Bürger Grass
Eine deutsche Biografie - Aktualisierte Neuausgabe Mai 2015
Eine einfühlsame, umfangreich recherchierte Annäherung an Grass' bewegtes Leben - das des berühmten Autors, das des engagierten Sozialpolitikers und das des zurückgezogenen Privatmenschen. Die Biografie über einen Mann, der auch von jenen gehört wurde, die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Bürger Grass “
Eine einfühlsame, umfangreich recherchierte Annäherung an Grass' bewegtes Leben - das des berühmten Autors, das des engagierten Sozialpolitikers und das des zurückgezogenen Privatmenschen. Die Biografie über einen Mann, der auch von jenen gehört wurde, die alles unerhört fanden, was er von sich gab.
Für diese Biografie hat sich der Journalist Michael Jürgs intensiv mit den Werken von Günter Grass auseinandergesetzt, jahrelang recherchiert und viele Gespräche mit dem Nobelpreisträger selbst, der in diesem Jahr 75 Jahre alt wird, geführt. Außerdem interviewte er Angehörige, Freunde, Weggefährten und zahlreiche berühmte Zeitgenossen, u.a. Siegfried Lenz, Christa Wolf, Gerhard Schröder, Carola Stern und Rudolf Augstein.
Für diese Biografie hat sich der Journalist Michael Jürgs intensiv mit den Werken von Günter Grass auseinandergesetzt, jahrelang recherchiert und viele Gespräche mit dem Nobelpreisträger selbst, der in diesem Jahr 75 Jahre alt wird, geführt. Außerdem interviewte er Angehörige, Freunde, Weggefährten und zahlreiche berühmte Zeitgenossen, u.a. Siegfried Lenz, Christa Wolf, Gerhard Schröder, Carola Stern und Rudolf Augstein.
Klappentext zu „Bürger Grass “
Die Deutschen hatten es nie einfach mit ihm. Entweder hielt er ihnen den Spiegel vor - oder aber sie ihm. Er galt als Gewissen der Nation, bis er in "Beim Häuten der Zwiebel" bekannte, gegen Ende des Krieges als 17-Jähriger bei der Waffen-SS gewesen zu sein. Er wurde gescholten als sich auch ungefragt stets mahnend einmischender Oberlehrer. "Ich gebe kein Bild ab. Sinnlos, mich auf einen Nenner bringen zu wollen", erwiderte Grass. Weltberühmt wurde der Sprachbildhauer durch seine Bücher - "Die Blechtrommel" ist einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts. Wo immer es ihm nötig schien, mischte er sich ein in Gesellschaft und Politik. Überall, aber am liebsten in Deutschland. Verließ den Elfenbeinturm, nahm die Mühen der Ebene auf sich, trommelte für Willy Brandt und die SPD, wetterte gegen Reaktionäre von links und von rechts. Auch wer noch nie etwas von ihm gelesen hatte, kannte seinen Namen. Grass konnte nicht nur schreiben und leidenschaftlich das Lied der Demokratie singen, er konnte zeichnen, malen, bildhauen. Das in Danzig 1927 geborene Gesamtkunstwerk, Nobelpreisträger und Nationaldichter, war und bleibt überlebensgroß über seinen Tod hinaus. Seine Freunde waren hochkarätig wie seine Feinde, Grass selbst aber betrachtete seinen Ruhm stets als treulosen Gesellen, als Begleiter auf Zeit. Michael Jürgs' Spurensuche in seiner Vergangenheit basiert auf intensiven Gesprächen mit ihm, auf Interviews mit vielen Wegbegleitern, die in seinem Leben Haupt- und Nebenrollen spielten: Es entstand die Geschichte eines Patrioten und Dichters, der die Frauen so liebte wie sein schwieriges Vaterland.Aktualisierte Neuausgabe
Ausstattung: s/w-Abbildungen im Text
Lese-Probe zu „Bürger Grass “
Rom, 1. Mai 2000Es war einer jener späten Frühlingstage in Rom, an denen der Wind die Wolken wie zerrupfte weiße Watte über den blauen Himmel treibt. Auf den Straßen trieben die Oleanderbäume erste Blüten, am Tiber standen die Platanen in vollem Grün. An den Tischen der Straßencafés vorm Pantheon aalten sich deutsche und amerikanische Touristen in T-Shirts und kurzen Hosen. Flavia aber hatte den Kragen hochgeschlagen, sie trug lange Wollstoffhosen und einen dicken, schwarz-weiß karierten Winterblazer. Über den Arm hatte sie zusätzlich eine weiße Strickjacke geschlungen, die mindestens fünf Kilo wog und ihre zierliche, schmale Gestalt fast vollständig verdeckte. Erst später ist mir klar geworden, dass Flavia eigentlich immer friert.
