Das Känguru-Manifest / Känguru Chroniken Bd.2
Sie sind wieder da Band 2 der erfolgreichen Känguru-Werke
Sie sind wieder da - das kommunistische Känguru und der stoische Kleinkünstler! Auf der Jagd nach dem höchstverdächtigen Pinguin rasen sie durch die ganze Welt. Spektakuläre Enthüllungen! Skandale! Intrigen! Ein Mord, für den sich niemand interessiert! Eine...
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Produktinformationen zu „Das Känguru-Manifest / Känguru Chroniken Bd.2 “
Klappentext zu „Das Känguru-Manifest / Känguru Chroniken Bd.2 “
Sie sind wieder da - das kommunistische Känguru und der stoische Kleinkünstler! Auf der Jagd nach dem höchstverdächtigen Pinguin rasen sie durch die ganze Welt. Spektakuläre Enthüllungen! Skandale! Intrigen! Ein Mord, für den sich niemand interessiert! Eine Verschwörung auf niedrigster Ebene! Ein völlig abstruser Weltbeherrschungsplan! Mit Spaß, Spannung und Schnapspralinen ...Lese-Probe zu „Das Känguru-Manifest / Känguru Chroniken Bd.2 “
Das Känguru-Manifest von Marc-Uwe KlingPROLOG IM WOHNZIMMER
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Ding Dong. Ich klingele. Die Tür wird geöffnet, und ich stehe einem Känguru gegenüber. Das Känguru blinzelt, kuckt hinter sich, schaut die Treppe runter, dann die Treppe rauf. Kuckt geradeaus. Ich stehe immer noch draußen.
»Hab meinen Schlüssel vergessen«, sage ich.
Das Känguru gähnt.
»Hello again«, sagt es, macht ein Peace-Zeichen und schlurft zurück ins Wohnzimmer. Erschöpft schleife ich meine Gitarre und meinen Koffer in unsere Wohnung. Das Känguru liegt schon wieder in seiner Hängematte im Wohnzimmer und summt vor sich hin. Ich lasse mich auf die Couch fallen. Der Boxsack hängt noch an gewohnter Stelle, beim Nevermind-Poster fehlt immer noch der obere rechte Reißnagel, und ich glaube, selbst der leere Pizzakarton liegt noch an derselben Stelle wie vor meiner Abreise.
»Frag mich, wie's auf Tour war«, sage ich.
»Wie war's auf Tour?«, fragt das Känguru.
»Nun ja«, sage ich. »Ich war ja mit der Band unterwegs, und gestern sind wir in Ober-Nieder-Gummersberg aufgetreten, und ich habe unter anderem so ein altes Straßenkampflied gesungen, ›Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!‹, und erst im Nachhinein hab ich festgestellt, dass fast das komplette Publikum aus der SPD-Ortsgruppe bestand.«
»Und?«
»Die wollten partout nicht mitsingen«, sage ich und kicke eine leere Schnapspralinenpackung in Richtung Pizzakarton. »Dabei habe ich die mehrfach aufgefordert.«
»Hättste lieber mal vorneweg ein bisschen Marktforschung gemacht«, sagt das Känguru. »›Wer hat uns verraten? Christdemokraten!‹ reimt sich doch genauso gut.«
»Ja«, sage ich. »Ich muss mich einfach noch mehr als Dienstleister verstehen.«
»Kann dir doch egal sein, was du singst«, sagt das Känguru. »Die Leute haben bezahlt. Also sing gefälligst, was sie hören wollen.«
»Weißt du«, sage ich, »das Komischste war ... Es hat denen überhaupt nicht gefallen, was wir auf der Bühne gemacht haben. Aber die haben die ganze Zeit brav geklatscht.«
»Das sind die so gewohnt von ihren Parteitagen«, sagt das Känguru.
Ich schalte mit der Fernbedienung Fernseher und Videorecorder an. Bud Spencer jagt Terence Hill über den Strand und bewirft ihn mit Kokosnüssen.
