Dunkler Rausch der Sinne / Dark Carpathians Bd.8
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Dunkler Rauschder Sinne von Christine Feehan
LESEPROBE
»Ich weiß, dass du es jetzt noch nicht verstehst, Jaxon, aber eines Tages wirst du es tun«, murmelte Lucian,während er ihr Kinn mit festem Griff umschloss und ihren Blick mit seinendunklen Augen festhielt.
Für Jaxx war es, als würde sie ineinem tiefen, schwarzen See versinken, jenseits von Raum und Zeit.
Lucian wisperte leise ihren Namen, neigte seinen Kopf überdie weiche Haut ihrer Kehle und atmete ihren Duft ein. Es gab keinen Ort, anden sie gehen konnte. Er würde sie überall finden. Obwohl sie sich in seinenArmen so zerbrechlich anfühlte, rührte sie Dinge in ihm auf, die besserunangetastet blieben, und das plötzliche, heftige Verlangen, das er nach ihrempfand, machte ihn betroffen. Sie war jung und verletzlich, und im Momentsollte er nur den Wunsch haben, sie zu beschützen.
Sein Mund streifte ihre Haut, sanft und zärtlich in einerleichten Liebkosung. Sofort regte sich erneut Verlangen in ihm, hart undfordernd. Er konnte hören, wie ihr Herz im selben Rhythmus wie seines schlug.Er konnte hören, wie ihr Blut durch ihre Adern strömte, eine verlockende Hitze,die nach ihm rief und in ihm einen ungeheuren körperlichen Hunger nach ihrweckte.
Er schloss die Augen, und seine Zunge fand den Pulsschlag anihrem Hals, benetzte ihn einmal, dann noch einmal. Seine Zähne strichen leichtüber die Ader ... und gruben sich dann tief hinein ...
Dieses Buch wurde fürJonathan Carl Woods Jr. geschrieben.
Wir hätten uns keinenbesseren Schwiegersohn wünschen können.
Ehemann unsererTochter Manda, Vater unserer Enkeltochter
Skyler, Beschützer derer, die wir lieben.
Du bist alles, was einMann sein sollte, hast alles, was einen Mann zum Helden macht.
Du wirst für immer inunseren Herzen sein.PrologLucian Walachei, 1400
Das Dorf war viel zu klein, um der Armee Widerstand zuleisten, die es zu überrollen drohte. Nichts hatte den Vormarsch der Osmanenaufhalten können. Alles auf ihrem Weg war zerstört, jedermann ermordet, brutalabgeschlachtet worden. Leichen staken auf spitzen Pfählen und wurden als Beutefür Aasfresser zurückgelassen. Blut floss in Strömen. Niemand wurde verschont,weder kleine Kinder noch die Alten. Die Angreifer folterten, brandschatzten undmassakrierten. Sie ließen nichts als Feuer, Tod und Ratten zurück.
In dem Dorf herrschte Totenstille; nicht einmal die Kinderwagten zu weinen. Die Menschen starrten einander nur voller Verzweiflung undHoffnungslosigkeit an. Niemand würde ihnen helfen, nichts würde das Massakerverhindern. Sie würden zugrunde gehen, so wie die Bewohner all der anderenDörfer, die diesem furchtbaren Feind zum Opfer gefallen waren. Sie waren zuwenige und hatten nur ihre bäuerlichen Waffen, um sich gegen die vorrückendenHorden zur Wehr zu setzen. Sie waren hilflos.
Plötzlich tauchten wie aus dem Nichts zwei Krieger aus der Nebel verhangenen Nacht auf.Sie bewegten sich wie eine Einheit, in vollständiger Übereinstimmung, in einemRhythmus und mit der Anmut eines Raubtiers, geschmeidig und völlig lautlos. Siewaren beide groß und breitschultrig, mit wallendem Haar und Augen, in denen derTod lag. Einige Leute behaupteten, sie könnten die roten Flammen der Hölle inden Tiefen jener eisigen schwarzen Augen lodern sehen.
Erwachsene Männer gingen ihnen aus dem Weg; Frauen wichenhastig in den Schatten zurück. Die Krieger blickten weder nach links noch nachrechts, sahen aber alles. Eine Aura von Macht umgab sie wie eine zweite Haut. Alsder Dorfälteste zu ihnen trat, blieben sie stehen undverharrten so regungslos wie die Berge, ein Stück oberhalb der verstreutenHütten, von wo sie auf das leere, Gras bewachsene Land starrten, das sichzwischen ihnen und dem Wald erstreckte.
