Das fünfte Versprechen
Wie man richtig zuhört
Die Fortsetzung des legendären Klassikers "Die vier Versprechen"
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Produktinformationen zu „Das fünfte Versprechen “
Die Fortsetzung des legendären Klassikers "Die vier Versprechen"
Klappentext zu „Das fünfte Versprechen “
Der toltekische Weisheitslehrer und Schamane Don Miguel Ruiz schrieb mit "Die vier Versprechen" einen der großen Lebenshilfe-Klassiker. Das Buch bietet einen ethischen Verhaltenskodex, der inzwischen das Leben von Millionen Lesern auch in Deutschland bereichert. Diese vier Versprechen, die man sich selbst gibt, lauten:1 Sei untadelig mit deinen Worten
2 Nimm nichts persönlich
3 Ziehe keine voreiligen Schlüsse
4 Tu immer dein Bestmögliches
Jetzt hat Don Miguel gemeinsam mit seinem Sohn Don José seine Lehre mit einem fünften Versprechen fortgeschrieben. Dabei geht es um ein gesundes Misstrauen gegenüber der Realität, wie sie von anderen reklamiert wird, und die Fähigkeit des richtigen Zuhörens:
5 Sei skeptisch, aber höre gut zu
Lese-Probe zu „Das fünfte Versprechen “
Das fünfte Versprechen - wie man richtig zuhört von Don M. Ruiz1
Am Anfang
Es ist alles im Programm enthalten
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Vom Augenblick Ihrer Geburt an senden Sie der Welt eine Botschaft. Und wie lautet diese Botschaft? Die Botschaft sind Sie, dieses Kind. Es ist die Gegenwart eines Engels, eines Boten, der aus dem Unendlichen in einen menschlichen Körper gelangt ist. Die Unendlichkeit - eine alles umfassende Kraft - entwirft ein Programm nur für Sie allein, und alles, was Sie brauchen, um ganz Sie selbst zu sein, ist in diesem Programm enthalten. Sie werden geboren, wachsen auf, heiraten, werden alt und kehren am Schluss in die Unendlichkeit zurück. Jede Zelle Ihres Körpers ist ein Universum für sich - sie ist intelligent, in sich vollendet und mit einem bestimmten Programm ausgestattet.
Sie sind programmiert, Sie selbst zu sein, und für dieses Programm macht es keinen Unterschied, wofür Ihr Geist Sie hält. Das Programm ist nicht im Geist angesiedelt. Es ist im Körper angesiedelt, in der sogenannten DNA, und anfangs folgen Sie instinktiv seiner Weisheit. Als ganz kleines Kind wissen Sie, was Ihnen gefällt und was Ihnen nicht gefällt, wann Ihnen etwas gefällt und wann Ihnen etwas nicht gefällt. Sie orientieren sich an dem, was Ihnen gefällt, und versuchen dem auszuweichen, was Ihnen nicht gefällt. Sie folgen Ihren Instinkten, und diese Instinkte führen Sie zu einem Zustand, in dem Sie glücklich sind, in dem Sie das Leben genießen, in dem Sie spielen, lieben, Ihre Bedürfnisse stillen. Und was passiert dann?
Ihr Körper beginnt sich zu entwickeln, Ihr Geist wird reifer, und Sie beginnen Symbole zu verwenden, um anderen Menschen Ihre Botschaft zu übermitteln. So, wie sich Vögel mit Vögeln und Katzen mit Katzen verstehen, verstehen sich Menschen mithilfe eines Systems von Symbolen.
Nehmen wir einmal an, Sie wären auf einer Insel geboren worden und würden ganz allein dort leben - es würde vielleicht zehn Jahre dauern, aber dann würden Sie allem, was Sie sehen, einen Namen geben, und Sie würden diese Sprache zur Übermittlung von Botschaften benutzen, auch wenn Sie nur mit sich selbst kommunizieren könnten. Und warum würden Sie dies tun? Das ist leicht zu erklären und hängt nicht mit der menschlichen Intelligenz zusammen. Es hängt vielmehr mit unserer Programmierung zusammen: Wir sind dazu programmiert, eine Sprache zu entwickeln, uns ein umfassendes Symbolsystem zu erschaffen.
Bekanntlich verständigen sich die Menschen auf der Welt mündlich und schriftlich in Tausenden verschiedenen Sprachen. Die Vielzahl der vom Menschen erfundenen Symbole dient nicht nur der Verständigung mit anderen, sondern vor allem der Verständigung mit uns selbst. Bei diesen Symbolen kann es sich um gesprochene Laute handeln, um Bewegungen, um unsere Handschrift oder grafische Zeichen. Es gibt Symbole für Objekte, Ideen, Musik und Mathematik, aber die Einführung von Lauten ist der allererste Schritt, und das heißt, wir lernen Symbole zu nutzen, um zu sprechen.