»Und was hast du so gemacht?«, frage ich.
»Ich habe gerade in der Hängematte Paul Lafargues Das Recht auf Faulheit gelesen und bin dabei eingedöst«, sagt das Känguru.
»Du hast den ganzen Tag verpennt?«, frage ich, hänge die Füße über die Rückenlehne der Couch und lasse meinen Kopf nach unten baumeln. Seit das Känguru den Fernseher repariert hat, steht das Bild nämlich auf dem Kopf.
»Ich habe nicht geschlafen«, sagt das Känguru. »Ich habe mich nur geschont. Außerdem habe ich den ganzen Morgen damit verbracht, eine Not-to-do-Liste zu erstellen.«
»Bitte was?«
»Eine Liste mit Sachen, die ich als schlecht für mich, für andere oder für die Umwelt einstufe. Heute Abend werde ich alles markieren, was ich nicht gemacht habe. Und das wird mir ein gutes Gefühl geben.«
»Und so lange bleibst du in der Hängematte liegen?«, frage ich.
»Ist nicht viel anderes übriggeblieben«.
Terence Hill ist schneller als Bud Spencer. Mir wird schwindelig. Ich habe zu viel Blut im Kopf.
»Statt immer mit dem Kopf nach unten rumzuhängen, könnten wir auch einfach den Fernseher umdrehen«, sage ich. »Mach doch«, sagt das Känguru.
»Später«.
Mein Blick fällt auf das schiefe Regalbrett, von dem früher immer die Bücher runtergerutscht sind. Jetzt rutschen die Bücher nicht mehr. Sie stecken in Stoppersocken.
»Mir ist schlecht«, sage ich. »Kannst du mich bitte umdrehen?«
Das Känguru kommt und stellt mich vom Kopf auf die Füße.
Ich schalte den Videorecorder aus.
»Ich habe heute früh im Zug ein neues Gedicht gemacht!«, sage ich.
»Nummer 5«, sagt das Känguru.
»Was?«
»Nummer 5 auf meiner Not-to-do-Liste«, sagt das Känguru. »Gedichte schreiben.«
»Du weißt, dass ich mich von sarkastischen Bemerkungen nicht aufhalten lasse.«
»Ja«, sagt das Känguru. »Ich habe eine ziemlich eindeutige Langzeitstudie darüber gemacht.«
»Aufgepasst«, sage ich.
»Es sagt viel über die Welt aus, mein Kind,
sagte der Vater zum Knaben,
dass die Dummen glücklich sind
und die Schlauen Depressionen haben.«
»Hast du Depressionen?«, fragt das Känguru.
»Nee«, sage ich. »Du?«
»Nee.«
Plötzlich klingelt es von irgendwoher.
»Wie dem auch sei«, sagt das Känguru, zieht einen Wecker aus seinem Beutel und schaltet ihn aus. »Ich geh jetzt schlafen.«
Ich kratze mich am Bart.
»Ist es nicht anstrengend, immer alles genau andersherum zu machen als der Rest der Welt?«, frage ich.
»Es geht«, sagt das Känguru und legt sich wieder in seine Hängematte. »Guten Tag.«
BERLIN ALEXANDERPLATZ
Wir laufen quer über den Alexanderplatz. Vorbei an einem Grillwalker, einem Verrückten mit einem Infostand und ein paar Freaks, die sich als Statuen verkleidet haben, sogenannte Dastehende Künstler. Das Känguru grüßt einen Typen, der alte Sowjet-Accessoires verkauft. Wir sind schon fast an der Weltzeituhr vorbei, da winkt uns ein Mann zu sich.
»Can you please take a picture from us?«, fragt er lächelnd in wackeligem Englisch und zeigt auf sich und seine Familie.
»Yeah. Why not ... «, sagt das Känguru schulterzuckend. »You look funny.«
Es holt eine Wegwerfkamera aus seinem Beutel, knipst und steckt sie wieder ein.
»No! No!«, sagt der Mann. »With my camera!«
»Ach ... «, das Känguru seufzt. »Nee ... «
»Na komm schon«, sage ich.
