Das Ende einer Affäre
Roman
"Ich halte 'Das Ende einer Affäre' für den besten, wahrhaftigsten und herzbewegendsten Roman meiner Zeit, weil er an die Herzen aller Menschen auf dieser Welt appelliert." William Faulkner
London 1946. Bei einem Spaziergang trifft der Romanschriftsteller...
London 1946. Bei einem Spaziergang trifft der Romanschriftsteller...
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Produktinformationen zu „Das Ende einer Affäre “
Klappentext zu „Das Ende einer Affäre “
"Ich halte 'Das Ende einer Affäre' für den besten, wahrhaftigsten und herzbewegendsten Roman meiner Zeit, weil er an die Herzen aller Menschen auf dieser Welt appelliert." William FaulknerLondon 1946. Bei einem Spaziergang trifft der Romanschriftsteller Maurice Bendrix seinen alten Bekannten Henry Miles, mit dessen Frau Sarah er ein Verhältnis hatte. Zu Bendrix' Überraschung erweist sich der sonst so einsilbige und ungelenke Beamte Miles als überaus gesprächig und schüttet ihm sein Herz aus: Miles verdächtigt Sarah, eine Affäre zu haben. Brisanterweise erwartet der ratlose Ehemann ausgerechnet von Bendrix, ihm bei seinen Nachforschungen zu helfen. Und plötzlich ist der Liebhaber eifersüchtiger als der Gatte. Er beauftragt einen Detektiv, denn er selbst ist es, der unbedingt herausbekommen will, ob und wen Sarah liebt, aber vor allem, warum sie ihn damals verließ, nach jener gefährlichen Liebesnacht im Bombenhagel des Krieges.
Neil Jordan überrascht das Kinopublikummit einer Neuverfilmung des Klassikers von Graham Greene, die von der New York Times als die "beste Greeene-Verfilmung seit 'Der dritte Mann'" umjubelt wurde.
Lese-Probe zu „Das Ende einer Affäre “
ERSTES BUCHEine Geschichte hat weder Anfang noch Ende: Willkürlich wählt man den Moment, von dem aus man ein Erlebnis rückschauend betrachtet oder sich vorstellt, wie es weitergeht. "Man wählt" sage ich mit dem falschen Stolz des professionellen Autors, den man - falls er anerkannt ist und ernst genommen wird - wegen seiner Technik lobt, aber ich wähle tatsächlich, allein weil ich es will, jenen nassen, schwarzen Januarabend 1946 auf dem Gemeindeanger und den Anblick von Henry Miles, der vorgebeugt durch den heftigen Regenguss stolperte - oder haben diese Bilder mich ausgesucht? Ist es angemessen, ist es korrekt, den Regeln meines Handwerks entsprechend, einfach da zu beginnen? Hätte ich damals an Gott geglaubt, hätte ich ebenso an eine Hand glauben können, die mich am Ellenbogen zupfte und mich aufforderte: "Sprich ihn an. Er hat dich noch nicht gesehen."Warum hätte ich mit ihm sprechen sollen? Wenn Hass kein allzu großes Wort ist, um auf irgendein menschliches Wesen angewandt zu werden, dann hasste ich Henry und hasste auch Sarah, seine Frau. Und er, vermute ich, fing bald nach den Ereignissen dieses Abends an, auch mich zu hassen; ebenso wie er von Zeit zu Zeit seine Frau gehasst haben muss - und DEN, an den wir damals glücklicherweise nicht glaubten. Dies ist daher viel eher ein Bericht über den Hass als über die Liebe, und wenn ich wirklich einmal etwas zugunsten von Henry und Sarah sage, kann man darauf vertrauen, dass es zutrifft. Ich schreibe gegen meine Voreingenommenheit an, denn es ist mein beruflicher Stolz, mich so nahe an die Wahrheit zu halten, dass ich mich nicht einmal scheue, meinem an Hass grenzenden Gefühl Ausdruck zu verleihen.Es war seltsam, Henry an einem solchen Abend im Freien zu begegnen. Er liebte seine Behaglichkeit, und dann - so glaubte ich wenigstens - hatte er ja Sarah. Für mich ist Behaglichkeit wie eine falsche Erinnerung am falschen Ort oder zur falschen Zeit. Wenn man allein ist, zieht man das Unbehagen vor. Sogar in dem
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Wohnschlafzimmer, in dem ich auf der falschen - der Südseite - des Gemeindeangers hauste, gab es für mich ein Zuviel an Behaglichkeit, in den Relikten der Möbel anderer Leute. Ich dachte daran, einen Spaziergang im Regen zu machen und im Lokal etwas zu trinken. In der kleinen, übervollen Halle hingen lauter fremde Mäntel und Hüte, und ich erwischte unabsichtlich einen Regenschirm, der mir nicht gehörte - der Mann im zweiten Stock hatte Freunde eingeladen. Dann schloss ich die Haustür mit den Buntglasfenstern hinter mir und tastete mich vorsichtig die Stufen hinunter, die 1944 zerbombt und nie repariert worden waren. Ich hatte meine Gründe, mich an dieses Ereignis zu erinnern und daran, wie das Buntglas, trotzig und hässlich, der Erschütterung standhielt, nicht anders als unsere Großväter es getan hätten.Als ich mich anschickte, den Gemeindeanger zu überqueren, merkte ich sofort, dass ich den falschen Schirm hatte, denn er war leck, und der Regen lief mir unter den Kragen meines wasserdichten Mantels; und genau in diesem Augenblick entdeckte ich Henry. Ich hätte ihm sehr leicht ausweichen können; er hatte keinen Regenschirm, und im Licht der Straßenlaternen konnte ich sehen, dass seine Augen vom Regen blind waren. Die schwarzen, unbelaubten Bäume boten keinen Schutz: Sie standen herum wie zerbrochene Regenrinnen, und von Henrys steifem dunklem Hut tropfte der Regen und lief in Strömen an dem schwarzen Wintermantel hinunter, dem Kennzeichen eines Staatsbeamten. Wäre ich direkt an ihm vorbeigegangen, hätte er mich nicht gesehen, und wäre ich einen halben Meter ausgewichen, indem ich vom Gehsteig auf die Straße trat, hätte ich auf jeden Fall vermieden, dass er mich sah, aber ich sagte: "Henry, fast hätte ich Sie nicht erkannt" und merkte, dass seine Augen aufleuchteten, als seien wir alte Freunde."Bendrix", sagte er voller Zuneigung, obwohl alle Welt wohl der Meinung gewesen wäre, er habe Grund zu hassen, nicht ich."Was haben Sie vor, Henry, bei diesem Regen?" Es gibt Männer, die den unwiderstehlichen Drang in uns wecken, sich über sie lustig zu machen: Männer, die anders sind als wir. Er sagte ausweichend: "Oh, ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen" und konnte bei der aufkommenden Wind- und Regenbö gerade noch seinen Hut festhalten, bevor er zur Nordseite davon gewirbelt wurde."Wie geht es Sarah?" fragte ich, denn es wäre ihm vielleicht merkwürdig vorgekommen, hätte ich es nicht getan, obwohl mich nichts mehr gefreut hätte, als zu hören, dass sie krank war und unglücklich, dass sie im Sterben lag. Ich bildete mir damals ein, dass alles Böse, das ihr widerfuhr, mein Leid verringern würde, und wenn sie tot wäre, wäre ich frei: würde mir nicht mehr all die Dinge vorstellen, die einem in einem unwürdigen Zustand wie dem meinen durch den Kopf gehen. Wenn Sarah tot wäre, dachte ich, könnte ich sogar den armen, albernen Henry gern haben.Er sagte: "Oh, sie ist heute Abend ausgegangen, irgendwohin" und erweckte damit den Teufel in meinem Kopf wieder zum Leben, der mich an andere Tage erinnerte, an denen Henry genau dasselbe jedem anderen geantwortet hatte, während ich allein wusste, wo Sarah tatsächlich war. "Trinken wir einen Schluck zusammen?" fragte ich, und zu meiner Überraschung passte er sich meinem Schritt an. Wir hatten außer bei ihm zu Hause noch nie miteinander getrunken."Lange nicht gesehen, Bendrix."Aus irgendeinem Grund bin ich ein Mann, den man beim Familiennamen nennt - ich hätte genauso gut ungetauft bleiben können, so wenig machten meine Freunde von meinem ein wenig hochgestochenen Vornamen Maurice Gebrauch, den meine versnobten Eltern mir gegeben haben."Ja, sehr lange.""Muss länger als ein Jahr her sein.""Seit Juni 1944", sagte ich."So lange schon-ja, ja." Dieser Narr, dachte ich, dieser Narr sieht nichts Ungewöhnliches in einem Zeitabstand von anderthalb Jahren. Weniger als fünfhundert Meter f lachen Rasens trennten unsere beiden "Seiten". War ihm nie eingefallen, zu Sarah zu sagen: "Was macht Bendrix eigentlich? Laden wir Bendrix doch wieder mal ein", und waren ihm ihre Antworten nie - seltsam, ausweichend -, verdächtig vorgekommen? Ich war so vollständig aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden wie ein Stein, der in einem Teich versinkt. Vermutlich hatte der leichte Aufruhr des Wassers Sarah eine Woche lang, einen Monat vielleicht, beunruhigt, aber Henrys Scheuklappen waren fest geschlossen. Ich hatte diese Scheuklappen sogar gehasst, während ich von ihnen profitierte, weil mir klar war, dass auch andere ihren Nutzen daraus ziehen konnten."Ist sie im Kino?" fragte ich."O nein, da geht sie kaum noch hin.""Früher war sie oft dort."
