Verführer der Nacht / Dark Carpathians Bd.12
Roman. Deutsche Erstausgabe
Jahrhundertelang durchstreifte Rafael de la Cruz mit seinen Brüdern die Welt und jagte Vampire. Doch nun ist er selbst gefährdet, zu dem Bösen zu werden, das er so lange bekämpft hat. Allein in der Rancherin Colby erkennt er eine...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Verführer der Nacht / Dark Carpathians Bd.12 “
Jahrhundertelang durchstreifte Rafael de la Cruz mit seinen Brüdern die Welt und jagte Vampire. Doch nun ist er selbst gefährdet, zu dem Bösen zu werden, das er so lange bekämpft hat. Allein in der Rancherin Colby erkennt er eine Seelengefährtin, die ihn vor dem Sturz in die Dunkelheit bewahren kann. Aber noch wehrt sich Colby mit allen Mitteln gegen den unheimlichen Rafael. Gleichzeitig spürt sie die magische Anziehungskraft, die von ihm ausgeht und der sie sich nicht entziehen kann.
Klappentext zu „Verführer der Nacht / Dark Carpathians Bd.12 “
Jahrhundertelang durchstreifte Rafael de la Cruz mit seinen Brüdern die Wälder Südamerikas und jagte Vampire. Nun läuft er selbst Gefahr, zu dem Bösen zu werden, das er so lange bekämpft hat. In Colby erkennt er seine Seelengefährtin, die ihn vor dem Sturz in die Dunkelheit bewahren kann. Es gibt nur ein Problem: Rafael versucht, sich in Angelegenheiten von Colbys Familie einzumischen. Colby wehrt sich mit allen Mitteln dagegen und schleudert ihm ihre ganze Verachtung entgegen. Doch sie spürt auch die magische Anziehungskraft, die von ihm ausgeht und der sie sich nicht entziehen kann ...
Lese-Probe zu „Verführer der Nacht / Dark Carpathians Bd.12 “
Verführer der Nacht von Christine FeehanKapitel 1
Der große Kastanienbraune schnaubte und rollte mit den Augen. »Halt ihn gut fest, Paul«, warnte Colby ihren Bruder rasch. Das Pferd wich nervös zur Seite aus, warf den Kopf zurück und machte die Beine steif.
»Kann ich nicht!«, schrie Paul, als das Pferd in einem plötzlichen Temperamentsausbruch stürmisch herumfuhr und den zaghaften Griff des Jungen abschüttelte. Paul brachte sich schleunigst in Sicherheit, die Augen ängstlich auf die schlanke Gestalt seiner Schwester gerichtet.
Der Braune tänzelte unruhig, wirbelte herum und warf sich mit einem lauten Krachen, das die Pfosten und den Erdboden beben ließ, an den Zaun. Paul zuckte zusammen, und seine oliv getönte Haut erblasste unter der Sonnenbräune. Colby wurde noch zweimal an den Zaun geschmettert, bevor sie auf den Boden fiel und sich unter den Zaunlatten hindurch aus der Umzäunung rollte.
»Alles in Ordnung, Colby?«, fragte Paul beunruhigt und kniete sich neben seine Schwester in den Staub.
Colby rollte sich stöhnend auf den Rücken und starrte in den Abendhimmel. Ein schwaches Lächeln verzog ihren weichen Mund. »Was für eine schwachsinnige Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen«, bemerkte sie geistesabwesend. »Wie oft hat mich dieser elende Gaul schon abgeworfen?« Sie setzte sich auf und strich sich ein paar feuchte Haarsträhnen, die sich aus ihrem dicken rotblonden Zopf gelöst hatten, aus dem Gesicht. Ihr Handrücken hinterließ einen schmalen Schmutzstreifen auf ihrer Stirn.
»Heute oder insgesamt?«, scherzte Paul, ließ aber hastig das Grinsen von seinem Gesicht verschwinden, als Colby die volle Kraft ihrer Augen auf ihn richtete. »Sechs Mal«, antwortete er feierlich.