Das Känguru schüttelt seinen Kopf.
»I can do it«, biete ich dem noch immer lächelnden Mann an. Er nickt, und ich nehme die Kamera.
KNIPS.
»Okay?«, frage ich.
Der Mann blickt kritisch auf das kleine Display.
»No! With the TV-Tower please.«
»Okay«, sage ich.
KNIPS.
»Okay?«
»No! The whole tower please.«
»That is impossible! It is too big!«
»No! You go back please.«
Ich gehe zehn Schritte zurück.
»No. No. You go more back.«
Ich seufze und lasse die Kamera sinken.
»I can do it«, sagt das Känguru.
Der Mann nickt.
Das Känguru hüpft back, more back, much more back ... Schließlich hüpft es um eine Straßenecke und ist verschwunden. Die Familie lächelt immer noch fürs Foto. Nach ein paar Sekunden hört der Vater auf zu lächeln.
»Will it come back?«, fragt er. »The kangaroo?«
»Also ... «, sage ich. »Nach umfassenden Studien meinerseits zum Verhalten dieses Beuteltieres würde ich die Chancen für das Eintreffen des von Ihnen angefragten Ereignisses als gegen null tendierend einstufen.«
»What?«
»I don't think so.«
Eine halbe Stunde später finde ich das Känguru wieder. Es prügelt sich vor dem Marx-Engels-Denkmal mit einer lebenden Statue. Kurz überlege ich, ob ich schlichtend eingreifen oder das Ganze lieber, wie alle anderen Umstehenden auch, mit meiner Handykamera filmen soll.
»Hey, hey, hey! «, rufe ich schließlich und gehe dazwischen. »Was soll das denn?«
»Schiller hat angefangen«, schimpft das Känguru.
»Ich bin nicht Schiller«, sagt die Statue aufgebracht. »Ich bin Goethe!«
»Locker bleiben, Friedrich«, sagt das Känguru.
»Ich bin nicht Schiller«, ruft die Statue.
»Nicht aufregen«, sage ich. »Alle Menschen werden Brüder und so weiter.«
»Ich bin nicht Schiller«, schreit die Statue.
Das Känguru holt die Kamera des Touristen aus seinem Beutel und macht ein Foto von der Statue. Ich werfe dem aufgebrachten Schiller eine Münze in seine Mütze und schiebe das Känguru weg.
»Die Aktion vorhin war witzig, was?«, fragt es und hält die Kamera in die Höhe.
»Nun ja«, sage ich. »Ich hab so getan, als ob ich dich nicht kenne. Mache ich öfter.«
Das Känguru stibitzt dem Grillwalker im Vorübergehen ein Würstchen vom Grill. Ich mache einen Schritt zur Seite, deute auf das Känguru und sage: »Kenne ich nicht.«
»Komm. Ich zeig dir was noch Witzigeres«, sagt das Känguru.
Es hüpft auf einen Passanten zu und reicht ihm die Kamera. »Can you please take a picture from us?«, fragt es.
Der Mann nickt und nimmt die Kamera.
»Lauf!«, flüstert mir das Känguru zu und hüpft los. Ich renne hinterher, und wir verschwinden schnell um zwei Straßenecken.
»Das verwirrt die Leute immer total«, sagt das Känguru fröhlich.
»Das glaube ich«, sage ich und ringe nach Atem. »Und was machen wir jetzt?«
Das Känguru holt ein Dutzend billiger Fahrradschlösser aus seinem Beutel. »Jetzt gehen wir zum Alexa-Shopping-Center, schließen fremde Fahrräder fest und setzen uns mit einem Coffee-to-go auf die andere Straßenseite.«
»Das hört sich doch nach 'nem Plan an«, sage ich. »Du musst den Kaffee bezahlen.«
Ding Dong. Ich klingele. Die Tür wird geöffnet, und ich stehe einem Känguru gegenüber. Das Känguru blinzelt, kuckt hinter sich, schaut die Treppe runter, dann die Treppe rauf. Kuckt geradeaus. Ich stehe immer noch draußen.