Das Pontefract Arms war noch mit malven- und orangefarbenen Papierschlangen und Papierglöckchen, den Überbleibseln kommerzieller Fröhlichkeit, weihnachtlich geschmückt, und die junge Wirtin stützte mit einer verächtlichen Miene für die Gäste ihre Brüste auf die Bar."Hübsch", sagte Henry, ohne es ernst zu meinen, und sah sich irgendwie verloren um; mit einer gewissen Scheu hielt er Ausschau nach einem Haken, an den er seinen Hut hängen konnte. Ich gewann den Eindruck, dass die einzige öffentliche Bar, die er bisher kannte, die des Steakhauses in der Northumberland Avenue war, in dem er mit seinen Kollegen vom Ministerium den Lunch einnahm."Was trinken Sie?""Ein Whisky wäre mir recht.""Mir auch, aber Sie werden sich mit Rum zufrieden geben müssen."Wir setzten uns an einen Tisch und befingerten unsere Gläser; ich hatte Henry noch nie viel zu sagen gehabt und bezweifle, dass ich mir die Mühe gemacht hätte, ihn oder Sarah besser kennen zu lernen, hätte ich 1939 nicht begonnen, eine Geschichte zu schreiben, deren Protagonist ein höherer Staatsbeamter war. Henry James hat einmal in einer Diskussion mit Walter Besant gesagt, eine einigermaßen talentierte junge Frau brauche nur einmal an den Messefenstern der Kaserne eines Garderegiments vorbeizugehen und hineinzuschauen, und schon könne sie einen Roman über die Brigade schreiben, ich aber denke, dass sie es in einem bestimmten Stadium ihres Buches für erforderlich gehalten hätte, mit einem Gardesoldaten ins Bett zu gehen, um wenigstens die Details zu überprüfen. Ich ging natürlich nicht mit Henry ins Bett, tat aber das Nächstbeste und beabsichtigte schon am ersten Abend, an dem ich Sarah zum Dinner ausführte, kaltblütig das Gehirn der Ehefrau eines Staatsbeamten anzuzapfen. Sie ahnte nicht, worauf ich aus war; sie glaubte, dessen bin ich sicher, ich interessierte mich ernsthaft für ihr Familienleben, und vielleicht weckte das anfangs ihre Sympathie für mich. Um wie viel Uhr frühstückt Henry? fragte ich sie. Fuhr er mit der Untergrundbahn, mit dem Bus oder mit dem Taxi ins Büro? Brachte er abends Arbeit nach Hause? Besaß er eine Aktenmappe mit dem königlichen Wappen? Unsere Freundschaft gedieh durch mein Interesse: Sie war so glücklich, dass jemand Henry ernst nahm. Henry war wichtig, aber ungefähr so wichtig wie ein Elefant al- lein wegen seiner Größe; in Henrys Fall war es jedoch die Größe seiner Dienststelle; es gibt einige Arten von Wichtigkeit, die hoffnungslos dazu verdammt sind, nicht ernst genommen zu werden. Henry war ein wichtiger stellvertretender Staatssekretär im Ministerium für Altersversorgung, das eines Tages zum Ministerium für Innere Sicherheit werden sollte. Innere Sicherheit - später lachte ich darüber; lachte in jenen Momenten, in denen man seinen Gefährten hasst und nach irgendeiner Waffe sucht...Es kam eine Zeit, in der ich Sarah mit voller Absicht sagte, dass ich Henry nur gewählt hatte, um ihn zu kopieren, um ihn als Vorbild für einen Charakter zu benutzen, der in meinem Buch das lächerliche, das komische Element darstellte. Von da an gefiel ihr mein Roman nicht mehr. Sie war Henry gegenüber unglaublich loyal (das konnte ich nie leugnen), und in jenen umwölkten Stunden, in denen der Dämon von meinem Gehirn Besitz ergriff und ich dem arglosen Henry grollte, missbrauchte ich den Roman und erfand Episoden, die zu primitiv waren, um geschrieben zu werden... Nachdem Sarah einmal eine ganze Nacht mit mir verbracht hatte (und ich hatte mich darauf gefreut wie ein Autor auf das letzte Wort seines Buches), verdarb ich alles durch eine zufällige Bemerkung, die zerstörte, was manchmal, für ein paar Stunden, eine vollkommene Liebe zu sein schien. Ich war gegen zwei Uhr eingeschlafen, wachte um drei wieder auf, legte die Hand auf Sarahs Arm und weckte sie. Ich denke, ich wollte alles wiedergutmachen, bis mein Opfer mir das Gesicht zuwandte, verschlafen, schön in seiner Schlafbefangenheit und voller Vertrauen. Sie hatte den Streit vergessen, doch ich fand sogar in dieser Vergesslichkeit einen neuen Anlass. Wie verkorkst wir Menschen sind, und doch heißt es, ein Gott habe uns erschaffen; mir fällt es aber schwer, mir irgendeinen Gott vorzustellen, der nicht so einfach ist wie eine perfekte Gleichung, so klar wie Luft. Ich sagte zu ihr: "Ich habe wach gelegen und an das fünfte Kapitel gedacht. Kaut Henry eigentlich Kaffeebohnen, um vor einer wichtigen Konferenz einen reinen Atem zu bekommen?" Sie schüttelte den Kopf und begann leise zu weinen, und ich tat natürlich so, als verstünde ich nicht den Grund - eine simple Frage, ich hatte mir über meinen "Helden" den Kopf zerbrochen, es sei wirklich keine Spitze gegen Henry, die nettesten Menschen kauten ab und zu Kaffeebohnen... Und so weiter und so fort, ich redete und redete. Sie weinte eine Zeitlang, dann schlief sie ein. Sie war eine gute Schläferin, und ich nahm sogar ihre Fähigkeit zu schlafen als zusätzliche Kränkung.Henry trank seinen Rum sehr schnell und ließ die Blicke unglücklich über die malven- und orangefarbenen Papierschlangen schweifen. Ich fragte: "Ein schönes Weihnachtsfest gehabt?""Sehr schön, sehr schön", sagte er."Zu Hause?" Henry sah zu mir auf, als klängen die Worte aus meinem Mund irgendwie merkwürdig."Zu Hause? Ja, natürlich.""Und Sarah geht es gut?""Ja.""Trinken Sie noch ein Glas?""Das ist meine Runde."Während Henry die Drinks holte, ging ich auf die Toilette. Die Wände waren mit Sätzen vollgekritzelt wie: "Zum Teufel mit dir, Wirt, und deiner Frau mit dem fetten Busen. - Allen Zuhältern und Huren eine fröhliche Syphilis und eine glückliche Gonorrhöe". Rasch ging ich wieder hinaus zu den vergnüglichen Papierschlangen und dem Klirren der Gläser. Manchmal sehe ich mich unangenehm genau in anderen Männern gespiegelt, und dann habe ich ein ungeheures Verlangen, an die Heiligen und an heldische Tugenden zu glauben.Ich wiederholte Henry die beiden Zeilen, die ich gesehen hatte. Ich wollte ihn schocken und war überrascht, als er einfach sagte: "Eifersucht ist etwas Furchtbares.""Meinen Sie den Satz über die Ehefrau mit dem fetten Busen?""Ich meine beide Sätze. Wenn man selbst unglücklich ist, neidet man anderen Menschen ihr Glück." Ich hatte nicht erwartet, dass er das in seinem Ministerium für Innere Sicherheit lernen konnte. Und hier- in diesem Satz- sickert wieder Bitterkeit aus meiner Feder. Was für eine triste, leblose Eigenschaft diese Bitterkeit ist. Wenn ich könnte, ich würde mit Liebe schreiben, aber wenn ich mit Liebe schreiben könnte, wäre ich ein anderer Mensch: Ich hätte die