Biokapital
Die Versöhnung von Ökonomie, Natur und Menschlichkeit
Die Menschheit bedrückt eine Verkettung kaum lösbarer Probleme: der Verlust von klimatischer Stabilität und natürlicher Vielfalt; die Globalisierung und der Abgrund zwischen Arm und Reich - aber auch die Rastlosigkeit, Hektik und...
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Produktinformationen zu „Biokapital “
Die Menschheit bedrückt eine Verkettung kaum lösbarer Probleme: der Verlust von klimatischer Stabilität und natürlicher Vielfalt; die Globalisierung und der Abgrund zwischen Arm und Reich - aber auch die Rastlosigkeit, Hektik und Sinnleere, unter denen gerade Bewohner wohlhabender Regionen leiden. Für Andreas Weber sind all diese Probleme auf eine einzige Ursache zurückzuführen: auf eine Wirtschaftsreligion, die alles dem Wachstum unterordnet und deren Grundgedanken in einem falschen Bild vom Leben und einer falschen Idee vom Menschen wurzeln. Boomender Wohlstand allein macht nicht glücklicher - Menschen begehren nicht nur Güter, sondern Zufriedenheit und Glück in der Gemeinschaft. Und weder in der Natur noch in der menschlichen Biologie ist ein ungebremster Wettkampf aller gegen alle die treibende Kraft. Weber beschreibt und fordert deshalb eine neue, ,ökologische Ökonomie', die mit der Natur wirtschaftet - nicht gegen sie. Gesundheit, seelische Zufriedenheit, ökologisches Gedeihen und eine dauerhafte, gerechte und auf die Zukunft hin angelegte Wirtschaft sind nach seiner Überzeugung überhaupt nur gemeinsam möglich - darin liegt der wahre Fortschritt. In seinem anschaulichen und klugen Buch stellt Weber Pioniere der realen Nachhaltigkeitswende vor, etwa den Ökonomen Robert Costanza, der als Erster den Gesamtwert aller Dienstleistungen des Planeten berechnet hat. Und er besucht Vorbild- Orte wie die Kleinstadt Varese in den ligurischen Bergen und ein verstecktes Alpental, die beide auf überschaubare Kreislaufwirtschaft setzen, mit grüner Wirtschaft hohe Renditen verzeichnen und überdurchschnittlich glücklichen Menschen Heimat sind.
Klappentext zu „Biokapital “
Die Menschheit bedrückt eine Verkettung kaum lösbarer Probleme: der Verlust von klimatischer Stabilität und natürlicher Vielfalt; die Globalisierung und der Abgrund zwischen Arm und Reich - aber auch die Rastlosigkeit, Hektik und Sinnleere, unter denen gerade Bewohner wohlhabender Regionen leiden. Für Andreas Weber sind all diese Probleme auf eine einzige Ursache zurückzuführen: auf eine Wirtschaftsreligion, die alles dem Wachstum unterordnet und deren Grundgedanken in einem falschen Bild vom Leben und einer falschen Idee vom Menschen wurzeln. Boomender Wohlstand allein macht nicht glücklicher - Menschen begehren nicht nur Güter, sondern Zufriedenheit und Glück in der Gemeinschaft. Und weder in der Natur noch in der menschlichen Biologie ist ein ungebremster Wettkampf aller gegen alle die treibende Kraft. Weber beschreibt und fordert deshalb eine neue, ,ökologische Ökonomie , die mit der Natur wirtschaftet - nicht gegen sie. Gesundheit, seelische Zufriedenheit, ökologisches Gedeihen und eine dauerhafte, gerechte und auf die Zukunft hin angelegte Wirtschaft sind nach seiner Überzeugung überhaupt nur gemeinsam möglich - darin liegt der wahre Fortschritt. In seinem anschaulichen und klugen Buch stellt Weber Pioniere der realen Nachhaltigkeitswende vor, etwa den Ökonomen Robert Costanza, der als Erster den Gesamtwert aller Dienstleistungen des Planeten berechnet hat. Und er besucht Vorbild- Orte wie die Kleinstadt Varese in den ligurischen Bergen und ein verstecktes Alpental, die beide auf überschaubare Kreislaufwirtschaft setzen, mit grüner Wirtschaft hohe Renditen verzeichnen und überdurchschnittlich glücklichen Menschen Heimat sind.
Die Menschheit bedrückt eine Verkettung kaum lösbarer Probleme: der Verlust von klimatischer Stabilität und natürlicher Vielfalt; die Globalisierung und der Abgrund zwischen Arm und Reich - aber auch die Rastlosigkeit, Hektik und Sinnleere, unter denen gerade Bewohner wohlhabender Regionen leiden. Für Andreas Weber sind all diese Probleme auf eine einzige Ursache zurückzuführen: auf eine Wirtschaftsreligion, die alles dem Wachstum unterordnet und deren Grundgedanken in einem falschen Bild vom Leben und einer falschen Idee vom Menschen wurzeln. Boomender Wohlstand allein macht nicht glücklicher - Menschen begehren nicht nur Güter, sondern Zufriedenheit und Glück in der Gemeinschaft. Und weder in der Natur noch in der menschlichen Biologie ist ein ungebremster Wettkampf aller gegen alle die treibende Kraft. Weber beschreibt und fordert deshalb eine neue, ,ökologische Ökonomie', die mit der Natur wirtschaftet - nicht gegen sie. Gesundheit, seelische Zufriedenheit, ökologisches Gedeihen und eine dauerhafte, gerechte und auf die Zukunft hin angelegte Wirtschaft sind nach seiner Überzeugung überhaupt nur gemeinsam möglich - darin liegt der wahre Fortschritt. In seinem anschaulichen und klugen Buch stellt Weber Pioniere der realen Nachhaltigkeitswende vor, etwa den Ökonomen Robert Costanza, der als Erster den Gesamtwert aller Dienstleistungen des Planeten berechnet hat. Und er besucht Vorbild- Orte wie die Kleinstadt Varese in den ligurischen Bergen und ein verstecktes Alpental, die beide auf überschaubare Kreislaufwirtschaft setzen, mit grüner Wirtschaft hohe Renditen verzeichnen und überdurchschnittlich glücklichen Menschen Heimat sind.
Lese-Probe zu „Biokapital “
Biokapital von Andreas Weber
LESEPROBE
VORWORT: DER KAISER IST NACKT
»Zum ersten Mal hängt das physische Überleben der Menschheit von einer radikalen seelischen Veränderung des Menschen ab. Dieser Wandel im ›Herzen‹ des Menschen ist jedoch nur in dem Maße möglich, wie drastische ökonomische Veränderungen eintreten, die ihm die Chance geben, sich zu wandeln, und den Mut und die Vorstellungskraft, die er braucht, um diese Veränderung zu erreichen. «
Erich Fromm
Wir sind heute in einer ähnlichen Situation wie die Menschen im Mittelalter: Wir halten unsere Sicht der Wirklichkeit für unerschütterlich – aber es ist nicht die Wirklichkeit, die wir sehen. Um das Jahr 1300 hätte ein Mensch, der das Adelssystem für einen Irrtum, das kirchliche Erlösungsversprechen für Heuchelei und die Idee, die Sonne kreise um die Erde, für Unsinn erklärt hätte, so gut wie niemanden gefunden, der seine Meinung geteilt hätte. Und er hätte um sein Leben bangen müssen.