»Hab meinen Schlüssel vergessen«, sage ich.
Das Känguru gähnt.
»Hello again«, sagt es, macht ein Peace-Zeichen und schlurft zurück ins Wohnzimmer. Erschöpft schleife ich meine Gitarre und meinen Koffer in unsere Wohnung. Das Känguru liegt schon wieder in seiner Hängematte im Wohnzimmer und summt vor sich hin. Ich lasse mich auf die Couch fallen. Der Boxsack hängt noch an gewohnter Stelle, beim Nevermind-Poster fehlt immer noch der obere rechte Reißnagel, und ich glaube, selbst der leere Pizzakarton liegt noch an derselben Stelle wie vor meiner Abreise.
»Frag mich, wie's auf Tour war«, sage ich.
»Wie war's auf Tour?«, fragt das Känguru.
»Nun ja«, sage ich. »Ich war ja mit der Band unterwegs, und gestern sind wir in Ober-Nieder-Gummersberg aufgetreten, und ich habe unter anderem so ein altes Straßenkampflied gesungen, ›Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!‹, und erst im Nachhinein hab ich festgestellt, dass fast das komplette Publikum aus der SPD-Ortsgruppe bestand.«
»Und?«
»Die wollten partout nicht mitsingen«, sage ich und kicke eine leere Schnapspralinenpackung in Richtung Pizzakarton. »Dabei habe ich die mehrfach aufgefordert.«
»Hättste lieber mal vorneweg ein bisschen Marktforschung gemacht«, sagt das Känguru. »›Wer hat uns verraten? Christdemokraten!‹ reimt sich doch genauso gut.«
»Ja«, sage ich. »Ich muss mich einfach noch mehr als Dienstleister verstehen.«
»Kann dir doch egal sein, was du singst«, sagt das Känguru. »Die Leute haben bezahlt. Also sing gefälligst, was sie hören wollen.«
»Weißt du«, sage ich, »das Komischste war ... Es hat denen überhaupt nicht gefallen, was wir auf der Bühne gemacht haben. Aber die haben die ganze Zeit brav geklatscht.«
»Das sind die so gewohnt von ihren Parteitagen«, sagt das Känguru.
Ich schalte mit der Fernbedienung Fernseher und Videorecorder an. Bud Spencer jagt Terence Hill über den Strand und bewirft ihn mit Kokosnüssen.
»Und was hast du so gemacht?«, frage ich.
»Ich habe gerade in der Hängematte Paul Lafargues Das Recht auf Faulheit gelesen und bin dabei eingedöst«, sagt das Känguru.
»Du hast den ganzen Tag verpennt?«, frage ich, hänge die Füße über die Rückenlehne der Couch und lasse meinen Kopf nach unten baumeln. Seit das Känguru den Fernseher repariert hat, steht das Bild nämlich auf dem Kopf.
»Ich habe nicht geschlafen«, sagt das Känguru. »Ich habe mich nur geschont. Außerdem habe ich den ganzen Morgen damit verbracht, eine Not-to-do-Liste zu erstellen.«
»Bitte was?«
»Eine Liste mit Sachen, die ich als schlecht für mich, für andere oder für die Umwelt einstufe. Heute Abend werde ich alles markieren, was ich nicht gemacht habe. Und das wird mir ein gutes Gefühl geben.«
»Und so lange bleibst du in der Hängematte liegen?«, frage ich.
»Ist nicht viel anderes übriggeblieben«.
Terence Hill ist schneller als Bud Spencer. Mir wird schwindelig. Ich habe zu viel Blut im Kopf.
»Statt immer mit dem Kopf nach unten rumzuhängen, könnten wir auch einfach den Fernseher umdrehen«, sage ich. »Mach doch«, sagt das Känguru.
»Später«.