Sie stand vorsichtig auf und wischte
... mehr
eine Staubschicht von ihren verwaschenen Jeans. Bekümmerte musterte sie ihr zerrissenes Hemd. »Wem gehört dieses Vieh eigentlich? Wer es auch ist, es sollte lieber jemand sein, den ich mag.«
Paul, der gerade sorgfältig den Staub von Colbys Hut klopfte, wich ihrem Blick aus. Wenn es nicht um ein Pferd ging, das für Rodeos zugeritten wurde, überließ Colby Paul alle geschäftlichen Details. Pech gehabt. »De La Cruz«, murmelte er leise. Mit seinen sechzehn Jahren war er größer als seine Schwester, dazu schlank, gebräunt, mit den Muskeln eines Reiters und ungewöhnlich stark für sein Alter. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Reife, der seiner Jugend nicht entsprach. Er hielt seiner Schwester den verwitterten breitkrempigen Hut wie ein Friedensangebot hin.
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten, und auch der Braune hörte auf, zu schnauben und mit den Hufen zu scharren. Colby starrte ihren Bruder entgeistert an. »Reden wir etwa von dem De La Cruz, der auf diese Ranch gekommen ist, um mich zu beleidigen? Der verlangt hat, dass wir unsere Siebensachen packen und die Ranch unseres Vaters verlassen, weil ich eine Frau bin und du noch zu jung bist? Der De La Cruz? Der De La Cruz, der mir befohlen hat, Ginny und dich der Familie Chevez zu überlassen, und mir noch dazu mit seinem unverschämten, abstoßenden Macho-Gehabe mörderische Kopfschmerzen beschert hat?« Colbys leise Stimme war samtweich und die zarte Perfektion ihrer Gesichtszüge völlig unbewegt. Nur ihre großen Augen verrieten ihre Stimmung. »Sag mir, dass wir nicht über den De La Cruz sprechen, Paulo. Lüg mir was vor, damit ich keinen Mord begehe.« Ihre strahlenden Augen sprühten förmlich Funken.
»Na ja«, antwortete er ausweichend, »es war Juan Chevez, der die Pferde gebracht hat, sechzehn Stück. Wir mussten sie nehmen, Colby. Er zahlt Spitzenpreise, und wir brauchen das Geld. Du hast selbst gesagt, dass Clinton Daniels dir wegen der Hypothek im Nacken sitzt.«
»Nicht ihr Geld«, brauste Colby auf. »Niemals ihr Geld! Damit wollen sie doch nur ihr schlechtes Gewissen beschwichtigen. Wir finden schon andere Möglichkeiten, um die Hypothek zu bezahlen.« Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem Zorn zu befreien, der völlig unerwartet in ihr aufstieg. Während sie ihren Hut heftig auf ihren Oberschenkelknallte, stieß sie halblaut ein paar äußerst undamenhafte Flüche aus. »Juan Chevez hatte kein Recht, dir die Pferde hinter meinem Rücken anzubieten. « Als sie einen Blick auf das bedrückte Gesicht ihres Bruders warf, verrauchte ihr Zorn so schnell, als wäre er nie dagewesen.
Sie streckte eine Hand aus und fuhr ihm liebevoll durch sein tiefschwarzes Haar. »Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte etwas in der Art erwarten und dich vorwarnen müssen. Seit die Familie hier aufgetaucht ist, macht dieser De La Cruz nichts als Ärger. Ich habe den Brief in Dads Auftrag vor fast drei Jahren an die Chevez’geschrieben. Ist doch ein verdammtes Wunder, dass sie sich endlich zu einer Antwort aufraffen, was?« Colby drehte sich um und musterte den Braunen argwöhnisch. »Dieses Pferd ist wahrscheinlich ein Versuch, mich loszuwerden, damit sie dich bekommen. Wenn ich aus dem Weg bin, haben sie eventuell eine Chance, dich und Ginny in ihr Höllenloch in Südamerika zu entführen. Und – wenn sie schon einmal dabei sind – euch euer Erbe zu nehmen.«
Colby war klein und zierlich mit weichen, vollen Kurven, großen tiefgrünen Augen, die von dichten dunklen Wimpern umrahmt wurden, und einer Fülle langer, seidiger Haare. Ihre schlanken Arme verbargen kräftige Muskeln, und die weißen Narben, die sich deutlich von ihren sonnengebräunten Armen und Händen abhoben, zeugten von den Jahren schwerer Arbeit. Paul, der das Grübchen in ihrem Mundwinkel verblassen sah, spürte, wie ihn Stolz auf seine Schwester erfüllte. Er wusste, wie sehr sie ihre Narben und ihre Hände hasste, aber sie waren einfach ein Teil von ihr. Unorthodox, freiheitsliebend und unbezähmbar – es gab keine Zweite wie Colby.