Unsere Vorfahren haben für alles, was existiert, bereits Namen gefunden, und sie lehren uns die Bedeutung bestimmter Laute. Sie nennen diesen Gegenstand einen Tisch; sie nennen jenen Gegenstand einen Stuhl. Sie haben auch Namen für Dinge, die nur in unserer Fantasie existieren, wie etwa Meerjungfrauen oder Einhörner. Jedes Wort, das wir erlernen, steht als Symbol für etwas Reales oder eine Vorstellung, und wir müssen Tausende von Wörtern lernen. An ein- bis vierjährigen Kindern lässt sich gut beobachten, wie anstrengend es ist, ein komplettes Symbolsystem zu erlernen. Dies bedeutet große Mühe, an die wir uns später meist nicht mehr erinnern, weil unser kindlicher Verstand noch nicht ausgereift ist, doch durch ständige Übung und Wiederholung lernen wir dann irgendwann zu sprechen.
Und wenn wir dann sprechen können, vermitteln uns die Menschen, die für uns sorgen, ihr ganzes Wissen, das heißt, sie programmieren uns damit. Dieses Wissen ist groß und umschließt alle sozialen, religiösen und moralischen Regeln ihrer Kultur. Sie fesseln unsere Aufmerksamkeit, geben alles Wissenswerte an uns weiter und lehren uns, so zu werden wie sie. Und so entwickeln wir uns gemäß der Gesellschaft, in die wir hineingeboren wurden, zum Mann oder zur Frau. Wir lernen, wie man sich »richtig« verhält, also wie man ein »guter« Mensch ist.
In Wirklichkeit werden wir auf die gleiche Weise domestiziert wie ein Hund oder eine Katze oder irgendein anderes Haustier: durch ein System von Strafe und Belohnung. Man nennt uns einen lieben Jungen oder ein liebes Mädchen, wenn wir tun, was die Erwachsenen von uns erwarten; und man nennt uns einen bösen Jungen oder ein böses Mädchen, wenn wir nicht tun, was sie erwarten. Manchmal werden wir bestraft, ohne böse gewesen zu sein, manchmal werden wir belohnt, ohne lieb gewesen zu sein. Aus Furcht vor Strafe und aus Furcht, keine Belohnung zu erhalten, bemühen wir uns, es anderen Leuten recht zu machen. Wir bemühen uns, lieb zu sein, denn böse Menschen bekommen keine Belohnung; sie werden bestraft.
Die Domestizierung des Menschen bedeutet, dass uns sämtliche Regeln und Werte unserer Familie und unserer Gesellschaft aufgezwungen werden. Wir haben keine Chance, selbst herauszufinden, was wir glauben wollen. Man sagt uns, was wir glauben sollen und was nicht. Die Menschen, bei denen wir leben, teilen uns ihre Meinung mit: was gut ist und was böse, was richtig ist und was falsch, was schön ist und was hässlich. Ge - nau wie bei einem Computer werden alle diese Informationen heruntergeladen, und zwar in unseren Kopf. Wir sind unschuldig; wir glauben, was uns unsere Eltern oder andere Erwachsene sagen; wir stimmen zu, und die Informationen werden in unserem Gedächtnis gespeichert. Alles, was wir lernen, findet durch diese Übereinkunft den Weg in unseren Geist und bleibt durch Übereinkunft dort, aber zuerst durchläuft es die Aufmerksamkeit.
Die Aufmerksamkeit hat für uns Menschen große Bedeutung, weil sie derjenige Teil des Bewusstseins ist, mit dessen Hilfe wir uns aus einer ganzen Reihe von Möglichkeiten auf ein Objekt oder einen Gedanken konzentrieren können. Durch die Aufmerksamkeit werden Informationen von außen nach innen transportiert und umgekehrt.
Die Aufmerksamkeit ist der Kanal, über den wir Botschaften von Mensch zu Mensch befördern und Botschaften von anderen Menschen erhalten. Sie funk - tioniert wie eine Brücke von einem Bewusstsein zum anderen; wir öffnen die Brücke mithilfe von Lauten, Zeichen, Symbolen, Berührungen - also allem, was Aufmerksamkeit erweckt. So lehren wir, und so lernen wir. Wir können niemanden etwas lehren, wenn er uns nicht seine Aufmerksamkeit schenkt; wir können nichts lernen, wenn wir nicht aufmerksam sind.