Mein Blick fällt auf das schiefe Regalbrett, von dem früher immer die Bücher runtergerutscht sind. Jetzt rutschen die Bücher nicht mehr. Sie stecken in Stoppersocken.
»Mir ist schlecht«, sage ich. »Kannst du mich bitte umdrehen?«
Das Känguru kommt und stellt mich vom Kopf auf die Füße.
Ich schalte den Videorecorder aus.
»Ich habe heute früh im Zug ein neues Gedicht gemacht!«, sage ich.
»Nummer 5«, sagt das Känguru.
»Was?«
»Nummer 5 auf meiner Not-to-do-Liste«, sagt das Känguru. »Gedichte schreiben.«
»Du weißt, dass ich mich von sarkastischen Bemerkungen nicht aufhalten lasse.«
»Ja«, sagt das Känguru. »Ich habe eine ziemlich eindeutige Langzeitstudie darüber gemacht.«
»Aufgepasst«, sage ich.
»Es sagt viel über die Welt aus, mein Kind,
sagte der Vater zum Knaben,
dass die Dummen glücklich sind
und die Schlauen Depressionen haben.«
»Hast du Depressionen?«, fragt das Känguru.
»Nee«, sage ich. »Du?«
»Nee.«
Plötzlich klingelt es von irgendwoher.
»Wie dem auch sei«, sagt das Känguru, zieht einen Wecker aus seinem Beutel und schaltet ihn aus. »Ich geh jetzt schlafen.«
Ich kratze mich am Bart.
»Ist es nicht anstrengend, immer alles genau andersherum zu machen als der Rest der Welt?«, frage ich.
»Es geht«, sagt das Känguru und legt sich wieder in seine Hängematte. »Guten Tag.«
BERLIN ALEXANDERPLATZ
Wir laufen quer über den Alexanderplatz. Vorbei an einem Grillwalker, einem Verrückten mit einem Infostand und ein paar Freaks, die sich als Statuen verkleidet haben, sogenannte Dastehende Künstler. Das Känguru grüßt einen Typen, der alte Sowjet-Accessoires verkauft. Wir sind schon fast an der Weltzeituhr vorbei, da winkt uns ein Mann zu sich.
»Can you please take a picture from us?«, fragt er lächelnd in wackeligem Englisch und zeigt auf sich und seine Familie.
»Yeah. Why not ... «, sagt das Känguru schulterzuckend. »You look funny.«
Es holt eine Wegwerfkamera aus seinem Beutel, knipst und steckt sie wieder ein.
»No! No!«, sagt der Mann. »With my camera!«
»Ach ... «, das Känguru seufzt. »Nee ... «
»Na komm schon«, sage ich.
Das Känguru schüttelt seinen Kopf.
»I can do it«, biete ich dem noch immer lächelnden Mann an. Er nickt, und ich nehme die Kamera.
KNIPS.
»Okay?«, frage ich.
Der Mann blickt kritisch auf das kleine Display.
»No! With the TV-Tower please.«
»Okay«, sage ich.
KNIPS.
»Okay?«
»No! The whole tower please.«
»That is impossible! It is too big!«
»No! You go back please.«
Ich gehe zehn Schritte zurück.
»No. No. You go more back.«
Ich seufze und lasse die Kamera sinken.
»I can do it«, sagt das Känguru.
Der Mann nickt.
Das Känguru hüpft back, more back, much more back ... Schließlich hüpft es um eine Straßenecke und ist verschwunden. Die Familie lächelt immer noch fürs Foto. Nach ein paar Sekunden hört der Vater auf zu lächeln.
»Will it come back?«, fragt er. »The kangaroo?«
»Also ... «, sage ich. »Nach umfassenden Studien meinerseits zum Verhalten dieses Beuteltieres würde ich die Chancen für das Eintreffen des von Ihnen angefragten Ereignisses als gegen null tendierend einstufen.«
»What?«
»I don't think so.«
Eine halbe Stunde später finde ich das Känguru wieder. Es prügelt sich vor dem Marx-Engels-Denkmal mit einer lebenden Statue. Kurz überlege ich, ob ich schlichtend eingreifen oder das Ganze lieber, wie alle anderen Umstehenden auch, mit meiner Handykamera filmen soll.
