Der Chef, den ich nie vergessen werde
Wie Sie Loyalität & Respekt Ihrer Mitarbeiter gewinnen
Persönlich führt sich 's besser!
Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Und eine große Persönlichkeit steckt in den meisten Menschen - muss aber freigelegt werden. Deshalb zeigt Alexander Groth in diesem Buch, wie jeder...
Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Und eine große Persönlichkeit steckt in den meisten Menschen - muss aber freigelegt werden. Deshalb zeigt Alexander Groth in diesem Buch, wie jeder...
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Produktinformationen zu „Der Chef, den ich nie vergessen werde “
Persönlich führt sich 's besser!
Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Und eine große Persönlichkeit steckt in den meisten Menschen - muss aber freigelegt werden. Deshalb zeigt Alexander Groth in diesem Buch, wie jeder Manager seine starken persönlichen Eigenschaften nach und nach entwickeln kann. Am Ende des Prozesses steht ein Mensch, der sein Leben nicht auf Karriereoptimierung ausrichtet, sondern andere mit Demut, Akzeptanz, Vertrauen und Liebe führt. Nur so hinterlässt man Spuren in den Unternehmen sowie in den Köpfen und Herzen seiner Mitarbeiter. Dies ist die größte Auszeichnung, die ein Manager erreichen kann.
Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Und eine große Persönlichkeit steckt in den meisten Menschen - muss aber freigelegt werden. Deshalb zeigt Alexander Groth in diesem Buch, wie jeder Manager seine starken persönlichen Eigenschaften nach und nach entwickeln kann. Am Ende des Prozesses steht ein Mensch, der sein Leben nicht auf Karriereoptimierung ausrichtet, sondern andere mit Demut, Akzeptanz, Vertrauen und Liebe führt. Nur so hinterlässt man Spuren in den Unternehmen sowie in den Köpfen und Herzen seiner Mitarbeiter. Dies ist die größte Auszeichnung, die ein Manager erreichen kann.
Klappentext zu „Der Chef, den ich nie vergessen werde “
Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Und eine große Persönlichkeit steckt in den meisten Menschen - muss aber freigelegt werden. Deshalb zeigt Alexander Groth in diesem Buch, wie jeder Manager seine starken persönlichen Eigenschaften nach und nach entwickeln kann. Am Ende des Prozesses steht ein Mensch, der sein Leben nicht auf Karriereoptimierung ausrichtet, sondern andere mit Demut, Akzeptanz, Vertrauen und Liebe führt. Nur so hinterlässt man Spuren in den Unternehmen sowie in den Köpfen und Herzen seiner Mitarbeiter. Dies ist die größte Auszeichnung, die ein Manager erreichen kann.
Lese-Probe zu „Der Chef, den ich nie vergessen werde “
VorwortHaben Sie Vorgesetzte, deren Führungsqualität Sie in jeder Hinsicht beeindruckt? Eher nicht? Dann geht es Ihnen wie den meisten Menschen. Nur wenige Berufstätige bekommen die Chance, unter einer herausragenden Führungspersönlichkeit zu arbeiten. Die meisten lernen ihr ganzes Berufsleben lang keinen echten Leader kennen. Warum gibt es so wenige exzellente Vorgesetzte, obwohl doch die meisten von ihnen genügend Führungsseminare besuchen und Bücher zum Thema Führung lesen? Das Problem ist, dass man sich auf diese Weise nur Werkzeuge und Techniken aneignen kann, wie zum Beispiel Selbstmanagement-Methoden, Führen mit Zielen oder Situatives Führen. Doch erlernte Methoden stoßen früher oder später an ihre Grenzen. Um Außergewöhnliches zu leisten, Menschen nachhaltig zu beeinflussen und damit in Erinnerung zu bleiben, genügen sie nicht. Sie verbessern zwar die Führungskompetenz, machen aber aus einem Vorgesetzten keinen Leader.
Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Diese steckt zwar in den meisten Menschen - sie muss aber freigelegt und entwickelt werden. Deshalb geht es in diesem Buch in erster Linie darum, die persönlichen Eigenschaften einer Führungskraft Schicht für Schicht herauszuschälen, statt außen etwas anzuheften. Dabei vermittelt der Ratgeber neue, teils ungewohnte Denkhaltungen, mit denen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter wirklich zu Höchstleistungen animieren. Am Ende des Prozesses steht ein Mensch, der sein Leben nicht auf Karriereoptimierung ausrichtet, sondern andere mit Demut, Akzeptanz, Vertrauen und Liebe führt.
Wahre Führung geht von innen nach außen. Im ersten Teil des Buches wird daher erörtert, wie Sie als Chef eine Persönlichkeit werden können, die nicht nur Respekt genießt, sondern Spuren in den Unternehmen und in den Köpfen und Herzen der Menschen hinterlässt. Im zweiten Teil beschäftigt sich das Buch mit den Prinzipien, die heute für die Führung von motivierten Wissensarbeitern in einem komplexen Umfeld
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tatsächlich wesentlich sind.
Dieses Buch kann Ihnen einen herausragenden Chef nicht ersetzen, aber es kann etwas anderes leisten. Neben einem großartigen Chef würden sich die meisten Führungskräfte einen Mentor wünschen, also jemanden, der ihnen aus seiner langjährigen Erfahrung heraus wertvolle Hinweise für den Weg als Führungskraft und für die persönliche Weiterentwicklung geben kann. Dieses Buch enthält die Erkenntnisse, die Ihnen ein lebenserfahrener Leader bei abendlichen Kamingesprächen mit auf den Weg geben würde. Planen Sie regelmäßige Sequenzen für diese Kamingespräche ein. Wenn Sie pro "Sitzung" einen guten Gedanken mitnehmen, den Sie umzusetzen beginnen, wird dieses Buch eine wunderbare Herausforderung für Sie sein.
1. Wer wollen Sie sein?
Von zwei grundsätzlichen Entscheidungen, die Sie als Führungskraft treffen müssen
Stehe an der Spitze, um zu dienen, nicht, um zu herrschen!
Bernhard von Clairvaux (französischer Zisterzienser-Abt)
Es war eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres. Die Vertreter eines asiatischen Konzerns waren angereist, und wir präsentierten ihnen unsere Vorschläge für eine Zusammenarbeit. Dieses Treffen war über Monate vorbereitet worden. Wir hatten sogar eine interkulturelle Schulung erhalten. Während ein Kollege am Beamer vortrug, blinkte plötzlich das stummgeschaltete Handy meiner Kollegin, die zwischen mir und meinem Chef saß. Ich dachte: "Wie kann man bei so einem Ereignis vergessen, das Handy auszuschalten?", denn ihre Präsentation sollte als nächste folgen. Auf dem Display stand "Schule". Die Kollegin drückte den Anruf weg. Ungefähr eine Minute später leuchtete es erneut auf: "Schule." Die Nervosität der Kollegin war zu spüren, denn sie hatte eine siebenjährige Tochter, die in die zweite Klasse ging. Es war aber unmöglich, den Anruf jetzt anzunehmen. Ihr gegenüber saß die gesamte asiatische Delegation, und es ging für unser Unternehmen um sehr viel. Außerdem musste sie sich auf ihren Vortrag konzentrieren. Es ging jetzt einfach gar nicht, zu telefonieren. Plötzlich hörte ich die Stimme meines Chefs, der links von ihr saß: "Wollen Sie nicht drangehen? Es könnte wichtig sein!" Sie: "Ja, aber ich kann doch jetzt nicht stören." Mein Chef mit Nachdruck: "Gehen Sie raus und telefonieren Sie!" Sie stand unter den verwunderten Blicken aller Anwesenden auf und verließ den Raum. Ungefähr anderthalb Minuten später kam sie wieder. Ich sah, dass sie nur mit Mühe die Fassung bewahrte. Mein Chef hob den Arm und unterbrach den Kollegen in seiner Präsentation. Er fragte: "Was ist passiert?" Meine Kollegin antwortete mit zittriger Stimme: "Meine Tochter ist in der Pause von einem Klettergerüst auf den Rücken gefallen. Sie wird gerade ins Krankenhaus gebracht. Mehr weiß ich noch nicht." Mein Chef reagierte mit ruhiger, fester Stimme: "Soll ich Ihnen einen Fahrer rufen oder wollen Sie selbst fahren?" Meine Kollegin zögerte kurz und sagte dann: "Nein danke, ich fahre selbst." Sie nahm ihre Tasche und verließ den Konferenzraum. Mein Chef entschuldigte sich bei der mittlerweile sehr irritierten Delegation und übernahm kurz darauf den Vortragsteil meiner Kollegin.
