Brüder
Der Älteste, der Stillste, der Echteste, der Fernste, der Liebste, der Schnellste und ich
Sieben Brüder graben gefährliche Höhlen, spielen mit Feuer und probieren, ob unter die Achseln geklemmte rohe Zwiebeln wirklich so krank machen, dass man am nächsten Tag nicht in die Schule muss. Manchmal darf Bart, der Kleinste, nicht mitmachen, dann ist...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Brüder “
Sieben Brüder graben gefährliche Höhlen, spielen mit Feuer und probieren, ob unter die Achseln geklemmte rohe Zwiebeln wirklich so krank machen, dass man am nächsten Tag nicht in die Schule muss. Manchmal darf Bart, der Kleinste, nicht mitmachen, dann ist er sauer. Aber meistens sind die Brüder wie Freunde. Wahre Geschichten für Bullerbü-Fans!
Klappentext zu „Brüder “
Sieben Brüder graben gefährliche Höhlen, spielen mit Feuer und probieren, ob unter die Achseln geklemmte rohe Zwiebeln wirklich so krank machen, dass man am nächsten Tag nicht in die Schule muss. Manchmal darf Bart, der Kleinste, nicht mitmachen, dann ist er sauer. Aber meistens sind die Brüder wie Freunde. Wahre Geschichten für Bullerbü-Fans!
Lese-Probe zu „Brüder “
Wenn wir nur gesund sind Es hing davon ab, welche Zwiebeln es waren. Silberzwiebeln waren zu klein, Schalotten bewirkten nichts und über rote Zwiebeln war nichts bekannt. Es mussten Bauernzwiebeln sein, solche großen, wie unsere Mutter sie in den Eintopf oder die Suppe tat. Wir schälten sie, bis sie ganz weiß und glatt waren, und bevor wir sie unter die Achseln steckten, stachen wir noch ein paar Löcher hinein, für ein schnelleres Ergebnis."Löcher?", sagte mein einer Bruder.
"Für die Luft", sagte ein anderer.
"Für die Feuchtigkeit", sagte noch einer.
"Für ein schnelleres Ergebnis", sagte ich.
Einen Moment wurde es still, und meine Brüder schauten auf meinen Mund, ob vielleicht noch etwas Dummes herauskam. Sie gaben mir zu erkennen, dass dreisilbige Wörter aus meinem Mund seltsam klangen. Sie verdrehten die Augen, klemmten ihre Oberarme an den Körper und zogen steif die Schultern hoch.
"So ist es doch, oder?", sagte ich vorsichtig. "Die Löcher stechen wir doch für ein schnelleres Ergebnis hinein? Mit Löchern kommen die Luft und die Feuchtigkeit schneller frei."
"Hört", sagte mein einer Bruder, ohne mich anzuschauen. "Es spricht. Es weiß alles über Löcher in Zwiebeln, und es spricht."
Mein anderer Bruder fand, dass ich das Loch in meinem Gesicht besser geschlossen halten sollte.
"Wir haben um keinen Kommentar gebeten", sagte er. "Du brauchst nicht krank zu werden. Wir schon. Wir müssen krank werden, für unser Wohlbefinden."
"Eigentlich für unsere Gesundheit", sagte mein anderer Bruder.
"Pfff", machte ich. Mehr bekam ich vor lauter zurückgehaltener Wut nicht heraus. Ich hatte gehört, wie sie das Wort wir unterstrichen und wichtiger gemacht hatten als den Rest der Welt. Ich atmete tief ein und aus und versuchte, an etwas anderes zu denken, jemand anderer zu werden, denn meine Wut brach fast aus mir heraus. Ich versuchte zu wachsen, über meine Brüder hinaus. Ich wollte sie von oben herab betrachten und lächerlich finden. Schau an.
... mehr
Schau an: Morgen müssen sie in der Schule alles tun, was sie nicht tun wollen, deshalb sitzen sie jetzt mit Zwiebeln unter den Achseln da und warten auf Fieber.