Liebe nie verloren. Auf einmal jedoch empfand ich etwas über die glänzende, geflieste Platte des Bartischs hinweg, nichts so Überwältigendes wie Liebe, vielleicht nicht mehr als Kameradschaft im Unglück. Ich sagte zu Henry: "Sie sind unglücklich?""Ich mache mir Sorgen, Bendrix.""Erzählen Sie."Ich vermute, es war der Rum, der ihm die Zunge löste oder war er sich zum Teil klar darüber, wie viel ich von ihm wusste? Sarah war loyal, aber in einer Beziehung wie der unseren schnappt man unwillkürlich dies oder jenes auf. Ich wusste, dass er links neben dem Nabel einen Leberfleck hatte, weil Sarah sich daran erinnerte, als sie ein ähnliches Mal an mir entdeckte; ich wusste auch, dass er kurzsichtig war, aber vor Fremden keine Brille tragen wollte (und ich war ihm noch immer fremd genug, um ihn nie mit Brille gesehen zu haben). Ich kannte seine Vorliebe für eine Tasse Tee um zehn und kannte sogar seine Schlafgewohnheiten. Ahnte er, dass ich schon so viel wusste, dass ein Faktum mehr an unserer Beziehung nichts ändern konnte? Er sagte: "Ich mache mir Sorgen um Sarah, Bendrix."Die Tür der Bar ging auf, und ich sah im Licht den Regen herunterpeitschen. Ein kleiner, vergnügter Mann wieselte herein, rief: "Wie geht's 'n so?", und niemand antwortete."Ist sie krank? Ich dachte, Sie hätten gesagt ...""Nein, nicht krank. Das glaube ich nicht." Er schaute sich unglücklich um - das war nicht sein Milieu. Ich bemerkte, dass das Weiße in seinen Augen blutunterlaufen war; vielleicht hatte er seine Brille nicht oft genug getragen - es gab immer so viele Fremde, es konnten aber auch die Spuren vergossener Tränen sein. "Ich kann hier nicht reden, Bendrix", sagte er, als habe er früher die Gewohnheit gehabt, irgendwo zu reden. "Kommen Sie mit zu mir.""Kommt Sarah zurück?""Das glaub ich nicht."Ich bezahlte die Drinks, und auch das war ein Symptom für Henrys seelische Verfassung - er ließ sich nie so ohne weiteres einladen. Er war immer derjenige, der im Taxi schon das Geld in der Hand bereithielt, während die anderen noch in den Taschen fummelten. Die Wege auf dem Gemeindeanger waren noch regennass, aber zu Henry war es nicht weit. Er steckte den Hausschlüssel in das Schloss unter der Lünette aus der Zeit von Königin Anne, sperrte auf und rief: "Sarah! Sarah!" Ich sehnte eine Antwort herbei und fürchtete mich vor einer Antwort, aber es antwortete niemand. Er sagte: "Sie ist noch nicht da. Gehen wir ins Arbeitszimmer."In seinem Arbeitszimmer war ich noch nie gewesen. Ich war immer Sarahs Freund, und wenn ich Henry traf, dann auf Sarahs Territorium, in ihrem zusammengewürfelten Wohnzimmer, in dem nichts zusammen passte, nichts von Dauer und nichts geplant war, in dem alles ausschließlich dieser Woche zugehörig schien, denn nichts durfte je als Erinnerung an vergangenen Geschmack oder vergangene Gefühle aufbewahrt werden. Dort wurde alles benutzt; ebenso wie ich in Henrys Arbeitszimmer den Eindruck hatte, dass die Dinge noch fast unbenutzt waren. Ich bezweifelte, dass die mehrbändige Ausgabe von Gibbon auch nur ein einziges Mal aufgeschlagen worden war, und die Bände von Scott standen nur da, weil sie vermutlich - Henrys Vater gehört hatten, ebenso wie die bronzene Kopie des Diskuswerfers. Und dennoch war Henry in seinem unbenutzten Raum glücklicher, einfach weil es der seine war: sein Besitz. Mit Bitterkeit und Neid dachte ich: Wenn jemand etwas ganz sicher besitzt, braucht er es nicht zu benutzen."Einen Whisky?" fragte Henry. Ich erinnerte mich an seine Augen und fragte mich, ob er mehr trank als früher. Die Whiskys, die er einschenkte, waren jedenfalls großzügige Doppelte."Was macht Ihnen Sorgen, Henry?" Die Arbeit an dem Roman über den höheren Staatsbeamten hatte ich längst aufgegeben; ich suchte nicht mehr nach einem Vorbild."Sarah", sagte er.Wäre ich erschrocken, hätte er das, auf die gleiche Art, vor zwei, drei Jahren gesagt? Nein, ich denke, ich wäre überglücklich gewesen - man wird des Betrugs und der Täuschungen so schnell müde. Ich hätte den offenen Kampf begrüßt, wenn ich eine auch noch so kleine Chance gehabt hätte, durch einen winzigen taktischen Fehler von ihm vielleicht zu gewinnen. Und es hatte vorher noch nie eine Zeit für mich gegeben, in der ich so gern gewinnen wollte. Noch nie hatte ich ein auch nur annähernd so starkes Verlangen, ein gutes Buch zu schreiben.Er blickte aus rotgeränderten Augen zu mir auf und sagte: "Bendrix, ich habe Angst." Ich konnte ihn nicht länger herablassend behandeln; er war beim Unglück in die Lehre gegangen, hatte dieselbe Schule durchgemacht wie ich, und zum erstenmal dachte ich an ihn als an meinesgleichen. Ich erinnere mich, dass auf seinem Schreibtisch eine jener frühen bräunlichen Photographien in einem Oxfordrahmen stand, die Photographie seines Vaters, und während ich sie betrachtete, dachte ich, wie ähnlich sie Henry war (sie war ungefähr im gleichen Alter aufgenommen worden, in dem er jetzt war, Mitte der Vierzig) und wie unähnlich. Nicht der Schnurrbart machte den Unterschied aus - es war der Ausdruck viktorianischer Selbstsicherheit im Gesicht des Vaters, dieses "In der Welt zu Hause Seins" und zu wissen, wohin der Weg führt, und plötzlich empfand ich wieder dieses warme Kameradschaftsgefühl. Ich mochte ihn lieber, als ich seinen Vater gemocht hätte (der im Finanzministerium gewesen war). Wir waren fremde Gefährten."Wovor haben Sie Angst, Henry?"Er ließ sich in einen Lehnsessel fallen, als habe ihn jemand gestoßen, und sagte voller Ekel: "Bendrix, ich dachte immer, die schlimmsten Dinge, die absolut schlimmsten, die ein Mann tun kann ..." Ich hätte damals wirklich wie auf glühenden Kohlen sitzen sollen: wie merkwürdig für mich und wie unendlich trist die Gelassenheit der Unschuld."Sie wissen, Sie können mir vertrauen, Henry" Es ist möglich, dachte ich, dass sie einen Brief aufbewahrt hat, obwohl ich so wenige geschrieben habe. Das ist bei einem Autor Berufsrisiko. Frauen neigen dazu, die Bedeutung ihrer Liebhaber zu überschätzen und sehen nie den enttäuschenden Tag vorher, an dem in einem Autographenkatalog ein indiskreter Brief mit dem Vermerk "interessant" auftaucht, zum Preis von fünf Shilling zu haben."Dann sehen Sie sich das an", sagte Henry.Er reichte mir einen Brief; es war nicht meine Handschrift. "Los", sagte er, "lesen Sie." Der Brief kam von einem seiner Freunde, der schrieb: "Ich schlage vor, dass der Mann, dem Du helfen willst, sich an einen gewissen Savage, Vigo Street 159 wenden soll. Er ist tüchtig und diskret, und seine Angestellten sind nicht ganz so