine Nöstlinger in "Glück ist was für Augenblicke" die Geschichte ihres Lebens: Sie erinnert sich an eine Jugend in Wien, an den Krieg und einen Frieden, der schmeckt wie Bensdorp-Schokolade, an Ehen, Töchter, Freundschaften und natürlich auch ans Schreiben, das mit einem dicken, kleinen Mädchen mit feuerroten Haaren beginnt und sie weltberühmt machen wird. Mit derselben feinen Ironie, mit Witz, Gelassenheit und Mut blickt die große Autorin in ihren Geschichten und Glossen aber auch auf einen weiblichen Alltag, der zwar kein Sport, aber oft schweißtreibend genug ist, und versieht uns mit Trost, Rat und augenzwinkerndem Beistand für alle Lebenslagen.
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Christine Nöstlinger - Eine Frau sein ist kein Sport1. Eine Frau sein ist kein Sport
Eile mit Weile
Glaubt der Mensch, dass der Tag 48 Stunden und er selbst drei
Hände habe, nimmt er sich viel vor. Etliches von dem, was mit
zwei Händen in 24 Stunden nicht zu tun ist, lässt sich verschieben,
etliches nicht. Und üblicherweise kommt zum »Vorgenommenen
« noch »Unvorhergesehenes«. Da bringt die Nachbarin
das Paket, das ihr der Briefträger anvertraute, und will Dank für
die Gefälligkeit in Form eines Plausches abgestattet haben. Da
ruft der Mann an und bittet, dass man die Schuhe vom Schuster,
den Anzug aus der Putzerei hole, und die Waschmaschine pumpt
das Wasser nicht ab und muss »entleert« werden. Und überhaupt
klingelt pausenlos das Telefon! Jedenfalls beginnt man nicht, wie
geplant, »in aller Ruhe um vier« mit den Vorbereitungen für das
8-Leute-Essen, sondern »in aller Hast um sechs«.
Man täte gut daran, sich nun selbst zu hypnotisieren und den
Befehl zu geben: »Net hudeln!« Doch dazu hat man keine Zeit!
Wie der tanzende Derwisch wirbelt man in der Küche rum, in der
Abwasch türmen sich Geschirr und Küchengerät, man braucht
die Quirle vom Mixer, vermutet sie unter dem Berg in der Abwasch.
Zeit, den Berg wegzuwaschen, ist nicht, auch nicht, ihn
abzutragen, man »untergreift« ihn, wodurch er wankt, hierauf
rutscht. Blech scheppert zu Boden, Porzellan hinterher, und die
Quirle waren nicht in der Abwasch, die waren unter den Erdäpfelschalen,
die aus Zeitnot nicht in den Mist kamen.
Dafür muss man nun Leukoplast suchen, weil man sich beim
Aufklauben der Porzellanscherben schnitt. Und mit drei Hansaplast-
Fingern ist man halt ungeschickt bei der Handhabung des
Geschirrtuchs, das man als Topflappen nimmt. Brennheiß
... mehr
spürt
man es am bisher heilen Daumen, sofort wegstellen muss man
den verflixten Suppenhäfen! Im Chaos erspäht man ein freies
Platzerl auf der Arbeitsfläche, knallt den Häfen drauf. Zu heftig
für das randvoll gefüllte Gefäß. Ein Viertelliter Suppe ist nicht
viel, aber wenn er von der Arbeitsfläche in die Esszeuglade tropft
und das Esszeug »netzt«, nimmt er sich reichlich aus. Und sehr
fett! Weil im Suppentopf Fett oben schwimmt.
Während man Esszeug wäscht, blubbert die Soße auf dem
Herd schäumend hoch. Kommt davon, dass einem in der Hektik
der Obersbecher kippte, statt einem Löffel voll der ganze Becher
drin ist. Obers schäumt halt und stinkt beim Übergehen! Nun,
irgendwie ist die Schlacht geschlagen, wenn die Gäste klingeln.
Und dass sie nicht Orangen, sondern Creme Caramel zum Dessert
kriegen sollten, wissen sie nicht. Und die mit Karamell ausgegossenen
Förmchen, die vergeblich darauf harrten, mit Eiermilch
gefüllt zu werden, die kann man »einweichen«, damit sie im Laufe
der Zeit so gnädig werden, sich vom Karamell zu lösen.
Gleich ist leider nicht sofort
Ehefrauen und Mütter tun Ehemännern und Kindern bitter unrecht,
wenn sie ihnen Faulheit und Unwilligkeit unterstellen, wo
es um die »Mithilfe im Haushalt« geht. Abgesehen von raren,
uneinsichtigen Exemplaren, sind Ehemänner und Kinder nämlich
sehr wohl bereit, im Haushalt nicht bloß »einen Finger«, sondern
»zwei emsige Hände« zu rühren!
Ganz egal, ob es ums Entleeren des Mistkübels geht, ums
Tischdecken oder Tischabräumen, ums Säubern der Badewanne,
ums Einschrauben neuer Glühbirnen in Lampen, die nur mit Hilfe
einer Leiter erreicht werden können, Ehemänner und Kinder wären
da wirklich willig zur Tat, wenn ... ja wenn ... ihnen die Ehefrau und
Mutter nicht unentwegt so »enge, knappe Termine« setzen würde!
Der Jammer ist nämlich, dass zwischen Ehefrau bzw. Mutter
und Ehemann bzw. Kindern die gröbste Meinungsverschiedenheit
über das kleine Wort »gleich« herrscht. Die Mutter und Ehefrau
verwechselt nämlich leider irrigerweise »gleich« mit »sofort«!
Und wenn das liebe Kind verspricht, »gleich« den Tisch abzuräumen,
oder der ebenso liebe Ehemann gelobt, »gleich« einkaufen
zu gehen, glaubt die Ehefrau und Mutter, diese Hilfsleistungen
würden »sofort« vollbracht werden. Obwohl sie einsehen müsste,
dass da noch weit dringlichere »Sofort«-Taten anstehen, wie: telefonieren,
entspannen, Kreuzworträtsel lösen, fernschauen und
dergleichen mehr.
Frustriert sind dann Ehemann wie Kinder, wenn sie sich nach
Erledigung der Sofort-Taten ans Gleich-Werk machen wollen und
bemerken, dass dieses bereits getan ist.
Hat die Mutter glatt den Tisch wieder selber abgeräumt! Ist
die Ehefrau glatt wieder selber in den Supermarkt gelaufen! Hat die
Frau keine Nerven? Kann sie kein bisschen warten? Muss denn alles
immer nach ihrem neurotisch-hektischen Zeitplan gehen? Wohl
deshalb, damit sie hinterher keppeln kann und als das ausgebeutete
Familienopfer dasteht, dem niemand auch nur ein bisschen hilft!
Eine meiner Freundinnen hat sich diesen Vorwurf zu Herzen
genommen. Seit Wochen erledigt sie keine einzige Arbeit mehr
selber, die ein Familienmitglied per »Mach ich gleich«-Gelöbnis
übernommen hat. Es geht ihr ganz gut dabei! Abgesehen von ein
paar winzigen Lästigkeiten.
Eine dieser Lästigkeiten hat sie heute aus der Welt geschafft,
indem sie sich eine 1000-Liter-Mülltonne für ihre Küche anliefern
ließ!
2 Küberln, 1 Kanister, 6 Sackeln ...
Angeblich verbringt der umweltbewusste Haushalt mit Sortieren
und Entsorgen des Abfalls zweiundvierzig Stunden im Jahr. Das
sind pro Woche etwa achtundvierzig Minuten! Ich weiß echt
nicht, wie man das in dieser Zeit schafft!
Zweimal die Woche trage ich Altpapier zum Container hinter
dem Haustor. Ja, ja, Lift habe ich! Die Wegzeit (inklusive Pa-
pier bündeln, Tür auf-und zusperren) beträgt maximal vier Minuten.
Aber immer, wenn ich zur roten Tonne komme, ist die
bummvoll! Vordergründig freilich nur. Da ist stets ein riesiger
Karton drin, den muss ich rausholen und falten. Leicht geht das
nicht (sonst hätt' es ja der Karton-Ableger selbst getan), aber mit
Zerren und Reißen ist's zu schaffen. Wenn nicht, hilft sportives
Draufspringen. Jedenfalls dauert das, laut ureigenem statistischem
Erfahrungswert, vier Minuten. Und so verbrauche ich für
das Altpapier sechzehn Minuten die Woche.
Halt, falsch! Einmal pro Woche ist im Karton, den ich klein
mache, Styropor. Das gehört nicht ins Papier, das muss eine Umweltbewusste
in den Hof zum Restmüll tun, was wieder vier Minuten
dauert. Flaschen machen weniger Mühe; dafür ein schlechtes
Gewissen! Da sind die Tonnen an der Ecke, dauert nur sechs
Minuten, bis das Glas entsorgt ist. Und das schlechte Gewissen
habe ich nicht deshalb, weil zweimal pro Woche zwei Sackeln mit
Glasflaschen von Trinkfreudigkeit zeugen, sondern wegen der
armen Leute, die im Haus bei den Flaschentonnen wohnen. Denen
müssen vom ewigen Glasgeklirre ja die Ohren abfallen! Und
zwölf Glasminuten sind es immerhin auch die Woche!
Mühsamer ist die Bio-Tonne. Die ist etliche Quergassen
weiter! Könnt' direkt mit der Straßenbahn fahren. Aber im Sommer
ist das nix! Das grüne Bio-Küberl duftet sehr säuerlich! Darum
muss ich es auch jeden zweiten Tag ausleeren laufen. Und
das macht dreimal die Woche hastige elf Minuten, also dreiunddreißig
Minuten! Dann renn' ich noch mit Leuchtstoffröhre
und Batterie zum Händler, mit Pillen in die Apotheke, Dosen
wie Plastikbecher müssen weg, Restmüll sowieso, jeden zweiten
Donnerstag ist im »Grätzl« Lack-Fleckputzmittel-Säuren-Laugen-
Annahme, und wenn ich die Sauerei einrechne, die wegzuputzen
ist, weil der Trichter tropft, durch den ich Backfett in
den Altöl-Kanister fülle, und wenn ich den Altöl-Kanister endlich
dorthin fahren würde, wo man bereit ist, ihn mir abzunehmen,
dann hätt' ich - so ich nicht auch hin und wieder schuldhaft
umweltsündigen tät - fast eine Halbtagsbeschäftigung!
Hoher Wert und kleiner Preis
Gerade hat wieder einmal jemand ausgerechnet, was eine Hausfrau
verdienen würde, käme sie ihrer Arbeit nicht um Gotteslohn,
sondern um Stundenlohn nach. Auf umgerechnet etwa
2.500 Euro im Monat beläuft sich diese Rechnung, die von einer
70-Stunden-Woche ausgeht. Ein ganz nettes Sümmchen also!
Aber natürlich ist so ein fiktiver Hausfrauen-Stundenlohn
eine sehr zwiespältige Sache: Nehmen wir nur der Hausfrau
Putztätigkeit im trauten Heim. Es gibt Bedienerinnen, die
für fünf Euro bereit sind, Dreck zu putzen, und es gibt Raumpflegerinnen,
die unter zehn Euro nicht zum Wischtuch greifen.
Ist also schwer zu beurteilen, wie sich die jeweilige Hausfrau
»außerhäuslich« verkaufen könnte.
Oder der Hausfrau Hilfe bei den Hausübungen der Kinder!
Hat sie beispielsweise drei Stück begriffsstützigen Nachwuchs
daheim und ist sie fähig, diesem das Wiederholen der Klasse
zu ersparen, dann wären ja die Arbeitsstunden, in denen sie die
Funktion eines Nachhilfelehrers übernimmt, gleich mit 25 Euro
- oder noch mehr - zu entlohnen, und ihr Monatsgehalt würde
rapide hochschnellen!
Und gar nicht zu ermessen ist der Lohn, wenn es um der
Hausfrau Kochkunst geht. Eine kocht, dass ihr nicht einmal der
Gutmütigste dafür mehr als einen Stundenlohn von einem Euro
bieten würde, eine produziert Menüs, der 2-Hauben-Entlohnung
würdig. Und wenn sich eine Hausfrau des Nähens und Strickens
befleißigt und dabei so perfekt wie meine Freundin Lotti ist,
ufert die Sache überhaupt aus.
Vergangene Woche hat sich Lotti ein Kostüm - ganz à la Armani
- geschneidert. Würde glatte 1.500 Euro kosten! Und diese
Woche macht sie den Pulli für ihre Tochter fertig. Jacquard-Gestrick
in sieben Farben! Die Tochter hat haargenau so einen Pulli
für 700 Euro in der Auslage einer Luxus-Boutique gesehen.