»Sie leben auf einer Millionen-Dollar-Ranch«, erinnerte Paul sie. »Purer Luxus. Wahrscheinlich ein Swimmingpool und keine Arbeit. Schöne Frauen. Klingt für mich, als wäre es ein echt schweres Leben. Vielleicht ist das Ganze eine Verschwörung, und ich bin dabei.«
»Soll das heißen, dass du bestechlich bist?«
Er zuckte seine sehnigen Schultern und zwinkerte ihr mit einem durchtriebenen kleinen Lächeln zu. »Man kann nie wissen. Wenn der Preis stimmt ... « Er versuchte, mit den Augenbrauen zu wackeln, und scheiterte. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Colby«, erklärte Paul plötzlich. »Ich glaube nicht, dass Mr. De La Cruz wusste, dass Juan die Pferde zu uns bringen wollte. Wie auch immer« – wieder zuckte er die Schultern – »Geld ist Geld.«
»So ist es, mein Junge.« Colby seufzte.
Mit siebzehn hatte Colby ganz allein die Verantwortung für die Ranch, ihren elfjährigen Bruder und ihre sechsjährige Schwester übernommen, nachdem ihre Mutter bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war und Armando aufgrund seiner schweren Verletzung gelähmt blieb, und zwar ohne jemals zu murren. Zwei Jahre nach dem Unfall hatte ihr Stiefvater Colby gebeten, an seine Familie in Brasilien zu schreiben und sie zu bitten, so schnell wie möglich zu kommen. Er hatte gewusst, dass er bald sterben würde, und seinen Stolz hinuntergeschluckt, um für seine Kinder um Hilfe zu bitten. Niemand hatte geantwortet, und ihr geliebter Vater war im Kreis seiner Kinder, aber ohne seine Geschwister gestorben. Jetzt, mit sechzehn, konnte Paul beurteilen, was diese vergangenen fünf Jahre Colby gekostet hatten. Er gab sich Mühe, ihr einen Teil der Last abzunehmen, und wusste zum ersten Mal in seinem Leben, wie es war, sich um jemand anders wirklich Sorgen zu machen. Jedes Mal, wenn Colby von einem Pferd abgeworfen wurde, bekam er rasendes Herzklopfen.
Colby beklagte sich nie, aber die ständige Belastung und die Müdigkeit waren ihr immer deutlicher anzusehen. »Willst du nicht eine Pause machen? Die Sonne geht bald unter«, schlug er hoffnungsvoll vor. Colby war zweifellos von Kopf bis Fuß mit blauen Flecken übersät, und seinen scharfen Augen entging nicht, dass sie sich den linken Arm hielt.
»Tut mir leid, Schatz.« Colby schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht zulassen, dass der Gaul sich einbildet, er wäre hier der Boss. Auf ein Neues!« Ohne ein Anzeichen von Furcht betrat sie die Koppel und fing die Zügel des gewaltigen Tieres ein.
Paul sah ihr zu, wie er es schon unzählige Male getan hatte, und betrachtete ihre zierliche kleine Gestalt, die neben dem halbwilden Pferd so zerbrechlich und doch völlig selbstbewusst wirkte. Sie hatte sich als Trainerin einen so guten Ruf aufgebaut, dass viele der besten Rodeo-Reiter von überall in den Vereinigten Staaten ihre neuesten Erwerbungen zu Colby brachten. Normalerweise verbrachte sie Wochen bis Monate geduldig damit, die Tiere gefügiger zu machen. Sie hatte eine besondere Affinität zu Tieren, vor allem zu Pferden. Colbys Methoden waren für sie selbst meistens strapaziöser als für die Pferde. Wenn sie ein Tier schnell unterwerfen musste wie zum Beispiel jetzt, dann machte Paul sich am meisten Sorgen.