Heute mag sich das lächerlich anhören. Und doch glaubt auch unsere Gesellschaft an Dinge, die erwiesenermaßen falsch sind. Sie macht diesen Glauben zur Grundlage ihres Menschenbildes und ihrer ökonomischen Rechenweise. Unser aller Wohl hängt von einer Lüge ab. Wirft man einen Blick auf den Planeten, auf die täglich schwindenden Hunderte von Arten, auf die Hungerrekorde, auf die in den reichsten Ländern grassierende Unzufriedenheit und Verwahrlosung, so wird klar, dass aus dieser Lüge, unserer Lebenslüge, keine Wahrheit folgen kann.
Nicht der Kapitalismus allein garantiert unseren Wohlstand. Im Gegenteil: Der entfesselte Markt ist zu einer wirtschaftlichen Zeitbombe geworden. Ökonomen sehen heute, dass unser Weltbild an sein Ende gekommen ist, weil unsere Welt an ihr Ende zu
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kommen droht. Dieses Ende ist nicht mehr die düstere Prophezeiung notorisch schwarzsehender Ökos. Es ist eine Realität, die alle Menschen spüren, und nicht zuletzt die Wirtschaft. Es ist die Wirklichkeit, die sich in unerwarteten Dürren im mitteleuropäischen Frühjahr, in australischen Wassernotständen, in Tornados über Hamburg und im ausdörrenden blutigen Darfur manifestiert. Es ist die Wirklichkeit, die sich im Ende des Öls zeigt, das ausschließlich und allein unsere Wirtschaft treibt. Ohne Öl, das die Schiffe voranschiebt und somit 95 Prozent des Welthandels ermöglicht, ist die Globalisierung sofort vorbei.
Die schlechte Nachricht ist: Wir können so nicht weiterleben. Ändern wir unser Verhalten nicht, so werden wir von außen dazu gezwungen sein. Mit dem Benzinpreis fängt es an. Viele Zweitwagenbesitzer lassen ihr Fahrzeug bereits stehen. Die gute Nachricht aber lautet: Das, was wir ändern müssen, wollten wir sowieso schon immer verbessern. Die Auswüchse mancher Irrtümer, die Inhumanität, die Gier, die lebensfeindliche Effizienz wollten wir schon lange aus unseren Gesellschaften vertreiben. Wir wussten nur nicht, wie.
Die Ökonomen sagten uns, die Unmenschlichkeit sei die Bedingung dafür, dass wir wirtschaftlichen Reichtum erarbeiten könnten und so endlich aller unserer Lasten ledig würden. Aber das ist nicht wahr. Wir können unsere Marktwirtschaft schon heute so verwandeln, dass sie der Natur hilft und uns zufriedener macht. Der Weg zu einer glücklicheren Gesellschaft heißt nicht Buße und Verzicht – sondern ein Hin zur wahren Menschlichkeit. Das ist das Thema dieses Buches.
1 GLÜCK ALS KAPITAL
»Die Geschichte westlichen Denkens seit der Aufklärung ist durch eine utopische Vision nach der anderen gekennzeichnet. Jede findet an ihrem Vorläufer etwas auszusetzen, verspricht dann aber ihrerseits die Aussicht auf einen anderen, wahreren – wissenschaftlicheren – Pfad zum Himmel auf Erden.«
Robert Nelson3
IN ZEITEN DES VON ALLEN SPÜRBAREN KLIMAWANDELS machen viele Menschen eine erstaunliche Entdeckung: Die Frage, was unserer Wirtschaft hilft und die Frage, was der Natur gut tut, stehen nicht länger auf zwei getrennten Blättern. Zum ersten Mal in der Geschichte der Neuzeit zeichnet sich ab: Nur Verhaltensweisen, die unsere Natur bewahren, werden langfristig überhaupt noch Wirtschaften ermöglichen. Ohne die Natur lässt sich nicht wirtschaften, nur in ihr.
Wir erkennen, dass zwischen ökologischer Krise, struktureller Arbeitslosigkeit und auch dem individuell empfundenen Mangel an Lebenserfüllung ein tieferer Zusammenhang besteht. Wirtschaftswachstum und größeres Lebensglück, Mehr und Besser gehen längst nicht mehr Hand in Hand. Im Gegenteil: Die Menschen haben sich mit ihrem Streben nach dem besseren Leben an den Rand des schlechten gebracht – und vielerorts ist die Lebensqualität de facto schon seit geraumer Zeit am Sinken. Wir haben heute die Schwelle der beginnenden Klimakatastrophe überschritten.
Diese Situation aber markiert einen Wendepunkt. Wir stehen zugleich am Beginn einer neuen Denkweise, am Beginn einer ökologischen Ökonomie. Heute zeigt sich, dass sich nur gemeinsam mit einer funktionierenden Natur wirtschaften lässt – und nicht gegen sie. Die ökologische Ökonomie löst jene Trennung zwischen Natur und Markt wieder auf, die den Erfolg – und die Zerstörungskraft – unseres Wirtschaftsdenkens ermöglicht hat.
Die Wirtschaft ist gar nicht der Feind der Natur. Deren Feind ist nur die falsche Wirtschaft, die kurzsichtige, dogmatische, lebensfremde Wirtschaft mit ihrem Modell vom gefühllosen Homo oeconomicus, der in kalter Rationalität und totaler Kenntnis aller Details seinen Nutzen beständig weiter maximieren will. Leider hat dieses Zerrbild die letzten 200 Jahre ökonomischen Handelns dominiert und den Menschen an den planetarischen Abgrund geführt.
Natürlich warnen Kritiker seit mehr als fünfzig Jahren, dass unsere Lebensweise moralisch und ökologisch falsch sei. Aber nun erkennen wir, dass sie auch nach den Maßstäben ihrer Befürworter ein Verlustgeschäft ist. Insofern ist die Erkenntnis heute eine andere als die wirtschaftsfeindliche Haltung der ersten Öko-Bewegung der 1970er und 1980er Jahre, die ja auch nie in den ökonomischen Kern der Gesellschaft vorzustoßen verstand.
Zugespitzt müssen wir fordern: Wir brauchen nicht weniger Wirtschaftsbewusstsein im Denken, sondern mehr. Wir müssen das ökonomische Kalkül nicht aus unseren Gefühlen heraushalten, sondern umgekehrt: endlich die fühlende, schöpferische Produktivität des Lebendigen zum Maßstab des ökonomischen Kalküls machen.