Meine Gedanken halfen. Meine Brüder sahen prachtvoll aus. Alle sechs versuchten sie, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Ab und zu ließen sie die Hände zur Nase schweben und fühlten mit einem vorsichtigen Finger, ob ihnen die Nase noch nicht lief, denn neben den Zwiebeln benutzten sie die Methode des nassen Handtuchs. Von einem nassen Handtuch im Nacken fängt einem die Nase an zu laufen. Zugleich hatten sie sich Karton in die Schuhe gestopft, denn wenn man das tat, konnte die Übelkeit nicht lange ausbleiben. Innerhalb kürzester Zeit bekam man Austrocknungserscheinungen. Das Handtuch ließ die Nase laufen, und der Karton zog die Feuchtigkeit aus dem Körper, und darüber hinaus bekam man noch Fieber von den Zwiebeln. Sogar der beste Doktor, hieß es, würde nicht verstehen, um welche Krankheit es sich handelte.
Ich hob die Arme hoch, so dass meine Zwiebeln auf den Boden fielen, warf das nasse Handtuch ab und beugte mich vor, um meine Schuhe aufzumachen.
"Was tust du da?", fragten meine Brüder.
"Nichts", sagte ich. "Legt ihr euch ruhig zu sechst ins Bett. Mir reicht's. Ich brauche morgen nicht zu tun, was ihr tun müsst, also brauche ich auch keine Zwiebeln und kein Handtuch und auch keinen Karton in den Schuhen, auch wenn mir schon ein bisschen übel wird."
Meine Brüder schauten mich an, dann einer den anderen, schließlich wieder mich und befühlten mit den Fingerspitzen ihre Wangen.
"Echt übel?", fragten meine Brüder.
Vielleicht war mir nur ein bisschen übel von meinen Brüdern und vor Wut, oder vielleicht war es einfach Zufall, oder wer weiß, vielleicht führten die Löcher in den Zwiebeln wirklich zu einem schnelleren Ergebnis.
"Ja", sagte ich und zog den Karton, der sich ein bisschen feucht anfühlte, erst aus dem einen Schuh, dann aus dem anderen. "Spürt ihr noch nichts?"
Meine Brüder schauten gleichzeitig auf ihre Füße. Da war nichts zu sehen. Ich sah, wie sie die Zehen in den Schuhspitzen bewegten, ich sah, wie sie sanft den Oberkörper
bewegten, um zu fühlen, ob schon irgendwo ein Tropfen Schweiß herunterlief, ich sah, dass sie nach ihren Ohren tasteten, ob dahinter schon Fieber begann.
"Ihr seid älter", sagte ich. "Und größer. Deshalb müsst ihr länger auf ein Ergebnis warten."
An der Tür drehte ich mich um. Der größte Teil meiner Wut war verraucht. Ich hatte sogar Mitleid mit meinen Brüdern.
"Viel Erfolg", sagte ich.
Aber es nützte nichts.
An jenem Nachmittag nahm mich mein Vater an die Hand und rief hinauf, ob noch jemand Lust hätte, mit zum Supermarkt zu gehen, wo wir immer etwas Leckeres bekamen. Um vier Uhr rief unsere Mutter hinauf, ob jemand Lust habe auf Pfannkuchen mit braunem Zucker und Äpfeln. Und um es noch gemütlicher zu machen, kam Besuch, jemand hatte ein schnelles Auto gekauft und wollte eine Spritztour mit uns machen.
Meine Brüder verpassten alles Angenehme dieses Tages. Gegen Abend hörte ich über meinem Kopf zwölf Zwiebeln fallen, gerade als die Frau des Besuchers sagte, dass schnell und teuer nicht wichtig seien im Leben. "Wenn wir nur gesund sind", sagte sie und nickte meinen Brüdern zu, die einer nach dem anderen hereinkamen. Sie sahen zwar müde aus, sonst aber gesund.