»Was gibt es Neues?«, fragte der Dorfälteste. »Wir haben von den Gemetzeln überall im Landgehört. Jetzt sind wir an der Reihe. Und nichts kann diese Todesflut aufhalten.Wir können nirgendwo hingehen, Lucian, haben keinen Ort, wo wir unsere Familienverstecken können. Wir werden kämpfen, aber wie alle anderen werden wir besiegtwerden.«
»Wir sind heute Nacht in großer Eile, alter Mann, denn wirwerden an einem anderen Ort gebraucht. Es heißt, unser Prinz wäre erschlagenworden. Du warst immer ein guter, braver Mann. Gabriel und ich werden tun, waswir können, um euch zu helfen, bevor wir weiterziehen. Der Feind kann bisweilensehr abergläubisch sein.«
Seine Stimme war klar und schön und weich wie Samt. Werdieser Stimme lauschte, konnte nicht anders, als das zu tun, was Lucian befahl.All jene, die sie vernahmen, hatten den Wunsch, sie immer wieder zu hören.Seine Stimme allein konnte verzaubern, verführen - und töten.
»Geht mit Gott«, wisperte der Dorfältestedankbar.
Die beiden Männer wanderten schweigend und in vollkommenerÜbereinstimmung weiter. Sowie sie vom Dorf aus nicht mehr zu sehen waren,nahmen sie in ein und demselben Moment eine andere Gestalt an und verwandeltensich in Eulen. Mit kräftigen Flügelschlägen erhoben sie sich weit über dieBaumgrenze und hielten nach der schlafenden Armee Ausschau. Einige Meilen vomDorf entfernt hatten Hunderte Männer ihr Lager aufgeschlagen.
Nebel senkte sich in dicken weißen Schwaden auf die Erde.Von einem Augenblick auf den anderen herrschte völlige Windstille, sodass keinLufthauch die undurchdringlichen Dunstschleier bewegte. Ohne Vorwarnung stießendie Eulen vom Himmel herab, ihre messerscharfen Klauen direkt auf die Augen derWachtposten gerichtet. Die Vögel schienen überall zu sein und stetsgleichzeitig zuzuschlagen, sodass sie wieder verschwunden waren, ehe jemand denPosten zu Hilfe kommen konnte. Schreie des Entsetzens und der Qual zerrissendie Stille. Die Soldaten fuhren hoch, packten ihre Waffen und suchten in demdichten weißen Nebel nach dem Feind. Sie sahen nur ihre eigenen Wachtposten.Leere Höhlen klafften dort, wo einmal ihre Augen gewesen waren, und Blutströmte über ihre Gesichter, als sie blindlings davonrannten.
Im Zentrum der Heerschar war ein lautes Knacken zu hören,dann noch eines. Ein Schlag folgte blitzschnell auf den nächsten, und zweiReihen Soldaten sanken mit gebrochenem Genick auf den Boden. Es war, alshielten sich in dem dichten Nebel unsichtbare Feinde verborgen, die rasch voneinem zum anderen liefen und ihnen mit bloßen Händen die Hälse umdrehten. Chaosbrach aus. Viele rannten schreiend in den nahen Wald. Aber wie aus dem Nichtstauchten Wölfe auf und schnappten mit ihren mächtigen Kiefern nach denfliehenden Soldaten. Männer stürzten in ihre eigenen Speere, als wäre es ihnenso befohlen worden. Andere rammten ihre Speere in ihre Kameraden, außerstande,sich diesem Zwang zu widersetzen, so sehr sie auch dagegen ankämpften. Blut undTod und Panik beherrschten den Ort. Die Nacht schien kein Ende zu nehmen, bises schließlich keinen Ort mehr gab, um sich vor dem unsichtbaren Grauen zuverbergen, vor dem Phantom des Todes, vor den wilden Tieren, die die Armeeangriffen.
Am Morgen rückten die Dorfbewohner an, um sich dem Kampf zustellen - und fanden nur Tote vor.Lucian Karpaten, 1400
In der Luft hing der Geruch von Tod und Verwüstung. Ringsumhoben sich vor dem Himmel die brennenden Ruinen menschlicher Siedlungen ab. Dasuralte Volk der Karpatianer hatte versucht, seineNachbarn zu retten, doch der Feind hatte zugeschlagen, als die Sonne am höchstenstand. Zu dieser Tageszeit war ihre Macht am schwächsten, und sehr viele vonihnen waren, genau wie die Menschen, vernichtet worden - Männer, Frauen,Kinder. Nur diejenigen, die weit von ihrer Heimat entfernt gewesen waren,hatten dem tödlichen Schlag entgehen können.