Ihre Ranch war nicht groß und wurde hauptsächlich dafür genutzt, Pferde zu halten. Die wenigen Rinder und Felder waren für den Eigenbedarf bestimmt. Es war ein hartes, aber gutes Leben. Ihr Vater, Armando Chevez, war in dieses Land gekommen, als er Pferde für seine reiche Familie in Brasilien gekauft hatte und auf der Suche nach neuen Blutlinien für die riesigen Besitzungen in Südamerika gewesen war. Damals hatte er Virginia Jansen, Colbys Mutter, kennengelernt und geheiratet. Seine Familie nahm ihre Eheschließung nicht gut auf, und Armando wurde tatsächlich enterbt. Colby hatte ihrem Vater nie gesagt, dass sie den Brief von dem Patriarchen der Familie Chevez gefunden hatte, in dem Armando aufgefordert wurde »das geldgierige amerikanische Flittchen mitsamt ihrem Bastard« sofort zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. Andernfalls wäre er für die gesamte Familie buchstäblich gestorben. Colby hatte keine Ahnung, wer ihr leiblicher Vater war, und es interessierte sie auch nicht. Für sie war Armando Chevez ihr wahrer Vater. Er hatte sie geliebt und beschützt, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut. Jetzt waren Paulo und Ginny ihre Familie, und sie wachte mit Argusaugen über die beiden. Sie war fest entschlossen, dass ihre Geschwister die Ranch bekommen sollten, wenn sie großjährig wurden, genauso wie Armando Chevez es beabsichtigt hatte. Es war das Mindeste, was Colby für ihn tun konnte.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Britta Evert
Paul, der gerade sorgfältig den Staub von Colbys Hut klopfte, wich ihrem Blick aus. Wenn es nicht um ein Pferd ging, das für Rodeos zugeritten wurde, überließ Colby Paul alle geschäftlichen Details. Pech gehabt. »De La Cruz«, murmelte er leise. Mit seinen sechzehn Jahren war er größer als seine Schwester, dazu schlank, gebräunt, mit den Muskeln eines Reiters und ungewöhnlich stark für sein Alter. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Reife, der seiner Jugend nicht entsprach. Er hielt seiner Schwester den verwitterten breitkrempigen Hut wie ein Friedensangebot hin.
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten, und auch der Braune hörte auf, zu schnauben und mit den Hufen zu scharren. Colby starrte ihren Bruder entgeistert an. »Reden wir etwa von dem De La Cruz, der auf diese Ranch gekommen ist, um mich zu beleidigen? Der verlangt hat, dass wir unsere Siebensachen packen und die Ranch unseres Vaters verlassen, weil ich eine Frau bin und du noch zu jung bist? Der De La Cruz? Der De La Cruz, der mir befohlen hat, Ginny und dich der Familie Chevez zu überlassen, und mir noch dazu mit seinem unverschämten, abstoßenden Macho-Gehabe mörderische Kopfschmerzen beschert hat?« Colbys leise Stimme war samtweich und die zarte Perfektion ihrer Gesichtszüge völlig unbewegt. Nur ihre großen Augen verrieten ihre Stimmung. »Sag mir, dass wir nicht über den De La Cruz sprechen, Paulo. Lüg mir was vor, damit ich keinen Mord begehe.« Ihre strahlenden Augen sprühten förmlich Funken.
»Na ja«, antwortete er ausweichend, »es war Juan Chevez, der die Pferde gebracht hat, sechzehn Stück. Wir mussten sie nehmen, Colby. Er zahlt Spitzenpreise, und wir brauchen das Geld. Du hast selbst gesagt, dass Clinton Daniels dir wegen der Hypothek im Nacken sitzt.«
»Nicht ihr Geld«, brauste Colby auf. »Niemals ihr Geld! Damit wollen sie doch nur ihr schlechtes Gewissen beschwichtigen. Wir finden schon andere Möglichkeiten, um die Hypothek zu bezahlen.« Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem Zorn zu befreien, der völlig unerwartet in ihr aufstieg. Während sie ihren Hut heftig auf ihren Oberschenkelknallte, stieß sie halblaut ein paar äußerst undamenhafte Flüche aus. »Juan Chevez hatte kein Recht, dir die Pferde hinter meinem Rücken anzubieten. « Als sie einen Blick auf das bedrückte Gesicht ihres Bruders warf, verrauchte ihr Zorn so schnell, als wäre er nie dagewesen.