Meine Gedanken halfen. Meine Brüder sahen prachtvoll aus. Alle sechs versuchten sie, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Ab und zu ließen sie die Hände zur Nase schweben und fühlten mit einem vorsichtigen Finger, ob ihnen die Nase noch nicht lief, denn neben den Zwiebeln benutzten sie die Methode des nassen Handtuchs. Von einem nassen Handtuch im Nacken fängt einem die Nase an zu laufen. Zugleich hatten sie sich Karton in die Schuhe gestopft, denn wenn man das tat, konnte die Übelkeit nicht lange ausbleiben. Innerhalb kürzester Zeit bekam man Austrocknungserscheinungen. Das Handtuch ließ die Nase laufen, und der Karton zog die Feuchtigkeit aus dem Körper, und darüber hinaus bekam man noch Fieber von den Zwiebeln. Sogar der beste Doktor, hieß es, würde nicht verstehen, um welche Krankheit es sich handelte.
Ich hob die Arme hoch, so dass meine Zwiebeln auf den Boden fielen, warf das nasse Handtuch ab und beugte mich vor, um meine Schuhe aufzumachen.
"Was tust du da?", fragten meine Brüder.
"Nichts", sagte ich. "Legt ihr euch ruhig zu sechst ins Bett. Mir reicht's. Ich brauche morgen nicht zu tun, was ihr tun müsst, also brauche ich auch keine Zwiebeln und kein Handtuch und auch keinen Karton in den Schuhen, auch wenn mir schon ein bisschen übel wird."
Meine Brüder schauten mich an, dann einer den anderen, schließlich wieder mich und befühlten mit den Fingerspitzen ihre Wangen.
"Echt übel?", fragten meine Brüder.
Vielleicht war mir nur ein bisschen übel von meinen Brüdern und vor Wut, oder vielleicht war es einfach Zufall, oder wer weiß, vielleicht führten die Löcher in den Zwiebeln wirklich zu einem schnelleren Ergebnis.
"Ja", sagte ich und zog den Karton, der sich ein bisschen feucht anfühlte, erst aus dem einen Schuh, dann aus dem anderen. "Spürt ihr noch nichts?"
Meine Brüder schauten gleichzeitig auf ihre Füße. Da war nichts zu sehen. Ich sah, wie sie die Zehen in den Schuhspitzen bewegten, ich sah, wie sie sanft den Oberkörper
bewegten, um zu fühlen, ob schon irgendwo ein Tropfen Schweiß herunterlief, ich sah, dass sie nach ihren Ohren tasteten, ob dahinter schon Fieber begann.
"Ihr seid älter", sagte ich. "Und größer. Deshalb müsst ihr länger auf ein Ergebnis warten."
An der Tür drehte ich mich um. Der größte Teil meiner Wut war verraucht. Ich hatte sogar Mitleid mit meinen Brüdern.
"Viel Erfolg", sagte ich.
Aber es nützte nichts.
An jenem Nachmittag nahm mich mein Vater an die Hand und rief hinauf, ob noch jemand Lust hätte, mit zum Supermarkt zu gehen, wo wir immer etwas Leckeres bekamen. Um vier Uhr rief unsere Mutter hinauf, ob jemand Lust habe auf Pfannkuchen mit braunem Zucker und Äpfeln. Und um es noch gemütlicher zu machen, kam Besuch, jemand hatte ein schnelles Auto gekauft und wollte eine Spritztour mit uns machen.
Meine Brüder verpassten alles Angenehme dieses Tages. Gegen Abend hörte ich über meinem Kopf zwölf Zwiebeln fallen, gerade als die Frau des Besuchers sagte, dass schnell und teuer nicht wichtig seien im Leben. "Wenn wir nur gesund sind", sagte sie und nickte meinen Brüdern zu, die einer nach dem anderen hereinkamen. Sie sahen zwar müde aus, sonst aber gesund.