"Kommen Sie bitte nicht vor eins", hatte sie mir mit respekteinflößender Stimme am Telefon gesagt, "denn ich habe vorher noch einen Termin." Natürlich kam ich, wie alle Leute in Rom, ein bisschen zu spät - aber Flavia war pünktlich. Sie stand schon an der Straße und winkte mir zu. Wir waren zum Mittagessen bei einem gemeinsamen Freund eingeladen, der auf einem Bauernhof vor den Toren Roms wohnt. Er hatte mich gebeten, sie mitzunehmen - "dabei kannst du Flavia Castelli gleich kennen lernen", hatte er gemeint, "sie ist eine ganz imposante Persönlichkeit." Ich glaubte, dass mich eine distinguierte alte Dame erwartete, mit Perlenkette und reserviertem Gesicht. Stattdessen stand Flavia da. Sie mochte über die siebzig sein und ein paar Falten im Gesicht haben, aber ihr Gang war federnd und weit ausgreifend wie der eines jungen Mädchens, ihre braunen Augen sprühten vor Energie.
Auf dem Bauernhof hockten wir bald mit den Bewohnern an einer langen Tafel zusammen, die auf der Wiese gedeckt war. Es gab köstliche Speisen, Flavia saß inmitten der anderen, die ihre Kinder hätten sein können. Doch sie wirkte jünger und lebhafter als mancher ihrer Tischgenossen. Zugleich war jedoch eine seltsame Einsamkeit um sie, eine Aura der Melancholie, die
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sie von allen zu trennen schien, mit denen sie so fröhlich scherzte. Auf dem Rückweg kamen wir miteinander ins Gespräch, Flavia erzählte von ihrer versunkenen Heimat in der Toskana, von ihren Tieren, der Erntezeit, den lustigen Späßen mit den jungen Verehrern und von jenen zwei Wochen im Sommer 1944, die ihr Leben veränderten.
Während sie so redete, verlor ich mich hoffnungslos in den labyrinthischen Vorstädten Roms. Erst nach Stunden erreichten wir ihre Wohnung - und blieben weiter im Auto sitzen, denn sie erzählte und erzählte. "Es war eine schöne Zeit in der Villa, sogar mit den Deutschen", sagte Flavia. Sie berichtete von den lustigen Funkern, von einem Leutnant, der Fritz hieß, wie ihr kleiner Hund, und von Rolf, dem Musiker. "Komisch", meinte Flavia irgendwann zu mir gewandt, "dass wir uns ausgerechnet an Lucios Geburtstag kennen lernen." Im Laufe der Fahrt hatte ich schon einiges über ihren Bruder Lucio gehört, jenen legendären Florettfechter, Jäger und Schürzenjäger, der 79 Jahre alt geworden wäre an diesem 1. Mai 2000. Ein toller Kerl, so stellte ich ihn mir vor, wahrscheinlich wäre er jetzt ein angesehener Rechtsanwalt oder vielleicht ein emeritierter Politiker.
"Aber warum musste er sterben?", fragte Flavia und zog die Strickjacke um ihre Schultern zusammen, als ob ihr kalt sei.
Wir saßen noch immer im Wagen, draußen war es dunkel geworden. Die kleine, knochige Gestalt neben mir auf dem Beifahrersitz war in sich zusammengesunken, der Strom ihrer Worte versiegt. Verstohlen blickte ich zur Seite und betrachtete ihr Profil, im Schein der Straßenlaternen sah sie wie eine alte Indianerin aus. Seit ein paar Stunden kannte ich diese Person, aber sie war mir schon so lieb und vertraut wie eine langjährige Freundin. Ich spürte den dringlichen Wunsch, Flavia zu verstehen - und so beschloss ich, ihre und Lucios Geschichte zu ergründen.
Juni 1944: Die Funker kommen
"Aiuto!!!" Ein schriller Mädchenschrei zerriss die flirrend heiße Sommerluft. "Hilfe, Edwin will mich küssen!" Liliana sprang mit zwei Sätzen die verwitterten Steinstufen vom Bocciaplatz hinunter und rannte über den weißen Kies zur Villa hinüber. Edwin blieb verdattert im Schutz der Bäume zurück, die Schamesröte schoss ihm ins Gesicht. Er war weiß Gott keiner jener Soldaten, die nur ein Abenteuer mit einem der hübschen italienischen Mädchen suchten.
Edwin Hellberger betete Liliana an. Und er überlegte seit Tagen, wie er ihr dies offenbaren könnte. Bislang hatte sich jedoch noch keine Gelegenheit dazu gefunden, weil sie eigentlich ständig zu fünft unterwegs waren: der Österreicher Edwin, seine beiden deutschen Kameraden Werner und Hans sowie die von ihm so verehrte Liliana und ihre Freundin Flavia, die immer neue Spiele erfand für das Quintett. Und als ob das nicht genug wäre, schwänzelte stets ein schwarz-weiß gescheckter Cockerspaniel hinter ihnen her, der Flavia nicht von den Fersen wich.