Julian, jung und stark und doch kaum mehr als ein Junge,betrachtete aus traurigen Augen das Bild, das sich ihm bot. So wenige vonseiner Art waren geblieben. Und Vladimir Dubrinsky,ihr Prinz, war tot, ebenso Sarantha, seine Gefährtin.Es war eine Katastrophe, ein Schlag, von dem sich ihr Volk vielleicht nie mehrerholen würde. Julian stand hoch aufgerichtet da, das Gesicht umrahmt vonlangem, blondem Haar, das ihm über die Schultern fiel.
Dimitri trat zu ihm. »Was machst du hier? Du weißt, wiegefährlich es ist, hier unter freiem Himmel zu stehen. Es gibt so viele, dieuns vernichten wollen. Wir haben Anweisung, in der Nähe der anderen zu bleiben.« Er stellte sich schützend neben seinen Freund.
»Ich kann selbst auf mich aufpassen«, erklärte Julianeigensinnig. »Und was machst du hier eigentlich?« Erpackte den Arm des älteren Jungen. »Ich habe sie gesehen. Ich bin sicher, dasssie es waren. Lucian und Gabriel. Sie waren es.«Ehrfurcht schwang in seiner Stimme mit.
»Das kann nicht sein«, wisperte Dimitri und schaute in alleRichtungen. Er war aufgeregt und verängstigt zugleich. Niemand, nicht einmaldie Erwachsenen, sprachen die Namen der zwei Jäger laut aus. Lucian undGabriel. Sie waren eine Legende, ein Mythos, nicht die Wirklichkeit.
»Aber ich bin mir sicher. Ich wusste, sie würden kommen,sobald sie erfahren, dass der Prinz tot ist. Was sollten sie sonst tun?Bestimmt wollen sie zu Mikhail und Gregori.«
Der ältere Junge schnappte nach Luft. »Gregoriist auch hier?« Er folgte Julian durch den dichtenWald. »Er wird uns erwischen, wenn wir herumspionieren, Julian. Erweiß alles.«
Der blonde Junge zuckte die Achseln. Ein verschmitztesLächeln spielte um seine Mundwinkel. »Ich werde sie aus der Nähe sehen,Dimitri. Ich habe keine Angst vor Gregori.«
»Solltest du aber. Und ich habe gehört, dass Lucian undGabriel in Wirklichkeit Untote sind.«
Julian brach in Gelächter aus. »Wer hat dir denn das erzählt?«
»Ich habe gehört, wie sich zwei Männer darüber unterhaltenhaben. Sie sagten, niemand könnte es überleben, so lange wie die beiden zujagen und zu töten, ohne auf die dunkle Seite zu wechseln.«
»Die Menschen haben Krieg und dabei ist unser Volkaufgerieben worden. Sogar unser Prinz ist tot. Überall sind Vampire. Jedertötet jeden. Ich glaube nicht, dass wir uns wegen Gabriel und Lucian Gedankenmachen müssen. Wenn sie wirklich Vampire wären, wären wir alle tot. Niemand,nicht einmal Gregori, könnte im Kampf gegen siebestehen«, wandte Julian ein. »Sie sind so mächtig, dass niemand ihnen etwas anhabenkann. Sie waren dem Prinzen immer treu ergeben. Immer.«
»Unser Prinz ist tot. Vielleicht werden sie seinemNachfolger Mikhail gegenüber nicht so loyal sein.«Dimitri plapperte offenbar nach, was er von den Erwachsenen gehört hatte.
Julian schüttelte verärgert den Kopf und ging weiter, wobeier jetzt darauf achtete, kein Geräusch zu machen. Stück für Stück arbeitete ersich durch das dichte Unterholz, bis das Haus in Sichtweite war. Weit in derFerne stieß ein Wolf einen hohen, klagenden Ton aus. Ein zweiter Wolfantwortete, dann noch einer. Diese beiden schienen viel näher zu sein. Julianund Dimitri nahmen eine andere Gestalt an. Sie wollten es sich nicht entgehenlassen, die legendären Persönlichkeiten zu sehen. Lucian und Gabriel waren diegrößten Vampirjäger in der Geschichte ihres Volkes. Es war weithin bekannt,dass niemand sie besiegen konnte. Die Nachricht, dass sie in der Nacht alleineine ganze feindliche Armee vernichtet hatten, war ihrer Ankunft vorausgeeilt.Niemand wusste genau, wie viele Gegner sie im Lauf der vergangenen Jahrhundertegeschlagen hatten, aber die Zahl musste ungeheuer hoch sein.