widerwärtig wie üblich.""Ich verstehe nicht, Henry.""Ich habe diesem Mann geschrieben, ein Bekannter habe mich gebeten, ihm eine private Detektivagentur zu empfehlen. Es ist furchtbar, Bendrix, doch er muss den Schwindel durchschaut haben.""Sie meinen wirklich...""Ich habe noch nichts unternommen, aber der Brief liegt auf meinem Schreibtisch, ein ständiger Mahner... Es kommt mir so albern vor - ich verlasse mich absolut darauf, dass sie ihn nicht liest, obwohl sie jeden Tag ein Dutzend mal hier hereinkommt. Ich lege den Brief nicht einmal in eine Schublade. Und dennoch kann ich ihr nicht vertrauen... Jetzt macht sie einen Spaziergang. Einen Spaziergang, Bendrix." Der Regen war auch durch seinen Mantel gedrungen, und er hielt den Ärmelsaum über das Gasfeuer."Es tut mir leid.""Sie waren ihr ganz spezieller Freund, Bendrix. Es wird immer behauptet, nicht wahr, dass ein Ehemann der letzte ist, der eine solche Frau durchschaut ... Heute Abend, als ich Sie auf dem Gemeindeanger sah, hab ich gedacht, wenn ich mit Ihnen darüber spreche, und Sie lachen mich aus, dann kann ich den Brief vielleicht verbrennen."Er saß da, den feuchten Arm ausgestreckt, und schaute mich nicht an. Nie war mir weniger nach Lachen zumute gewesen, und dennoch hätte ich gern gelacht, wenn ich dazu imstande gewesen wäre.Ich sagte: "Das ist keine Situation über die man lacht, selbst wenn es phantastisch ist zu denken...""Es ist phantastisch", sagte er und fragte sehnsüchtig: "Sie denken, ich bin ein Narr, nicht wahr?"Noch einen Augenblick vorher hätte ich gern gelacht, und doch war jetzt, als ich nur lügen musste, plötzlich die alte Eifersucht wieder da. Sind Ehemann und Ehefrau so sehr ein Fleisch, dass man, wenn man die Frau hasste, auch den Mann hassen muss? Seine Frage erinnerte mich daran, wie leicht es gewesen war, ihn zu betrügen: So leicht, dass ich beinahe geglaubt hatte, er wisse von der Untreue seiner Frau und nehme sie in Kauf wie der Mann, der lose Geldscheine im Hotel herumliegen lässt, einen Diebstahl in Kauf nimmt, und ich hasste ihn wegen der Eigenschaft, die einst meiner Liebe geholfen hatte.Der Ärmel seines Jacketts dampfte über dem Gasfeuer, und er wiederholte, wobei er noch immer von mir wegschaute: "Ich sehe natürlich, dass Sie mich für einen Idioten halten."Dann sprach der Dämon aus mir: "O nein, ich halte Sie nicht für einen Idioten, Henry.""Sie meinen, sie denken wirklich, es sei - möglich?""Natürlich ist es möglich. Sarah ist menschlich."Er sagte entrüstet: "Und ich habe immer geglaubt, Sie seien ihr Freund", als hätte ich den Brief an die Detektei geschrieben."Selbstverständlich", sagte ich, "kennen Sie sie sehr viel besser, als ich es je getan habe.""In gewisser Hinsicht", sagte er düster, und ich wusste, dass er überlegte, in welcher Hinsicht ich sie wohl am besten gekannt haben mochte."Sie haben mich gefragt, Henry, ob ich denke, dass Sie ein Idiot sind. Ich habe nur gesagt, der Gedanke sei durchaus nicht idiotisch. Ich habe nichts gegen Sarah gesagt.""Ich weiß, Bendrix. Es tut mir leid. Ich schlafe in letzter Zeit nicht gut. Ich wache nachts auf und frage mich, was ich mit diesem unglückseligen Brief machen soll.""Verbrennen Sie ihn.""Ich wünschte, ich könnte es." Er hielt ihn noch in der Hand, und einen Augenblick dachte ich, er wolle ihn tatsächlich über die Gasflamme halten."Oder gehen Sie zu Mr. Savage", sagte ich."Aber ihm kann ich nicht vormachen, dass ich nicht ihr Mann bin. Stellen Sie sich doch vor, Bendrix, vor einem Schreibtisch in einem Sessel zu sitzen, in dem all die anderen eifersüchtigen Ehemänner gesessen haben, und die gleiche Geschichte zu erzählen... Glauben Sie, dass es ein Wartezimmer gibt, so dass man die Gesichter der anderen sieht, wenn man durchgeht?" Merkwürdig, dachte ich, fast könnte man glauben, Henry habe Phantasie. Meine Überlegenheit geriet ins Wanken, und der alte Wunsch, ihn zum besten zu halten, regte sich wieder in mir. Ich sagte: "Warum lassen Sie nicht mich gehen, Henry?""Sie?" Ich fragte mich einen Moment, ob ich mich zu weit vorgewagt hatte, ob jetzt vielleicht sogar Henry Verdacht schöpfte."Ja", sagte ich, mit der Gefahr spielend, denn was machte es schon, wenn Henry ein bisschen was über die Vergangenheit erfuhr? Es würde ihm gut tun und ihn vielleicht lehren, besser auf seine Frau aufzupassen. "Ich könnte so tun, als sei ich ein eifersüchtiger Liebhaber", fuhr ich fort. "Eifersüchtige Liebhaber sind respektabler und nicht so lächerlich wie eifersüchtige Ehemänner. Ihnen gibt die Literatur mit ihrer ganzen Gewichtigkeit Rückhalt. Betrogene Liebhaber sind tragische Figuren, nie komische. Denken Sie an Troilus. Ich werde meine amour propre nicht verlieren, wenn ich mit Mr. Savage spreche." Henrys Ärmel war jetzt trocken, doch er hielt ihn noch immer über das Feuer, und der Stoff roch allmählich versengt. Er sagte: "Würden Sie das wirklich für mich tun, Bendrix?" und in seinen Augen standen Tränen, als habe er einen so unglaublichen Freundschaftsbeweis weder erwartet noch verdient."Selbstverständlich würde ich es tun. Ihr Ärmel brennt, Henry."Er betrachtete ihn, als gehöre er jemand anderem."Aber das ist phantastisch", sagte er. "Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Zuerst mit Ihnen zu reden und Sie dann - darum zu bitten. Man kann seine eigene Frau nicht von einem Freund bespitzeln lassen - kann nicht dulden, dass dieser Freund behauptet, ihr Liebhaber zu sein.""Oh, es ist nicht gerade ehrenhaft", sagte ich. "Aber Ehebruch und Diebstahl oder Feigheit vor dem Feind sind es auch nicht, und doch werden sie täglich praktiziert, Henry Sie sind ein Teil des modernen Lebens. Ich habe das meiste davon selbst begangen."Er sagte: "Sie sind ein feiner Kerl, Bendrix. Alles, was ich gebraucht habe, war ein richtiges Gespräch, um einen klaren Kopf zu bekommen", und diesmal hielt er den Brief wirklich über die Gasflamme. Als er das letzte Stückchen Papier in den Aschenbecher gelegt hatte, sagte ich: "Der Name war Savage und die Adresse Vigo Street 159 oder 169.""Vergessen Sie's", sagte Henry "Vergessen Sie, was ich Ihnen erzählt habe. Es ergibt keinen Sinn. Ich bekomme in letzter Zeit immer wieder starke Kopfschmerzen und werde zum Arzt gehen.""Das war die Tür", sagte ich. "Sarah ist gekommen.""Oh", sagte er, "das war gewiß das Hausmädchen. Sie war im Kino.""Nein, es waren Sarahs Schritte."Er ging zur Tür, öffnete sie, und automatisch verzog sich sein Gesicht in lächerliche Falten der Sanftheit und Liebe. Diese mechanische Reaktion auf ihre Gegenwart hatte mich seit