Da kommt also Lotti allein in diesem Monat auf zusätzliche
1.980 Euro, wenn man die Materialkosten für Pulli und Kostüm
wegrechnet! Und wenn sie noch den Pflegeaufwand für den
grippekranken Ehemann dazurechnet und für das Einsetzen der
Kohlrabipflanzerln die Gärtnerkosten und das Hemdenbügeln
mit Wäschereipreisen berechnet, kommt sie doch glatt auf ein ordentliches
Manager-Salär.
Ungeklärt ist allerdings noch, wie das mit der ehelichen Liebe
ist! Wird die auch nach »käuflichem Tarif« berechnet? Oder
fällt die ins Freizeitverhalten?
Wer sich nicht g'fretten kann
Meine Mutter pflegte oft zu sagen: »Wer sich nicht g'fretten kann,
kann nicht hausen.« Auch ich versuche, mit der Devise durch den
Alltag zu kommen, und es funktioniert prima. Da ist zum Beispiel
meine Erdäpfelpresse! Die ist insofern tückisch, als sie aus
drei Teilen besteht. Teil eins ist der, wo die Erdäpfel reinkommen.
Teil zwei der, mit dem man auf die Erdäpfel Druck ausübt, und
Teil drei ist ein zwölf Zentimeter langer Stift, welchen man durch
je zwei Ösen in Teil eins und Teil zwei steckt, um sie miteinander
zu verbinden.
Nun geschah es unlängst, dass die gekochten, geschälten
Erdäpfel der Pressung harrten, um zu Knödeln gemacht zu werden,
ich aber Teil drei der Erdäpfelpresse nicht finden konnte,
denn so ein dünner Stift verkriecht sich gemeinerweise leicht in
einer Lade. Und in einem Haushalt, wo nebst mir Ehemann,
Putzfrau und auf Besuch weilende Töchter gewaschene Gerätschaft
wegräumen, ist nie zu sagen, wo Dinge deponiert wurden.
Ich suchte und suchte also, dachte dabei an meine Frau Mutter,
sprach zu mir: »Wer sich nicht g'fretten kann ...«, nahm einen
metallenen Grillspieß und steckte ihn statt des Stiftes durch
die Ösen der Erdäpfelpresse. Leider war der Grillspieß aus weicherem
Metall als der Stift und verbog sich während der Presserei
gewaltig. Aber bis zum letzten Erdapfel hielt er durch, erst
dann brach er in zwei Teile.
Da ich nicht besonders an irdischen Gütern hänge, blieb mir
der Verlust des Spießes nicht im Gedächtnis. Sein Hinscheiden
fiel mir erst wieder ein, als ich für sechs Personen Spießchen braten
wollte, aber nur fünf Grillspieße in der Lade fand. Aber auch
da sprach ich zu mir: »Wer sich nicht g'fretten kann ...« und holte
mir eine hölzerne Socken-Stricknadel zu Hilfe. Filetstückchen
ist es schließlich völlig egal, ob sie auf einem Metallspieß oder
auf einer Stricknadel gegart werden. Bloß war der Gast, der die
Stricknadel-Portion bekam, beim Runterziehen der Fleischstücke
unsanft, und die Stricknadel brach entzwei.
Das erwies sich erst als arger Verlust, als es Sonntag war
und ich einem dicken Socken ein neues Randerl anstricken wollte.
Glücklicherweise fiel mir das Mikado-Spiel ein, ich lieh mir eines
der Staberln als fünfte Nadel. Man muss sich eben »g'fretten«
können!
Manche Leute können das nicht. Zum Beispiel die drei,
die jetzt bei meinem Esstisch sitzen und jammern, dass sie ohne
den »Mikado« nicht Mikado spielen können. Dabei haben sie
eh noch jede Menge Staberln! Ich werde doch nicht, nur damit
sie noch eins mehr haben, den »Mikado« aus dem halb fertigen
»Randerl« ziehen. Sollen sie ruhig die ganze Wohnung nach ihrem
»Mikado« absuchen, in den Sockenkorb schauen sie garantiert
nicht rein.
Schlierig marmoriert
Natürlich gibt es auch Menschen, die noch nie fluchend vor einer
Waschmaschine gestanden sind und dieser pastellfarbene Textilien,
die noch vor 90 Minuten reinweiß gewesen sind, entnommen
haben! Das sind die armen Pessimisten, die von jedem knallbunten
T-Shirt und jeder neuen Jean gleich das Allerschlimmste annehmen.
Aber allen anderen Menschen, den halbwegs optimistischen,
passiert es doch immer wieder, dass ihre Wäsche in der
Waschmaschine ganz unvermutete Farbtöne annimmt. Wir Optimisten
wissen eben aus Erfahrung, dass nur jedes zweite T-Shirt
und jede dritte Jean überschüssige Farbe abgeben. Und warum
sollten hoffnungsfrohe Menschen unbedingt argwöhnen, dass
ausgerechnet ihnen jedes zweite T-Shirt und jede dritte Jean angedreht
werden? Außerdem kann man ja beim »Verfärben« auch
ein wahrer Glückspilz sein. Unter Umständen ergibt eine Trommel
voll weißer Unterwäsche, kombiniert mit einem dunkelbraunen
Pyjama, Wäsche in der Modefarbe »Champagner«, die gerade
»irre in« ist.
Ich allerdings neige eher dazu, zu marmorieren. Schlierenförmig
in den diversen Grundfarben! Und bloß weil noch kein »Herrenausstatter
« auf die schöne Idee gekommen ist, »geschlierte«
Unterhosen für Männer auf den Markt zu bringen, hält mein guter
Mann meine Waschergebnisse für untragbar. Mein tröstlicher
Hinweis, dass wir wäschemäßig den »Partner-Look« haben, weil
mein Unterzeug ja im gleichen Design prunkt, überzeugt ihn leider
auch nicht recht. Und so hat er gestern, ganz nach dem Motto
»Selbst ist der Mann«, sein marmoriert schlieriges Unterzeug aus
der Wäschelade genommen und eine Packung Entfärber aus dem
Badezimmerregal. Dann hat er sich ans bleichende Werk gemacht.
Knapp ein Stündlein später hat er zufrieden lauter Reinweißes aus
der Waschmaschine geholt; abgesehen von einem Jeansrock. Der
war blassrot mit weißen Schlieren! »Also, der muss mir irgendwie
irrtümlich druntergekommen sein«, hat er gestaunt. Und bevor
ich noch meine Stirn so indigniert runzeln konnte, wie mein guter
Mann das immer vor seiner Wäschelade zu tun beliebt, schwenkte
er meinen Jeansrock herum und frohlockte: »Schaut aber doch
irgendwie äußerst apart aus! Findest du nicht auch?«
Na sowieso! Drunter weiß mit roten Schlieren und drüber
rot mit weißen Schlieren, so komplett »durchgestylt« zu sein, das
schafft nicht bald wer!
Ein paar schnelle Stiche
Herrenhosentaschen, welche nicht nur als Aufbewahrungsort für
ein Papiertaschentuch herhalten müssen, sondern auch tagtäglich
mit einem dicken Schlüsselbund und einer erklecklichen Menge
Kleingeld belastet werden, neigen zum vorzeitigen Verschleiß.
Wenn die Hose noch »wie neu« ist, sind sie bereits von etlichen
Stellen durchsetzt, die nur mehr Querfäden aufzuweisen haben
(ob es sich dabei um Kettfäden oder Schussfäden handelt, weiß
ich nicht).
Die Ehefrau erkennt diesen lädierten Taschenbeutelzustand
zuerst einmal daran, dass ihrem lieben Ehemann, so als wäre
er ein Dukatenesel, beim Gehen Münzen aus einem Hosenbein
kullern. Es soll ja Ehefrauen geben, die dann sofort den Herrn
Gemahl aus der Hose knöpfen und sich hurtig ans Flickwerk
machen. Ich kenne aber nur solche, die mit eingenähten Männerhosentaschen
so wenig wie nur möglich zu tun haben wollen
und wegschauen, wenn es aus dem Hosenbein klimpert. Aber
das hilft ja nicht viel! Ein paar Tage später steht der gute Mann
da, mit der Hose in den Händen, und spricht mit brav eingelernter
Softie-Miene: »Bitte, könntest du mir schnell mit ein paar
Stichen ...«
Okay, wer eine Arbeit noch nie getan hat, kann weder ihre
Dauer noch ihre Mühsal recht einschätzen. Aber was würde denn
der gute Mann sagen, wenn ihn seine gute Frau - mit ihrem allerliebsten
Weibchenblick - ersucht, mit ein paar schnellen »Hammerschlägen
« die Einbauküche von der linken Wandseite auf die
rechte zu bringen? Wer diesen Vergleich für übertrieben hält, der
hat noch nie einer Männerhose einen neuen Taschenbeutel eingesetzt!
Ja freilich, man könnte pfuschen. Man könnte, so noch
Querfäden vorhanden, wie bei einem Socken und sehr unhübsch
durchstopfen. Oder, von Hand, einen zierlichen Flicken aufnähen.
Aber Pfusch hält leider auch bei Hosentaschen nicht! Eine Woche
später kriegt man die Hose wieder und muss einsehen, dass
da bloß eine radikale Taschenbeuteltransplantation helfen kann.
Es gibt Hosen, die muss man zu 60 Prozent auftrennen, um den
Taschenbeutel ordentlich zu entfernen, und wenn man dann alle
Nähte wieder schließen will, streikt die Haushaltsnähmaschine,
weil es ihr nicht gegeben ist, über acht Lagen Stoff in verzwickte
Ecken reinzusteppen. Und hat man die Tortur endlich hinter sich,
sagt der gute Mann: »Hätt' ich geahnt, dass du das so ungern
machst, hätt' ich sie zum Schneider getragen!« Drei Monate später
jedoch steht er wieder mit einer Hose da und redet von »ein paar
schnellen Stichen«. Und dass er versprochen hatte, kein Kleingeld
mehr in die Tasche zu tun, hat er auch vergessen. Ein Mann von
Format hat eben bloß ein Taschenbeutel-Kurzzeitgedächtnis.
Schlaraffenlandzeiten
»Das Leben ist am schwersten drei Tage vor dem Ersten«, seufzte
meine Großmutter immer gegen Monatsende und kochte dann
so lange Krautfleckerln und Bröselnudeln, bis der Großvater »am
Ersten« mit dem Lohnsackerl kam. Manchmal war die Großmutter
aber am Monatsende schon so pleite, dass sie nicht einmal
mehr Geld für Kraut und Nudeln hatte. Dann ließ sie beim
Greißler »aufschreiben« und genierte sich dafür gewaltig. Wenn
sie »aufschreiben« ließ, wartete sie, bis keine andere Kundin in
der Greißlerei war. Niemand sollte sie »ausrichten« können. Es
sollte nicht heißen: »Die kann ja nicht wirtschaften!«
Das sind Sorgen von gestern. Der »Erste« spielt heute für
Lohnempfänger keine große Rolle mehr, und »aufschreiben«
ist im Supermarkt nicht üblich. Dafür hat unsereiner, wenn er
nicht »wirtschaften« kann, seine Bank. Bei der überzieht er sein
Konto; was nichts anderes als »aufschreiben« bedeutet. Der Unterschied
ist bloß, dass die Banken saftige Zinsen fürs »Aufschreiben
« verlangen, während das der Greißler gratis tun musste.
Dafür wird ein Kontoüberzug aber nicht öffentlich. Keine
Nachbarin weiß um ihn Bescheid, und wenn der Bankomat die
Scheckkarte frisst, weil der Überzugsrahmen bereits überzogen
ist, geht das auch diskret und unauffällig vor sich. Eine Nachbarin
jedenfalls wird nicht gerade Augenzeugin dieses Vorfalls sein
und wird daher auch nichts Abträgliches in der Gegend herumtratschen
können.
Und wenn der hinterhältige Bankomat die Scheckkarte gefressen
hat und nicht mehr ausspucken will, dann ist das kein
großes Unglück. Dann nimmt man halt bei seiner Bank einen
Kredit auf, Umschuldung heißt das, und schon ist das Konto
- hokuspokus - wieder in den schwarzen Zahlen, und man bekommt
eine neue Scheckkarte, und der Bankomat spuckt wieder
brav Scheinchen aus, und man kann kaufen, was man nur
mag.