Julian, der die Gestalt eines kleinen Murmeltiers angenommenhatte, huschte näher an das Haus heran. Während er sich dem kleinen Vorbaunäherte, hielt er nach Eulen Ausschau. Obwohl er noch jung war, besaß Julianschon das unglaubliche Hörvermögen des alten Karpatenvolkes. Dieses scharfeSinnesorgan setzte er jetzt ein, um jedes Wort zu verstehen, das gewechseltwurde. Dort im Haus befanden sich die vier bedeutendsten lebenden Karpatianer, und dieses Zusammentreffen wollte er aufkeinen Fall verpassen. Er nahm kaum wahr, dass Dimitri sich zu ihm gesellte.
»Du hast keine Wahl, Mikhail«, sagte eine leise Stimme. DieStimme war unglaublich schön, samtweich, herrisch und doch sanft. »Du musst dieLast der Verantwortung tragen. Deine Herkunft verpflichtet dich dazu. DeinVater hatte eine Vorahnung seines Todes, und seine Befehle waren eindeutig. Dumusst die Herrschaft übernehmen. Gregori wird dir indieser Zeit großer Not beistehen, und wir werden tun, worum dein Vater unsgebeten hat. Aber für die Rolle des Herrschers sind nicht wir bestimmt, sonderndu.«
»Du bist einer vom alten Stamm, Lucian. Einer von euchsollte über unser Volk herrschen. Wir sind so wenige; unsere Frauen sind füruns verloren, unsere Kinder dahin. Was sollen unsere Männer ohne Frauen tun?« Julian erkannte Mikhails Stimme. »Sie haben keine andereWahl, als die Morgendämmerung zu suchen oder zu Untotenzu werden. Gott weiß, dass schon jetzt etliche von ihnen genau das tun. Ichverfüge noch nicht über die Weisheit, unser Volk in so schlimmen Zeiten wiediesen zu führen.«
»In dir fließt das Blut unserer Vorfahren, und du hast dieMacht. Mehr noch, unser Volk glaubt an dich. Uns fürchten die Leute, unsereMacht und unser Wissen und alles, was wir verkörpern.«Lucians Stimme war von bezwingender Schönheit. Julian liebte ihren Klang, hätteihr bis in alle Ewigkeit lauschen mögen. Kein Wunder, dass die ErwachsenenAngst vor Lucians Macht hatten. Selbst Julian, so jung er war, erkannte, dassdiese Stimme eine Waffe war. Und Lucian redete im Augenblick ganz normal. Wiemochte es sein, wenn er den Menschen in seiner Umgebung Befehle erteilenwollte? Wer würde die Kraft haben, einer solchen Stimme zu widerstehen?
»Wir bieten dir ein Bündnis an, Mikhail, so wie wirVerbündete deines Vaters gewesen sind, und wir werden tun, was in unserer Machtsteht, um dir alles Wissen weiterzugeben, das dir bei deiner schweren Aufgabevon Nutzen sein kann. Gregori, wir wissen, dass auchaus dir ein großer Jäger geworden ist. Ist dein Band zu Mikhail stark genug, umdir durch die dunklen Tage zu helfen, die bevorstehen?«So sanft Lucians Stimme auch klang, sie forderte eine aufrichtige Antwort.
Julian hielt den Atem an. Gregoriwar vom selben Geblüt wie Gabriel und Lucian. Die Dunklen. Alle Karpatianer mit dieser Abstammung waren von jeher die Beschützer ihrer Art gewesen, diejenigen, die die Untoten zur Verantwortung zogen. Gregoriwar schon jetzt sehr mächtig. Es schien kaum möglich, dass er sich zu einerAntwort zwingen ließ, und doch tat er es.
»Solange Mikhail lebt und solange es mich gibt, werde ichfür seine Sicherheit und die der Seinen sorgen.«
»Du wirst unserem Volk dienen, Mikhail, und unser Bruder wirddir dienen, so wie wir deinem Vater gedient haben. So ist es bestimmt. Gabrielund ich werden gegen die Bedrohung kämpfen, die die Untotenfür die Menschen und für unsere eigene Rasse darstellen.«
»Es sind so viele«, erwiderte Mikhail.