jeher irritiert, weil sie bedeutungslos war- man kann die Anwesenheit einer Frau nicht immer begrüßen, auch nicht, wenn man verliebt ist, und ich glaubte Sarah, als sie mir sagte, verliebt seien Henry und sie nie gewesen. Ich denke, meine Momente des Hasses und des Misstrauens enthielten ein aufrichtigeres Willkommen. Für mich war sie zumindest ein eigenständiger Mensch-gehörte nicht zum Haus wie ein Stück Porzellan, das mit Vorsicht behandelt werden musste."Sar-ah!" rief er, die Silben unerträglich falsch betonend. "Sar-ah!"Wie kann ich einen Fremden dazu bringen, sie zu sehen, wie sie in der Halle am Fuß der Treppe stehen blieb und sich zu uns umdrehte? Ich war nie imstande, meine fiktiven Charaktere zu beschreiben, außer durch ihre Handlungen. Ich hatte immer das Gefühl, man müsse einem Leser erlauben, sich die Figuren eines Romans so vorzustellen, wie er will; ich will ihn nicht mit vorgefertigten Illustrationen versorgen. Jetzt verrät mich meine eigene Technik, denn ich möchte Sarah nicht durch eine andere Frau ersetzt wissen, ich möchte, dass der Leser diese breite Stirn und den unerschrockenen Mund sieht, die Struktur des Schädels, doch alles, was ich herüberbringen kann, ist eine unbestimmte Gestalt im triefend nassen Regenmantel, die sich umdreht und sagt: "Ja, Henry?" und dann: "Sie?" Sie hatte mich am Telefon immer nur mit "Sie" angesprochen. "Sind Sie das? Werden Sie? Haben Sie?", so dass ich mir einmal ein paar Minuten lang wie ein Narr eingebildet hatte, es gebe nur ein "Sie" in der Welt, und das sei ich."Schön, Sie zu sehen", sagte ich - dies war einer der Augenblicke des Hasses. "Einen Spaziergang gemacht?""Ja.""Ein scheußlicher Abend", sagte ich vorwurfsvoll, und Henry fügte offensichtlich ängstlich hinzu: "Du bist ganz durchnässt, Sarah. Eines Tages erkältest du dich zu Tode."Ein Klischee mit seiner volkstümlichen Weisheit kann in einer Unterhaltung manchmal wie ein Ton der Verdammnis klingen, doch selbst wenn wir gewusst hätten, dass er die Wahrheit sagte, frage ich mich, ob unsere - und meine - Nerven, unser Misstrauen und unser Hass von echter Angst um sie erschüttert worden wären.
Das Pontefract Arms war noch mit malven- und orangefarbenen Papierschlangen und Papierglöckchen, den Überbleibseln kommerzieller Fröhlichkeit, weihnachtlich geschmückt, und die junge Wirtin stützte mit einer verächtlichen Miene für die Gäste ihre Brüste auf die Bar."Hübsch", sagte Henry, ohne es ernst zu meinen, und sah sich irgendwie verloren um; mit einer gewissen Scheu hielt er Ausschau nach einem Haken, an den er seinen Hut hängen konnte. Ich gewann den Eindruck, dass die einzige öffentliche Bar, die er bisher kannte, die des Steakhauses in der Northumberland Avenue war, in dem er mit seinen Kollegen vom Ministerium den Lunch einnahm."Was trinken Sie?""Ein Whisky wäre mir recht.""Mir auch, aber Sie werden sich mit Rum zufrieden geben müssen."Wir setzten uns an einen Tisch und befingerten unsere Gläser; ich hatte Henry noch nie viel zu sagen gehabt und bezweifle, dass ich mir die Mühe gemacht hätte, ihn oder Sarah besser kennen zu lernen, hätte ich 1939 nicht begonnen, eine Geschichte zu schreiben, deren Protagonist ein höherer Staatsbeamter war. Henry James hat einmal in einer Diskussion mit Walter Besant gesagt, eine einigermaßen talentierte junge Frau brauche nur einmal an den Messefenstern der Kaserne eines Garderegiments vorbeizugehen und hineinzuschauen, und schon könne sie einen Roman über die Brigade schreiben, ich aber denke, dass sie es in einem bestimmten Stadium ihres Buches für erforderlich gehalten hätte, mit einem Gardesoldaten ins Bett zu gehen, um wenigstens die Details zu überprüfen. Ich ging natürlich nicht mit Henry ins Bett, tat aber das Nächstbeste und beabsichtigte schon am ersten Abend, an dem ich Sarah zum Dinner ausführte, kaltblütig das Gehirn der Ehefrau eines Staatsbeamten anzuzapfen. Sie ahnte nicht, worauf ich aus war; sie glaubte, dessen bin ich sicher, ich interessierte mich ernsthaft für ihr Familienleben, und vielleicht weckte das anfangs ihre Sympathie für mich. Um wie viel Uhr frühstückt Henry? fragte ich sie. Fuhr er mit der Untergrundbahn, mit dem Bus oder mit dem Taxi ins Büro? Brachte er abends Arbeit nach Hause? Besaß er eine Aktenmappe mit dem königlichen Wappen? Unsere Freundschaft gedieh durch mein Interesse: Sie war so glücklich, dass jemand Henry ernst nahm. Henry war wichtig, aber ungefähr so wichtig wie ein Elefant al- lein wegen seiner Größe; in Henrys Fall war es jedoch die Größe seiner Dienststelle; es gibt einige Arten von Wichtigkeit, die hoffnungslos dazu verdammt sind, nicht ernst genommen zu werden. Henry war ein wichtiger stellvertretender Staatssekretär im Ministerium für Altersversorgung, das eines Tages zum Ministerium für Innere Sicherheit werden sollte. Innere Sicherheit - später lachte ich darüber; lachte in jenen Momenten, in denen man seinen Gefährten hasst und nach irgendeiner Waffe sucht...Es kam eine Zeit, in der ich Sarah mit voller Absicht sagte, dass ich Henry nur gewählt hatte, um ihn zu kopieren, um ihn als Vorbild für einen Charakter zu benutzen, der in meinem Buch das lächerliche, das komische Element darstellte. Von da an gefiel ihr mein Roman nicht mehr. Sie war Henry gegenüber unglaublich loyal (das konnte ich nie leugnen), und in jenen umwölkten Stunden, in denen der Dämon von meinem Gehirn Besitz ergriff und ich dem arglosen Henry grollte, missbrauchte ich den Roman und erfand Episoden, die zu primitiv waren, um geschrieben zu werden... Nachdem Sarah einmal eine ganze Nacht mit mir verbracht hatte (und ich hatte mich darauf gefreut wie ein Autor auf das letzte Wort seines Buches), verdarb ich alles durch eine zufällige Bemerkung, die zerstörte, was manchmal, für ein paar Stunden, eine vollkommene Liebe zu sein schien. Ich war gegen zwei Uhr eingeschlafen, wachte um drei wieder auf, legte die Hand auf Sarahs Arm und weckte sie. Ich denke, ich wollte alles wiedergutmachen, bis mein Opfer mir das Gesicht zuwandte, verschlafen, schön in seiner Schlafbefangenheit und voller Vertrauen. Sie hatte den Streit vergessen, doch ich fand sogar in dieser Vergesslichkeit einen neuen Anlass. Wie verkorkst wir Menschen sind, und doch heißt es, ein Gott habe uns erschaffen; mir fällt es aber schwer, mir irgendeinen Gott vorzustellen, der nicht so einfach ist wie eine perfekte Gleichung, so klar wie Luft. Ich sagte zu ihr: "Ich habe wach gelegen und an das fünfte Kapitel gedacht. Kaut Henry eigentlich Kaffeebohnen, um vor einer wichtigen