Die neue Scheckkarte kostet zwar eine Kleinigkeit, und die
Kreditgebühren muss man natürlich auch berappen, und den
Kredit und die Zinsen für den Kredit muss man klarerweise auch
zurückzahlen. Aber abgesehen davon ist das doch wie im guten
alten Schlaraffenland!
Hin und wieder bekommt man leider böse Träume und Albdrücken
im Schlaraffenland. Träume voll Zahlen. Und alle Zahlen
sind rot!
Solche bösen Träume mit roten Zahlen blieben meiner Großmutter
erspart. Sie hatte stets einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Angeblich deshalb, weil ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen
sein soll. Aber was hatte die arme Frau denn außer einem
sanften Ruhekissen sonst schon?
Krautfleckerln am Vorletzten und Bröselnudeln am Letzten!
Und ein kleines schwarzes Bücherl beim Greißler!
Wer wollte da schon mit ihr tauschen? Ach, Sie hätten gar
nichts gegen Krautfleckerln und Bröselnudeln, wenn Sie dafür
schuldenfrei wären? Ja warum, geneigte Leserin und geneigter
Leser, werfen Sie dann nicht einfach Ihre Scheckkarte weg?
Mut zum Hut?
Das Verhältnis der »Normalfrau« zu Hüten ist ein sehr problembelastetes.
Unter Hüten verstehe ich nicht Pelzkappen, Baskenmützen,
Schirmkappen, regenfeste Südwester oder sonstige wollene, plastikene
Dinger, die Frauenköpfe vor Witterungseinflüssen jeglicher
Art beschützen. Mit Hüten meine ich die »Zierhüte«, je
nach Modelage, üppig mit Krempe, Federn, Schleier, Blümchen
oder Flatterband versehen.
Nur sehr selbstbewusste Frauen schreiten mit solchen allerliebsten
»Zierhüten« durch die Gegend.
Den Ankauf einer solchen »Kopfkrönung« tätigt freilich einmal
im Leben fast jede Frau. Meistens handelt es sich dabei um
einen »Spontankauf«, der dann passiert, wenn sich eine Frau gerade
psychisch im »allerhöchsten Hoch« befindet und in diesem
wunderschönen Seelenzustand eines Hut-Salons gewahr wird.
Da hält sie sich dann plötzlich für ein Wesen, welches dazu geeignet
ist, »Zierhüte« spazieren zu führen.
Doch die »allerhöchsten Hochs« in einem normalen Frauenleben
sind rare Sternstunden, und der Anlässe, so einen Hut aufzusetzen,
sind im normalen Frauenleben gar wenige. Also lagert der
»Zierhut« im Schrank und wartet darauf, dass endlich einmal Anlass
zu seinem Ausgang und positive Gemütsverfassung seiner Besitzerin
zusammentreffen mögen. Irgendwann einmal passiert das dann
auch. Die Frau holt ihren »Zierhut« aus dem Schrank, setzt ihn auf,
schaut sich in den Spiegel und ist sich sicher: Der Hut ist schön! Ich
bin schön! Ab jetzt werden wir beide sehr oft miteinander ausgehen!
Und dann kommt ein Stück Nachwuchs ins Zimmer, starrt
entgeistert die »behütete« Mama an und fragt: »Mit dem Deckel
willst weggehen?« Oder der Ehemann, der die Frau beim »Ausgang
mit Hut« begleiten soll, kommt ins Zimmer, schaut nicht
minder entgeistert, weist auf sein kariertes Hemd und seine Jeans
und sagt vergrämt: »Wennst so angezogen bist, müsste ich mich ja
auch umziehen!«
Und dann nimmt die Frau den Hut halt wieder vom Kopf. Es
kann sogar ein Hund sein, der den »Zierhut« wieder auf seinen
Schrankplatz verweist. Sagte eine Freundin zu mir: »Wie ich den
Hut aufgesetzt habe, hat unser Tasso so schrecklich zu bellen angefangen.
Das hat mich verunsichert.«
So oder so, irgendwer hindert uns Normalfrauen immer daran,
unseren »Zierhut« auszuführen. Trotzdem ist es schön, einen
im Schrank zu haben, denn das zeugt davon, dass wir uns selbst -
ganz im Geheimen - doch ein bisschen anders sehen als Ehemann,
Nachwuchs und Haushund.
Schlank sein leicht gemacht
Die erste Hürde beim Abnehmen ist die, dass bereits der Entschluss
dazu hungrig macht. Man braucht bloß daran zu denken,
die Nahrungsaufnahme zu reduzieren, und schon knurrt der Magen
wie ein hungriger Wolf und hat Lust auf Zufuhr, selbst wenn
er gerade ein dreigängiges Menü in sich beherbergt.
Doch wenn man sich nicht an die erste Schlankheitskur
macht, sondern schon etliche hinter sich hat, weiß man das ja,
nimmt es nicht weiter krumm und versucht, sich an seinen täglichen
tausend Kalorien so gut als möglich zu erfreuen. Die Tricks
sind ja bekannt: Winziges Tellerchen nehmen, Bröckelchen artig
hinlegen, mit allerlei lieblichem Null-Kalorien-Grünzeug hübsch
garnieren, jeden Bissen zweiunddreißigmal kauen und bei dieser
Kauarbeit nur ja keine Zeitung lesen! Die hochinteressante Lektüre
könnte einen vergessen lassen, dass man schon siebzehnmal
zweiunddreißigmal gekaut hat, und man könnte deshalb irrigerweise
in aller Unschuld sein Tellerchen noch einmal füllen!
Natürlich hat man auch alles aus dem Haushalt zu entfernen,
was in Versuchung führen könnte: Schokolade, Kekse, Bier,
Soletti, Eierlikör, Salzmandeln, Hustenbonbons, sogar das uralte
Döschen Leberpastete.
Dafür holt man sich einen Vorrat an Salatgurken, Wassermelonen
und Mineralwasser heim. Und etwas Ballaststoff. Von wegen
Darmtrakt. Man kaut also, als Zwischenmahlzeit, Gurke, süffelt
Mineralwasser, schnipselt in regelmäßigen Abständen ein Schnittchen
vom Leinsamen-Ballaststoff-Riegel und verliert täglich zwischen
hundertvierzehn und zweihundertdrei Gramm an Gewicht.
Das beflügelt, und man eilt beschwingt in die nächste Siebentausend-
Kalorien-Woche. Und wieder in die nächste! Aber
dann kommt ein Tag, da räumt man im Küchenkasten herum,
weil da noch etwas Süßstoff sein sollte, und hat plötzlich ein
Glas Cocktailkirschen in der Hand. Letztes vergessenes Relikt
aus fetteren Zeiten! Hinterher weiß man nicht, wie das passieren
konnte, doch auf einmal hat man total klebrige Finger, und
das Cocktailkirschenglas ist leer. Sogar den Zuckersaft hat man
getrunken, obwohl der penetrant nach Parfüm geschmeckt hat.
Weil sich ein »Sündenfall« auch wirklich »auszahlen« soll, wieselt
man aus dem Haus auf ein Gulasch mit Bier oder eine Sachertorte
mit Schlag; je nachdem, was man wochenlang speziell
entbehrt hatte. Worauf der Hunger-Bann gebrochen ist und die
fünf Kilo im Nu wieder da sind.
Aber was soll's? Schlank zu sein ist ein Vergnügen, und nach
Lust und Laune essen zu können ist ein Vergnügen. Man hat
auch seine Vergnüglichkeiten abwechslungsreich zu gestalten!
Mütterlicher Triumph
Ob folgende wahre Geschichte zum Lachen oder zum Weinen ist,
möge die Leserin, der Leser selbst entscheiden.
Also: Zwei Frauen, nennen wir sie Elfi und Evi, sind seit Kindertagen
befreundet. Vor 18 Jahren bekamen beide einen Sohn,
und wie das bei jungen Müttern üblich ist, waren die Söhne Gesprächsthema
Nummer 1. Ist ja auch aufregend, wie sich Babys
entwickeln! Bloß tat dies Elfis Sohn hurtiger als der von Evi. Das
erste Lachen, das erste Kopfheben, der erste Zahn, alles war bei
Elfis Sohn ein paar Wochen früher da. Den ersten Schritt tat er natürlich
auch früher, und Mama und Nein sagen konnte er bereits,
als Evis Sohn nur Dadada herausbrachte. Das vergrämte Evi.
Was sie grämte, war weniger der Entwicklungsrückstand des
eigenen Kindes als der Hochmut, mit dem Elfi von ihrem Kind
sprach, und die milde Herablassung, mit der sie Evis Sohn behandelte.
Einmal nannte sie ihn sogar einen »Spätentwickler«. In
aller Unschuld natürlich. Doch Evi traf es in tiefster Seele, und
tief getroffene Seelen reagieren sonderbar. Evi fing, ihren Sohn betreffend,
zu mogeln an. Klagte Elfi über die Kosten von Windeln,
sagte Evi: »Meiner ist schon rein!« Sagte Elfi stolz, ihr Sohn könne
bis 10 zählen, sagte Evi: »Meiner kann von 10 zurückzählen!«
Dann kamen die Söhne in die Schule. Elfi berichtete, dass
ihr Sohn »Klassenbester« sei. Evi, im Mogeln schon sehr trainiert,
berichtete Gleichlautendes. Die dritte Klasse Gymnasium
musste Evis Sohn wiederholen. Doch dies verschwieg Evi der Elfi.
»Den Triumph gönn' ich ihr nicht«, erklärte sie ihrem Ehemann.
Nun sollte aber heuer Evis Sohn, wäre er nicht sitzen geblieben,
maturieren. Und Evi befand sich in einer abscheulichen
Klemme! Wie, fragte sie sich, soll ich denn der Elfi eine Matura
samt Maturareise vormogeln? Und im Herbst ein Studium? Richtig
erleichtert war sie, als Elfi plötzlich keine Zeit mehr hatte,
sich mit ihr zu treffen. Musste sie wenigstens nicht »das Blaue
vom Himmel herunter« lügen! Aber verwundert darüber, dass
Elfi plötzlich so gar keine Zeit hatte, war sie schon. Die hatte
doch immer jede Menge Zeit gehabt!
Vorgestern traf Evi zufällig Elfis Schwiegermutter auf der
Straße. Wie es der Elfi gehe, fragte sie. Und was der Sohn von der
Elfi im Herbst studieren werde. Antwortete die Schwiegermutter:
»Heuer doch noch nicht. Unser Burli ist in der fünften Klasse sitzen
geblieben!« Nun hockt die Evi daheim und überlegt sich allerhand.
Gern würde sie die Elfi anrufen. Ist doch jammerschade
um eine uralte Freundschaft. Die sollte doch nicht wegen zweier
gemogelter »Wunderkinder« flötengehen! Zehnmal hat die Evi
schon zum Hörer gegriffen und dann wieder aufgelegt. Aber sie
wird es schon noch schaffen!
»... Aber! ...«
Meine liebe Freundin Suserl ist um Objektivität bemüht. Bespricht
man in ihrer Anwesenheit die traurige Lage von gestressten Frauen,
die sich zwischen Beruf, Haushalt und Kindern zersprageln und
dazu noch Schuldgefühle haben, weil sie weder für die Kinder noch
im Beruf und schon gar nicht im Haushalt all das schaffen, was
man »optimal« zu nennen pflegt, dann unterbricht Suserl mit einem
resoluten »Aber!«. Und hinter diesem »Aber!« erzählt sie dann
ausführlich von einer - ihr gut bekannten - Frau, die keinen Beruf
hat und keine Kinder, dafür aber eine tagtägliche Putzfrau und einen
hobbykochenden Ehemann. Und diese Frau, verkündet Freundin
Suserl, die sei schon psychisch krank vor lauter Langeweile und
Unausgefülltheit. Und abschließend sagt Suserl noch: »Man muss
eben auch immer die andere Seite der Medaille sehen!«
Spricht man in Suserls Gegenwart davon, dass viele Herren,
so sie ihre angeblich besten Jahre erreicht haben, dazu neigen,
ihre gleichaltrige Partnerin gegen eine wesentlich jüngere auszutauschen,
und dass man dieses für eine Sauerei hält, dann kommt
ebenfalls Suserls »Aber!«. Und hinter dem »Aber!« erzählt sie
dann ausführlich von einer - ihr gut bekannten - Frau, die, obwohl
weit über vierzig, ihrem treuen Ehemann »den Weisel« gegeben
habe und nun ihr Bett mit einem Jüngling teile, der leicht
ihr Sohn sein könnte. »Man muss eben auch immer die andere
Seite der Medaille sehen«, spricht sie, erhobenen Zeigefingers,
abschließend.