Indem sie unsere Aufmerksamkeit fesseln, lehren uns die Erwachsenen, wie wir mithilfe von Symbolen in unserem Innern eine umfassende Realität erschaffen können. Nachdem sie uns über Laute ein Symbolsystem vermittelt haben, pauken uns die Erwachsenen das Alphabet ein, und wir lernen dieselbe Sprache noch einmal, diesmal in grafischen Symbolen. Unsere Vorstellungskraft entwickelt sich allmählich, unsere Neugierde wächst immer mehr, und wir beginnen Fragen zu stellen. Wir fragen und fragen und hören niemals auf, Fragen zu stellen; wir sammeln überall Informationen. Und wenn wir irgendwann imstande sind, all die Symbole zu nutzen, um innere Dialoge zu führen - dann wissen wir, dass wir eine Sprache wirklich beherrschen. Jetzt lernen wir zu denken. Davor denken wir nämlich nicht; um zu kommunizieren, imitieren wir Laute und nutzen Symbole, aber bis wir mit den Symbolen Bedeutungen und Emotionen verknüpfen, ist das Leben einfach.
Sobald wir beginnen, den Symbolen Bedeutung zu verleihen, wollen wir damit alle Ereignisse in unserem Leben erklären. Wir benutzen die Symbole, um über reale Dinge nachzudenken, und über irreale Dinge, die uns jedoch allmählich real erscheinen - wie etwa schön und hässlich, dünn und dick, intelligent und dumm. Und wir können nur in einer Sprache denken, die wir beherrschen. Über viele Jahre hinweg habe ich nur spanisch gesprochen, und es dauerte sehr lange, bis ich dann in der englischen Sprache genügend Symbole beherrschte, um auf Englisch denken zu können. Eine Sprache perfekt zu erlernen ist nicht leicht, doch ab einem bestimmten Punkt merken wir, dass wir unter Verwendung der erlernten Symbole denken.
Wenn wir mit fünf oder sechs Jahren in die Schule kommen, verstehen wir bereits die Bedeutung abstrakter Konzepte wie richtig oder falsch, Gewinner oder Verlierer, perfekt oder mangelhaft. In der Schule lernen wir dann, wie man die uns schon bekannten Symbole liest und schreibt, und die geschriebene Sprache ermöglicht es uns, noch mehr Wissen anzuhäufen. Wir verleihen immer mehr Symbolen eine Bedeutung, und das Denken verläuft jetzt nicht nur müheloser, sondern sogar automatisch.
Nun fesseln die Symbole, die wir erlernt haben, unsere Aufmerksamkeit ganz von allein. Das, was wir kennen, spricht zu uns, und wir lauschen dem, was unser Wissen uns sagt. Ich nenne es »die Stimme des Wissens«, weil das Wissen in unserem Kopf spricht. Oft hören wir diese Stimme in verschiedenen Färbungen; wir hören die Stimme unserer Mutter, unseres Vaters, unserer Brüder und unserer Schwestern, und die Stimme spricht unaufhörlich. Die Stimme ist nicht real; wir haben sie geschaffen. Aber wir glauben, sie sei real, denn wir schenken ihr durch unseren Glauben Leben, und das heißt, dass wir ohne jeden Zweifel glauben, was uns jene Stimme erzählt. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem unser Denken ganz allmählich von den Meinungen der Menschen übernommen wird, die in unserer Nähe leben.