Sie streckte eine Hand aus und fuhr ihm liebevoll durch sein tiefschwarzes Haar. »Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte etwas in der Art erwarten und dich vorwarnen müssen. Seit die Familie hier aufgetaucht ist, macht dieser De La Cruz nichts als Ärger. Ich habe den Brief in Dads Auftrag vor fast drei Jahren an die Chevez’geschrieben. Ist doch ein verdammtes Wunder, dass sie sich endlich zu einer Antwort aufraffen, was?« Colby drehte sich um und musterte den Braunen argwöhnisch. »Dieses Pferd ist wahrscheinlich ein Versuch, mich loszuwerden, damit sie dich bekommen. Wenn ich aus dem Weg bin, haben sie eventuell eine Chance, dich und Ginny in ihr Höllenloch in Südamerika zu entführen. Und – wenn sie schon einmal dabei sind – euch euer Erbe zu nehmen.«
Colby war klein und zierlich mit weichen, vollen Kurven, großen tiefgrünen Augen, die von dichten dunklen Wimpern umrahmt wurden, und einer Fülle langer, seidiger Haare. Ihre schlanken Arme verbargen kräftige Muskeln, und die weißen Narben, die sich deutlich von ihren sonnengebräunten Armen und Händen abhoben, zeugten von den Jahren schwerer Arbeit. Paul, der das Grübchen in ihrem Mundwinkel verblassen sah, spürte, wie ihn Stolz auf seine Schwester erfüllte. Er wusste, wie sehr sie ihre Narben und ihre Hände hasste, aber sie waren einfach ein Teil von ihr. Unorthodox, freiheitsliebend und unbezähmbar – es gab keine Zweite wie Colby.
»Sie leben auf einer Millionen-Dollar-Ranch«, erinnerte Paul sie. »Purer Luxus. Wahrscheinlich ein Swimmingpool und keine Arbeit. Schöne Frauen. Klingt für mich, als wäre es ein echt schweres Leben. Vielleicht ist das Ganze eine Verschwörung, und ich bin dabei.«
»Soll das heißen, dass du bestechlich bist?«
Er zuckte seine sehnigen Schultern und zwinkerte ihr mit einem durchtriebenen kleinen Lächeln zu. »Man kann nie wissen. Wenn der Preis stimmt ... « Er versuchte, mit den Augenbrauen zu wackeln, und scheiterte. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Colby«, erklärte Paul plötzlich. »Ich glaube nicht, dass Mr. De La Cruz wusste, dass Juan die Pferde zu uns bringen wollte. Wie auch immer« – wieder zuckte er die Schultern – »Geld ist Geld.«
»So ist es, mein Junge.« Colby seufzte.
Mit siebzehn hatte Colby ganz allein die Verantwortung für die Ranch, ihren elfjährigen Bruder und ihre sechsjährige Schwester übernommen, nachdem ihre Mutter bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war und Armando aufgrund seiner schweren Verletzung gelähmt blieb, und zwar ohne jemals zu murren. Zwei Jahre nach dem Unfall hatte ihr Stiefvater Colby gebeten, an seine Familie in Brasilien zu schreiben und sie zu bitten, so schnell wie möglich zu kommen. Er hatte gewusst, dass er bald sterben würde, und seinen Stolz hinuntergeschluckt, um für seine Kinder um Hilfe zu bitten. Niemand hatte geantwortet, und ihr geliebter Vater war im Kreis seiner Kinder, aber ohne seine Geschwister gestorben. Jetzt, mit sechzehn, konnte Paul beurteilen, was diese vergangenen fünf Jahre Colby gekostet hatten. Er gab sich Mühe, ihr einen Teil der Last abzunehmen, und wusste zum ersten Mal in seinem Leben, wie es war, sich um jemand anders wirklich Sorgen zu machen. Jedes Mal, wenn Colby von einem Pferd abgeworfen wurde, bekam er rasendes Herzklopfen.