Freundin Suserls »Aber!« kommt auch, wenn man davon redet,
wie mies und übel verlassene Ex-Ehefrauen mit spärlichen Alimenten
zurechtkommen. Da kennt Suserl dann eine Frau, die ihren Ex-
Ehemann zugrunde gerichtet hat. Haus, Geschäft und Sparbücher
hat sie ihm abgenommen. Und jetzt zahlt er noch die Schulden zurück,
die sie gemacht hat! Freundin Suserl kennt sogar »die andere
Seite der Medaille« insofern, als dass sie eine Frau kennt, die ihrem
Ehemann Ohrfeigen gibt! Und eine Frau, die bis weit über Mitternacht
in Wirtshäusern hockt, während ihr Mann daheim den Schlaf
der unmündigen Kindlein betreut, die kennt sie natürlich auch.
Weist man Freundin Suserl darauf hin, dass sie uns da
bloß von den Ausnahmen erzählt, ertönt wieder ihr allerliebstes
»Aber!«. Hinter diesem »Aber!« folgt jedoch keine weitere Erläuterung
mehr. So blöd ist Suserl wieder nicht, dass sie ehrlich verkünden
würde: »Es ist schön, wenn ich was daherplappere und
alle Männer nicken mir begeistert zu!«
Der Jammer mit der Ehrung
Frau Meier ist eine moderne Frau, mit wachem Verstand, Verkitschtem,
Verlogenem abhold, Gefühlsduselei und Schönfärberei
mag sie nicht. So schätzte sie auch den Muttertag nie, fand ihn
verlogen, verkitscht, Realität schönfärbend! Sooft die Rede auf
ihn kam, sprach sie funkelnden Auges: »Ja, ja, 364 Tage im
Jahr grobe Vernachlässigung, am 365. Ehrentag zum Ausgleich!
Damit's nachher wieder im alten Trott weitergehen kann!«
Schon als junges Mädchen pflegte sie diesbezüglich zu sagen,
dass sie dereinst, falls einmal Mutter, nie den lächerlichen Ehrentag
begehen werde, ersatzlos streichen werde sie ihn! Nun ist
Frau Meier seit geraumer Zeit Mutter und feiert den Muttertag.
Zähneknirschend am Anfang, später nur noch leise seufzend,
jetzt abgeklärt lächelnd. Das hat sich halt so ergeben.
Was soll man denn tun, wenn Knirpse mit glänzenden Kulleraugen
vom Kindergarten kommen und aufgeregt mitteilen,
dass sie ein Geheimnis haben, ein wunderschönes, dass sie das
nicht verraten dürfen, dass es die Mami erst am Sonntag erfahren
und sich dann riesig freuen wird!
Da kann man nicht sagen: »Ich ahne, ihr habt ein Muttertagsgeschenk
gebastelt, aber darauflege ich keinen Wert.«
Und wenn die Knirpse am Muttertagsmorgen beim Bett
stehen, der eine mit einem Tonfladen, darin »zur ewigen Erinnerung
« der Abdruck seiner Patschhand, der andere mit einem
getupften Joghurtbecher, angeblich geeignet, Ohrklippse oder
Knoblauch darin aufzubewahren, muss man doch beglückt
»Danke« stammeln. Und wenn die Knirpse größer sind und in
der Schule ein Gedicht lernen, in dem sich Mütterlein auf Sonnenschein
und Herz auf Schmerz reimt, kann man ihnen auch
nicht verwehren, das mühsam Erlernte aufzusagen.
Außerdem hat Frau Meier nicht nur Kinder, sie hat auch eine
Mutter. Und die will einen gefeierten Muttertag! Und wenn Frau
Meier bei sich daheim den Muttertag abschaffen würde, würde
sie es ihrer Mutter zeigen, dass sie diesen Tag nicht mag. Und die
Mutter würde das als Rüge ihres eigenen Bedürfnisses nach Ehrung
auffassen und wäre gekränkt. Und kränken will Frau Meier
ihre Mutter wahrlich nicht.
Was Frau Meier allerdings nicht weiß, ist, dass sich ihre Mutter
seinerzeit auch erst mühsam an den Muttertag gewöhnte. Durch
eine kleine Tochter, die mit rosa Papierherz, Vergissmeinnicht-
Sträußlein und Verslein darauf bestand, die Mutter zu ehren.
... wie man sich fühlt
Zu den Spruchweisheiten, die einem ab einem gewissen Alter regelmäßig
serviert werden, gehört zweifelsohne: »Der Mensch ist
nicht so alt, wie in seinem Taufschein steht, er ist so alt, wie er
sich fühlt.«
Sicher, sicher, da ist schon allerhand Wahres dran, aber wie
sich der Mensch fühlt, hängt halt leider gewaltig davon ab, wie
man mit ihm umgeht.
Da fühlt sich zum Beispiel eine Mutter gerade »unerhört
blutjung«. Und dann geht sie mit ihrer tatsächlich unerhört blutjungen
Tochter spazieren und muss zur Kenntnis nehmen, dass
sämtliche bewundernden Blicke von entgegenkommenden Männern
nicht ihr gelten, sondern ihrem Töchterlein. Nach Beendigung
des Spazierganges wird bei der armen Frau das schöne Gefühl
des »Blutjungseins« wohl erheblich dahingeschmolzen sein.
Und wenn ein gnadenloser Ehemann seiner fünfzigjährigen
Ehefrau, die sich »wie dreißig« fühlt, mehr oder minder zart andeutet,
dass eine verwegene Lockenpracht in Burgunderrot nicht
zu »einer Frau im Oma-Alter« passe, gleicht sich bei der gerügten
Fünfzigerin das Gefühls-Alter ziemlich schnell dem Taufschein-
Alter an. Umgekehrt funktioniert es freilich auch. Da ist eine
vierzigjährige Frau, die hadert seit Tagen mit sich, sooft sie in
den Spiegel schaut. Alt, uralt kommt sie sich vor, wenn sie - was
sie dreimal täglich tut - ihre beginnenden Fältchen im Vergrößerungsspiegel
mustert. Wie hundert und ein bisschen drüber!
Und dann geht sie eines Tages mit vergrämtem Sichelmund aus
dem Haus, und vor der Haustür trifft sie eine Bekannte, die sie
seit Jahren nicht gesehen hat, und die ruft aus: »Gut schauen Sie
aus, gar nicht verändert haben Sie sich! Toll, wie Sie sich halten!«
Und nach Beendigung des kleinen Gesprächs geht die Frau weiter,
und an der Straßenecke stößt bei ihrem Anblick ein junger
Mann, der Kartons aus einem Lkw ablädt, einen anerkennenden
Pfiff aus. Und wie die Frau in ein Geschäft kommt, hält ihr ein
Herr in besten Jahren die Tür auf und sagt: »Nach Ihnen, schöne
Frau!« Heimgekehrt, fühlt sich die Dame sicher nimmer wie hundert
und ein bisschen drüber.
Bitter an der Sache ist nur, dass es jede Menge Leute gibt,
die einem beibringen, sich nicht jünger als im Taufschein vermerkt
zu fühlen, aber die Menschen aussterben, die aufbauende
Komplimente parat haben. Ob das daran liegt, dass die Menschen
immer grantiger werden, oder daran, dass sie immer ehrlicher
werden, ist Ansichtssache.
Was kränkt, macht krank
Ich kenne eine Dame, die löst seit drei Jahrzehnten sämtliche
ihrer ehelichen Konflikte mit der simplen Methode: Was mich
kränkt, macht mich krank. Hat diese Dame am Verhalten ihres
Ehemanns etwas auszusetzen, erkrankt sie blitzschnell, wobei
sich die Sorte ihres Blitzleidens aus dem Delikt ergibt, welches
der Ehemann begangen hat: Linksseitige Migräne bei den kleineren,
Magenschmerzen bei den mittleren, Herzbeschwerden bei
den ganz großen, ungeheuerlichen Vergehen.
Um mit der Methode Erfolg zu haben, bedarf es natürlich
eines Ehemanns, der sich auch nach drei Jahrzehnten immer noch
von den Blitzerkrankungen der Frau Gemahlin tief beeindrucken
lässt; aber solche Ehemänner sind gar nicht so rar, wie man annehmen
sollte. Und dass sie sich so einfühlsam verhalten, hat
wohl weniger mit riesengroßer Liebe zu tun als mit riesengroßer
Ratlosigkeit.
Was soll man denn, so man nicht an Trennung denken will,
auch dagegen tun, wenn der Partner Krankheit als Waffe in Konfliktfällen
einsetzt? Meine blitzkränkliche Dame etwa schwindelt
ihre Beschwerden ja nicht einfach vor. Sie spürt den Druck im
Magen, das Pochen hinter der Stirn, das Stechen in der Brust ja
wirklich!
Und da kommt es dann echt nicht darauf an, ob die Fachärzte
ihr Herz und ihren Magen für pumperlgesund halten. Und
bei Migräne ist ein »Befund« sowieso nicht möglich.
Und zudem tut die Dame ja nichts anderes, als ihrem Ehemann
mitzuteilen, dass sie unter seinem Verhalten fürchterlich
leidet. Sie schreit es ihm bloß nicht ins Gesicht, sondern stellt es
stumm leidend dar, mit der Hand an der Stirn, am Magen oder
auf der linken Brustseite.
So war diese Dame übrigens schon im Volksschulalter. Wenn
wir im Hinterhof spielten und sie ihren Willen gegen die anderen
Kinder nicht durchsetzen konnte, hockte sie sich auf den Hack-
stock, griff sich mit beiden Patschhänden an den Kopf, verzog
das Gesicht und teilte uns mit, dass sie »Kopfi-wehweh« habe.
Bloß, bei uns wirkte das halt nicht. Und bei ihren ersten drei
»Lieben« wirkte es auch nicht, die zerbrachen.
Erst ihre vierte »Liebe«, ihr nunmehriger Ehemann, stieg
willig darauf ein. Der war nämlich bereits tadellos trainiert. Von
klein auf! Seine Frau Mutter war ebenfalls eine große Meisterin
im Kränkungs-Erkranken. Sie bekam bei allfälligem Bedarf
Erstickungsanfälle mit rasantem Gliederzucken, die bei gröberen
Vergehen des Sohnes in Ohnmachtsanfälle ausarteten, welche des
Notarztes und eines Rettungswagens bedurften. Und so gesehen
hat er es sich durch die Heirat ja enorm »verbessert«.
Die Freunde bleiben dem Ex?
Da in Österreich jede dritte Ehe geschieden wird, haben klarerweise
die meisten Leute unter ihren Freunden und Bekannten etliche
»Scheidungsfälle«. Erstaunlicherweise scheint aber der »gesellschaftliche
Umgang« mit Geschiedenen für viele Leute noch immer
ein Problem zu sein. Vor allem geschiedene Frauen erzählen, dass sie
sich nach der Trennung vom Partner auch vom gemeinsamen Freundes-
und Bekanntenkreis geschieden und allein gelassen fühlen.
Aus der Sicht dieser Frauen sieht das so aus: Knapp vor und
knapp nach der Scheidung kann die Frau mit Aufmerksamkeit
und Anteilnahme rechnen; möglicherweise verbirgt sich unter
dieser Zuwendung ja blanke Neugier, aber jedenfalls kümmert
sich der Freundes-und Bekanntenkreis um die Frau, ruft an,
trifft sich mit ihr, hört ihr zu, wenn sie von ihrem Seelenzustand
und ihren neuen Lebensproblemen berichtet.
Doch bald danach bleiben die Einladungen der Freunde
und guten Bekannten aus, ihre Besuche auch, die Anrufe werden
spärlicher, schließlich wechseln sie gerade noch, wenn sie
der Frau zufällig auf der Straße begegnen, ein paar nichts sagende
Floskeln mit ihr. Meistens mit dem vagen Schlusssatz: »Wir
müssen uns unbedingt wieder einmal treffen, ich ruf dich demnächst
an!« Aber der Anruf kommt dann doch nicht, und nimmt
sich die geschiedene Frau ein Herz und ruft selbst an, kommt
auch kein Treffen zustande, sondern wieder nur Vertröstung auf
»demnächst«, weil die Freunde und Bekannten im Moment gerade
so viel um die Ohren haben und jeden Tag »besetzt« sind. Sie
hört wieder: »... ich ruf dich an!«
Der bittere Schluss der Frauen, denen es so erging, lautet:
Als Geschiedene bin ich bloß in raren Einzelfällen willkommen,
ansonsten sind mir nur die Freunde und Bekannten geblieben,
die ich »extra und allein« hatte, mit denen mein Ex-Gemahl nie
befreundet gewesen ist. Alle anderen Leute, die wir gemeinsam
kennen und schätzen lernten, wurden nach der Scheidung zu
»seinen« Freunden, die mit mir nichts mehr zu tun haben wollen.