Flavia war die Tochter des Padrone, ein Wirbelwind mit endlos langen Beinen und dunkelbrauner Pferdemähne. Edwins Kumpel Hans Neumann hatte sich mindestens so hoffnungslos in sie verliebt, wie der Österreicher bislang die sehr viel sanftmütigere Liliana umwarb. Doch Flavia schien keinerlei Notiz von ihrem Verehrer zu nehmen. Behände wie ein Eichhörnchen kletterte sie die Bäume hinauf und rannte mit ihrem Cockerspaniel über den Hof, früher hatte sie auch schon mal ihr Lieblingsschwein Carlino durch den feinen Salon gejagt. Wenn sie sich den drei Soldaten widmete, führte die temperamentvolle junge Dame immer neue Streiche im Schilde: Mal kippte sie ihnen aus irgendeinem Fenster einen Eimer Wasser über den Kopf, mal blies sie ihnen Mehlstaub in die Gesichter, und dann wollte sie auch noch schießen, mit scharfer Munition. Flavia war einfach nicht zu bremsen. Und Liliana wich ihrer wilden Freundin kaum von der Seite.
In der schattigen Stille des Bocciaplatzes hatte Edwin seine Angebetete jedoch endlich allein angetroffen. Ein dichtes Blätterdach aus den Ästen der umstehenden Eichen und Kastanien schirmte das Spielfeld vor der Sonne ab, an der Längswand standen ein paar Bänke und ein Tisch aus Stein, gegenüber lagerten die Bocciakugeln in einem mit Wasser gefüllten Steinbottich. Gegen Abend, wenn es etwas kühler wurde, schob Flavias Vater hier gern eine Kugel mit ein paar Männern aus dem Dorf Montechiari, das einen halben Kilometer weiter unterhalb der Villa lag. Da waren der Chef des Krankenhauses, Cellelo, der Apotheker Maurillo und natürlich der Antiquitätenhändler Mori, der mit seiner Familie hier in der Villa logierte. Beim Bocciaspiel hatte man viel Zeit zum Plaudern, und so erörterten die Herren meist die politische Lage und tauschten Neuigkeiten aus.
Jetzt lag der Platz jedoch verwaist in der trägen Nachmittagshitze. Liliana hatte irgendetwas holen wollen, Edwin war einfach hinter ihr her getappt. So stand er nun dem schönen Mädchen gegenüber, und niemand war dabei. Liliana, die von ihrer Freundin Flavia nur Lili genannt wurde, hatte schulterlange, schwarze Haare. Ihre langen Wimpern lagen wie seidige Schleier über den großen blauen Augen, die schmale Taille umspielte ein weit schwingender Pünktchenrock. Edwin war hingerissen von ihrem Anblick. Der Österreicher trug eine dünne, khakifarbene Uniform, die Hosenbeine waren zerbeult von den vielen Utensilien, die in seinen Taschen steckten. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, den Kragen aufgeknöpft, daraus schaute ein blondes Jungengesicht mit runder Nickelbrille und treuherzigen Augen. Edwin wollte später einmal Lehrer werden.
Gern hätte er Lili hier auf dem Bocciaplatz wortreich seine Liebe erklärt. Aber das war auf Deutsch schon schwierig genug, wie sollte er sich da erst in seinem rudimentären Italienisch ausdrücken? Vor lauter Aufregung fiel ihm gleich gar nichts ein. So schaute er das Mädchen nur durch seine runden Brillengläser an und umfasste sie ungelenk mit steifen Armen. Als er dann versuchte, ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu drücken, riss Lili sich unversehens los - sie teilte seine zärtlichen Gefühle offenbar ganz und gar nicht.
Edwin war zerknirscht. Betrübt setzte er sich auf eine der Steinbänke am Rande der Spielfläche und starrte in das dunkle Blätterwerk der Bäume. Wie lange waren sie nun schon in der Villa? Man schrieb das Jahr 1944, und die Zeit schien im Fluge zu vergehen auf diesem paradiesisch anmutenden Eiland inmitten stürmischer Gezeiten.
Das Haus lag auf einer Anhöhe, eingebettet in Weinberge und Olivenhaine. Auf dem Dachfirst thronte ein wuchtiger Zinnenkranz, der dem quadratischen Gebäude mit seinen meterdicken Mauern einen majestätischen Ausdruck verlieh, fast wirkte es wie ein kleines Schloss. Die roséfarbene Fassade war von kugelförmig geschnittenen Hecken umgeben. Eine schnurgerade Zypressenallee rahmte den Blick auf einen Obelisken, der den Eingang des Parks im Rücken der Villa markierte. Vorn im Garten wuchs ein riesiger Magnolienbaum, dessen weiße Blüten einen betörenden, süß-bitteren Zitrusduft verströmten. Von der Terrasse bot sich ein weiter Blick über die sanft hügelige Waldlandschaft der Toskana und das breite Tal des Chianaflusses.
Schaute man nach Nordosten auf das mittelalterliche Dorf mit seinen dicken Befestigungsmauern, das der Villa zu Füßen lag, sah die Welt recht friedlich aus. Hinter den roten Ziegeldächern von Montechiari stachen die grünen Zypressen wie spitze Federn hervor, deren Kiele in die gelben Farbkleckse der reifen Kornfelder eingetunkt schienen; weiter in der Ferne schob sich die Turmlandschaft des Landstädtchens Civitella als dunkler Schattenriss gegen den blaugrau schimmernden Horizont. Aus Richtung Süden aber war zuweilen ein dumpfes Grollen zu hören, der Gefechtslärm der herannahenden Front. Während die drei Soldaten hier oben unter dem Magnolienbaum saßen und die beiden Mädchen umwarben, tobte ein paar Kilometer weit entfernt der Krieg.