Jeder hat ja seine eigene Meinung über uns und sagt uns, was wir sind. Als ganz kleine Kinder wissen wir noch nicht, was wir sind. Wir können uns nur durch einen Spiegel wahrnehmen, und als dieser Spiegel fungieren andere Menschen. Unsere Mutter sagt uns, was wir sind, und wir glauben ihr. Unser Vater, unsere Brüder und unsere Schwestern sagen uns etwas vollkommen anderes, aber auch ihnen stimmen wir zu. Man sagt uns, wie wir aussehen, vor allem dann, wenn wir noch klein sind. »Weißt du was, du hast die Augen deiner Mutter, die Nase deines Großvaters!« Wir lauschen all den Meinungen der Familienmitglieder, der Lehrer und der größeren Kinder in der Schule. Wir sehen unser Bild in diesen Spiegeln, wir stimmen zu, dass wir genau so sind, und in dem Moment, in dem wir irgendeiner Meinung zustimmen, wird sie zu einem Teil unserer Glaubenssätze. Nach und nach verändern diese Meinungen unser Verhalten, und wir formen ein Bild von uns, das dem entspricht, was andere Menschen über uns sagen: »Ich bin hübsch; ich bin nicht besonders hübsch. Ich bin klug; ich bin nicht besonders klug. Ich bin ein Sieger; ich bin ein Verlierer. Ich bin darin gut; ich bin darin schlecht.«
Und irgendwann ist der Moment erreicht, in dem uns die Meinungen unserer Eltern und Lehrer, die religiösen und gesellschaftlichen Meinungen glauben machen, dass wir nur dann akzeptiert werden, wenn wir einem ganz bestimmten Bild entsprechen. Man sagt uns, wie wir sein sollten, wie wir aussehen sollten, wie wir uns verhalten sollten. Wir müssen so sein; wir sollten keinesfalls so sein - und da wir nicht so sein dürfen, wie wir sind, beginnen wir anderen etwas vorzuspielen, was wir gar nicht sind. Die Angst, abgelehnt zu werden, wird zur Angst, nicht gut genug zu sein, und nun suchen wir nach etwas, was wir Perfektion nennen. Während dieser Suche formen wir ein Bild der Perfektion, eine Vorstellung davon, wie wir gerne wären - da wir aber wissen, dass wir so nicht sind, beginnen wir, uns abzuwerten und zu verurteilen. Wir mögen uns nicht und reden uns ein: »Wie albern du ausschaust, wie hässlich du bist! Wie dick, wie klein, wie schwach, wie dumm du bist!« Hier beginnt das Drama, denn jetzt wenden sich die Symbole gegen uns. Und wir merken nicht einmal, dass wir gelernt haben, uns mittels der Symbole selbst abzulehnen.
Vor der Domestizierung kümmern wir uns nicht da - rum, was wir sind oder wie wir aussehen. Wir tendieren dazu, alles zu erforschen, unsere Kreativität auszuleben, nach Freude zu streben und Schmerz zu vermeiden. Als kleine Kinder sind wir wild und frei; wir laufen nackt herum, ohne uns unsicher zu fühlen oder uns kritisch zu beurteilen. Wir sprechen die Wahrheit, weil wir in der Wahrheit leben. Unsere Aufmerksamkeit liegt im Augenblick; wir haben keine Angst vor der Zukunft und schämen uns nicht der Vergangenheit. Nach der Domestizierung versuchen wir, es allen anderen recht zu machen - nur uns selbst machen wir es nicht mehr recht, da wir unserer Idealvorstellung einfach nicht mehr gerecht werden können.
All unser natürliches Streben geht im Prozess der Domestizierung verloren, und irgendwann machen wir uns auf die Suche nach dem, was wir verloren haben. Wir beginnen nach Freiheit zu streben, weil wir nicht mehr die Freiheit haben, das zu sein, was wir eigentlich sind; wir beginnen, nach Glück zu streben, weil wir nicht mehr glücklich sind; wir beginnen nach Schönheit zu streben, weil wir nicht mehr glauben, dass wir schön sind.
Wir wachsen weiter, und gemäß seiner Programmierung produziert unser Körper in der Adoleszenz eine Substanz, die wir Hormone nennen. Unser Körper ist nicht mehr der eines Kindes, und wir passen nicht mehr zu unserer bisherigen Lebensweise. Wir wollen nicht hören, dass unsere Eltern uns sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Wir wollen unsere Freiheit; wir wollen wir selbst sein, haben aber gleichzeitig Angst davor.
Die Erwachsenen sagen zu uns: »Du bist jetzt kein Kind mehr«, aber wir sind auch noch nicht erwachsen, und dies bedeutet für die meisten Menschen eine recht schwierige Phase. Wenn wir Teenager sind, brauchen wir niemanden mehr, der uns domestiziert; wir haben gelernt, uns selbst zu beurteilen, uns selbst zu bestrafen und uns selbst zu belohnen, entsprechend den Glaubenssätzen, die man uns vermittelt hat, und wir benutzen das gleiche Straf- und Belohnungssystem.
Die Domestizierung mag für Menschen in manchen Weltgegenden einfacher sein, für andere wiederum schwerer, aber im Großen und Ganzen hat keiner von uns eine Chance, ihr zu entkommen. Keiner.
Der Körper wird älter, und alles ändert sich erneut. Wieder machen wir uns auf die Suche, aber jetzt suchen wir immer mehr nach unserem Selbst.
Wir streben nach Liebe, weil wir gelernt haben, dass Liebe irgendwo außerhalb von uns sei; wir streben nach Gerechtigkeit, weil es in dem System von Glaubenssätzen, das man uns beigebracht hat, keine Gerechtigkeit gibt; wir streben nach Wahrheit, weil wir nur an das Wissen glauben, das wir gespeichert haben. Und natürlich streben wir immer noch nach Perfektion, denn jetzt stimmen wir dem Rest der Menschheit zu, dass »niemand perfekt ist«.