Ist das generell so? Vielleicht wimmelt ja mein Bekanntenkreis
vor lauter Ausnahmen mit böser Erfahrung.
Liebe Leserinnen und Leser, überdenken Sie einmal Ihr
»Kontingent an Geschiedenen«, rechnen Sie nach, wie oft Sie
die Frauen der Ex-Paare seither einluden, anriefen, besuchten.
Falls Sie merken sollten, dass der Kontakt tatsächlich »merkwürdigerweise
und ohne böse Absicht« abgebrochen ist, dann
nichts wie ans Telefon; auch jahrelang unterbrochener Kontakt
ist wieder herzustellen, geänderte Telefonnummern lassen sich
bei der Auskunft erfragen.
© Residenz Verlag
man es am bisher heilen Daumen, sofort wegstellen muss man
den verflixten Suppenhäfen! Im Chaos erspäht man ein freies
Platzerl auf der Arbeitsfläche, knallt den Häfen drauf. Zu heftig
für das randvoll gefüllte Gefäß. Ein Viertelliter Suppe ist nicht
viel, aber wenn er von der Arbeitsfläche in die Esszeuglade tropft
und das Esszeug »netzt«, nimmt er sich reichlich aus. Und sehr
fett! Weil im Suppentopf Fett oben schwimmt.
Während man Esszeug wäscht, blubbert die Soße auf dem
Herd schäumend hoch. Kommt davon, dass einem in der Hektik
der Obersbecher kippte, statt einem Löffel voll der ganze Becher
drin ist. Obers schäumt halt und stinkt beim Übergehen! Nun,
irgendwie ist die Schlacht geschlagen, wenn die Gäste klingeln.
Und dass sie nicht Orangen, sondern Creme Caramel zum Dessert
kriegen sollten, wissen sie nicht. Und die mit Karamell ausgegossenen
Förmchen, die vergeblich darauf harrten, mit Eiermilch
gefüllt zu werden, die kann man »einweichen«, damit sie im Laufe
der Zeit so gnädig werden, sich vom Karamell zu lösen.
Gleich ist leider nicht sofort
Ehefrauen und Mütter tun Ehemännern und Kindern bitter unrecht,
wenn sie ihnen Faulheit und Unwilligkeit unterstellen, wo
es um die »Mithilfe im Haushalt« geht. Abgesehen von raren,
uneinsichtigen Exemplaren, sind Ehemänner und Kinder nämlich
sehr wohl bereit, im Haushalt nicht bloß »einen Finger«, sondern
»zwei emsige Hände« zu rühren!
Ganz egal, ob es ums Entleeren des Mistkübels geht, ums
Tischdecken oder Tischabräumen, ums Säubern der Badewanne,
ums Einschrauben neuer Glühbirnen in Lampen, die nur mit Hilfe
einer Leiter erreicht werden können, Ehemänner und Kinder wären
da wirklich willig zur Tat, wenn ... ja wenn ... ihnen die Ehefrau und
Mutter nicht unentwegt so »enge, knappe Termine« setzen würde!
Der Jammer ist nämlich, dass zwischen Ehefrau bzw. Mutter
und Ehemann bzw. Kindern die gröbste Meinungsverschiedenheit
über das kleine Wort »gleich« herrscht. Die Mutter und Ehefrau
verwechselt nämlich leider irrigerweise »gleich« mit »sofort«!
Und wenn das liebe Kind verspricht, »gleich« den Tisch abzuräumen,
oder der ebenso liebe Ehemann gelobt, »gleich« einkaufen
zu gehen, glaubt die Ehefrau und Mutter, diese Hilfsleistungen
würden »sofort« vollbracht werden. Obwohl sie einsehen müsste,
dass da noch weit dringlichere »Sofort«-Taten anstehen, wie: telefonieren,
entspannen, Kreuzworträtsel lösen, fernschauen und
dergleichen mehr.
Frustriert sind dann Ehemann wie Kinder, wenn sie sich nach
Erledigung der Sofort-Taten ans Gleich-Werk machen wollen und
bemerken, dass dieses bereits getan ist.
Hat die Mutter glatt den Tisch wieder selber abgeräumt! Ist
die Ehefrau glatt wieder selber in den Supermarkt gelaufen! Hat die
Frau keine Nerven? Kann sie kein bisschen warten? Muss denn alles
immer nach ihrem neurotisch-hektischen Zeitplan gehen? Wohl
deshalb, damit sie hinterher keppeln kann und als das ausgebeutete
Familienopfer dasteht, dem niemand auch nur ein bisschen hilft!
Eine meiner Freundinnen hat sich diesen Vorwurf zu Herzen
genommen. Seit Wochen erledigt sie keine einzige Arbeit mehr
selber, die ein Familienmitglied per »Mach ich gleich«-Gelöbnis
übernommen hat. Es geht ihr ganz gut dabei! Abgesehen von ein
paar winzigen Lästigkeiten.
Eine dieser Lästigkeiten hat sie heute aus der Welt geschafft,
indem sie sich eine 1000-Liter-Mülltonne für ihre Küche anliefern
ließ!
2 Küberln, 1 Kanister, 6 Sackeln ...
Angeblich verbringt der umweltbewusste Haushalt mit Sortieren
und Entsorgen des Abfalls zweiundvierzig Stunden im Jahr. Das
sind pro Woche etwa achtundvierzig Minuten! Ich weiß echt
nicht, wie man das in dieser Zeit schafft!
Zweimal die Woche trage ich Altpapier zum Container hinter
dem Haustor. Ja, ja, Lift habe ich! Die Wegzeit (inklusive Pa-
pier bündeln, Tür auf-und zusperren) beträgt maximal vier Minuten.
Aber immer, wenn ich zur roten Tonne komme, ist die
bummvoll! Vordergründig freilich nur. Da ist stets ein riesiger
Karton drin, den muss ich rausholen und falten. Leicht geht das
nicht (sonst hätt' es ja der Karton-Ableger selbst getan), aber mit
Zerren und Reißen ist's zu schaffen. Wenn nicht, hilft sportives
Draufspringen. Jedenfalls dauert das, laut ureigenem statistischem
Erfahrungswert, vier Minuten. Und so verbrauche ich für
das Altpapier sechzehn Minuten die Woche.
Halt, falsch! Einmal pro Woche ist im Karton, den ich klein
mache, Styropor. Das gehört nicht ins Papier, das muss eine Umweltbewusste
in den Hof zum Restmüll tun, was wieder vier Minuten
dauert. Flaschen machen weniger Mühe; dafür ein schlechtes
Gewissen! Da sind die Tonnen an der Ecke, dauert nur sechs
Minuten, bis das Glas entsorgt ist. Und das schlechte Gewissen
habe ich nicht deshalb, weil zweimal pro Woche zwei Sackeln mit
Glasflaschen von Trinkfreudigkeit zeugen, sondern wegen der
armen Leute, die im Haus bei den Flaschentonnen wohnen. Denen
müssen vom ewigen Glasgeklirre ja die Ohren abfallen! Und
zwölf Glasminuten sind es immerhin auch die Woche!
Mühsamer ist die Bio-Tonne. Die ist etliche Quergassen
weiter! Könnt' direkt mit der Straßenbahn fahren. Aber im Sommer
ist das nix! Das grüne Bio-Küberl duftet sehr säuerlich! Darum
muss ich es auch jeden zweiten Tag ausleeren laufen. Und
das macht dreimal die Woche hastige elf Minuten, also dreiunddreißig
Minuten! Dann renn' ich noch mit Leuchtstoffröhre
und Batterie zum Händler, mit Pillen in die Apotheke, Dosen
wie Plastikbecher müssen weg, Restmüll sowieso, jeden zweiten
Donnerstag ist im »Grätzl« Lack-Fleckputzmittel-Säuren-Laugen-
Annahme, und wenn ich die Sauerei einrechne, die wegzuputzen
ist, weil der Trichter tropft, durch den ich Backfett in
den Altöl-Kanister fülle, und wenn ich den Altöl-Kanister endlich
dorthin fahren würde, wo man bereit ist, ihn mir abzunehmen,
dann hätt' ich - so ich nicht auch hin und wieder schuldhaft
umweltsündigen tät - fast eine Halbtagsbeschäftigung!
Hoher Wert und kleiner Preis
Gerade hat wieder einmal jemand ausgerechnet, was eine Hausfrau
verdienen würde, käme sie ihrer Arbeit nicht um Gotteslohn,
sondern um Stundenlohn nach. Auf umgerechnet etwa
2.500 Euro im Monat beläuft sich diese Rechnung, die von einer
70-Stunden-Woche ausgeht. Ein ganz nettes Sümmchen also!
Aber natürlich ist so ein fiktiver Hausfrauen-Stundenlohn
eine sehr zwiespältige Sache: Nehmen wir nur der Hausfrau
Putztätigkeit im trauten Heim. Es gibt Bedienerinnen, die
für fünf Euro bereit sind, Dreck zu putzen, und es gibt Raumpflegerinnen,
die unter zehn Euro nicht zum Wischtuch greifen.
Ist also schwer zu beurteilen, wie sich die jeweilige Hausfrau
»außerhäuslich« verkaufen könnte.
Oder der Hausfrau Hilfe bei den Hausübungen der Kinder!
Hat sie beispielsweise drei Stück begriffsstützigen Nachwuchs
daheim und ist sie fähig, diesem das Wiederholen der Klasse
zu ersparen, dann wären ja die Arbeitsstunden, in denen sie die
Funktion eines Nachhilfelehrers übernimmt, gleich mit 25 Euro
- oder noch mehr - zu entlohnen, und ihr Monatsgehalt würde
rapide hochschnellen!
Und gar nicht zu ermessen ist der Lohn, wenn es um der
Hausfrau Kochkunst geht. Eine kocht, dass ihr nicht einmal der
Gutmütigste dafür mehr als einen Stundenlohn von einem Euro
bieten würde, eine produziert Menüs, der 2-Hauben-Entlohnung
würdig. Und wenn sich eine Hausfrau des Nähens und Strickens
befleißigt und dabei so perfekt wie meine Freundin Lotti ist,
ufert die Sache überhaupt aus.
Vergangene Woche hat sich Lotti ein Kostüm - ganz à la Armani
- geschneidert. Würde glatte 1.500 Euro kosten! Und diese
Woche macht sie den Pulli für ihre Tochter fertig. Jacquard-Gestrick
in sieben Farben! Die Tochter hat haargenau so einen Pulli
für 700 Euro in der Auslage einer Luxus-Boutique gesehen.
Da kommt also Lotti allein in diesem Monat auf zusätzliche
1.980 Euro, wenn man die Materialkosten für Pulli und Kostüm
wegrechnet! Und wenn sie noch den Pflegeaufwand für den
grippekranken Ehemann dazurechnet und für das Einsetzen der
Kohlrabipflanzerln die Gärtnerkosten und das Hemdenbügeln
mit Wäschereipreisen berechnet, kommt sie doch glatt auf ein ordentliches
Manager-Salär.
Ungeklärt ist allerdings noch, wie das mit der ehelichen Liebe
ist! Wird die auch nach »käuflichem Tarif« berechnet? Oder
fällt die ins Freizeitverhalten?
Wer sich nicht g'fretten kann
Meine Mutter pflegte oft zu sagen: »Wer sich nicht g'fretten kann,
kann nicht hausen.« Auch ich versuche, mit der Devise durch den
Alltag zu kommen, und es funktioniert prima. Da ist zum Beispiel
meine Erdäpfelpresse! Die ist insofern tückisch, als sie aus
drei Teilen besteht. Teil eins ist der, wo die Erdäpfel reinkommen.
Teil zwei der, mit dem man auf die Erdäpfel Druck ausübt, und
Teil drei ist ein zwölf Zentimeter langer Stift, welchen man durch
je zwei Ösen in Teil eins und Teil zwei steckt, um sie miteinander
zu verbinden.
Nun geschah es unlängst, dass die gekochten, geschälten
Erdäpfel der Pressung harrten, um zu Knödeln gemacht zu werden,
ich aber Teil drei der Erdäpfelpresse nicht finden konnte,
denn so ein dünner Stift verkriecht sich gemeinerweise leicht in
einer Lade. Und in einem Haushalt, wo nebst mir Ehemann,
Putzfrau und auf Besuch weilende Töchter gewaschene Gerätschaft
wegräumen, ist nie zu sagen, wo Dinge deponiert wurden.