Der Krieg hatte die Männer überhaupt erst an diesen Ort gespült. Sie waren Funker und gehörten einer Flak-Abteilung der Wehrmacht an. Seit Monaten zogen sie kreuz und quer durch Italien, während die deutschen Truppen im erbitterten Stellungskrieg mit den Alliierten standen. Doch für das Kampfgetöse interessierten sich die drei Soldaten nicht allzu sehr, sie versuchten das südliche Leben zu genießen, soweit das eben in Kriegszeiten ging. Ihre lange Antenne, die Kabel und die Blechkisten mit den Sende- und Empfangsgeräten waren hinten im Wagen verstaut, daneben stand immer eine dickbauchige Weinflasche griffbereit. Edwin, mit seinen 23 Jahren der Älteste, pflegte den Funkwagen mit Affentempo über die holprigen Straßen zu steuern, obgleich er gar keinen Führerschein besaß. Hans Neumann, ein versponnener Theologiestudent, saß derweil im Fond und sinnierte über eine neue Gedichtzeile, die zumeist vom Leben und der Liebe handelte. Werner Henze blinzelte durch seine Brillengläser in die Gegend und suchte nach Motiven für die Landschaftsskizzen, an denen er ständig zeichnete. So gingen die Tage dahin, bis die drei Soldaten den Auftrag erhielten, in der Villa eine Funkstelle einzurichten und damit eine Verbindung herzustellen zwischen den Flak-Batterien, die im Kampf standen, und den Stabsstellen im Hinterland.
Das alte Herrenhaus war wegen seiner exponierten Lage ein idealer Standort für eine Funkstation. Wer das Anwesen ausgekundschaftet hatte, wussten die drei Funker nicht genau. Es hieß, ihr Bataillonschef Helmut Bunge, der den Rang eines Hauptmanns bekleidete, sei schon mehrfach in der Villa eingekehrt, deshalb wurde die Bewohnerschaft des Hauses auch als vertrauenswürdig betrachtet. Unter den Funkern erzählte man sich von Klavierkonzerten und opulenten Abendessen in der Villa - das sah dem Hauptmann ähnlich. Bunge war ein Schöngeist und sprach einigermaßen gut Italienisch. Einige seiner Soldaten hatten schon so manches Mal ein bleischweres Paket für ihn mit nach Deutschland genommen, in dem sie eine etruskische Vase oder einen wertvollen alten Kunstband vermuteten.
Im Kreis der Offiziere hatte Bunge in höchsten Tönen von der Villa geschwärmt. Da war von dem guten vin santo die Rede gewesen, jenem "heiliger Wein" genannten Rebsaft, den man dort zum Dessert trank; von der attraktiven Hausherrin, die in Wahrheit eine Klavierkünstlerin sei; und von dem seltsamen Pfauenpaar, dessen Männchen gewöhnlich auf dem Dach der kleinen Kapelle stehe, die zu dem Anwesen gehöre. Wenn der Pfau auf dem Dachfirst sein Rad schlage, so hatte Bunge erzählt, strahle die bunte Farbenpracht seiner Federn mit dem blauen Himmel um die Wette.
Als Edwin, Hans und Werner mit ihrem klobigen Kastenwagen der Marke "Horch" zum ersten Mal die Auffahrt zur Villa hinauf rumpelten, bekamen sie von dem Pfau allerdings nichts zu sehen, und der Himmel war alles andere als blau. Werner strich sich das Datum im Kalender an, es war Sonntag, der 18. Juni 1944. In der Nähe von Florenz hatte ihr Vorgesetzter ihnen morgens den Marschbefehl erteilt, so waren sie aufgebrochen und voller Erwartung in Richtung Süden gefahren. Doch dann begann es zu regnen, den ganzen Tag über tröpfelte es mal mehr, mal weniger, auf den schlammigen Straßen mussten sich die drei Funker an Kolonnen von Militärfahrzeugen vorbeikämpfen. Als sie endlich auf dem weiten Vorplatz der Villa anlangten und der weiße Flusskies unter ihren verdreckten Reifen knirschte, fühlten sie sich ziemlich erschöpft und durchnässt.
Es dämmerte schon und der Strom war ausgefallen, von dem Haus sahen sie nur eine hohe dunkle Wand. Schemenhaft war davor ein Herr im mittleren Alter zu erkennen, der ihnen entgegengelaufen kam: Ettore Castelli, der Hausherr und padrone, hieß sie willkommen. Ächzend trugen sie ihre bleischweren Kästen, in denen die Sende- und Empfangseinrichtungen untergebracht waren, in einen Raum im Erdgeschoss, der mit einer feinen Seidentapete ausgeschmückt war. Der Padrone hatte ihnen das Damenzimmer der Villa als Schlafkammer zugewiesen. Zum Waschen blieb nicht allzu viel Zeit, in der Küche, die hinter dem Damenzimmer gelegen war, herrschte reges Treiben, zwei Hausangestellte waren schon mit dem Kochen beschäftigt. Kurz darauf wurden die drei Funker zum Abendessen gerufen.