© Ullstein Buchverlage GmbH
Vom Augenblick Ihrer Geburt an senden Sie der Welt eine Botschaft. Und wie lautet diese Botschaft? Die Botschaft sind Sie, dieses Kind. Es ist die Gegenwart eines Engels, eines Boten, der aus dem Unendlichen in einen menschlichen Körper gelangt ist. Die Unendlichkeit - eine alles umfassende Kraft - entwirft ein Programm nur für Sie allein, und alles, was Sie brauchen, um ganz Sie selbst zu sein, ist in diesem Programm enthalten. Sie werden geboren, wachsen auf, heiraten, werden alt und kehren am Schluss in die Unendlichkeit zurück. Jede Zelle Ihres Körpers ist ein Universum für sich - sie ist intelligent, in sich vollendet und mit einem bestimmten Programm ausgestattet.
Sie sind programmiert, Sie selbst zu sein, und für dieses Programm macht es keinen Unterschied, wofür Ihr Geist Sie hält. Das Programm ist nicht im Geist angesiedelt. Es ist im Körper angesiedelt, in der sogenannten DNA, und anfangs folgen Sie instinktiv seiner Weisheit. Als ganz kleines Kind wissen Sie, was Ihnen gefällt und was Ihnen nicht gefällt, wann Ihnen etwas gefällt und wann Ihnen etwas nicht gefällt. Sie orientieren sich an dem, was Ihnen gefällt, und versuchen dem auszuweichen, was Ihnen nicht gefällt. Sie folgen Ihren Instinkten, und diese Instinkte führen Sie zu einem Zustand, in dem Sie glücklich sind, in dem Sie das Leben genießen, in dem Sie spielen, lieben, Ihre Bedürfnisse stillen. Und was passiert dann?
Ihr Körper beginnt sich zu entwickeln, Ihr Geist wird reifer, und Sie beginnen Symbole zu verwenden, um anderen Menschen Ihre Botschaft zu übermitteln. So, wie sich Vögel mit Vögeln und Katzen mit Katzen verstehen, verstehen sich Menschen mithilfe eines Systems von Symbolen.
Nehmen wir einmal an, Sie wären auf einer Insel geboren worden und würden ganz allein dort leben - es würde vielleicht zehn Jahre dauern, aber dann würden Sie allem, was Sie sehen, einen Namen geben, und Sie würden diese Sprache zur Übermittlung von Botschaften benutzen, auch wenn Sie nur mit sich selbst kommunizieren könnten. Und warum würden Sie dies tun? Das ist leicht zu erklären und hängt nicht mit der menschlichen Intelligenz zusammen. Es hängt vielmehr mit unserer Programmierung zusammen: Wir sind dazu programmiert, eine Sprache zu entwickeln, uns ein umfassendes Symbolsystem zu erschaffen.
Bekanntlich verständigen sich die Menschen auf der Welt mündlich und schriftlich in Tausenden verschiedenen Sprachen. Die Vielzahl der vom Menschen erfundenen Symbole dient nicht nur der Verständigung mit anderen, sondern vor allem der Verständigung mit uns selbst. Bei diesen Symbolen kann es sich um gesprochene Laute handeln, um Bewegungen, um unsere Handschrift oder grafische Zeichen. Es gibt Symbole für Objekte, Ideen, Musik und Mathematik, aber die Einführung von Lauten ist der allererste Schritt, und das heißt, wir lernen Symbole zu nutzen, um zu sprechen.
Unsere Vorfahren haben für alles, was existiert, bereits Namen gefunden, und sie lehren uns die Bedeutung bestimmter Laute. Sie nennen diesen Gegenstand einen Tisch; sie nennen jenen Gegenstand einen Stuhl. Sie haben auch Namen für Dinge, die nur in unserer Fantasie existieren, wie etwa Meerjungfrauen oder Einhörner. Jedes Wort, das wir erlernen, steht als Symbol für etwas Reales oder eine Vorstellung, und wir müssen Tausende von Wörtern lernen. An ein- bis vierjährigen Kindern lässt sich gut beobachten, wie anstrengend es ist, ein komplettes Symbolsystem zu erlernen. Dies bedeutet große Mühe, an die wir uns später meist nicht mehr erinnern, weil unser kindlicher Verstand noch nicht ausgereift ist, doch durch ständige Übung und Wiederholung lernen wir dann irgendwann zu sprechen.