Dieses neue Denken will ich auf den folgenden Seiten beschreiben. Ich will Orte schildern, an denen es bereits Früchte trägt, Visionäre vorstellen, die es entwickeln, und Möglichkeiten zu einem neuen, sinnerfüllten Leben ausloten, die es enthält. Dieses Buch ist ein Versuch, über das tiefere Verhältnis des Menschen zur Natur nachzudenken, ein Buch über die Einheit der ökonomischen und ökologischen Kreisläufe. Es ist ein entschiedenes Plädoyer dafür, dass wir diese Einheit wiederfinden müssen, wenn wir auf der Welt nicht nur überleben, sondern dabei auch unser inneres Gleichgewicht wiedererlangen wollen.
Es geht nicht länger darum, Natur und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Mit der Rettung der Natur soll nicht ein schöner Traum realisiert werden, eine unerreichbare Utopie. Vielmehr geht es um eine fundamentale Umkehrung unseres auf kurzfristige Effizienz gepolten Denkens. Wir müssen begreifen, dass es die auf ungezügelten Fortschritt setzende und sich unausgesetzt vergrößernde Weltwirtschaft ist, die einer Utopie folgt. Wir erkennen heute, dass ein immerwährend gesteigertes Wirtschaftswachstum nicht nur ökologisch schädlich ist – es ist schlichtweg ökonomisch falsch. Es klingt paradox: Die Wirtschaft darf gar nicht ins Unermessliche wachsen, damit es den Menschen besser geht. Was wieder wachsen muss, ist die Gesundheit der Biosphäre und die seelische Gesundheit der Menschen.
Dieses Buch soll diese revolutionäre und existentielle neue Wirtschaft skizzieren. Es soll – im Wechsel von anschaulicher Reportage und analytischem Argument – zeigen, dass eine humane Wirtschaft eine natürliche Wirtschaft ist, die mit den Ökosystemen arbeitet. Die gequälte Erde, aber auch die hunderte Millionen armer, unterernährter, allem Lebenssinn beraubter Menschen in den ärmsten wie in den reichsten Ländern brauchen einen ökologischen New Deal (Thomas Friedman). Eine ökologische Ökonomie vermag unsere Wirtschaft mit den Lebenssystemen der Erde zu versöhnen – und unser Bild von uns selbst mit den anderen Geschöpfen.
Kapital des Lebens: Die Dienste der Biosphäre
DIE VORHERRSCHENDE WIRTSCHAFTSAUFFASSUNG BEHARRT darauf, dass sie eine erschöpfende Beschreibung des Menschen gefunden hat, ein allgemeingültiges Modell, das unser Zusammenleben reguliert. Menschen sind in dieser Sichtweise mathematisch beschreibbare Partikel, gleichsam Atome, die nur einem Streben folgen: ihren Nutzen zu maximieren. Im Grunde hat unser Wirtschaftsdenken die Frage nach Sinn, nach Glück und nach Werten der Existenz ausgeklammert – genauso wie die Frage nach unserem Zusammenhang mit der übrigen lebenden Natur. Diese beiden Probleme gehören aber zusammen.
Lange Zeit haben Ökonomen die Natur – die Biogeosphäre – als eine außerhalb des Marktes liegende Ressource betrachtet. Natur kommt bis heute in Marktbilanzen kaum vor. Die Pioniere der ökonomischen Theorie im 19. Jahrhundert haben ihre damals neue Wissenschaft am Vorbild der Physik Newtons geformt, an einem starren System objektiver Gesetzmäßigkeiten. Sie haben dabei den Markt, das heißt die gesamte Welt menschlichen Wirtschaftens, gleichsam als black box konzipiert, in die Stoffe hineinfließen und aus der Abfälle herauslaufen.
Diese Sicht liegt dem Wirtschaftsdenken bis heute zugrunde. Doch der Markt ist ein offenes System in einem anderen, größeren System: der Erde. In diese wird nur eine Sache »kostenlos « eingespeist, nämlich die Sonnenenergie, die alle Lebensvorgänge treibt. Alle anderen Verwandlungen von Stoffen, alle Abfälle aber bleiben im System erhalten. All seine Ressourcen, all seine Pufferkapazitäten sind real und endlich.
Ökonomen haben nicht gesehen, dass die Natur und ihre kostenlos erbrachten Dienste – Nahrung, Trinkwasser, Stoffkreisläufe, Biomasse, ein gedeihliches Klima, Stabilität durch Artenvielfalt – nicht eine ökonomische Ressource unter anderen sind, sondern dass sie überhaupt erst die Grundlage aller Wirtschaftsprozesse bilden. Fossile Brennstoffe, denen allein die Bewohner der Industrieländer die gigantische Steigerung ihres Lebensstandards verdanken, sind die über Jahrmillionen gespeicherten Leistungen vergangener Lebewesen und Ökosysteme. Trinkwasser ist das Produkt eines komplexen atmosphärischen Kreislaufs von Verdunsten, Kondensieren und Versickern, der alle Landflächen und die Ozeane umfasst und in dem etwa die Regenwälder eine essentielle Rolle spielen. Dass überhaupt stabile klimatische Verhältnisse herrsch(t)en, ist einem komplexen, selbstorganisierenden atmosphärischen System zu verdanken, das vornehmlich von Lebewesen – Pflanzen produzieren Sauerstoff, Tiere CO2 – hervorgebracht wird.
Das Wachstum der Wirtschaft in den vergangenen Jahrhunderten und besonders in den letzten Jahrzehnten wurde zu großen Teilen durch den Ausverkauf dieser kostenlos angebotenen Lebensleistungen finanziert. Ihre Verluste haben sich bislang in keiner Bilanz niedergeschlagen, aber die Kosten kommen auf uns zu – und große Rückversicherer haben bereits ihre Volumina berechnet. Fast könnte man sagen: Die eigentliche Fehlentwicklung war es, dass überhaupt zwei verschiedene Wissenschaften des Haushaltens erfunden wurden. Ökologie und Ökonomie haben einander zu lange ignoriert. Es ist Zeit, beide in einer gemeinsamen Weisheit des »Lebenshaushaltes« zu vereinen.
Stetiges Wachstum ist nicht bloß schädlich, sondern falsch
DAS QUANTITATIVE WACHSTUM DES BRUTTOINLANDSPRODUKTS galt bisher als einziger Weg zum Wohlergehen – sozusagen als Synonym für Glück. Hatte der schottische Moralphilosoph Adam Smith nicht vor 200 Jahren prophezeit, dass allein die ungebremste Marktwirtschaft, das heißt ein Prozess, in dem jeder Einzelne seinen größtmöglichen ökonomischen Vorteil verfolgt, mit »unsichtbarer Hand« den Wohlstand aller steigern würde? Und hat Smith nicht recht behalten, wenn man sich den Aufstieg des Westens zu nie da gewesenem Reichtum anschaut? Hat die freie Marktwirtschaft nicht endgültig und für alle Zeiten ihren Sieg bewiesen, als sie Ende der 1980er Jahre das fast ein Jahrhundert lang konkurrierende Wirtschaftsmodell des Kommunismus in die Knie zwang?