Im flackernden Licht zweier schwerer Kerzenständer sahen sie eine lange Tafel im Esszimmer, darüber schimmerten die mit kunstvollen Fresken bemalten Deckengewölbe. Ein alter venezianischer Kronleuchter aus buntem Muranoglas hing von der Decke herab, freilich blieb er ausgeschaltet wegen des Stromausfalls. Die beiden Bediensteten trugen allerlei Platten mit Köstlichkeiten auf. Es gab Eiersalat als Vorspeise, frische Butter und Salami. Dazu wurde das knusprige toskanische Weißbrot gereicht. Später dampften Schüsseln mit Pasta auf dem Tisch, darin dufteten maltagliati, die "schlecht geschnittenen", selbst gemachten Nudeln, in würziger Fleischsoße mit getrockneten Steinpilzen. Der Hausherr ließ noch ein Glas mit Wildhonig aus eigener Herstellung auftragen, und natürlich wurde ein kräftiger roter Wein ausgeschenkt. Nach der mühevollen Reise fühlten sich die drei Soldaten wie in einen Traum versetzt.
"Wherre do you come frrom?" - eine helle Mädchenstimme holte die drei Funker auf den Boden der Tatsachen zurück. Flavia schmückte ihr Englisch mit einem entzückenden italienischen Akzent. "Incisa, etwa 30 Kilometer nördlich von hier, aber wir haben mindestens 12 Stunden für den Weg gebraucht," erklärte Werner, der sich für Geografie interessierte und sich im Kartenwesen bestens auskannte. "Se bombs", fügte Edwin in seinem österreichisch gefärbten Schulenglisch hinzu, "man muss ja ständig auf der Hut sein vor den Luftangriffen der Alliierten.""Quel drame!", warf ein eleganter, etwas rundlicher älterer Herr am Tisch in Französisch ein. "Wegen der Bombenangriffe sind wir aus Genua geflohen." Es war Sergio Mori, der Vater der bezaubernden Liliana. Der Antiquitätenhändler aus Genua logierte mit seiner Familie schon seit Monaten in der Villa, weil die Hafenstadt ständig von alliierten Bombern angeflogen wurde und ihm das Leben dort deshalb zu gefährlich erschien. Hans schaute sich ein wenig verschüchtert an der Tafel um, sie waren ganz offensichtlich in besseren Kreisen gelandet. Da saß der Padrone Ettore Castelli mit Schlips und Weste am Kopf des Tisches, seine zierliche Ehefrau Maddalena hatte dickes schwarzes, im Nacken zu einem Knoten gebundenes Haar, sie war noch immer eine Schönheit.
Während sie so redete, verlor ich mich hoffnungslos in den labyrinthischen Vorstädten Roms. Erst nach Stunden erreichten wir ihre Wohnung - und blieben weiter im Auto sitzen, denn sie erzählte und erzählte. "Es war eine schöne Zeit in der Villa, sogar mit den Deutschen", sagte Flavia. Sie berichtete von den lustigen Funkern, von einem Leutnant, der Fritz hieß, wie ihr kleiner Hund, und von Rolf, dem Musiker. "Komisch", meinte Flavia irgendwann zu mir gewandt, "dass wir uns ausgerechnet an Lucios Geburtstag kennen lernen." Im Laufe der Fahrt hatte ich schon einiges über ihren Bruder Lucio gehört, jenen legendären Florettfechter, Jäger und Schürzenjäger, der 79 Jahre alt geworden wäre an diesem 1. Mai 2000. Ein toller Kerl, so stellte ich ihn mir vor, wahrscheinlich wäre er jetzt ein angesehener Rechtsanwalt oder vielleicht ein emeritierter Politiker.
"Aber warum musste er sterben?", fragte Flavia und zog die Strickjacke um ihre Schultern zusammen, als ob ihr kalt sei.
Wir saßen noch immer im Wagen, draußen war es dunkel geworden. Die kleine, knochige Gestalt neben mir auf dem Beifahrersitz war in sich zusammengesunken, der Strom ihrer Worte versiegt. Verstohlen blickte ich zur Seite und betrachtete ihr Profil, im Schein der Straßenlaternen sah sie wie eine alte Indianerin aus. Seit ein paar Stunden kannte ich diese Person, aber sie war mir schon so lieb und vertraut wie eine langjährige Freundin. Ich spürte den dringlichen Wunsch, Flavia zu verstehen - und so beschloss ich, ihre und Lucios Geschichte zu ergründen.
Juni 1944: Die Funker kommen
"Aiuto!!!" Ein schriller Mädchenschrei zerriss die flirrend heiße Sommerluft. "Hilfe, Edwin will mich küssen!" Liliana sprang mit zwei Sätzen die verwitterten Steinstufen vom Bocciaplatz hinunter und rannte über den weißen Kies zur Villa hinüber. Edwin blieb verdattert im Schutz der Bäume zurück, die Schamesröte schoss ihm ins Gesicht. Er war weiß Gott keiner jener Soldaten, die nur ein Abenteuer mit einem der hübschen italienischen Mädchen suchten.