Colby beklagte sich nie, aber die ständige Belastung und die Müdigkeit waren ihr immer deutlicher anzusehen. »Willst du nicht eine Pause machen? Die Sonne geht bald unter«, schlug er hoffnungsvoll vor. Colby war zweifellos von Kopf bis Fuß mit blauen Flecken übersät, und seinen scharfen Augen entging nicht, dass sie sich den linken Arm hielt.
»Tut mir leid, Schatz.« Colby schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht zulassen, dass der Gaul sich einbildet, er wäre hier der Boss. Auf ein Neues!« Ohne ein Anzeichen von Furcht betrat sie die Koppel und fing die Zügel des gewaltigen Tieres ein.
Paul sah ihr zu, wie er es schon unzählige Male getan hatte, und betrachtete ihre zierliche kleine Gestalt, die neben dem halbwilden Pferd so zerbrechlich und doch völlig selbstbewusst wirkte. Sie hatte sich als Trainerin einen so guten Ruf aufgebaut, dass viele der besten Rodeo-Reiter von überall in den Vereinigten Staaten ihre neuesten Erwerbungen zu Colby brachten. Normalerweise verbrachte sie Wochen bis Monate geduldig damit, die Tiere gefügiger zu machen. Sie hatte eine besondere Affinität zu Tieren, vor allem zu Pferden. Colbys Methoden waren für sie selbst meistens strapaziöser als für die Pferde. Wenn sie ein Tier schnell unterwerfen musste wie zum Beispiel jetzt, dann machte Paul sich am meisten Sorgen.
Ihre Ranch war nicht groß und wurde hauptsächlich dafür genutzt, Pferde zu halten. Die wenigen Rinder und Felder waren für den Eigenbedarf bestimmt. Es war ein hartes, aber gutes Leben. Ihr Vater, Armando Chevez, war in dieses Land gekommen, als er Pferde für seine reiche Familie in Brasilien gekauft hatte und auf der Suche nach neuen Blutlinien für die riesigen Besitzungen in Südamerika gewesen war. Damals hatte er Virginia Jansen, Colbys Mutter, kennengelernt und geheiratet. Seine Familie nahm ihre Eheschließung nicht gut auf, und Armando wurde tatsächlich enterbt. Colby hatte ihrem Vater nie gesagt, dass sie den Brief von dem Patriarchen der Familie Chevez gefunden hatte, in dem Armando aufgefordert wurde »das geldgierige amerikanische Flittchen mitsamt ihrem Bastard« sofort zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. Andernfalls wäre er für die gesamte Familie buchstäblich gestorben. Colby hatte keine Ahnung, wer ihr leiblicher Vater war, und es interessierte sie auch nicht. Für sie war Armando Chevez ihr wahrer Vater. Er hatte sie geliebt und beschützt, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut. Jetzt waren Paulo und Ginny ihre Familie, und sie wachte mit Argusaugen über die beiden. Sie war fest entschlossen, dass ihre Geschwister die Ranch bekommen sollten, wenn sie großjährig wurden, genauso wie Armando Chevez es beabsichtigt hatte. Es war das Mindeste, was Colby für ihn tun konnte.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Britta Evert
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Autoren-Porträt von Christine Feehan
Christine Feehan lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren insgesamt elf Kindern in Kalifornien. Ihre Romane stürmen in den USA regelmäßig die Bestsellerlisten, und auch in Deutschland erfreut sich die Autorin einer stetig wachsenden Fangemeinde. Für ihre Serie über die Karpatianer hat sie 2002 beim "Romantic Times Award" den Preis für den besten Vampir-Liebesroman bekommen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christine Feehan
- 2009, 5. Aufl., Maße: 12,5 x 18,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Evert, Britta
- Übersetzer: Britta Evert
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404187407
- ISBN-13: 9783404187409
- Erscheinungsdatum: 12.05.2009
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