Heute droht sich der Triumph des Westens als Pyrrhussieg zu entlarven. Die Idee des Marktes, wie sie Adam Smith zum ersten Mal entwickelte und wie sie die klassischen Ökonomen des 19. Jahrhunderts weiter ausarbeiteten, beruht auf stetigem Wachstum. Die Handelnden müssen ihren Profit vermehren, damit dieser neuen Investitionen zur Verfügung stehen kann. Überschüsse haben zu steigen, damit die Zinsen bedient werden können. Doch heute erkennen wir – und spüren es auch körperlich an einem bereits jetzt rapide umschlagenden Erdklima und einem in der Erdgeschichte nahezu beispiellosen Aussterben von Arten –, dass immerwährendes Wachstum unmöglich ist. Natürlich können getrennte Zweige der Biosphäre – einzelne Industrien, einzelne Länder – auf Kosten des Gesamtsystems größer werden. Aber das Ganze kann es nicht.
Die Vorstellung der Ökonomen, wonach der Wohlstand von demnächst sieben Milliarden Menschen allein von der »unsichtbaren Hand« des globalen Marktes herbeigezaubert werden könne, ist demnach eine physikalische Unmöglichkeit. Wirtschaftliches Wachstum mit diesem Ziel ist zum Scheitern verurteilt, weil die Lebenserhaltungssysteme des Planeten schon jetzt aus den Fugen geraten. Sie werden es nicht überleben, wenn acht Milliarden Menschen ein Auto fahren und ein Einzelhaus bewohnen. Die Vorstellung vom numerischen Wachstum hat sich damit als das universelle Heilmittel, als das sie die Ökonomen ansahen, überholt. Heute zeigt sie ihr wahres Gesicht: das eines gefährlichen Strudels, in dem die Natur – und ein maßvolles Selbstbild des Menschen – unterzugehen drohen.
»Mehr« ist nicht länger »Besser«
DAS WIRTSCHAFTSWACHSTUM KOMMT ZUDEM IMMER weniger Menschen zugute. Die 500 größten Firmen kontrollieren heute 70 Prozent des Welthandels. 350 Menschen auf der Erde besit- zen die Hälfte allen Reichtums, während große Teile der Weltbevölkerung mit weniger als zwei Euro pro Tag auskommen müssen. Doch das Wohlergehen selbst der Menschen, die immer reicher werden, steigt nicht etwa, sondern sinkt. Seit den 1950er Jahren regelmäßig in den USA durchgeführte Umfragen zeigen, dass die Amerikaner heute signifikant weniger glücklich sind als vor einem halben Jahrhundert. Ihre Anfälligkeit für Depressionen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit jeder Generation um 1000 Prozent gesteigert.
Inzwischen haben Mediziner sogar ein neues Krankheitsbild definiert: NDS, das »Nature Deficiency Syndrome«. Es befällt vor allem Kinder, die nicht mehr draußen spielen, sondern meist vor dem Bildschirm leben – Hyperaktivität und Schwermut sind einige der Symptome, auf Wiesenboden zu stolpern ein anderes. Doch Ernüchterung bewirken nicht allein psychologische Befragungen, sondern auch wirtschaftliche Berechnungen: Legt man nicht das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab für den Wohlstand eines Volkes an, sondern ein Modell, das die Gesundheit der Natur und die Entfaltungsmöglichkeiten in einer Gesellschaft mit erfasst, so sind allein die Amerikaner zwischen 1951 und 1990 keinen Deut reicher geworden – sondern real ärmer.
Die Konsequenz daraus ist: Die Wachstumsphilosophie ist nicht nur jetzt nicht mehr angebracht. Sie ist generell nicht die adäquate Beschreibung unserer Rolle in der Welt. Der Vorrang der Wirtschaft vor allen anderen Belangen ist nicht nur schädlich – wie Ökologen seit dreißig Jahren behaupten. Er ist falsch. Unser bisheriges Verhalten ist nicht nur wirtschaftlich ungerecht – etwa gegenüber benachteiligten Völkern und gegenüber der Natur. Vielmehr wird klar: Was wir tun, folgt einer naiven Ideologie.
Die Neubewertung der Natur spielt darum eine Schlüsselrolle in allen zentralen Herausforderungen der Zukunft. Unser Wirtschaftssystem würde sich grundlegend wandeln, wenn wir den versteckten Bestandteil offenlegten, den Leistungen der Biosphäre in den Wirtschaftsbilanzen einnehmen. So etwa die Artenvielfalt mit ihren seelischen, medizinischen und technischen Ressourcen und ihrer Fähigkeit, Abfallstoffe der Industrie zu entsorgen. Würde man solche lebenswichtigen Leistungen der Natur wirtschaftlich bewerten, dann wären die meisten Entwicklungsländer auf einmal nicht mehr bettelarm – und sie hätten einen wirksamen Anreiz, ihre Naturressourcen zu bewahren. Bisher aber verbrauchen wir gerade die Naturleistungen der ärmsten Länder ebenso nahezu kostenlos wie die fossilen Brennstofflager.
Auch die Landwirtschaft, die bisher vielerorts in regelrechter Konkurrenz zur Natur steht, könnte einen entscheidenden Beitrag zu einer produktiven Wirtschaft leisten und zugleich für mehr Wohlergehen, mehr Zufriedenheit und mehr natürliche Vielfalt sorgen. Ökologische Produkte, die ohne Einsatz von Chemie und mit viel Handarbeit hergestellt werden, verbrauchen wenig fossile Treibstoffe und erzeugen kaum CO2. Zugleich aber lassen sich mit Bio-Produkten im Prinzip weit höhere Gewinne erzielen, weil der Bauer sie lokal vermarkten kann und dabei die Kette der Zwischenhändler einspart, die im internationalen Lebensmittelhandel oft mehr als 95 Prozent der Gewinne einstreichen. Es ist kaum fassbar, aber wahr: Wenn wir unseren gesamten Landbau auf ökologische Bewirtschaftung umstellten, würden wir reicher, nicht ärmer – und könnten zugleich kostenlos die natürliche Vielfalt wiederherstellen.
Diese Wende der Sichtweise würde armen Ländern helfen – aber auch Regionen, die hierzulande in Armut und Rückständigkeit zu versinken drohen, wie viele Gegenden der ostdeutschen Bundesländer. Eine ökologische Ökonomie, so zeigen jetzt schon viele praktische Erfolge, stellt das Rezept gegen wirtschaftliche Stagnation und Niedergang in ländlichen Regionen dar. Aber das Entscheidende ist: Diese Art, das Land zu behandeln, macht die Menschen nicht nur gesünder und wohlhabender, sondern auch glücklicher. Psychologische Studien auf bäuerlichen Wochenmärkten haben gezeigt, dass hier die Menschen zehnmal mehr miteinander sprechen als in Filialen der großen Verbraucherketten. Das ökologisch bebaute Land ist produktiver – vor allem aber ist es Heimat. Die immer wieder beschworene »Nachhaltigkeitswende « verlangt einen schonenderen Umgang mit dem übrigen Leben auf dem Planeten. Doch sie scheitert bislang an unserem Irrglauben, dass mit den dafür erforderlichen Änderungen unser Leben schlechter würde. Wir müssen aber sehen, dass es erfüllter, gesünder und humaner sein könnte.