Edwin Hellberger betete Liliana an. Und er überlegte seit Tagen, wie er ihr dies offenbaren könnte. Bislang hatte sich jedoch noch keine Gelegenheit dazu gefunden, weil sie eigentlich ständig zu fünft unterwegs waren: der Österreicher Edwin, seine beiden deutschen Kameraden Werner und Hans sowie die von ihm so verehrte Liliana und ihre Freundin Flavia, die immer neue Spiele erfand für das Quintett. Und als ob das nicht genug wäre, schwänzelte stets ein schwarz-weiß gescheckter Cockerspaniel hinter ihnen her, der Flavia nicht von den Fersen wich.
Flavia war die Tochter des Padrone, ein Wirbelwind mit endlos langen Beinen und dunkelbrauner Pferdemähne. Edwins Kumpel Hans Neumann hatte sich mindestens so hoffnungslos in sie verliebt, wie der Österreicher bislang die sehr viel sanftmütigere Liliana umwarb. Doch Flavia schien keinerlei Notiz von ihrem Verehrer zu nehmen. Behände wie ein Eichhörnchen kletterte sie die Bäume hinauf und rannte mit ihrem Cockerspaniel über den Hof, früher hatte sie auch schon mal ihr Lieblingsschwein Carlino durch den feinen Salon gejagt. Wenn sie sich den drei Soldaten widmete, führte die temperamentvolle junge Dame immer neue Streiche im Schilde: Mal kippte sie ihnen aus irgendeinem Fenster einen Eimer Wasser über den Kopf, mal blies sie ihnen Mehlstaub in die Gesichter, und dann wollte sie auch noch schießen, mit scharfer Munition. Flavia war einfach nicht zu bremsen. Und Liliana wich ihrer wilden Freundin kaum von der Seite.
In der schattigen Stille des Bocciaplatzes hatte Edwin seine Angebetete jedoch endlich allein angetroffen. Ein dichtes Blätterdach aus den Ästen der umstehenden Eichen und Kastanien schirmte das Spielfeld vor der Sonne ab, an der Längswand standen ein paar Bänke und ein Tisch aus Stein, gegenüber lagerten die Bocciakugeln in einem mit Wasser gefüllten Steinbottich. Gegen Abend, wenn es etwas kühler wurde, schob Flavias Vater hier gern eine Kugel mit ein paar Männern aus dem Dorf Montechiari, das einen halben Kilometer weiter unterhalb der Villa lag. Da waren der Chef des Krankenhauses, Cellelo, der Apotheker Maurillo und natürlich der Antiquitätenhändler Mori, der mit seiner Familie hier in der Villa logierte. Beim Bocciaspiel hatte man viel Zeit zum Plaudern, und so erörterten die Herren meist die politische Lage und tauschten Neuigkeiten aus.
Jetzt lag der Platz jedoch verwaist in der trägen Nachmittagshitze. Liliana hatte irgendetwas holen wollen, Edwin war einfach hinter ihr her getappt. So stand er nun dem schönen Mädchen gegenüber, und niemand war dabei. Liliana, die von ihrer Freundin Flavia nur Lili genannt wurde, hatte schulterlange, schwarze Haare. Ihre langen Wimpern lagen wie seidige Schleier über den großen blauen Augen, die schmale Taille umspielte ein weit schwingender Pünktchenrock. Edwin war hingerissen von ihrem Anblick. Der Österreicher trug eine dünne, khakifarbene Uniform, die Hosenbeine waren zerbeult von den vielen Utensilien, die in seinen Taschen steckten. Die Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt, den Kragen aufgeknöpft, daraus schaute ein blondes Jungengesicht mit runder Nickelbrille und treuherzigen Augen. Edwin wollte später einmal Lehrer werden.
Gern hätte er Lili hier auf dem Bocciaplatz wortreich seine Liebe erklärt. Aber das war auf Deutsch schon schwierig genug, wie sollte er sich da erst in seinem rudimentären Italienisch ausdrücken? Vor lauter Aufregung fiel ihm gleich gar nichts ein. So schaute er das Mädchen nur durch seine runden Brillengläser an und umfasste sie ungelenk mit steifen Armen. Als er dann versuchte, ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu drücken, riss Lili sich unversehens los - sie teilte seine zärtlichen Gefühle offenbar ganz und gar nicht.
Edwin war zerknirscht. Betrübt setzte er sich auf eine der Steinbänke am Rande der Spielfläche und starrte in das dunkle Blätterwerk der Bäume. Wie lange waren sie nun schon in der Villa? Man schrieb das Jahr 1944, und die Zeit schien im Fluge zu vergehen auf diesem paradiesisch anmutenden Eiland inmitten stürmischer Gezeiten.