Ich suchte und suchte also, dachte dabei an meine Frau Mutter,
sprach zu mir: »Wer sich nicht g'fretten kann ...«, nahm einen
metallenen Grillspieß und steckte ihn statt des Stiftes durch
die Ösen der Erdäpfelpresse. Leider war der Grillspieß aus weicherem
Metall als der Stift und verbog sich während der Presserei
gewaltig. Aber bis zum letzten Erdapfel hielt er durch, erst
dann brach er in zwei Teile.
Da ich nicht besonders an irdischen Gütern hänge, blieb mir
der Verlust des Spießes nicht im Gedächtnis. Sein Hinscheiden
fiel mir erst wieder ein, als ich für sechs Personen Spießchen braten
wollte, aber nur fünf Grillspieße in der Lade fand. Aber auch
da sprach ich zu mir: »Wer sich nicht g'fretten kann ...« und holte
mir eine hölzerne Socken-Stricknadel zu Hilfe. Filetstückchen
ist es schließlich völlig egal, ob sie auf einem Metallspieß oder
auf einer Stricknadel gegart werden. Bloß war der Gast, der die
Stricknadel-Portion bekam, beim Runterziehen der Fleischstücke
unsanft, und die Stricknadel brach entzwei.
Das erwies sich erst als arger Verlust, als es Sonntag war
und ich einem dicken Socken ein neues Randerl anstricken wollte.
Glücklicherweise fiel mir das Mikado-Spiel ein, ich lieh mir eines
der Staberln als fünfte Nadel. Man muss sich eben »g'fretten«
können!
Manche Leute können das nicht. Zum Beispiel die drei,
die jetzt bei meinem Esstisch sitzen und jammern, dass sie ohne
den »Mikado« nicht Mikado spielen können. Dabei haben sie
eh noch jede Menge Staberln! Ich werde doch nicht, nur damit
sie noch eins mehr haben, den »Mikado« aus dem halb fertigen
»Randerl« ziehen. Sollen sie ruhig die ganze Wohnung nach ihrem
»Mikado« absuchen, in den Sockenkorb schauen sie garantiert
nicht rein.
Schlierig marmoriert
Natürlich gibt es auch Menschen, die noch nie fluchend vor einer
Waschmaschine gestanden sind und dieser pastellfarbene Textilien,
die noch vor 90 Minuten reinweiß gewesen sind, entnommen
haben! Das sind die armen Pessimisten, die von jedem knallbunten
T-Shirt und jeder neuen Jean gleich das Allerschlimmste annehmen.
Aber allen anderen Menschen, den halbwegs optimistischen,
passiert es doch immer wieder, dass ihre Wäsche in der
Waschmaschine ganz unvermutete Farbtöne annimmt. Wir Optimisten
wissen eben aus Erfahrung, dass nur jedes zweite T-Shirt
und jede dritte Jean überschüssige Farbe abgeben. Und warum
sollten hoffnungsfrohe Menschen unbedingt argwöhnen, dass
ausgerechnet ihnen jedes zweite T-Shirt und jede dritte Jean angedreht
werden? Außerdem kann man ja beim »Verfärben« auch
ein wahrer Glückspilz sein. Unter Umständen ergibt eine Trommel
voll weißer Unterwäsche, kombiniert mit einem dunkelbraunen
Pyjama, Wäsche in der Modefarbe »Champagner«, die gerade
»irre in« ist.
Ich allerdings neige eher dazu, zu marmorieren. Schlierenförmig
in den diversen Grundfarben! Und bloß weil noch kein »Herrenausstatter
« auf die schöne Idee gekommen ist, »geschlierte«
Unterhosen für Männer auf den Markt zu bringen, hält mein guter
Mann meine Waschergebnisse für untragbar. Mein tröstlicher
Hinweis, dass wir wäschemäßig den »Partner-Look« haben, weil
mein Unterzeug ja im gleichen Design prunkt, überzeugt ihn leider
auch nicht recht. Und so hat er gestern, ganz nach dem Motto
»Selbst ist der Mann«, sein marmoriert schlieriges Unterzeug aus
der Wäschelade genommen und eine Packung Entfärber aus dem
Badezimmerregal. Dann hat er sich ans bleichende Werk gemacht.
Knapp ein Stündlein später hat er zufrieden lauter Reinweißes aus
der Waschmaschine geholt; abgesehen von einem Jeansrock. Der
war blassrot mit weißen Schlieren! »Also, der muss mir irgendwie
irrtümlich druntergekommen sein«, hat er gestaunt. Und bevor
ich noch meine Stirn so indigniert runzeln konnte, wie mein guter
Mann das immer vor seiner Wäschelade zu tun beliebt, schwenkte
er meinen Jeansrock herum und frohlockte: »Schaut aber doch
irgendwie äußerst apart aus! Findest du nicht auch?«
Na sowieso! Drunter weiß mit roten Schlieren und drüber
rot mit weißen Schlieren, so komplett »durchgestylt« zu sein, das
schafft nicht bald wer!
Ein paar schnelle Stiche
Herrenhosentaschen, welche nicht nur als Aufbewahrungsort für
ein Papiertaschentuch herhalten müssen, sondern auch tagtäglich
mit einem dicken Schlüsselbund und einer erklecklichen Menge
Kleingeld belastet werden, neigen zum vorzeitigen Verschleiß.
Wenn die Hose noch »wie neu« ist, sind sie bereits von etlichen
Stellen durchsetzt, die nur mehr Querfäden aufzuweisen haben
(ob es sich dabei um Kettfäden oder Schussfäden handelt, weiß
ich nicht).
Die Ehefrau erkennt diesen lädierten Taschenbeutelzustand
zuerst einmal daran, dass ihrem lieben Ehemann, so als wäre
er ein Dukatenesel, beim Gehen Münzen aus einem Hosenbein
kullern. Es soll ja Ehefrauen geben, die dann sofort den Herrn
Gemahl aus der Hose knöpfen und sich hurtig ans Flickwerk
machen. Ich kenne aber nur solche, die mit eingenähten Männerhosentaschen
so wenig wie nur möglich zu tun haben wollen
und wegschauen, wenn es aus dem Hosenbein klimpert. Aber
das hilft ja nicht viel! Ein paar Tage später steht der gute Mann
da, mit der Hose in den Händen, und spricht mit brav eingelernter
Softie-Miene: »Bitte, könntest du mir schnell mit ein paar
Stichen ...«
Okay, wer eine Arbeit noch nie getan hat, kann weder ihre
Dauer noch ihre Mühsal recht einschätzen. Aber was würde denn
der gute Mann sagen, wenn ihn seine gute Frau - mit ihrem allerliebsten
Weibchenblick - ersucht, mit ein paar schnellen »Hammerschlägen
« die Einbauküche von der linken Wandseite auf die
rechte zu bringen? Wer diesen Vergleich für übertrieben hält, der
hat noch nie einer Männerhose einen neuen Taschenbeutel eingesetzt!
Ja freilich, man könnte pfuschen. Man könnte, so noch
Querfäden vorhanden, wie bei einem Socken und sehr unhübsch
durchstopfen. Oder, von Hand, einen zierlichen Flicken aufnähen.
Aber Pfusch hält leider auch bei Hosentaschen nicht! Eine Woche
später kriegt man die Hose wieder und muss einsehen, dass
da bloß eine radikale Taschenbeuteltransplantation helfen kann.
Es gibt Hosen, die muss man zu 60 Prozent auftrennen, um den
Taschenbeutel ordentlich zu entfernen, und wenn man dann alle
Nähte wieder schließen will, streikt die Haushaltsnähmaschine,
weil es ihr nicht gegeben ist, über acht Lagen Stoff in verzwickte
Ecken reinzusteppen. Und hat man die Tortur endlich hinter sich,
sagt der gute Mann: »Hätt' ich geahnt, dass du das so ungern
machst, hätt' ich sie zum Schneider getragen!« Drei Monate später
jedoch steht er wieder mit einer Hose da und redet von »ein paar
schnellen Stichen«. Und dass er versprochen hatte, kein Kleingeld
mehr in die Tasche zu tun, hat er auch vergessen. Ein Mann von
Format hat eben bloß ein Taschenbeutel-Kurzzeitgedächtnis.
Schlaraffenlandzeiten
»Das Leben ist am schwersten drei Tage vor dem Ersten«, seufzte
meine Großmutter immer gegen Monatsende und kochte dann
so lange Krautfleckerln und Bröselnudeln, bis der Großvater »am
Ersten« mit dem Lohnsackerl kam. Manchmal war die Großmutter
aber am Monatsende schon so pleite, dass sie nicht einmal
mehr Geld für Kraut und Nudeln hatte. Dann ließ sie beim
Greißler »aufschreiben« und genierte sich dafür gewaltig. Wenn
sie »aufschreiben« ließ, wartete sie, bis keine andere Kundin in
der Greißlerei war. Niemand sollte sie »ausrichten« können. Es
sollte nicht heißen: »Die kann ja nicht wirtschaften!«
Das sind Sorgen von gestern. Der »Erste« spielt heute für
Lohnempfänger keine große Rolle mehr, und »aufschreiben«
ist im Supermarkt nicht üblich. Dafür hat unsereiner, wenn er
nicht »wirtschaften« kann, seine Bank. Bei der überzieht er sein
Konto; was nichts anderes als »aufschreiben« bedeutet. Der Unterschied
ist bloß, dass die Banken saftige Zinsen fürs »Aufschreiben
« verlangen, während das der Greißler gratis tun musste.
Dafür wird ein Kontoüberzug aber nicht öffentlich. Keine
Nachbarin weiß um ihn Bescheid, und wenn der Bankomat die
Scheckkarte frisst, weil der Überzugsrahmen bereits überzogen
ist, geht das auch diskret und unauffällig vor sich. Eine Nachbarin
jedenfalls wird nicht gerade Augenzeugin dieses Vorfalls sein
und wird daher auch nichts Abträgliches in der Gegend herumtratschen
können.
Und wenn der hinterhältige Bankomat die Scheckkarte gefressen
hat und nicht mehr ausspucken will, dann ist das kein
großes Unglück. Dann nimmt man halt bei seiner Bank einen
Kredit auf, Umschuldung heißt das, und schon ist das Konto
- hokuspokus - wieder in den schwarzen Zahlen, und man bekommt
eine neue Scheckkarte, und der Bankomat spuckt wieder
brav Scheinchen aus, und man kann kaufen, was man nur
mag.
Die neue Scheckkarte kostet zwar eine Kleinigkeit, und die
Kreditgebühren muss man natürlich auch berappen, und den
Kredit und die Zinsen für den Kredit muss man klarerweise auch
zurückzahlen. Aber abgesehen davon ist das doch wie im guten
alten Schlaraffenland!
Hin und wieder bekommt man leider böse Träume und Albdrücken
im Schlaraffenland. Träume voll Zahlen. Und alle Zahlen
sind rot!
Solche bösen Träume mit roten Zahlen blieben meiner Großmutter
erspart. Sie hatte stets einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Angeblich deshalb, weil ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen
sein soll. Aber was hatte die arme Frau denn außer einem
sanften Ruhekissen sonst schon?
Krautfleckerln am Vorletzten und Bröselnudeln am Letzten!
Und ein kleines schwarzes Bücherl beim Greißler!
Wer wollte da schon mit ihr tauschen? Ach, Sie hätten gar
nichts gegen Krautfleckerln und Bröselnudeln, wenn Sie dafür
schuldenfrei wären? Ja warum, geneigte Leserin und geneigter
Leser, werfen Sie dann nicht einfach Ihre Scheckkarte weg?
Mut zum Hut?
Das Verhältnis der »Normalfrau« zu Hüten ist ein sehr problembelastetes.
Unter Hüten verstehe ich nicht Pelzkappen, Baskenmützen,
Schirmkappen, regenfeste Südwester oder sonstige wollene, plastikene
Dinger, die Frauenköpfe vor Witterungseinflüssen jeglicher
Art beschützen. Mit Hüten meine ich die »Zierhüte«, je
nach Modelage, üppig mit Krempe, Federn, Schleier, Blümchen
oder Flatterband versehen.
Nur sehr selbstbewusste Frauen schreiten mit solchen allerliebsten
»Zierhüten« durch die Gegend.