Wirtschaft: der Haushalt fühlender Wesen
DIE ÖKOLOGISCHE ÖKONOMIE ENTDECKT DEN MENSCHEN als komplexes Natur- und Kulturwesen wieder. Damit stellt sie in Frage, was die Naturwissenschaften und die Ökonomie gleichermaßen seit 200 Jahren behaupten: Dass der Mensch – wie alle Wesen – ein seelenloser Automat sei, der einzig und allein den Gesetzen der egoistischen Gier und der effizienten Optimierung gehorche. Es ist bezeichnend, dass sowohl in der Biologie als auch in der Marktwirtschaft die gleiche darwinistische Sicht auf unser Leben dominiert: Wir sehen uns als stumme Rädchen in einem Existenzkampf seelenloser Partikel – seien es die Gene aus dem Denken des britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins oder die Marktteilnehmer in der Auffassung des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Milton Friedman.
Die Biologie, die selbst an der Schwelle zu einem Paradigmenwechsel steht, kann heute entscheidende Impulse für die neue Art eines »holistischen«, eines ganzheitlichen Wirtschaftens geben. Sie entdeckt, dass die Ideen mechanischer Objektivität und blinden Wettbewerbs nicht ihre großen Fragen lösen können. Solche Fragen sind etwa: Was ist ein Lebewesen und wie bildet es sich? Wie hängt die Biosphäre in sich zusammen? Was ist der Mensch und in welchem Verhältnis steht er zur Natur? Die Wissenschaft vom Haushalt des Lebendigen, die Ökologie, begreift zunehmend, dass nicht allein Effizienz und Auslese die Basis für den Erfolg des Lebens bilden, sondern ebenso Selbstorganisation und gegenseitige Hilfe. Ein Streben nach Zufriedenheit und Wohlergehen prägt das Handeln aller Organismen.
Ich habe diese Sichtweise in meinem letzten Buch Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften beschrieben. 4 Die dort entfaltete neue Wissenschaft vom Leben akzeptiert, dass Subjektivität und Schönheit, Werte und Wahrheit im Erreichen oder Verfehlen der Lebensziele untrennbar zum Charakter der Biosphäre gehören. Die Vorstellung der Ökonomen vom rein rationalen Akteur entspricht nicht der Realität in der Natur. Die Biologie entdeckt heute vielmehr das Fühlen als Zentrum einer neuen Sicht auf die Lebewesen. Eine ökonomische Theorie, die demgegenüber auf den veralteten Überzeugungen des 19. Jahrhunderts von blinden Gesetzen und Organismen als stummen und wertlosen Maschinen beharrt, ist der Wirklichkeit unangemessen. Sie kann nicht anders, als diese verkennen und zerstören. Genau das ist das Dilemma der Welt. Gesundheit, seelische Zufriedenheit, ökologisches Gedeihen und eine dauerhafte, gerechte und auf die Zukunft hin angelegte Ökonomie sind keine konkurrierenden Ziele, zwischen denen man sich entscheiden muss. Sie können nur Hand in Hand gehen. Denn das Problem des Lebens, allen Lebens, ist es immer, innerhalb einer grundsätzlichen Polarität zu vermitteln, die Gegensätze von Ordnung und Freiheit zu versöhnen. Eine neue ökologische Wirtschaft macht sich diesen Grundsatz, der zu Bescheidenheit, Maß und Realismus mahnt, zu eigen. Nur ein Haushalten, das diese immerwährende Dynamik anerkennt, kann den Menschen und seine Natur wieder mit der Biosphäre versöhnen und zu mehr Wohlergehen auf unserem umkämpften kleinen Planeten führen. Es kann die gesuchte Wende hin zur Nachhaltigkeit schaffen – nicht als Rückschritt, sondern als Zugewinn. Ein solches Wirtschaften wäre Weisheit.
© BV Berlin Verlag GmbH
Die schlechte Nachricht ist: Wir können so nicht weiterleben. Ändern wir unser Verhalten nicht, so werden wir von außen dazu gezwungen sein. Mit dem Benzinpreis fängt es an. Viele Zweitwagenbesitzer lassen ihr Fahrzeug bereits stehen. Die gute Nachricht aber lautet: Das, was wir ändern müssen, wollten wir sowieso schon immer verbessern. Die Auswüchse mancher Irrtümer, die Inhumanität, die Gier, die lebensfeindliche Effizienz wollten wir schon lange aus unseren Gesellschaften vertreiben. Wir wussten nur nicht, wie.
Die Ökonomen sagten uns, die Unmenschlichkeit sei die Bedingung dafür, dass wir wirtschaftlichen Reichtum erarbeiten könnten und so endlich aller unserer Lasten ledig würden. Aber das ist nicht wahr. Wir können unsere Marktwirtschaft schon heute so verwandeln, dass sie der Natur hilft und uns zufriedener macht. Der Weg zu einer glücklicheren Gesellschaft heißt nicht Buße und Verzicht – sondern ein Hin zur wahren Menschlichkeit. Das ist das Thema dieses Buches.
1 GLÜCK ALS KAPITAL
»Die Geschichte westlichen Denkens seit der Aufklärung ist durch eine utopische Vision nach der anderen gekennzeichnet. Jede findet an ihrem Vorläufer etwas auszusetzen, verspricht dann aber ihrerseits die Aussicht auf einen anderen, wahreren – wissenschaftlicheren – Pfad zum Himmel auf Erden.«
Robert Nelson3
IN ZEITEN DES VON ALLEN SPÜRBAREN KLIMAWANDELS machen viele Menschen eine erstaunliche Entdeckung: Die Frage, was unserer Wirtschaft hilft und die Frage, was der Natur gut tut, stehen nicht länger auf zwei getrennten Blättern. Zum ersten Mal in der Geschichte der Neuzeit zeichnet sich ab: Nur Verhaltensweisen, die unsere Natur bewahren, werden langfristig überhaupt noch Wirtschaften ermöglichen. Ohne die Natur lässt sich nicht wirtschaften, nur in ihr.
Wir erkennen, dass zwischen ökologischer Krise, struktureller Arbeitslosigkeit und auch dem individuell empfundenen Mangel an Lebenserfüllung ein tieferer Zusammenhang besteht. Wirtschaftswachstum und größeres Lebensglück, Mehr und Besser gehen längst nicht mehr Hand in Hand. Im Gegenteil: Die Menschen haben sich mit ihrem Streben nach dem besseren Leben an den Rand des schlechten gebracht – und vielerorts ist die Lebensqualität de facto schon seit geraumer Zeit am Sinken. Wir haben heute die Schwelle der beginnenden Klimakatastrophe überschritten.