Das Haus lag auf einer Anhöhe, eingebettet in Weinberge und Olivenhaine. Auf dem Dachfirst thronte ein wuchtiger Zinnenkranz, der dem quadratischen Gebäude mit seinen meterdicken Mauern einen majestätischen Ausdruck verlieh, fast wirkte es wie ein kleines Schloss. Die roséfarbene Fassade war von kugelförmig geschnittenen Hecken umgeben. Eine schnurgerade Zypressenallee rahmte den Blick auf einen Obelisken, der den Eingang des Parks im Rücken der Villa markierte. Vorn im Garten wuchs ein riesiger Magnolienbaum, dessen weiße Blüten einen betörenden, süß-bitteren Zitrusduft verströmten. Von der Terrasse bot sich ein weiter Blick über die sanft hügelige Waldlandschaft der Toskana und das breite Tal des Chianaflusses.
Schaute man nach Nordosten auf das mittelalterliche Dorf mit seinen dicken Befestigungsmauern, das der Villa zu Füßen lag, sah die Welt recht friedlich aus. Hinter den roten Ziegeldächern von Montechiari stachen die grünen Zypressen wie spitze Federn hervor, deren Kiele in die gelben Farbkleckse der reifen Kornfelder eingetunkt schienen; weiter in der Ferne schob sich die Turmlandschaft des Landstädtchens Civitella als dunkler Schattenriss gegen den blaugrau schimmernden Horizont. Aus Richtung Süden aber war zuweilen ein dumpfes Grollen zu hören, der Gefechtslärm der herannahenden Front. Während die drei Soldaten hier oben unter dem Magnolienbaum saßen und die beiden Mädchen umwarben, tobte ein paar Kilometer weit entfernt der Krieg.
Der Krieg hatte die Männer überhaupt erst an diesen Ort gespült. Sie waren Funker und gehörten einer Flak-Abteilung der Wehrmacht an. Seit Monaten zogen sie kreuz und quer durch Italien, während die deutschen Truppen im erbitterten Stellungskrieg mit den Alliierten standen. Doch für das Kampfgetöse interessierten sich die drei Soldaten nicht allzu sehr, sie versuchten das südliche Leben zu genießen, soweit das eben in Kriegszeiten ging. Ihre lange Antenne, die Kabel und die Blechkisten mit den Sende- und Empfangsgeräten waren hinten im Wagen verstaut, daneben stand immer eine dickbauchige Weinflasche griffbereit. Edwin, mit seinen 23 Jahren der Älteste, pflegte den Funkwagen mit Affentempo über die holprigen Straßen zu steuern, obgleich er gar keinen Führerschein besaß. Hans Neumann, ein versponnener Theologiestudent, saß derweil im Fond und sinnierte über eine neue Gedichtzeile, die zumeist vom Leben und der Liebe handelte. Werner Henze blinzelte durch seine Brillengläser in die Gegend und suchte nach Motiven für die Landschaftsskizzen, an denen er ständig zeichnete. So gingen die Tage dahin, bis die drei Soldaten den Auftrag erhielten, in der Villa eine Funkstelle einzurichten und damit eine Verbindung herzustellen zwischen den Flak-Batterien, die im Kampf standen, und den Stabsstellen im Hinterland.
Das alte Herrenhaus war wegen seiner exponierten Lage ein idealer Standort für eine Funkstation. Wer das Anwesen ausgekundschaftet hatte, wussten die drei Funker nicht genau. Es hieß, ihr Bataillonschef Helmut Bunge, der den Rang eines Hauptmanns bekleidete, sei schon mehrfach in der Villa eingekehrt, deshalb wurde die Bewohnerschaft des Hauses auch als vertrauenswürdig betrachtet. Unter den Funkern erzählte man sich von Klavierkonzerten und opulenten Abendessen in der Villa - das sah dem Hauptmann ähnlich. Bunge war ein Schöngeist und sprach einigermaßen gut Italienisch. Einige seiner Soldaten hatten schon so manches Mal ein bleischweres Paket für ihn mit nach Deutschland genommen, in dem sie eine etruskische Vase oder einen wertvollen alten Kunstband vermuteten.
Im Kreis der Offiziere hatte Bunge in höchsten Tönen von der Villa geschwärmt. Da war von dem guten vin santo die Rede gewesen, jenem "heiliger Wein" genannten Rebsaft, den man dort zum Dessert trank; von der attraktiven Hausherrin, die in Wahrheit eine Klavierkünstlerin sei; und von dem seltsamen Pfauenpaar, dessen Männchen gewöhnlich auf dem Dach der kleinen Kapelle stehe, die zu dem Anwesen gehöre. Wenn der Pfau auf dem Dachfirst sein Rad schlage, so hatte Bunge erzählt, strahle die bunte Farbenpracht seiner Federn mit dem blauen Himmel um die Wette.
Als Edwin, Hans und Werner mit ihrem klobigen Kastenwagen der Marke "Horch" zum ersten Mal die Auffahrt zur Villa hinauf rumpelten, bekamen sie von dem Pfau allerdings nichts zu sehen, und der Himmel war alles andere als blau. Werner strich sich das Datum im Kalender an, es war Sonntag, der 18. Juni 1944. In der Nähe von Florenz hatte ihr Vorgesetzter ihnen morgens den Marschbefehl erteilt, so waren sie aufgebrochen und voller Erwartung in Richtung Süden gefahren. Doch dann begann es zu regnen, den ganzen Tag über tröpfelte es mal mehr, mal weniger, auf den schlammigen Straßen mussten sich die drei Funker an Kolonnen von Militärfahrzeugen vorbeikämpfen. Als sie endlich auf dem weiten Vorplatz der Villa anlangten und der weiße Flusskies unter ihren verdreckten Reifen knirschte, fühlten sie sich ziemlich erschöpft und durchnässt.