Den Ankauf einer solchen »Kopfkrönung« tätigt freilich einmal
im Leben fast jede Frau. Meistens handelt es sich dabei um
einen »Spontankauf«, der dann passiert, wenn sich eine Frau gerade
psychisch im »allerhöchsten Hoch« befindet und in diesem
wunderschönen Seelenzustand eines Hut-Salons gewahr wird.
Da hält sie sich dann plötzlich für ein Wesen, welches dazu geeignet
ist, »Zierhüte« spazieren zu führen.
Doch die »allerhöchsten Hochs« in einem normalen Frauenleben
sind rare Sternstunden, und der Anlässe, so einen Hut aufzusetzen,
sind im normalen Frauenleben gar wenige. Also lagert der
»Zierhut« im Schrank und wartet darauf, dass endlich einmal Anlass
zu seinem Ausgang und positive Gemütsverfassung seiner Besitzerin
zusammentreffen mögen. Irgendwann einmal passiert das dann
auch. Die Frau holt ihren »Zierhut« aus dem Schrank, setzt ihn auf,
schaut sich in den Spiegel und ist sich sicher: Der Hut ist schön! Ich
bin schön! Ab jetzt werden wir beide sehr oft miteinander ausgehen!
Und dann kommt ein Stück Nachwuchs ins Zimmer, starrt
entgeistert die »behütete« Mama an und fragt: »Mit dem Deckel
willst weggehen?« Oder der Ehemann, der die Frau beim »Ausgang
mit Hut« begleiten soll, kommt ins Zimmer, schaut nicht
minder entgeistert, weist auf sein kariertes Hemd und seine Jeans
und sagt vergrämt: »Wennst so angezogen bist, müsste ich mich ja
auch umziehen!«
Und dann nimmt die Frau den Hut halt wieder vom Kopf. Es
kann sogar ein Hund sein, der den »Zierhut« wieder auf seinen
Schrankplatz verweist. Sagte eine Freundin zu mir: »Wie ich den
Hut aufgesetzt habe, hat unser Tasso so schrecklich zu bellen angefangen.
Das hat mich verunsichert.«
So oder so, irgendwer hindert uns Normalfrauen immer daran,
unseren »Zierhut« auszuführen. Trotzdem ist es schön, einen
im Schrank zu haben, denn das zeugt davon, dass wir uns selbst -
ganz im Geheimen - doch ein bisschen anders sehen als Ehemann,
Nachwuchs und Haushund.
Schlank sein leicht gemacht
Die erste Hürde beim Abnehmen ist die, dass bereits der Entschluss
dazu hungrig macht. Man braucht bloß daran zu denken,
die Nahrungsaufnahme zu reduzieren, und schon knurrt der Magen
wie ein hungriger Wolf und hat Lust auf Zufuhr, selbst wenn
er gerade ein dreigängiges Menü in sich beherbergt.
Doch wenn man sich nicht an die erste Schlankheitskur
macht, sondern schon etliche hinter sich hat, weiß man das ja,
nimmt es nicht weiter krumm und versucht, sich an seinen täglichen
tausend Kalorien so gut als möglich zu erfreuen. Die Tricks
sind ja bekannt: Winziges Tellerchen nehmen, Bröckelchen artig
hinlegen, mit allerlei lieblichem Null-Kalorien-Grünzeug hübsch
garnieren, jeden Bissen zweiunddreißigmal kauen und bei dieser
Kauarbeit nur ja keine Zeitung lesen! Die hochinteressante Lektüre
könnte einen vergessen lassen, dass man schon siebzehnmal
zweiunddreißigmal gekaut hat, und man könnte deshalb irrigerweise
in aller Unschuld sein Tellerchen noch einmal füllen!
Natürlich hat man auch alles aus dem Haushalt zu entfernen,
was in Versuchung führen könnte: Schokolade, Kekse, Bier,
Soletti, Eierlikör, Salzmandeln, Hustenbonbons, sogar das uralte
Döschen Leberpastete.
Dafür holt man sich einen Vorrat an Salatgurken, Wassermelonen
und Mineralwasser heim. Und etwas Ballaststoff. Von wegen
Darmtrakt. Man kaut also, als Zwischenmahlzeit, Gurke, süffelt
Mineralwasser, schnipselt in regelmäßigen Abständen ein Schnittchen
vom Leinsamen-Ballaststoff-Riegel und verliert täglich zwischen
hundertvierzehn und zweihundertdrei Gramm an Gewicht.
Das beflügelt, und man eilt beschwingt in die nächste Siebentausend-
Kalorien-Woche. Und wieder in die nächste! Aber
dann kommt ein Tag, da räumt man im Küchenkasten herum,
weil da noch etwas Süßstoff sein sollte, und hat plötzlich ein
Glas Cocktailkirschen in der Hand. Letztes vergessenes Relikt
aus fetteren Zeiten! Hinterher weiß man nicht, wie das passieren
konnte, doch auf einmal hat man total klebrige Finger, und
das Cocktailkirschenglas ist leer. Sogar den Zuckersaft hat man
getrunken, obwohl der penetrant nach Parfüm geschmeckt hat.
Weil sich ein »Sündenfall« auch wirklich »auszahlen« soll, wieselt
man aus dem Haus auf ein Gulasch mit Bier oder eine Sachertorte
mit Schlag; je nachdem, was man wochenlang speziell
entbehrt hatte. Worauf der Hunger-Bann gebrochen ist und die
fünf Kilo im Nu wieder da sind.
Aber was soll's? Schlank zu sein ist ein Vergnügen, und nach
Lust und Laune essen zu können ist ein Vergnügen. Man hat
auch seine Vergnüglichkeiten abwechslungsreich zu gestalten!
Mütterlicher Triumph
Ob folgende wahre Geschichte zum Lachen oder zum Weinen ist,
möge die Leserin, der Leser selbst entscheiden.
Also: Zwei Frauen, nennen wir sie Elfi und Evi, sind seit Kindertagen
befreundet. Vor 18 Jahren bekamen beide einen Sohn,
und wie das bei jungen Müttern üblich ist, waren die Söhne Gesprächsthema
Nummer 1. Ist ja auch aufregend, wie sich Babys
entwickeln! Bloß tat dies Elfis Sohn hurtiger als der von Evi. Das
erste Lachen, das erste Kopfheben, der erste Zahn, alles war bei
Elfis Sohn ein paar Wochen früher da. Den ersten Schritt tat er natürlich
auch früher, und Mama und Nein sagen konnte er bereits,
als Evis Sohn nur Dadada herausbrachte. Das vergrämte Evi.
Was sie grämte, war weniger der Entwicklungsrückstand des
eigenen Kindes als der Hochmut, mit dem Elfi von ihrem Kind
sprach, und die milde Herablassung, mit der sie Evis Sohn behandelte.
Einmal nannte sie ihn sogar einen »Spätentwickler«. In
aller Unschuld natürlich. Doch Evi traf es in tiefster Seele, und
tief getroffene Seelen reagieren sonderbar. Evi fing, ihren Sohn betreffend,
zu mogeln an. Klagte Elfi über die Kosten von Windeln,
sagte Evi: »Meiner ist schon rein!« Sagte Elfi stolz, ihr Sohn könne
bis 10 zählen, sagte Evi: »Meiner kann von 10 zurückzählen!«
Dann kamen die Söhne in die Schule. Elfi berichtete, dass
ihr Sohn »Klassenbester« sei. Evi, im Mogeln schon sehr trainiert,
berichtete Gleichlautendes. Die dritte Klasse Gymnasium
musste Evis Sohn wiederholen. Doch dies verschwieg Evi der Elfi.
»Den Triumph gönn' ich ihr nicht«, erklärte sie ihrem Ehemann.
Nun sollte aber heuer Evis Sohn, wäre er nicht sitzen geblieben,
maturieren. Und Evi befand sich in einer abscheulichen
Klemme! Wie, fragte sie sich, soll ich denn der Elfi eine Matura
samt Maturareise vormogeln? Und im Herbst ein Studium? Richtig
erleichtert war sie, als Elfi plötzlich keine Zeit mehr hatte,
sich mit ihr zu treffen. Musste sie wenigstens nicht »das Blaue
vom Himmel herunter« lügen! Aber verwundert darüber, dass
Elfi plötzlich so gar keine Zeit hatte, war sie schon. Die hatte
doch immer jede Menge Zeit gehabt!
Vorgestern traf Evi zufällig Elfis Schwiegermutter auf der
Straße. Wie es der Elfi gehe, fragte sie. Und was der Sohn von der
Elfi im Herbst studieren werde. Antwortete die Schwiegermutter:
»Heuer doch noch nicht. Unser Burli ist in der fünften Klasse sitzen
geblieben!« Nun hockt die Evi daheim und überlegt sich allerhand.
Gern würde sie die Elfi anrufen. Ist doch jammerschade
um eine uralte Freundschaft. Die sollte doch nicht wegen zweier
gemogelter »Wunderkinder« flötengehen! Zehnmal hat die Evi
schon zum Hörer gegriffen und dann wieder aufgelegt. Aber sie
wird es schon noch schaffen!
»... Aber! ...«
Meine liebe Freundin Suserl ist um Objektivität bemüht. Bespricht
man in ihrer Anwesenheit die traurige Lage von gestressten Frauen,
die sich zwischen Beruf, Haushalt und Kindern zersprageln und
dazu noch Schuldgefühle haben, weil sie weder für die Kinder noch
im Beruf und schon gar nicht im Haushalt all das schaffen, was
man »optimal« zu nennen pflegt, dann unterbricht Suserl mit einem
resoluten »Aber!«. Und hinter diesem »Aber!« erzählt sie dann
ausführlich von einer - ihr gut bekannten - Frau, die keinen Beruf
hat und keine Kinder, dafür aber eine tagtägliche Putzfrau und einen
hobbykochenden Ehemann. Und diese Frau, verkündet Freundin
Suserl, die sei schon psychisch krank vor lauter Langeweile und
Unausgefülltheit. Und abschließend sagt Suserl noch: »Man muss
eben auch immer die andere Seite der Medaille sehen!«
Spricht man in Suserls Gegenwart davon, dass viele Herren,
so sie ihre angeblich besten Jahre erreicht haben, dazu neigen,
ihre gleichaltrige Partnerin gegen eine wesentlich jüngere auszutauschen,
und dass man dieses für eine Sauerei hält, dann kommt
ebenfalls Suserls »Aber!«. Und hinter dem »Aber!« erzählt sie
dann ausführlich von einer - ihr gut bekannten - Frau, die, obwohl
weit über vierzig, ihrem treuen Ehemann »den Weisel« gegeben
habe und nun ihr Bett mit einem Jüngling teile, der leicht
ihr Sohn sein könnte. »Man muss eben auch immer die andere
Seite der Medaille sehen«, spricht sie, erhobenen Zeigefingers,
abschließend.
Freundin Suserls »Aber!« kommt auch, wenn man davon redet,
wie mies und übel verlassene Ex-Ehefrauen mit spärlichen Alimenten
zurechtkommen. Da kennt Suserl dann eine Frau, die ihren Ex-
Ehemann zugrunde gerichtet hat. Haus, Geschäft und Sparbücher
hat sie ihm abgenommen. Und jetzt zahlt er noch die Schulden zurück,
die sie gemacht hat! Freundin Suserl kennt sogar »die andere
Seite der Medaille« insofern, als dass sie eine Frau kennt, die ihrem
Ehemann Ohrfeigen gibt! Und eine Frau, die bis weit über Mitternacht
in Wirtshäusern hockt, während ihr Mann daheim den Schlaf
der unmündigen Kindlein betreut, die kennt sie natürlich auch.
Weist man Freundin Suserl darauf hin, dass sie uns da
bloß von den Ausnahmen erzählt, ertönt wieder ihr allerliebstes
»Aber!«. Hinter diesem »Aber!« folgt jedoch keine weitere Erläuterung
mehr. So blöd ist Suserl wieder nicht, dass sie ehrlich verkünden
würde: »Es ist schön, wenn ich was daherplappere und
alle Männer nicken mir begeistert zu!«
Der Jammer mit der Ehrung
Frau Meier ist eine moderne Frau, mit wachem Verstand, Verkitschtem,
Verlogenem abhold, Gefühlsduselei und Schönfärberei
mag sie nicht. So schätzte sie auch den Muttertag nie, fand ihn
verlogen, verkitscht, Realität schönfärbend! Sooft die Rede auf
ihn kam, sprach sie funkelnden Auges: »Ja, ja, 364 Tage im
Jahr grobe Vernachlässigung, am 365. Ehrentag zum Ausgleich!