Diese Situation aber markiert einen Wendepunkt. Wir stehen zugleich am Beginn einer neuen Denkweise, am Beginn einer ökologischen Ökonomie. Heute zeigt sich, dass sich nur gemeinsam mit einer funktionierenden Natur wirtschaften lässt – und nicht gegen sie. Die ökologische Ökonomie löst jene Trennung zwischen Natur und Markt wieder auf, die den Erfolg – und die Zerstörungskraft – unseres Wirtschaftsdenkens ermöglicht hat.
Die Wirtschaft ist gar nicht der Feind der Natur. Deren Feind ist nur die falsche Wirtschaft, die kurzsichtige, dogmatische, lebensfremde Wirtschaft mit ihrem Modell vom gefühllosen Homo oeconomicus, der in kalter Rationalität und totaler Kenntnis aller Details seinen Nutzen beständig weiter maximieren will. Leider hat dieses Zerrbild die letzten 200 Jahre ökonomischen Handelns dominiert und den Menschen an den planetarischen Abgrund geführt.
Natürlich warnen Kritiker seit mehr als fünfzig Jahren, dass unsere Lebensweise moralisch und ökologisch falsch sei. Aber nun erkennen wir, dass sie auch nach den Maßstäben ihrer Befürworter ein Verlustgeschäft ist. Insofern ist die Erkenntnis heute eine andere als die wirtschaftsfeindliche Haltung der ersten Öko-Bewegung der 1970er und 1980er Jahre, die ja auch nie in den ökonomischen Kern der Gesellschaft vorzustoßen verstand.
Zugespitzt müssen wir fordern: Wir brauchen nicht weniger Wirtschaftsbewusstsein im Denken, sondern mehr. Wir müssen das ökonomische Kalkül nicht aus unseren Gefühlen heraushalten, sondern umgekehrt: endlich die fühlende, schöpferische Produktivität des Lebendigen zum Maßstab des ökonomischen Kalküls machen.
Dieses neue Denken will ich auf den folgenden Seiten beschreiben. Ich will Orte schildern, an denen es bereits Früchte trägt, Visionäre vorstellen, die es entwickeln, und Möglichkeiten zu einem neuen, sinnerfüllten Leben ausloten, die es enthält. Dieses Buch ist ein Versuch, über das tiefere Verhältnis des Menschen zur Natur nachzudenken, ein Buch über die Einheit der ökonomischen und ökologischen Kreisläufe. Es ist ein entschiedenes Plädoyer dafür, dass wir diese Einheit wiederfinden müssen, wenn wir auf der Welt nicht nur überleben, sondern dabei auch unser inneres Gleichgewicht wiedererlangen wollen.
Es geht nicht länger darum, Natur und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Mit der Rettung der Natur soll nicht ein schöner Traum realisiert werden, eine unerreichbare Utopie. Vielmehr geht es um eine fundamentale Umkehrung unseres auf kurzfristige Effizienz gepolten Denkens. Wir müssen begreifen, dass es die auf ungezügelten Fortschritt setzende und sich unausgesetzt vergrößernde Weltwirtschaft ist, die einer Utopie folgt. Wir erkennen heute, dass ein immerwährend gesteigertes Wirtschaftswachstum nicht nur ökologisch schädlich ist – es ist schlichtweg ökonomisch falsch. Es klingt paradox: Die Wirtschaft darf gar nicht ins Unermessliche wachsen, damit es den Menschen besser geht. Was wieder wachsen muss, ist die Gesundheit der Biosphäre und die seelische Gesundheit der Menschen.
Dieses Buch soll diese revolutionäre und existentielle neue Wirtschaft skizzieren. Es soll – im Wechsel von anschaulicher Reportage und analytischem Argument – zeigen, dass eine humane Wirtschaft eine natürliche Wirtschaft ist, die mit den Ökosystemen arbeitet. Die gequälte Erde, aber auch die hunderte Millionen armer, unterernährter, allem Lebenssinn beraubter Menschen in den ärmsten wie in den reichsten Ländern brauchen einen ökologischen New Deal (Thomas Friedman). Eine ökologische Ökonomie vermag unsere Wirtschaft mit den Lebenssystemen der Erde zu versöhnen – und unser Bild von uns selbst mit den anderen Geschöpfen.
Kapital des Lebens: Die Dienste der Biosphäre
DIE VORHERRSCHENDE WIRTSCHAFTSAUFFASSUNG BEHARRT darauf, dass sie eine erschöpfende Beschreibung des Menschen gefunden hat, ein allgemeingültiges Modell, das unser Zusammenleben reguliert. Menschen sind in dieser Sichtweise mathematisch beschreibbare Partikel, gleichsam Atome, die nur einem Streben folgen: ihren Nutzen zu maximieren. Im Grunde hat unser Wirtschaftsdenken die Frage nach Sinn, nach Glück und nach Werten der Existenz ausgeklammert – genauso wie die Frage nach unserem Zusammenhang mit der übrigen lebenden Natur. Diese beiden Probleme gehören aber zusammen.
Lange Zeit haben Ökonomen die Natur – die Biogeosphäre – als eine außerhalb des Marktes liegende Ressource betrachtet. Natur kommt bis heute in Marktbilanzen kaum vor. Die Pioniere der ökonomischen Theorie im 19. Jahrhundert haben ihre damals neue Wissenschaft am Vorbild der Physik Newtons geformt, an einem starren System objektiver Gesetzmäßigkeiten. Sie haben dabei den Markt, das heißt die gesamte Welt menschlichen Wirtschaftens, gleichsam als black box konzipiert, in die Stoffe hineinfließen und aus der Abfälle herauslaufen.
Diese Sicht liegt dem Wirtschaftsdenken bis heute zugrunde. Doch der Markt ist ein offenes System in einem anderen, größeren System: der Erde. In diese wird nur eine Sache »kostenlos « eingespeist, nämlich die Sonnenenergie, die alle Lebensvorgänge treibt. Alle anderen Verwandlungen von Stoffen, alle Abfälle aber bleiben im System erhalten. All seine Ressourcen, all seine Pufferkapazitäten sind real und endlich.
Ökonomen haben nicht gesehen, dass die Natur und ihre kostenlos erbrachten Dienste – Nahrung, Trinkwasser, Stoffkreisläufe, Biomasse, ein gedeihliches Klima, Stabilität durch Artenvielfalt – nicht eine ökonomische Ressource unter anderen sind, sondern dass sie überhaupt erst die Grundlage aller Wirtschaftsprozesse bilden. Fossile Brennstoffe, denen allein die Bewohner der Industrieländer die gigantische Steigerung ihres Lebensstandards verdanken, sind die über Jahrmillionen gespeicherten Leistungen vergangener Lebewesen und Ökosysteme. Trinkwasser ist das Produkt eines komplexen atmosphärischen Kreislaufs von Verdunsten, Kondensieren und Versickern, der alle Landflächen und die Ozeane umfasst und in dem etwa die Regenwälder eine essentielle Rolle spielen. Dass überhaupt stabile klimatische Verhältnisse herrsch(t)en, ist einem komplexen, selbstorganisierenden atmosphärischen System zu verdanken, das vornehmlich von Lebewesen – Pflanzen produzieren Sauerstoff, Tiere CO2 – hervorgebracht wird.