Und wenn wir dann sprechen können, vermitteln uns die Menschen, die für uns sorgen, ihr ganzes Wissen, das heißt, sie programmieren uns damit. Dieses Wissen ist groß und umschließt alle sozialen, religiösen und moralischen Regeln ihrer Kultur. Sie fesseln unsere Aufmerksamkeit, geben alles Wissenswerte an uns weiter und lehren uns, so zu werden wie sie. Und so entwickeln wir uns gemäß der Gesellschaft, in die wir hineingeboren wurden, zum Mann oder zur Frau. Wir lernen, wie man sich »richtig« verhält, also wie man ein »guter« Mensch ist.
In Wirklichkeit werden wir auf die gleiche Weise domestiziert wie ein Hund oder eine Katze oder irgendein anderes Haustier: durch ein System von Strafe und Belohnung. Man nennt uns einen lieben Jungen oder ein liebes Mädchen, wenn wir tun, was die Erwachsenen von uns erwarten; und man nennt uns einen bösen Jungen oder ein böses Mädchen, wenn wir nicht tun, was sie erwarten. Manchmal werden wir bestraft, ohne böse gewesen zu sein, manchmal werden wir belohnt, ohne lieb gewesen zu sein. Aus Furcht vor Strafe und aus Furcht, keine Belohnung zu erhalten, bemühen wir uns, es anderen Leuten recht zu machen. Wir bemühen uns, lieb zu sein, denn böse Menschen bekommen keine Belohnung; sie werden bestraft.
Die Domestizierung des Menschen bedeutet, dass uns sämtliche Regeln und Werte unserer Familie und unserer Gesellschaft aufgezwungen werden. Wir haben keine Chance, selbst herauszufinden, was wir glauben wollen. Man sagt uns, was wir glauben sollen und was nicht. Die Menschen, bei denen wir leben, teilen uns ihre Meinung mit: was gut ist und was böse, was richtig ist und was falsch, was schön ist und was hässlich. Ge - nau wie bei einem Computer werden alle diese Informationen heruntergeladen, und zwar in unseren Kopf. Wir sind unschuldig; wir glauben, was uns unsere Eltern oder andere Erwachsene sagen; wir stimmen zu, und die Informationen werden in unserem Gedächtnis gespeichert. Alles, was wir lernen, findet durch diese Übereinkunft den Weg in unseren Geist und bleibt durch Übereinkunft dort, aber zuerst durchläuft es die Aufmerksamkeit.
Die Aufmerksamkeit hat für uns Menschen große Bedeutung, weil sie derjenige Teil des Bewusstseins ist, mit dessen Hilfe wir uns aus einer ganzen Reihe von Möglichkeiten auf ein Objekt oder einen Gedanken konzentrieren können. Durch die Aufmerksamkeit werden Informationen von außen nach innen transportiert und umgekehrt.
Die Aufmerksamkeit ist der Kanal, über den wir Botschaften von Mensch zu Mensch befördern und Botschaften von anderen Menschen erhalten. Sie funk - tioniert wie eine Brücke von einem Bewusstsein zum anderen; wir öffnen die Brücke mithilfe von Lauten, Zeichen, Symbolen, Berührungen - also allem, was Aufmerksamkeit erweckt. So lehren wir, und so lernen wir. Wir können niemanden etwas lehren, wenn er uns nicht seine Aufmerksamkeit schenkt; wir können nichts lernen, wenn wir nicht aufmerksam sind.
Indem sie unsere Aufmerksamkeit fesseln, lehren uns die Erwachsenen, wie wir mithilfe von Symbolen in unserem Innern eine umfassende Realität erschaffen können. Nachdem sie uns über Laute ein Symbolsystem vermittelt haben, pauken uns die Erwachsenen das Alphabet ein, und wir lernen dieselbe Sprache noch einmal, diesmal in grafischen Symbolen. Unsere Vorstellungskraft entwickelt sich allmählich, unsere Neugierde wächst immer mehr, und wir beginnen Fragen zu stellen. Wir fragen und fragen und hören niemals auf, Fragen zu stellen; wir sammeln überall Informationen. Und wenn wir irgendwann imstande sind, all die Symbole zu nutzen, um innere Dialoge zu führen - dann wissen wir, dass wir eine Sprache wirklich beherrschen. Jetzt lernen wir zu denken. Davor denken wir nämlich nicht; um zu kommunizieren, imitieren wir Laute und nutzen Symbole, aber bis wir mit den Symbolen Bedeutungen und Emotionen verknüpfen, ist das Leben einfach.