»Hey, hey, hey! «, rufe ich schließlich und gehe dazwischen. »Was soll das denn?«
»Schiller hat angefangen«, schimpft das Känguru.
»Ich bin nicht Schiller«, sagt die Statue aufgebracht. »Ich bin Goethe!«
»Locker bleiben, Friedrich«, sagt das Känguru.
»Ich bin nicht Schiller«, ruft die Statue.
»Nicht aufregen«, sage ich. »Alle Menschen werden Brüder und so weiter.«
»Ich bin nicht Schiller«, schreit die Statue.
Das Känguru holt die Kamera des Touristen aus seinem Beutel und macht ein Foto von der Statue. Ich werfe dem aufgebrachten Schiller eine Münze in seine Mütze und schiebe das Känguru weg.
»Die Aktion vorhin war witzig, was?«, fragt es und hält die Kamera in die Höhe.
»Nun ja«, sage ich. »Ich hab so getan, als ob ich dich nicht kenne. Mache ich öfter.«
Das Känguru stibitzt dem Grillwalker im Vorübergehen ein Würstchen vom Grill. Ich mache einen Schritt zur Seite, deute auf das Känguru und sage: »Kenne ich nicht.«
»Komm. Ich zeig dir was noch Witzigeres«, sagt das Känguru.
Es hüpft auf einen Passanten zu und reicht ihm die Kamera. »Can you please take a picture from us?«, fragt es.
Der Mann nickt und nimmt die Kamera.
»Lauf!«, flüstert mir das Känguru zu und hüpft los. Ich renne hinterher, und wir verschwinden schnell um zwei Straßenecken.
»Das verwirrt die Leute immer total«, sagt das Känguru fröhlich.
»Das glaube ich«, sage ich und ringe nach Atem. »Und was machen wir jetzt?«
Das Känguru holt ein Dutzend billiger Fahrradschlösser aus seinem Beutel. »Jetzt gehen wir zum Alexa-Shopping-Center, schließen fremde Fahrräder fest und setzen uns mit einem Coffee-to-go auf die andere Straßenseite.«
»Das hört sich doch nach 'nem Plan an«, sage ich. »Du musst den Kaffee bezahlen.«
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Autoren-Porträt von Marc-Uwe Kling
Marc-Uwe Kling singt Lieder und erzählt Geschichten. Seine Känguru-Geschichten wurden 2010 mit dem Deutschen Radiopreis und 2013 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Im Kino waren das Känguru und der Kleinkünstler bereits mit zwei Blockbustern vertreten ("Die Känguru-Chroniken, 2020 & Die Känguru-Verschwörung 2022). Die satirischen Dystopien QUALITYLAND (2017) und QUALITYLAND 2.0 (2020) eroberten die SPIEGEL-Bestsellerliste und werden derzeit verfilmt. Das Vorlesebuch DAS NEINHORN verkaufte sich fast eine Million mal.
Bibliographische Angaben
- Autor: Marc-Uwe Kling
- 2011, 22. Aufl., 304 Seiten, Maße: 12,3 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548373836
- ISBN-13: 9783548373836
- Erscheinungsdatum: 09.08.2011
Rezension zu „Das Känguru-Manifest / Känguru Chroniken Bd.2 “
"Sehr, sehr komisch!" Jürgen von der Lippe über Die Känguru-Chroniken "Marc-Uwe Kling ist der neue Überflieger der deutschen Kabarettszene" Süddeutsche Zeitung "Marc-Uwe Kling beschreibt das Zusammenleben mit dem Känguru mit kurzweiliger Komik und wirft dabei einen äußerst selbstironischen Blick auf sein eigenes Künstlerdasein." DER TAGESSPIEGEL, Anke Myrrhe, 30.08.11
Kommentar zu "Das Känguru-Manifest / Känguru Chroniken Bd.2"