Das Wachstum der Wirtschaft in den vergangenen Jahrhunderten und besonders in den letzten Jahrzehnten wurde zu großen Teilen durch den Ausverkauf dieser kostenlos angebotenen Lebensleistungen finanziert. Ihre Verluste haben sich bislang in keiner Bilanz niedergeschlagen, aber die Kosten kommen auf uns zu – und große Rückversicherer haben bereits ihre Volumina berechnet. Fast könnte man sagen: Die eigentliche Fehlentwicklung war es, dass überhaupt zwei verschiedene Wissenschaften des Haushaltens erfunden wurden. Ökologie und Ökonomie haben einander zu lange ignoriert. Es ist Zeit, beide in einer gemeinsamen Weisheit des »Lebenshaushaltes« zu vereinen.
Stetiges Wachstum ist nicht bloß schädlich, sondern falsch
DAS QUANTITATIVE WACHSTUM DES BRUTTOINLANDSPRODUKTS galt bisher als einziger Weg zum Wohlergehen – sozusagen als Synonym für Glück. Hatte der schottische Moralphilosoph Adam Smith nicht vor 200 Jahren prophezeit, dass allein die ungebremste Marktwirtschaft, das heißt ein Prozess, in dem jeder Einzelne seinen größtmöglichen ökonomischen Vorteil verfolgt, mit »unsichtbarer Hand« den Wohlstand aller steigern würde? Und hat Smith nicht recht behalten, wenn man sich den Aufstieg des Westens zu nie da gewesenem Reichtum anschaut? Hat die freie Marktwirtschaft nicht endgültig und für alle Zeiten ihren Sieg bewiesen, als sie Ende der 1980er Jahre das fast ein Jahrhundert lang konkurrierende Wirtschaftsmodell des Kommunismus in die Knie zwang?
Heute droht sich der Triumph des Westens als Pyrrhussieg zu entlarven. Die Idee des Marktes, wie sie Adam Smith zum ersten Mal entwickelte und wie sie die klassischen Ökonomen des 19. Jahrhunderts weiter ausarbeiteten, beruht auf stetigem Wachstum. Die Handelnden müssen ihren Profit vermehren, damit dieser neuen Investitionen zur Verfügung stehen kann. Überschüsse haben zu steigen, damit die Zinsen bedient werden können. Doch heute erkennen wir – und spüren es auch körperlich an einem bereits jetzt rapide umschlagenden Erdklima und einem in der Erdgeschichte nahezu beispiellosen Aussterben von Arten –, dass immerwährendes Wachstum unmöglich ist. Natürlich können getrennte Zweige der Biosphäre – einzelne Industrien, einzelne Länder – auf Kosten des Gesamtsystems größer werden. Aber das Ganze kann es nicht.
Die Vorstellung der Ökonomen, wonach der Wohlstand von demnächst sieben Milliarden Menschen allein von der »unsichtbaren Hand« des globalen Marktes herbeigezaubert werden könne, ist demnach eine physikalische Unmöglichkeit. Wirtschaftliches Wachstum mit diesem Ziel ist zum Scheitern verurteilt, weil die Lebenserhaltungssysteme des Planeten schon jetzt aus den Fugen geraten. Sie werden es nicht überleben, wenn acht Milliarden Menschen ein Auto fahren und ein Einzelhaus bewohnen. Die Vorstellung vom numerischen Wachstum hat sich damit als das universelle Heilmittel, als das sie die Ökonomen ansahen, überholt. Heute zeigt sie ihr wahres Gesicht: das eines gefährlichen Strudels, in dem die Natur – und ein maßvolles Selbstbild des Menschen – unterzugehen drohen.
»Mehr« ist nicht länger »Besser«
DAS WIRTSCHAFTSWACHSTUM KOMMT ZUDEM IMMER weniger Menschen zugute. Die 500 größten Firmen kontrollieren heute 70 Prozent des Welthandels. 350 Menschen auf der Erde besit- zen die Hälfte allen Reichtums, während große Teile der Weltbevölkerung mit weniger als zwei Euro pro Tag auskommen müssen. Doch das Wohlergehen selbst der Menschen, die immer reicher werden, steigt nicht etwa, sondern sinkt. Seit den 1950er Jahren regelmäßig in den USA durchgeführte Umfragen zeigen, dass die Amerikaner heute signifikant weniger glücklich sind als vor einem halben Jahrhundert. Ihre Anfälligkeit für Depressionen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit jeder Generation um 1000 Prozent gesteigert.
Inzwischen haben Mediziner sogar ein neues Krankheitsbild definiert: NDS, das »Nature Deficiency Syndrome«. Es befällt vor allem Kinder, die nicht mehr draußen spielen, sondern meist vor dem Bildschirm leben – Hyperaktivität und Schwermut sind einige der Symptome, auf Wiesenboden zu stolpern ein anderes. Doch Ernüchterung bewirken nicht allein psychologische Befragungen, sondern auch wirtschaftliche Berechnungen: Legt man nicht das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab für den Wohlstand eines Volkes an, sondern ein Modell, das die Gesundheit der Natur und die Entfaltungsmöglichkeiten in einer Gesellschaft mit erfasst, so sind allein die Amerikaner zwischen 1951 und 1990 keinen Deut reicher geworden – sondern real ärmer.
Die Konsequenz daraus ist: Die Wachstumsphilosophie ist nicht nur jetzt nicht mehr angebracht. Sie ist generell nicht die adäquate Beschreibung unserer Rolle in der Welt. Der Vorrang der Wirtschaft vor allen anderen Belangen ist nicht nur schädlich – wie Ökologen seit dreißig Jahren behaupten. Er ist falsch. Unser bisheriges Verhalten ist nicht nur wirtschaftlich ungerecht – etwa gegenüber benachteiligten Völkern und gegenüber der Natur. Vielmehr wird klar: Was wir tun, folgt einer naiven Ideologie.
Die Neubewertung der Natur spielt darum eine Schlüsselrolle in allen zentralen Herausforderungen der Zukunft. Unser Wirtschaftssystem würde sich grundlegend wandeln, wenn wir den versteckten Bestandteil offenlegten, den Leistungen der Biosphäre in den Wirtschaftsbilanzen einnehmen. So etwa die Artenvielfalt mit ihren seelischen, medizinischen und technischen Ressourcen und ihrer Fähigkeit, Abfallstoffe der Industrie zu entsorgen. Würde man solche lebenswichtigen Leistungen der Natur wirtschaftlich bewerten, dann wären die meisten Entwicklungsländer auf einmal nicht mehr bettelarm – und sie hätten einen wirksamen Anreiz, ihre Naturressourcen zu bewahren. Bisher aber verbrauchen wir gerade die Naturleistungen der ärmsten Länder ebenso nahezu kostenlos wie die fossilen Brennstofflager.