Es dämmerte schon und der Strom war ausgefallen, von dem Haus sahen sie nur eine hohe dunkle Wand. Schemenhaft war davor ein Herr im mittleren Alter zu erkennen, der ihnen entgegengelaufen kam: Ettore Castelli, der Hausherr und padrone, hieß sie willkommen. Ächzend trugen sie ihre bleischweren Kästen, in denen die Sende- und Empfangseinrichtungen untergebracht waren, in einen Raum im Erdgeschoss, der mit einer feinen Seidentapete ausgeschmückt war. Der Padrone hatte ihnen das Damenzimmer der Villa als Schlafkammer zugewiesen. Zum Waschen blieb nicht allzu viel Zeit, in der Küche, die hinter dem Damenzimmer gelegen war, herrschte reges Treiben, zwei Hausangestellte waren schon mit dem Kochen beschäftigt. Kurz darauf wurden die drei Funker zum Abendessen gerufen.
Im flackernden Licht zweier schwerer Kerzenständer sahen sie eine lange Tafel im Esszimmer, darüber schimmerten die mit kunstvollen Fresken bemalten Deckengewölbe. Ein alter venezianischer Kronleuchter aus buntem Muranoglas hing von der Decke herab, freilich blieb er ausgeschaltet wegen des Stromausfalls. Die beiden Bediensteten trugen allerlei Platten mit Köstlichkeiten auf. Es gab Eiersalat als Vorspeise, frische Butter und Salami. Dazu wurde das knusprige toskanische Weißbrot gereicht. Später dampften Schüsseln mit Pasta auf dem Tisch, darin dufteten maltagliati, die "schlecht geschnittenen", selbst gemachten Nudeln, in würziger Fleischsoße mit getrockneten Steinpilzen. Der Hausherr ließ noch ein Glas mit Wildhonig aus eigener Herstellung auftragen, und natürlich wurde ein kräftiger roter Wein ausgeschenkt. Nach der mühevollen Reise fühlten sich die drei Soldaten wie in einen Traum versetzt.
"Wherre do you come frrom?" - eine helle Mädchenstimme holte die drei Funker auf den Boden der Tatsachen zurück. Flavia schmückte ihr Englisch mit einem entzückenden italienischen Akzent. "Incisa, etwa 30 Kilometer nördlich von hier, aber wir haben mindestens 12 Stunden für den Weg gebraucht," erklärte Werner, der sich für Geografie interessierte und sich im Kartenwesen bestens auskannte. "Se bombs", fügte Edwin in seinem österreichisch gefärbten Schulenglisch hinzu, "man muss ja ständig auf der Hut sein vor den Luftangriffen der Alliierten.""Quel drame!", warf ein eleganter, etwas rundlicher älterer Herr am Tisch in Französisch ein. "Wegen der Bombenangriffe sind wir aus Genua geflohen." Es war Sergio Mori, der Vater der bezaubernden Liliana. Der Antiquitätenhändler aus Genua logierte mit seiner Familie schon seit Monaten in der Villa, weil die Hafenstadt ständig von alliierten Bombern angeflogen wurde und ihm das Leben dort deshalb zu gefährlich erschien. Hans schaute sich ein wenig verschüchtert an der Tafel um, sie waren ganz offensichtlich in besseren Kreisen gelandet. Da saß der Padrone Ettore Castelli mit Schlips und Weste am Kopf des Tisches, seine zierliche Ehefrau Maddalena hatte dickes schwarzes, im Nacken zu einem Knoten gebundenes Haar, sie war noch immer eine Schönheit.
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Autoren-Porträt von Michael Jürgs
Michael Jürgs ist Journalist, war Chefredakteur des Stern und von Tempo. Er schreibt regelmäßig u.a. für die Süddeutsche Zeitung, den Tagesspiegel, das Handelsblatt. Er hat viele Sachbücher geschrieben, zum Beispiel über die Treuhand oder unter dem Titel "Sklavenmarkt Europa" über den internationalen Menschenhandel, und zahlreiche Biografien verfasst - so über Romy Schneider, über Axel Springer, über Eva Hesse. Die hier vorliegende Biografie von Günter Grass hat er für diese Neuausgabe grundlegend überarbeitet und aktualisiert.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michael Jürgs
- 2015, Originalausgabe, 471 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, 16 Abbildungen, Maße: 15,8 x 23,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 3570005763
- ISBN-13: 9783570005767
- Erscheinungsdatum: 13.05.2015
Rezension zu „Bürger Grass “
"Er sucht leidenschaftlich die Lebensfäden deutscher Geschichte und verknüpft sie zu einem Bild: Michael Jürgs, 1945 in Ellwangen geboren, als vielseitiger Autor von mittlerweile zehn Sachbüchern, mit einer ausgeprägten journalistischen Themenspürnase."
Kommentar zu "Bürger Grass"
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