Sobald wir beginnen, den Symbolen Bedeutung zu verleihen, wollen wir damit alle Ereignisse in unserem Leben erklären. Wir benutzen die Symbole, um über reale Dinge nachzudenken, und über irreale Dinge, die uns jedoch allmählich real erscheinen - wie etwa schön und hässlich, dünn und dick, intelligent und dumm. Und wir können nur in einer Sprache denken, die wir beherrschen. Über viele Jahre hinweg habe ich nur spanisch gesprochen, und es dauerte sehr lange, bis ich dann in der englischen Sprache genügend Symbole beherrschte, um auf Englisch denken zu können. Eine Sprache perfekt zu erlernen ist nicht leicht, doch ab einem bestimmten Punkt merken wir, dass wir unter Verwendung der erlernten Symbole denken.
Wenn wir mit fünf oder sechs Jahren in die Schule kommen, verstehen wir bereits die Bedeutung abstrakter Konzepte wie richtig oder falsch, Gewinner oder Verlierer, perfekt oder mangelhaft. In der Schule lernen wir dann, wie man die uns schon bekannten Symbole liest und schreibt, und die geschriebene Sprache ermöglicht es uns, noch mehr Wissen anzuhäufen. Wir verleihen immer mehr Symbolen eine Bedeutung, und das Denken verläuft jetzt nicht nur müheloser, sondern sogar automatisch.
Nun fesseln die Symbole, die wir erlernt haben, unsere Aufmerksamkeit ganz von allein. Das, was wir kennen, spricht zu uns, und wir lauschen dem, was unser Wissen uns sagt. Ich nenne es »die Stimme des Wissens«, weil das Wissen in unserem Kopf spricht. Oft hören wir diese Stimme in verschiedenen Färbungen; wir hören die Stimme unserer Mutter, unseres Vaters, unserer Brüder und unserer Schwestern, und die Stimme spricht unaufhörlich. Die Stimme ist nicht real; wir haben sie geschaffen. Aber wir glauben, sie sei real, denn wir schenken ihr durch unseren Glauben Leben, und das heißt, dass wir ohne jeden Zweifel glauben, was uns jene Stimme erzählt. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem unser Denken ganz allmählich von den Meinungen der Menschen übernommen wird, die in unserer Nähe leben.
Jeder hat ja seine eigene Meinung über uns und sagt uns, was wir sind. Als ganz kleine Kinder wissen wir noch nicht, was wir sind. Wir können uns nur durch einen Spiegel wahrnehmen, und als dieser Spiegel fungieren andere Menschen. Unsere Mutter sagt uns, was wir sind, und wir glauben ihr. Unser Vater, unsere Brüder und unsere Schwestern sagen uns etwas vollkommen anderes, aber auch ihnen stimmen wir zu. Man sagt uns, wie wir aussehen, vor allem dann, wenn wir noch klein sind. »Weißt du was, du hast die Augen deiner Mutter, die Nase deines Großvaters!« Wir lauschen all den Meinungen der Familienmitglieder, der Lehrer und der größeren Kinder in der Schule. Wir sehen unser Bild in diesen Spiegeln, wir stimmen zu, dass wir genau so sind, und in dem Moment, in dem wir irgendeiner Meinung zustimmen, wird sie zu einem Teil unserer Glaubenssätze. Nach und nach verändern diese Meinungen unser Verhalten, und wir formen ein Bild von uns, das dem entspricht, was andere Menschen über uns sagen: »Ich bin hübsch; ich bin nicht besonders hübsch. Ich bin klug; ich bin nicht besonders klug. Ich bin ein Sieger; ich bin ein Verlierer. Ich bin darin gut; ich bin darin schlecht.«
Und irgendwann ist der Moment erreicht, in dem uns die Meinungen unserer Eltern und Lehrer, die religiösen und gesellschaftlichen Meinungen glauben machen, dass wir nur dann akzeptiert werden, wenn wir einem ganz bestimmten Bild entsprechen. Man sagt uns, wie wir sein sollten, wie wir aussehen sollten, wie wir uns verhalten sollten. Wir müssen so sein; wir sollten keinesfalls so sein - und da wir nicht so sein dürfen, wie wir sind, beginnen wir anderen etwas vorzuspielen, was wir gar nicht sind. Die Angst, abgelehnt zu werden, wird zur Angst, nicht gut genug zu sein, und nun suchen wir nach etwas, was wir Perfektion nennen. Während dieser Suche formen wir ein Bild der Perfektion, eine Vorstellung davon, wie wir gerne wären - da wir aber wissen, dass wir so nicht sind, beginnen wir, uns abzuwerten und zu verurteilen. Wir mögen uns nicht und reden uns ein: »Wie albern du ausschaust, wie hässlich du bist! Wie dick, wie klein, wie schwach, wie dumm du bist!« Hier beginnt das Drama, denn jetzt wenden sich die Symbole gegen uns. Und wir merken nicht einmal, dass wir gelernt haben, uns mittels der Symbole selbst abzulehnen.