Auch die Landwirtschaft, die bisher vielerorts in regelrechter Konkurrenz zur Natur steht, könnte einen entscheidenden Beitrag zu einer produktiven Wirtschaft leisten und zugleich für mehr Wohlergehen, mehr Zufriedenheit und mehr natürliche Vielfalt sorgen. Ökologische Produkte, die ohne Einsatz von Chemie und mit viel Handarbeit hergestellt werden, verbrauchen wenig fossile Treibstoffe und erzeugen kaum CO2. Zugleich aber lassen sich mit Bio-Produkten im Prinzip weit höhere Gewinne erzielen, weil der Bauer sie lokal vermarkten kann und dabei die Kette der Zwischenhändler einspart, die im internationalen Lebensmittelhandel oft mehr als 95 Prozent der Gewinne einstreichen. Es ist kaum fassbar, aber wahr: Wenn wir unseren gesamten Landbau auf ökologische Bewirtschaftung umstellten, würden wir reicher, nicht ärmer – und könnten zugleich kostenlos die natürliche Vielfalt wiederherstellen.
Diese Wende der Sichtweise würde armen Ländern helfen – aber auch Regionen, die hierzulande in Armut und Rückständigkeit zu versinken drohen, wie viele Gegenden der ostdeutschen Bundesländer. Eine ökologische Ökonomie, so zeigen jetzt schon viele praktische Erfolge, stellt das Rezept gegen wirtschaftliche Stagnation und Niedergang in ländlichen Regionen dar. Aber das Entscheidende ist: Diese Art, das Land zu behandeln, macht die Menschen nicht nur gesünder und wohlhabender, sondern auch glücklicher. Psychologische Studien auf bäuerlichen Wochenmärkten haben gezeigt, dass hier die Menschen zehnmal mehr miteinander sprechen als in Filialen der großen Verbraucherketten. Das ökologisch bebaute Land ist produktiver – vor allem aber ist es Heimat. Die immer wieder beschworene »Nachhaltigkeitswende « verlangt einen schonenderen Umgang mit dem übrigen Leben auf dem Planeten. Doch sie scheitert bislang an unserem Irrglauben, dass mit den dafür erforderlichen Änderungen unser Leben schlechter würde. Wir müssen aber sehen, dass es erfüllter, gesünder und humaner sein könnte.
Wirtschaft: der Haushalt fühlender Wesen
DIE ÖKOLOGISCHE ÖKONOMIE ENTDECKT DEN MENSCHEN als komplexes Natur- und Kulturwesen wieder. Damit stellt sie in Frage, was die Naturwissenschaften und die Ökonomie gleichermaßen seit 200 Jahren behaupten: Dass der Mensch – wie alle Wesen – ein seelenloser Automat sei, der einzig und allein den Gesetzen der egoistischen Gier und der effizienten Optimierung gehorche. Es ist bezeichnend, dass sowohl in der Biologie als auch in der Marktwirtschaft die gleiche darwinistische Sicht auf unser Leben dominiert: Wir sehen uns als stumme Rädchen in einem Existenzkampf seelenloser Partikel – seien es die Gene aus dem Denken des britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins oder die Marktteilnehmer in der Auffassung des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Milton Friedman.
Die Biologie, die selbst an der Schwelle zu einem Paradigmenwechsel steht, kann heute entscheidende Impulse für die neue Art eines »holistischen«, eines ganzheitlichen Wirtschaftens geben. Sie entdeckt, dass die Ideen mechanischer Objektivität und blinden Wettbewerbs nicht ihre großen Fragen lösen können. Solche Fragen sind etwa: Was ist ein Lebewesen und wie bildet es sich? Wie hängt die Biosphäre in sich zusammen? Was ist der Mensch und in welchem Verhältnis steht er zur Natur? Die Wissenschaft vom Haushalt des Lebendigen, die Ökologie, begreift zunehmend, dass nicht allein Effizienz und Auslese die Basis für den Erfolg des Lebens bilden, sondern ebenso Selbstorganisation und gegenseitige Hilfe. Ein Streben nach Zufriedenheit und Wohlergehen prägt das Handeln aller Organismen.
Ich habe diese Sichtweise in meinem letzten Buch Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften beschrieben. 4 Die dort entfaltete neue Wissenschaft vom Leben akzeptiert, dass Subjektivität und Schönheit, Werte und Wahrheit im Erreichen oder Verfehlen der Lebensziele untrennbar zum Charakter der Biosphäre gehören. Die Vorstellung der Ökonomen vom rein rationalen Akteur entspricht nicht der Realität in der Natur. Die Biologie entdeckt heute vielmehr das Fühlen als Zentrum einer neuen Sicht auf die Lebewesen. Eine ökonomische Theorie, die demgegenüber auf den veralteten Überzeugungen des 19. Jahrhunderts von blinden Gesetzen und Organismen als stummen und wertlosen Maschinen beharrt, ist der Wirklichkeit unangemessen. Sie kann nicht anders, als diese verkennen und zerstören. Genau das ist das Dilemma der Welt. Gesundheit, seelische Zufriedenheit, ökologisches Gedeihen und eine dauerhafte, gerechte und auf die Zukunft hin angelegte Ökonomie sind keine konkurrierenden Ziele, zwischen denen man sich entscheiden muss. Sie können nur Hand in Hand gehen. Denn das Problem des Lebens, allen Lebens, ist es immer, innerhalb einer grundsätzlichen Polarität zu vermitteln, die Gegensätze von Ordnung und Freiheit zu versöhnen. Eine neue ökologische Wirtschaft macht sich diesen Grundsatz, der zu Bescheidenheit, Maß und Realismus mahnt, zu eigen. Nur ein Haushalten, das diese immerwährende Dynamik anerkennt, kann den Menschen und seine Natur wieder mit der Biosphäre versöhnen und zu mehr Wohlergehen auf unserem umkämpften kleinen Planeten führen. Es kann die gesuchte Wende hin zur Nachhaltigkeit schaffen – nicht als Rückschritt, sondern als Zugewinn. Ein solches Wirtschaften wäre Weisheit.
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Autoren-Porträt von Andreas Weber
Andreas Weber, geboren 1967, studierte Biologie und Philosophie in Berlin, Freiburg, Hamburg und Paris. Als freier Autor, Journalist und Redakteur schreibt er regelmäßig Beiträge für große Magazine und Zeitungen, u. a. für GEO. Beim Berlin Verlag erschien zuletzt Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution der Lebens - wissenschaften (2007; BvT 2008). Andreas Weber lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Weber
- 2008, 239 Seiten, Maße: 14,4 x 22,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: BERLIN VERLAG
- ISBN-10: 3827007925
- ISBN-13: 9783827007926
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