Damit's nachher wieder im alten Trott weitergehen kann!«
Schon als junges Mädchen pflegte sie diesbezüglich zu sagen,
dass sie dereinst, falls einmal Mutter, nie den lächerlichen Ehrentag
begehen werde, ersatzlos streichen werde sie ihn! Nun ist
Frau Meier seit geraumer Zeit Mutter und feiert den Muttertag.
Zähneknirschend am Anfang, später nur noch leise seufzend,
jetzt abgeklärt lächelnd. Das hat sich halt so ergeben.
Was soll man denn tun, wenn Knirpse mit glänzenden Kulleraugen
vom Kindergarten kommen und aufgeregt mitteilen,
dass sie ein Geheimnis haben, ein wunderschönes, dass sie das
nicht verraten dürfen, dass es die Mami erst am Sonntag erfahren
und sich dann riesig freuen wird!
Da kann man nicht sagen: »Ich ahne, ihr habt ein Muttertagsgeschenk
gebastelt, aber darauflege ich keinen Wert.«
Und wenn die Knirpse am Muttertagsmorgen beim Bett
stehen, der eine mit einem Tonfladen, darin »zur ewigen Erinnerung
« der Abdruck seiner Patschhand, der andere mit einem
getupften Joghurtbecher, angeblich geeignet, Ohrklippse oder
Knoblauch darin aufzubewahren, muss man doch beglückt
»Danke« stammeln. Und wenn die Knirpse größer sind und in
der Schule ein Gedicht lernen, in dem sich Mütterlein auf Sonnenschein
und Herz auf Schmerz reimt, kann man ihnen auch
nicht verwehren, das mühsam Erlernte aufzusagen.
Außerdem hat Frau Meier nicht nur Kinder, sie hat auch eine
Mutter. Und die will einen gefeierten Muttertag! Und wenn Frau
Meier bei sich daheim den Muttertag abschaffen würde, würde
sie es ihrer Mutter zeigen, dass sie diesen Tag nicht mag. Und die
Mutter würde das als Rüge ihres eigenen Bedürfnisses nach Ehrung
auffassen und wäre gekränkt. Und kränken will Frau Meier
ihre Mutter wahrlich nicht.
Was Frau Meier allerdings nicht weiß, ist, dass sich ihre Mutter
seinerzeit auch erst mühsam an den Muttertag gewöhnte. Durch
eine kleine Tochter, die mit rosa Papierherz, Vergissmeinnicht-
Sträußlein und Verslein darauf bestand, die Mutter zu ehren.
... wie man sich fühlt
Zu den Spruchweisheiten, die einem ab einem gewissen Alter regelmäßig
serviert werden, gehört zweifelsohne: »Der Mensch ist
nicht so alt, wie in seinem Taufschein steht, er ist so alt, wie er
sich fühlt.«
Sicher, sicher, da ist schon allerhand Wahres dran, aber wie
sich der Mensch fühlt, hängt halt leider gewaltig davon ab, wie
man mit ihm umgeht.
Da fühlt sich zum Beispiel eine Mutter gerade »unerhört
blutjung«. Und dann geht sie mit ihrer tatsächlich unerhört blutjungen
Tochter spazieren und muss zur Kenntnis nehmen, dass
sämtliche bewundernden Blicke von entgegenkommenden Männern
nicht ihr gelten, sondern ihrem Töchterlein. Nach Beendigung
des Spazierganges wird bei der armen Frau das schöne Gefühl
des »Blutjungseins« wohl erheblich dahingeschmolzen sein.
Und wenn ein gnadenloser Ehemann seiner fünfzigjährigen
Ehefrau, die sich »wie dreißig« fühlt, mehr oder minder zart andeutet,
dass eine verwegene Lockenpracht in Burgunderrot nicht
zu »einer Frau im Oma-Alter« passe, gleicht sich bei der gerügten
Fünfzigerin das Gefühls-Alter ziemlich schnell dem Taufschein-
Alter an. Umgekehrt funktioniert es freilich auch. Da ist eine
vierzigjährige Frau, die hadert seit Tagen mit sich, sooft sie in
den Spiegel schaut. Alt, uralt kommt sie sich vor, wenn sie - was
sie dreimal täglich tut - ihre beginnenden Fältchen im Vergrößerungsspiegel
mustert. Wie hundert und ein bisschen drüber!
Und dann geht sie eines Tages mit vergrämtem Sichelmund aus
dem Haus, und vor der Haustür trifft sie eine Bekannte, die sie
seit Jahren nicht gesehen hat, und die ruft aus: »Gut schauen Sie
aus, gar nicht verändert haben Sie sich! Toll, wie Sie sich halten!«
Und nach Beendigung des kleinen Gesprächs geht die Frau weiter,
und an der Straßenecke stößt bei ihrem Anblick ein junger
Mann, der Kartons aus einem Lkw ablädt, einen anerkennenden
Pfiff aus. Und wie die Frau in ein Geschäft kommt, hält ihr ein
Herr in besten Jahren die Tür auf und sagt: »Nach Ihnen, schöne
Frau!« Heimgekehrt, fühlt sich die Dame sicher nimmer wie hundert
und ein bisschen drüber.
Bitter an der Sache ist nur, dass es jede Menge Leute gibt,
die einem beibringen, sich nicht jünger als im Taufschein vermerkt
zu fühlen, aber die Menschen aussterben, die aufbauende
Komplimente parat haben. Ob das daran liegt, dass die Menschen
immer grantiger werden, oder daran, dass sie immer ehrlicher
werden, ist Ansichtssache.
Was kränkt, macht krank
Ich kenne eine Dame, die löst seit drei Jahrzehnten sämtliche
ihrer ehelichen Konflikte mit der simplen Methode: Was mich
kränkt, macht mich krank. Hat diese Dame am Verhalten ihres
Ehemanns etwas auszusetzen, erkrankt sie blitzschnell, wobei
sich die Sorte ihres Blitzleidens aus dem Delikt ergibt, welches
der Ehemann begangen hat: Linksseitige Migräne bei den kleineren,
Magenschmerzen bei den mittleren, Herzbeschwerden bei
den ganz großen, ungeheuerlichen Vergehen.
Um mit der Methode Erfolg zu haben, bedarf es natürlich
eines Ehemanns, der sich auch nach drei Jahrzehnten immer noch
von den Blitzerkrankungen der Frau Gemahlin tief beeindrucken
lässt; aber solche Ehemänner sind gar nicht so rar, wie man annehmen
sollte. Und dass sie sich so einfühlsam verhalten, hat
wohl weniger mit riesengroßer Liebe zu tun als mit riesengroßer
Ratlosigkeit.
Was soll man denn, so man nicht an Trennung denken will,
auch dagegen tun, wenn der Partner Krankheit als Waffe in Konfliktfällen
einsetzt? Meine blitzkränkliche Dame etwa schwindelt
ihre Beschwerden ja nicht einfach vor. Sie spürt den Druck im
Magen, das Pochen hinter der Stirn, das Stechen in der Brust ja
wirklich!
Und da kommt es dann echt nicht darauf an, ob die Fachärzte
ihr Herz und ihren Magen für pumperlgesund halten. Und
bei Migräne ist ein »Befund« sowieso nicht möglich.
Und zudem tut die Dame ja nichts anderes, als ihrem Ehemann
mitzuteilen, dass sie unter seinem Verhalten fürchterlich
leidet. Sie schreit es ihm bloß nicht ins Gesicht, sondern stellt es
stumm leidend dar, mit der Hand an der Stirn, am Magen oder
auf der linken Brustseite.
So war diese Dame übrigens schon im Volksschulalter. Wenn
wir im Hinterhof spielten und sie ihren Willen gegen die anderen
Kinder nicht durchsetzen konnte, hockte sie sich auf den Hack-
stock, griff sich mit beiden Patschhänden an den Kopf, verzog
das Gesicht und teilte uns mit, dass sie »Kopfi-wehweh« habe.
Bloß, bei uns wirkte das halt nicht. Und bei ihren ersten drei
»Lieben« wirkte es auch nicht, die zerbrachen.
Erst ihre vierte »Liebe«, ihr nunmehriger Ehemann, stieg
willig darauf ein. Der war nämlich bereits tadellos trainiert. Von
klein auf! Seine Frau Mutter war ebenfalls eine große Meisterin
im Kränkungs-Erkranken. Sie bekam bei allfälligem Bedarf
Erstickungsanfälle mit rasantem Gliederzucken, die bei gröberen
Vergehen des Sohnes in Ohnmachtsanfälle ausarteten, welche des
Notarztes und eines Rettungswagens bedurften. Und so gesehen
hat er es sich durch die Heirat ja enorm »verbessert«.
Die Freunde bleiben dem Ex?
Da in Österreich jede dritte Ehe geschieden wird, haben klarerweise
die meisten Leute unter ihren Freunden und Bekannten etliche
»Scheidungsfälle«. Erstaunlicherweise scheint aber der »gesellschaftliche
Umgang« mit Geschiedenen für viele Leute noch immer
ein Problem zu sein. Vor allem geschiedene Frauen erzählen, dass sie
sich nach der Trennung vom Partner auch vom gemeinsamen Freundes-
und Bekanntenkreis geschieden und allein gelassen fühlen.
Aus der Sicht dieser Frauen sieht das so aus: Knapp vor und
knapp nach der Scheidung kann die Frau mit Aufmerksamkeit
und Anteilnahme rechnen; möglicherweise verbirgt sich unter
dieser Zuwendung ja blanke Neugier, aber jedenfalls kümmert
sich der Freundes-und Bekanntenkreis um die Frau, ruft an,
trifft sich mit ihr, hört ihr zu, wenn sie von ihrem Seelenzustand
und ihren neuen Lebensproblemen berichtet.
Doch bald danach bleiben die Einladungen der Freunde
und guten Bekannten aus, ihre Besuche auch, die Anrufe werden
spärlicher, schließlich wechseln sie gerade noch, wenn sie
der Frau zufällig auf der Straße begegnen, ein paar nichts sagende
Floskeln mit ihr. Meistens mit dem vagen Schlusssatz: »Wir
müssen uns unbedingt wieder einmal treffen, ich ruf dich demnächst
an!« Aber der Anruf kommt dann doch nicht, und nimmt
sich die geschiedene Frau ein Herz und ruft selbst an, kommt
auch kein Treffen zustande, sondern wieder nur Vertröstung auf
»demnächst«, weil die Freunde und Bekannten im Moment gerade
so viel um die Ohren haben und jeden Tag »besetzt« sind. Sie
hört wieder: »... ich ruf dich an!«
Der bittere Schluss der Frauen, denen es so erging, lautet:
Als Geschiedene bin ich bloß in raren Einzelfällen willkommen,
ansonsten sind mir nur die Freunde und Bekannten geblieben,
die ich »extra und allein« hatte, mit denen mein Ex-Gemahl nie
befreundet gewesen ist. Alle anderen Leute, die wir gemeinsam
kennen und schätzen lernten, wurden nach der Scheidung zu
»seinen« Freunden, die mit mir nichts mehr zu tun haben wollen.
Ist das generell so? Vielleicht wimmelt ja mein Bekanntenkreis
vor lauter Ausnahmen mit böser Erfahrung.
Liebe Leserinnen und Leser, überdenken Sie einmal Ihr
»Kontingent an Geschiedenen«, rechnen Sie nach, wie oft Sie
die Frauen der Ex-Paare seither einluden, anriefen, besuchten.
Falls Sie merken sollten, dass der Kontakt tatsächlich »merkwürdigerweise
und ohne böse Absicht« abgebrochen ist, dann
nichts wie ans Telefon; auch jahrelang unterbrochener Kontakt
ist wieder herzustellen, geänderte Telefonnummern lassen sich
bei der Auskunft erfragen.
© Residenz Verlag
... weniger
Autoren-Porträt von Christine Nöstlinger
Christine Nöstlinger, geboren 1936 in Wien, lebt als freie Schriftstellerin abwechselnd in ihrer Geburtsstadt und im Waldviertel. Sie schreibt Kinder- und Jugendbücher und ist für Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen tätig. Christine Nöstlinger erhielt für ihr Werk die "Hans-Christian-Andersen-Medaille", den "Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis", 2011 den "Lifetime Award", den "Ehrenpreis Corine 2011" sowie das "Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich".
Bibliographische Angaben
- Autor: Christine Nöstlinger
- 2016, 900 Seiten, Maße: 15,1 x 23,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Residenz
- ISBN-10: 3701734062
- ISBN-13: 9783701734061
- Erscheinungsdatum: 06.09.2016
Kommentar zu "Best of Nöstlinger, 3 Bde."
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