»Du hast Recht. Überall herrschen Krieg und Tod, und unsereFrauen sind so gut wie ausgerottet worden. Die Männer brauchen Hoffnung für dieZukunft, Mikhail. Diese Hoffnung musst du ihnen geben, sonst haben sie keinenGrund, weiter in der endlosen Dunkelheit auszuharren. Wir brauchen Frauen,Gefährtinnen für unsere Männer. Unsere Frauen sind das Licht in dieserDunkelheit. Unsere Männer sind wie Raubtiere, dunkle, gefährliche Jäger, die imLauf der Jahrhunderte immer tödlicher werden. Wenn wir keine Gefährtinnenfinden, werden sich alle in Vampire verwandeln, und wenn die Männer ihre Seelenverlieren, wird unsere Rasse aussterben. Es wird Verwüstungen von einem Ausmaßgeben, wie wir es uns nicht vorstellen können. Das zu verhindern ist deinePflicht, Mikhail, und es ist eine gewaltige Aufgabe.«
»Ebenso wie die eure«, sagte Mikhail leise. »So viele Lebenzu nehmen und einer von uns zu bleiben ist keine geringe Leistung. Unser Volkhat euch viel zu verdanken.«
Julian, der immer noch die Gestalt eines Murmeltiers hatte,verbarg sich schnell wieder im Unterholz, um nicht von den Männern des altenStamms entdeckt zu werden. Hinter ihm raschelte es im Buschwerk, und er drehtesich um. Zwei hochgewachsene Männer standenregungslos und stumm vor ihm. Ihre Augen waren dunkel und leer, ihre Gesichterso unbewegt, als wären sie in Stein gemeißelt. Ein feiner Nebel schien vomHimmel zu fallen und sich über ihn und Dimitri zu senken. Julian hielt den Ateman und riss die Augen weit auf. In diesem Moment tauchte Gregorivor den beiden Jungen auf und schob sich beinahe beschützend vor sie. AlsJulian den Kopf zur Seite legte, um an ihm vorbeizuspähen, waren die mystischenJäger so spurlos verschwunden, als wären sie nie da gewesen, und die beidenJungen fanden sich allein mit Gregori vor.Lucian Frankreich, 1500
Die Sonne versank in einem Strahlenkranz leuchtender Farben,die allmählich dem Schiefergrau der Nacht wichen. Tief unten im Erdboden fingein Herz an zu schlagen. Lucian ruhte in der fruchtbaren, heilkräftigen Erde.Die Wunden aus dem letzten schweren Kampfwarenverheilt. Im Geist überprüfte er die Umgebung rings um seine Ruhestätte, nahmaber nur die Bewegungen von Tieren wahr. Erdbrocken wurden in die Luftgeschleudert, als er aus dem Boden auftauchte und tief einatmete. In dieser Nachtwürde sich seine Welt für alle Zeiten ändern. Gabriel und Lucian warenZwillinge. Sie sahen gleich aus, dachten gleich, kämpften gleich. Im Lauf derJahrhunderte hatten sie auf allen möglichen Gebieten Kenntnisse erworben, unddieses Wissen teilten sie miteinander.
Alle Männer des Karpatenvolks verloren, je älter sie wurden,ihre Empfindungen und die Fähigkeit, Farben zu sehen. Sie bewegten sich ineiner dunklen, düsteren Welt, in der nur ihr Gefühl für Ehre und Treueverhinderte, dass sie zu Vampiren wurden, während sie auf die Gefährtin ihresLebens warteten. Gabriel und Lucian hatten einen Pakt geschlossen. Sollte sicheiner von ihnen in einen Vampir verwandeln, würde der andere seinenZwillingsbruder jagen und vernichten, bevor er die Morgendämmerung und damitseinen eigenen Untergang erlebte. Lucian wusste bereits seit einiger Zeit, dassGabriel mit seinem inneren Dämon rang und allmählich von der Dunkelheitverzehrt wurde, die sich in ihm ausbreitete. Die ständigen Kämpfe fordertenihren Tribut. Gabriel war dicht davor, auf die dunkle Seite zu wechseln.
Lucian atmete noch einmal die reine Nachtluft ein. Er warentschlossen, Gabriel am Leben zu halten, seine Seele zu retten. Es gab nureine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Wenn er Gabriel davon überzeugenkonnte, dass er, Lucian, sich den Reihen der Untotenangeschlossen hatte, blieb Gabriel nichts anderes übrig, als ihn zu jagen. Daswürde Gabriel davon abhalten, mit einem anderen als Lucian zu kämpfen. Siebeide waren einander an Macht ebenbürtig, also würde Gabriel ihn niemalsbesiegen können, und dadurch ebenso wie durch die Tatsache, ein bestimmtes Zielzu verfolgen, würde Gabriel standhaft bleiben können.
Lucian erhob sich in die Lüfte und suchte sein erstes Opfer.
© 2007 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG, Bergisch Gladbach
- Autor: Christine Feehan
- 2007, 7. Aufl., 448 Seiten, Maße: 12,3 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Britta Evert
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404187180
- ISBN-13: 9783404187188
- Erscheinungsdatum: 17.07.2007
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