Konferenz einen reinen Atem zu bekommen?" Sie schüttelte den Kopf und begann leise zu weinen, und ich tat natürlich so, als verstünde ich nicht den Grund - eine simple Frage, ich hatte mir über meinen "Helden" den Kopf zerbrochen, es sei wirklich keine Spitze gegen Henry, die nettesten Menschen kauten ab und zu Kaffeebohnen... Und so weiter und so fort, ich redete und redete. Sie weinte eine Zeitlang, dann schlief sie ein. Sie war eine gute Schläferin, und ich nahm sogar ihre Fähigkeit zu schlafen als zusätzliche Kränkung.Henry trank seinen Rum sehr schnell und ließ die Blicke unglücklich über die malven- und orangefarbenen Papierschlangen schweifen. Ich fragte: "Ein schönes Weihnachtsfest gehabt?""Sehr schön, sehr schön", sagte er."Zu Hause?" Henry sah zu mir auf, als klängen die Worte aus meinem Mund irgendwie merkwürdig."Zu Hause? Ja, natürlich.""Und Sarah geht es gut?""Ja.""Trinken Sie noch ein Glas?""Das ist meine Runde."Während Henry die Drinks holte, ging ich auf die Toilette. Die Wände waren mit Sätzen vollgekritzelt wie: "Zum Teufel mit dir, Wirt, und deiner Frau mit dem fetten Busen. - Allen Zuhältern und Huren eine fröhliche Syphilis und eine glückliche Gonorrhöe". Rasch ging ich wieder hinaus zu den vergnüglichen Papierschlangen und dem Klirren der Gläser. Manchmal sehe ich mich unangenehm genau in anderen Männern gespiegelt, und dann habe ich ein ungeheures Verlangen, an die Heiligen und an heldische Tugenden zu glauben.Ich wiederholte Henry die beiden Zeilen, die ich gesehen hatte. Ich wollte ihn schocken und war überrascht, als er einfach sagte: "Eifersucht ist etwas Furchtbares.""Meinen Sie den Satz über die Ehefrau mit dem fetten Busen?""Ich meine beide Sätze. Wenn man selbst unglücklich ist, neidet man anderen Menschen ihr Glück." Ich hatte nicht erwartet, dass er das in seinem Ministerium für Innere Sicherheit lernen konnte. Und hier- in diesem Satz- sickert wieder Bitterkeit aus meiner Feder. Was für eine triste, leblose Eigenschaft diese Bitterkeit ist. Wenn ich könnte, ich würde mit Liebe schreiben, aber wenn ich mit Liebe schreiben könnte, wäre ich ein anderer Mensch: Ich hätte die Liebe nie verloren. Auf einmal jedoch empfand ich etwas über die glänzende, geflieste Platte des Bartischs hinweg, nichts so Überwältigendes wie Liebe, vielleicht nicht mehr als Kameradschaft im Unglück. Ich sagte zu Henry: "Sie sind unglücklich?""Ich mache mir Sorgen, Bendrix.""Erzählen Sie."Ich vermute, es war der Rum, der ihm die Zunge löste oder war er sich zum Teil klar darüber, wie viel ich von ihm wusste? Sarah war loyal, aber in einer Beziehung wie der unseren schnappt man unwillkürlich dies oder jenes auf. Ich wusste, dass er links neben dem Nabel einen Leberfleck hatte, weil Sarah sich daran erinnerte, als sie ein ähnliches Mal an mir entdeckte; ich wusste auch, dass er kurzsichtig war, aber vor Fremden keine Brille tragen wollte (und ich war ihm noch immer fremd genug, um ihn nie mit Brille gesehen zu haben). Ich kannte seine Vorliebe für eine Tasse Tee um zehn und kannte sogar seine Schlafgewohnheiten. Ahnte er, dass ich schon so viel wusste, dass ein Faktum mehr an unserer Beziehung nichts ändern konnte? Er sagte: "Ich mache mir Sorgen um Sarah, Bendrix."Die Tür der Bar ging auf, und ich sah im Licht den Regen herunterpeitschen. Ein kleiner, vergnügter Mann wieselte herein, rief: "Wie geht's 'n so?", und niemand antwortete."Ist sie krank? Ich dachte, Sie hätten gesagt ...""Nein, nicht krank. Das glaube ich nicht." Er schaute sich unglücklich um - das war nicht sein Milieu. Ich bemerkte, dass das Weiße in seinen Augen blutunterlaufen war; vielleicht hatte er seine Brille nicht oft genug getragen - es gab immer so viele Fremde, es konnten aber auch die Spuren vergossener Tränen sein. "Ich kann hier nicht reden, Bendrix", sagte er, als habe er früher die Gewohnheit gehabt, irgendwo zu reden. "Kommen Sie mit zu mir.""Kommt Sarah zurück?""Das glaub ich nicht."Ich bezahlte die Drinks, und auch das war ein Symptom für Henrys seelische Verfassung - er ließ sich nie so ohne weiteres einladen. Er war immer derjenige, der im Taxi schon das Geld in der Hand bereithielt, während die anderen noch in den Taschen fummelten. Die Wege auf dem Gemeindeanger waren noch regennass, aber zu Henry war es nicht weit. Er steckte den Hausschlüssel in das Schloss unter der Lünette aus der Zeit von Königin Anne, sperrte auf und rief: "Sarah! Sarah!" Ich sehnte eine Antwort herbei und fürchtete mich vor einer Antwort, aber es antwortete niemand. Er sagte: "Sie ist noch nicht da. Gehen wir ins Arbeitszimmer."In seinem Arbeitszimmer war ich noch nie gewesen. Ich war immer Sarahs Freund, und wenn ich Henry traf, dann auf Sarahs Territorium, in ihrem zusammengewürfelten Wohnzimmer, in dem nichts zusammen passte, nichts von Dauer und nichts geplant war, in dem alles ausschließlich dieser Woche zugehörig schien, denn nichts durfte je als Erinnerung an vergangenen Geschmack oder vergangene Gefühle aufbewahrt werden. Dort wurde alles benutzt; ebenso wie ich in Henrys Arbeitszimmer den Eindruck hatte, dass die Dinge noch fast unbenutzt waren. Ich bezweifelte, dass die mehrbändige Ausgabe von Gibbon auch nur ein einziges Mal aufgeschlagen worden war, und die Bände von Scott standen nur da, weil sie vermutlich - Henrys Vater gehört hatten, ebenso wie die bronzene Kopie des Diskuswerfers. Und dennoch war Henry in seinem unbenutzten Raum glücklicher, einfach weil es der seine war: sein Besitz. Mit Bitterkeit und Neid dachte ich: Wenn jemand etwas ganz sicher besitzt, braucht er es nicht zu benutzen."Einen Whisky?" fragte Henry. Ich erinnerte mich an seine Augen und fragte mich, ob er mehr trank als früher. Die Whiskys, die er einschenkte, waren jedenfalls großzügige Doppelte."Was macht Ihnen Sorgen, Henry?" Die Arbeit an dem Roman über den höheren Staatsbeamten hatte ich längst aufgegeben; ich suchte nicht mehr nach einem Vorbild."Sarah", sagte er.Wäre ich erschrocken, hätte er das, auf die gleiche Art, vor zwei, drei Jahren gesagt? Nein, ich denke, ich wäre überglücklich gewesen - man wird des Betrugs und der Täuschungen so schnell müde. Ich hätte den offenen Kampf begrüßt, wenn ich eine auch noch so kleine Chance gehabt hätte, durch einen winzigen taktischen Fehler von ihm vielleicht zu gewinnen. Und es hatte vorher noch nie eine Zeit für mich gegeben, in der ich so gern gewinnen wollte. Noch nie hatte ich ein auch nur annähernd so starkes Verlangen, ein gutes Buch zu schreiben.Er blickte aus rotgeränderten Augen zu mir auf und