... weniger
Autoren-Porträt von Bart Moeyaert
Bart Moeyaert, 1964 in Brügge geboren, zählt zu den großen europäischen Kinder- und Jugendbuchautoren der Gegenwart. Sein Debüt veröffentlichte er 1983, mit nur 19 Jahren. In seinem Heimatland Belgien vielfach ausgezeichnet, erhielt er 1998 auch den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere internationale und nationale Preise folgten. 2016 war Moeyaert bereits zum fünften Mal für den Hans Christian Andersen-Preis nominiert, den "kleinen Nobelpreis", der alle zwei Jahre auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur vergeben wird. 2019 erhielt er die größte Auszeichnung als Kinderbuchautor, den mit 500.000 Euro dotierten Astrid Lindgren Memorial Award. Bart Moeyaerts Werk wurde in über 20 Sprachen übersetzt. Der Autor lebt seit 2006 in Antwerpen und unterrichtet Creative Writing an der dortigen Royal Art School. Er schreibt außerdem Drehbücher und Theaterstücke und übersetzt aus dem Deutschen, Englischen und Französischen. Außerdem war er künstlerischer Leiter des Gastauftritts Flanderns und der Niederlande auf der Frankfurter Buchmesse 2016. Bei Hanser sind Brüder (2006), Mut für drei (2008), Du bist da, du bist fort (2010), Wer ist hier der Chef? (2012) und Hinter der Milchstraße (2013) erschienen. Der reich illustrierte Geschichtenschatz Du und ich und alle anderen Kinder (2016) versammelt alle Erzählungen und Kindergedichte des Autors in einem Band. 2020 erschien sein Kinderbuch Bianca, 2024 folgt Morris - Der Junge, der den Hund sucht mit Illustrationen von Sebastiaan Van Doninck. Die Übersetzerin Mirjam Pressler übersetzt aus dem Niederländischen und Hebräischen und ist selbst Autorin. Den Sonderpreis zum Deutschen Jugendliteraturpreis bekam sie 1995 als Übersetzerin, 2010 als Autorin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bart Moeyaert
- Altersempfehlung: Ab 10 Jahre
- 2006, 6. Aufl., 168 Seiten, Maße: 14,7 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Mirjam Pressler
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446207902
- ISBN-13: 9783446207905
- Erscheinungsdatum: 05.08.2006
Rezension zu „Brüder “
Was ist Literatur? Mit diesem Buch kann man dieser Frage auf den Grund gehen und sie auch beantworten. Auf der Inhaltsebene findet sich nichts Künstliches, nichts Fiktionales, sondern nur Alltägliches, was hier scheinbar banal beschrieben wird. Es geht um 42 Alltagssituationen, zum Beispiel den Pfeife rauchenden Vater, den Frühlingsputz, die Fahrt in die größere Stadt, das Bravsein, vorgetäuschte und reale Krankheiten, oder Großmutters geistigen Stillstand. Interessant an den kurzen Skizzen ist aber weniger der Blick auf niederländisches Alltagsleben vor gut 35 Jahren, als die Medialisierung noch nicht das Leben prägte, und gemeinsames Essen und spielen noch selbstverständlich war, interessant ist die literarische Perspektive. Der Autor führt seine Leser in die ganz einfachen, gleichwohl unendlichen Entdeckungsreisen, zu denen uns Sprache führt, wenn Wirklichkeit bewusst in Worte gefasst wird. Dann ist es auf einmal gar nicht mehr banal, sondern sehr aufregend, davon zu lesen, wie die Mutter ermahnt, langsam zu essen, wie es aussieht, wenn man Gelbsucht hat, warum ein Leben "zum Stillstand" kommt, ob und wie der Vater so etwas wie "Eigengeruch" hat, was "Geduld" heißt oder auch was das "Nirgends" ist. Nicht nur, weil alles aus der Perspektive des Icherzählers, des jüngsten und noch naivsten Bruders be- und geschrieben wird, wird so schon der junge Leser eingeweiht in die Geheimnisse der Sprache, die uns meta-phorisch aus der scheinbar realen Wirklichkeit des Alltags hinüber-führt in die viel wirklichere Perspektive unseres Erfassens von Wirklichkeit und so unsren Blick öffnet für die Geheimnisse, die jede Wirklichkeit mit sich führt, wenn wir nur aufmerksam genug sind ... Gabriele Hoffmann (Leanders Leseladen, Heidelberg)
Kommentar zu "Brüder"
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