Vor der Domestizierung kümmern wir uns nicht da - rum, was wir sind oder wie wir aussehen. Wir tendieren dazu, alles zu erforschen, unsere Kreativität auszuleben, nach Freude zu streben und Schmerz zu vermeiden. Als kleine Kinder sind wir wild und frei; wir laufen nackt herum, ohne uns unsicher zu fühlen oder uns kritisch zu beurteilen. Wir sprechen die Wahrheit, weil wir in der Wahrheit leben. Unsere Aufmerksamkeit liegt im Augenblick; wir haben keine Angst vor der Zukunft und schämen uns nicht der Vergangenheit. Nach der Domestizierung versuchen wir, es allen anderen recht zu machen - nur uns selbst machen wir es nicht mehr recht, da wir unserer Idealvorstellung einfach nicht mehr gerecht werden können.
All unser natürliches Streben geht im Prozess der Domestizierung verloren, und irgendwann machen wir uns auf die Suche nach dem, was wir verloren haben. Wir beginnen nach Freiheit zu streben, weil wir nicht mehr die Freiheit haben, das zu sein, was wir eigentlich sind; wir beginnen, nach Glück zu streben, weil wir nicht mehr glücklich sind; wir beginnen nach Schönheit zu streben, weil wir nicht mehr glauben, dass wir schön sind.
Wir wachsen weiter, und gemäß seiner Programmierung produziert unser Körper in der Adoleszenz eine Substanz, die wir Hormone nennen. Unser Körper ist nicht mehr der eines Kindes, und wir passen nicht mehr zu unserer bisherigen Lebensweise. Wir wollen nicht hören, dass unsere Eltern uns sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Wir wollen unsere Freiheit; wir wollen wir selbst sein, haben aber gleichzeitig Angst davor.
Die Erwachsenen sagen zu uns: »Du bist jetzt kein Kind mehr«, aber wir sind auch noch nicht erwachsen, und dies bedeutet für die meisten Menschen eine recht schwierige Phase. Wenn wir Teenager sind, brauchen wir niemanden mehr, der uns domestiziert; wir haben gelernt, uns selbst zu beurteilen, uns selbst zu bestrafen und uns selbst zu belohnen, entsprechend den Glaubenssätzen, die man uns vermittelt hat, und wir benutzen das gleiche Straf- und Belohnungssystem.
Die Domestizierung mag für Menschen in manchen Weltgegenden einfacher sein, für andere wiederum schwerer, aber im Großen und Ganzen hat keiner von uns eine Chance, ihr zu entkommen. Keiner.
Der Körper wird älter, und alles ändert sich erneut. Wieder machen wir uns auf die Suche, aber jetzt suchen wir immer mehr nach unserem Selbst.
Wir streben nach Liebe, weil wir gelernt haben, dass Liebe irgendwo außerhalb von uns sei; wir streben nach Gerechtigkeit, weil es in dem System von Glaubenssätzen, das man uns beigebracht hat, keine Gerechtigkeit gibt; wir streben nach Wahrheit, weil wir nur an das Wissen glauben, das wir gespeichert haben. Und natürlich streben wir immer noch nach Perfektion, denn jetzt stimmen wir dem Rest der Menschheit zu, dass »niemand perfekt ist«.
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Autoren-Porträt von Don Miguel Ruiz, Don J. Ruiz
Ruiz, Don MiguelDon Miguel Ruiz wurde in eine Familie mexikanischer Curanderos (Heiler) und Naguals (Schamanen) geboren. Er folgte dem ihm vorgezeichneten Weg jedoch zunächst nicht, sondern studierte Medizin und wurde Chirurg. Eine Nahtod-Erfahrung nach einem Autounfall veränderte sein Leben und er widmete sich fortan dem Studium der Lehre seiner Vorfahren. Sein Lehrer wurde sein verstorbener Großvater, der ihn in Träumen unterwies. Der Kinofilm "8 Sekunden - Ein Augenblick Unendlichkeit", produziert von Til Schweiger (2015), basiert auf Ruiz Meisterwerk "Die Vier Versprechen", und der Autor tritt darin in einer Gastrolle auf.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Don Miguel Ruiz , Don J. Ruiz
- 2010, 208 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,5 x 19,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Mitarbeit: Mills, Janet
- Verlag: ALLEGRIA
- ISBN-10: 3793422011
- ISBN-13: 9783793422013
- Erscheinungsdatum: 13.10.2010
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