sagte: "Bendrix, ich habe Angst." Ich konnte ihn nicht länger herablassend behandeln; er war beim Unglück in die Lehre gegangen, hatte dieselbe Schule durchgemacht wie ich, und zum erstenmal dachte ich an ihn als an meinesgleichen. Ich erinnere mich, dass auf seinem Schreibtisch eine jener frühen bräunlichen Photographien in einem Oxfordrahmen stand, die Photographie seines Vaters, und während ich sie betrachtete, dachte ich, wie ähnlich sie Henry war (sie war ungefähr im gleichen Alter aufgenommen worden, in dem er jetzt war, Mitte der Vierzig) und wie unähnlich. Nicht der Schnurrbart machte den Unterschied aus - es war der Ausdruck viktorianischer Selbstsicherheit im Gesicht des Vaters, dieses "In der Welt zu Hause Seins" und zu wissen, wohin der Weg führt, und plötzlich empfand ich wieder dieses warme Kameradschaftsgefühl. Ich mochte ihn lieber, als ich seinen Vater gemocht hätte (der im Finanzministerium gewesen war). Wir waren fremde Gefährten."Wovor haben Sie Angst, Henry?"Er ließ sich in einen Lehnsessel fallen, als habe ihn jemand gestoßen, und sagte voller Ekel: "Bendrix, ich dachte immer, die schlimmsten Dinge, die absolut schlimmsten, die ein Mann tun kann ..." Ich hätte damals wirklich wie auf glühenden Kohlen sitzen sollen: wie merkwürdig für mich und wie unendlich trist die Gelassenheit der Unschuld."Sie wissen, Sie können mir vertrauen, Henry" Es ist möglich, dachte ich, dass sie einen Brief aufbewahrt hat, obwohl ich so wenige geschrieben habe. Das ist bei einem Autor Berufsrisiko. Frauen neigen dazu, die Bedeutung ihrer Liebhaber zu überschätzen und sehen nie den enttäuschenden Tag vorher, an dem in einem Autographenkatalog ein indiskreter Brief mit dem Vermerk "interessant" auftaucht, zum Preis von fünf Shilling zu haben."Dann sehen Sie sich das an", sagte Henry.Er reichte mir einen Brief; es war nicht meine Handschrift. "Los", sagte er, "lesen Sie." Der Brief kam von einem seiner Freunde, der schrieb: "Ich schlage vor, dass der Mann, dem Du helfen willst, sich an einen gewissen Savage, Vigo Street 159 wenden soll. Er ist tüchtig und diskret, und seine Angestellten sind nicht ganz so widerwärtig wie üblich.""Ich verstehe nicht, Henry.""Ich habe diesem Mann geschrieben, ein Bekannter habe mich gebeten, ihm eine private Detektivagentur zu empfehlen. Es ist furchtbar, Bendrix, doch er muss den Schwindel durchschaut haben.""Sie meinen wirklich...""Ich habe noch nichts unternommen, aber der Brief liegt auf meinem Schreibtisch, ein ständiger Mahner... Es kommt mir so albern vor - ich verlasse mich absolut darauf, dass sie ihn nicht liest, obwohl sie jeden Tag ein Dutzend mal hier hereinkommt. Ich lege den Brief nicht einmal in eine Schublade. Und dennoch kann ich ihr nicht vertrauen... Jetzt macht sie einen Spaziergang. Einen Spaziergang, Bendrix." Der Regen war auch durch seinen Mantel gedrungen, und er hielt den Ärmelsaum über das Gasfeuer."Es tut mir leid.""Sie waren ihr ganz spezieller Freund, Bendrix. Es wird immer behauptet, nicht wahr, dass ein Ehemann der letzte ist, der eine solche Frau durchschaut ... Heute Abend, als ich Sie auf dem Gemeindeanger sah, hab ich gedacht, wenn ich mit Ihnen darüber spreche, und Sie lachen mich aus, dann kann ich den Brief vielleicht verbrennen."Er saß da, den feuchten Arm ausgestreckt, und schaute mich nicht an. Nie war mir weniger nach Lachen zumute gewesen, und dennoch hätte ich gern gelacht, wenn ich dazu imstande gewesen wäre.Ich sagte: "Das ist keine Situation über die man lacht, selbst wenn es phantastisch ist zu denken...""Es ist phantastisch", sagte er und fragte sehnsüchtig: "Sie denken, ich bin ein Narr, nicht wahr?"Noch einen Augenblick vorher hätte ich gern gelacht, und doch war jetzt, als ich nur lügen musste, plötzlich die alte Eifersucht wieder da. Sind Ehemann und Ehefrau so sehr ein Fleisch, dass man, wenn man die Frau hasste, auch den Mann hassen muss? Seine Frage erinnerte mich daran, wie leicht es gewesen war, ihn zu betrügen: So leicht, dass ich beinahe geglaubt hatte, er wisse von der Untreue seiner Frau und nehme sie in Kauf wie der Mann, der lose Geldscheine im Hotel herumliegen lässt, einen Diebstahl in Kauf nimmt, und ich hasste ihn wegen der Eigenschaft, die einst meiner Liebe geholfen hatte.Der Ärmel seines Jacketts dampfte über dem Gasfeuer, und er wiederholte, wobei er noch immer von mir wegschaute: "Ich sehe natürlich, dass Sie mich für einen Idioten halten."Dann sprach der Dämon aus mir: "O nein, ich halte Sie nicht für einen Idioten, Henry.""Sie meinen, sie denken wirklich, es sei - möglich?""Natürlich ist es möglich. Sarah ist menschlich."Er sagte entrüstet: "Und ich habe immer geglaubt, Sie seien ihr Freund", als hätte ich den Brief an die Detektei geschrieben."Selbstverständlich", sagte ich, "kennen Sie sie sehr viel besser, als ich es je getan habe.""In gewisser Hinsicht", sagte er düster, und ich wusste, dass er überlegte, in welcher Hinsicht ich sie wohl am besten gekannt haben mochte."Sie haben mich gefragt, Henry, ob ich denke, dass Sie ein Idiot sind. Ich habe nur gesagt, der Gedanke sei durchaus nicht idiotisch. Ich habe nichts gegen Sarah gesagt.""Ich weiß, Bendrix. Es tut mir leid. Ich schlafe in letzter Zeit nicht gut. Ich wache nachts auf und frage mich, was ich mit diesem unglückseligen Brief machen soll.""Verbrennen Sie ihn.""Ich wünschte, ich könnte es." Er hielt ihn noch in der Hand, und einen Augenblick dachte ich, er wolle ihn tatsächlich über die Gasflamme halten."Oder gehen Sie zu Mr. Savage", sagte ich."Aber ihm kann ich nicht vormachen, dass ich nicht ihr Mann bin. Stellen Sie sich doch vor, Bendrix, vor einem Schreibtisch in einem Sessel zu sitzen, in dem all die anderen eifersüchtigen Ehemänner gesessen haben, und die gleiche Geschichte zu erzählen... Glauben Sie, dass es ein Wartezimmer gibt, so dass man die Gesichter der anderen sieht, wenn man durchgeht?" Merkwürdig, dachte ich, fast könnte man glauben, Henry habe Phantasie. Meine Überlegenheit geriet ins Wanken, und der alte Wunsch, ihn zum besten zu halten, regte sich wieder in mir. Ich sagte: "Warum lassen Sie nicht mich gehen, Henry?""Sie?" Ich fragte mich einen Moment, ob ich mich zu weit vorgewagt hatte, ob jetzt vielleicht sogar Henry Verdacht schöpfte."Ja", sagte ich, mit der Gefahr spielend, denn was machte es schon, wenn Henry ein bisschen was über die Vergangenheit erfuhr? Es würde ihm gut tun und ihn vielleicht lehren, besser auf seine Frau aufzupassen. "Ich könnte so tun, als sei ich ein eifersüchtiger Liebhaber", fuhr ich fort. "Eifersüchtige Liebhaber sind respektabler und nicht so lächerlich wie eifersüchtige Ehemänner. Ihnen gibt die Literatur mit ihrer ganzen Gewichtigkeit Rückhalt. Betrogene Liebhaber sind tragische Figuren, nie komische. Denken Sie an Troilus. Ich werde meine amour propre nicht verlieren, wenn ich mit Mr. Savage spreche." Henrys Ärmel war jetzt trocken, doch er hielt ihn noch immer über das Feuer, und der Stoff roch allmählich versengt. Er sagte: "Würden Sie das wirklich für mich tun, Bendrix?" und in seinen Augen standen Tränen, als habe er einen so unglaublichen Freundschaftsbeweis weder erwartet noch verdient."Selbstverständlich würde ich es tun. Ihr Ärmel brennt, Henry."Er betrachtete ihn, als gehöre er jemand anderem."Aber das ist phantastisch", sagte er. "Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Zuerst mit Ihnen zu reden und Sie dann - darum zu bitten. Man kann seine eigene Frau nicht von einem Freund bespitzeln lassen - kann nicht dulden, dass dieser Freund behauptet, ihr Liebhaber zu sein.""Oh, es ist nicht gerade ehrenhaft", sagte ich. "Aber Ehebruch und Diebstahl oder Feigheit vor dem Feind sind es auch nicht, und doch werden sie täglich praktiziert, Henry Sie sind ein Teil des modernen Lebens. Ich habe das meiste davon selbst begangen."Er sagte: "Sie sind ein feiner Kerl, Bendrix. Alles, was ich gebraucht habe, war ein richtiges Gespräch, um einen klaren Kopf zu bekommen", und diesmal hielt er den Brief wirklich über die Gasflamme. Als er das letzte Stückchen Papier in den Aschenbecher gelegt hatte, sagte ich: "Der Name war Savage und die Adresse Vigo Street 159 oder 169.""Vergessen Sie's", sagte Henry "Vergessen Sie, was ich Ihnen erzählt habe. Es ergibt keinen Sinn. Ich bekomme in letzter Zeit immer wieder starke Kopfschmerzen und werde zum Arzt gehen.""Das war die Tür", sagte ich. "Sarah ist gekommen.""Oh", sagte er, "das war gewiß das Hausmädchen. Sie war im Kino.""Nein, es waren Sarahs Schritte."Er ging zur Tür, öffnete sie, und automatisch verzog sich sein Gesicht in lächerliche Falten der Sanftheit und Liebe. Diese mechanische Reaktion auf ihre Gegenwart hatte mich seit jeher irritiert, weil sie bedeutungslos war- man kann die Anwesenheit einer Frau nicht immer begrüßen, auch nicht, wenn man verliebt ist, und ich glaubte Sarah, als sie mir sagte, verliebt seien Henry und sie nie gewesen. Ich denke, meine Momente des Hasses und des Misstrauens enthielten ein aufrichtigeres Willkommen. Für mich war sie zumindest ein eigenständiger Mensch-gehörte nicht zum Haus wie ein Stück Porzellan, das mit Vorsicht behandelt werden musste."Sar-ah!" rief er, die Silben unerträglich falsch betonend. "Sar-ah!"Wie kann ich einen Fremden dazu bringen, sie zu sehen, wie sie in der Halle am Fuß der Treppe stehen blieb und sich zu uns umdrehte? Ich war nie imstande, meine fiktiven Charaktere zu beschreiben, außer durch ihre Handlungen. Ich hatte immer das Gefühl, man müsse einem Leser erlauben, sich die Figuren eines Romans so vorzustellen, wie er will; ich will ihn nicht mit vorgefertigten Illustrationen versorgen. Jetzt verrät mich meine eigene Technik, denn ich möchte Sarah nicht durch eine andere Frau ersetzt wissen, ich möchte, dass der Leser diese breite Stirn und den unerschrockenen Mund sieht, die Struktur des Schädels, doch alles, was ich herüberbringen kann, ist eine unbestimmte Gestalt im triefend nassen Regenmantel, die sich umdreht und sagt: "Ja, Henry?" und dann: "Sie?" Sie hatte mich am Telefon immer nur mit "Sie" angesprochen. "Sind Sie das? Werden Sie? Haben Sie?", so dass ich mir einmal ein paar Minuten lang wie ein Narr eingebildet hatte, es gebe nur ein "Sie" in der Welt, und das sei ich."Schön, Sie zu sehen", sagte ich - dies war einer der Augenblicke des Hasses. "Einen Spaziergang gemacht?""Ja.""Ein scheußlicher Abend", sagte ich vorwurfsvoll, und Henry fügte offensichtlich ängstlich hinzu: "Du bist ganz durchnässt, Sarah. Eines Tages erkältest du dich zu Tode."Ein Klischee mit seiner volkstümlichen Weisheit kann in einer Unterhaltung manchmal wie ein Ton der Verdammnis klingen, doch selbst wenn wir gewusst hätten, dass er die Wahrheit sagte, frage ich mich, ob unsere - und meine - Nerven, unser Misstrauen und unser Hass von echter Angst um sie erschüttert worden wären.
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Autoren-Porträt von Graham Greene
Greene, GrahamGraham Greene wurde am 2. Oktober 1904 in Berkhampstead, Hertfordshire, geboren. Sein Großonkel war der Autor der 'Schatzinsel', Robert Louis Stevenson. Da Greene der Sohn des örtlichen Schuldirektors war, behandelten seine Mitschüler ihn als Außenseiter. Er entwickelte einen Hang zum Einzelgängertum, gegen den auch seine beiden Brüder nichts tun konnten. Nach Beendigung der Schule ging Greene nach Oxford und studierte am Balliol College Neuere Geschichte. Seine erste Anstellung war ein Redakteursposten bei der Times in London, danach fand er eine Stelle als Filmkritiker beim Spectator. Die großen Reisen, die er unternahm - u.a. nach Westafrika und Asien - wurden auch zum Fundus für seine schriftstellerische Tätigkeit. Ein entscheidender Schritt war 1934 sein Übertritt zum Katholizismus. Sein erster Roman, 'The Man Within' (1929, dt. 'Zwiespalt der Seele'), beschreibt bereits den Konflikt zwischen Gut und Böse, der im Zentrum von Graham Greenes Werk steht. Manfindet ihn in den Kriminalgeschichten wie in den psychologisch ausgerichteten Romanen. Als 1940 'The Power and the Glory' (dt. 'Die Kraft und die Herrlichkeit') erschien, erhielt Greene dafür den Hawthorne-Preis. Viele halten es für sein vielleicht bestes Werk. Zweimal leitete er Verlage, Mitte der vierziger Jahre Eyre & Spottiswoode und Anfang der sechziger Jahre Bodley Head. Am 3. April 1991 starb Graham Greene in Genf. Er wurde mehrmals als heißer Kandidat für den Literatur-Nobelpreis gehandelt und zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.
Bibliographische Angaben
- Autor: Graham Greene
- 2000, 3. Aufl., 256 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Walter, Edith
- Übersetzer: Edith Walter
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423127767
- ISBN-13: 9783423127769
- Erscheinungsdatum: 01.02.2000
Rezension zu „Das Ende einer Affäre “
"Ich halte "Das Ende einer Affäre" für den besten, wahrhaftigsten und herzbewegendsten Roman meiner Zeit, weil er an die Herzen aller Menschen auf dieser Welt appelliert." (William Faulkner)
Kommentar zu "Das Ende einer Affäre"
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