Die Tochter meiner Kollegin war, wie sich noch am gleichen Tag herausstellte, nicht schlimm verletzt. Den Auftrag verloren wir später, aber das hatte andere Gründe. Meine Kollegin erzählte mir an einem der folgenden Tage, dass sie sich bereits entschieden hatte, zuerst ihre Präsentation zu halten und die Schule dann zurückzurufen. Der Grund des Anrufs hätte ja auch harmlos sein können. Außerdem hätte das Handy ohnehin ausgeschaltet sein sollen. Sie war unserem Chef deshalb überaus dankbar, dass er ihr in einer Situation hoher Anspannung und persönlicher Befangenheit die klare Anweisung gegeben hatte, das Gespräch zu führen. Unser Chef hatte in diesem Moment ihre Bedürfnisse über die der Delegation und des für die Firma sehr wichtigen Auftrags gestellt.
Ich hatte großes Glück. Mein erster Chef hatte viel von dem, was ich für vorbildlich halte und was mancher im gesamten Berufsleben kein einziges Mal erlebt. Er war und ist eine Persönlichkeit von Format. Ich habe viel von ihm lernen dürfen. Er hatte als Chef und als Mensch unsere uneingeschränkte Loyalität. Wir wären für ihn durchs Feuer gegangen. Ich würde es sogar heute noch tun. Er ist ein sehr erfolgreicher Manager, der in der Sache hart verhandeln kann, wenn es erforderlich ist. Er besitzt aber auch Herzensgüte und Demut, beides Eigenschaften eines besonderen Charakters, der in Erinnerung bleibt.
Reden wir über Sie. Vermutlich sind Sie ein hervorragender Manager. Mit großer Wahrscheinlichkeit verfügen Sie über eine sehr gute Ausbildung und große Praxiserfahrung. Im Organisieren, Umsetzen, Kontrollieren und Problemlösen macht Ihnen so schnell keiner etwas vor. Sie wissen, wie man Prozesse aufsetzt und anschließend optimiert. Projekte managen Sie routiniert. Sie erreichen auch sehr anspruchsvolle Ziele. Jeden Tag holen Sie die Eisen aus dem Feuer. In Management sind Sie großartig und verdienen unbesehen Bestnoten! Wozu also sollten Sie dieses Buch lesen? Wenn es Ihnen ergeht wie den meisten Managern, liegt Ihr Wachstumspotenzial nicht mehr in der Verbesserung Ihrer Managementfähigkeiten, sondern beim Thema Leadership. Der amerikanische Berater und Autor Tom Peters bringt es auf die Formel, die meisten Unternehmen seien "overmanaged" und "underled". Weshalb ist das so?
Leadership-Fähigkeiten sind ganz überwiegend abhängig vom Charakter und der menschlichen Reife des Leaders und nur zu einem kleinen Teil vom Wissen über Führungstechniken. Bei Managementfähigkeiten ist es genau umgekehrt. Jemand kann sich umfangreiches Managementwissen aneignen und mit der entsprechenden Erfahrung ein guter Manager werden. Aber irgendwann stoßen Manager an eine Grenze. Diese kann darin bestehen, dass sie auf der Karriereleiter stehen bleiben oder unabhängig davon für sich selbst einen Mangel verspüren, den sie beheben wollen. In solchen Lebenslagen wünschen sich viele einen herausragenden Chef, der ihnen als Vorbild dienen und dabei helfen könnte, selbst besser zu werden und weiter zu wachsen. Ich hatte einen solchen Chef. Was ihn und andere Leader gegenüber bloßen Managern auszeichnet, werden Sie in diesem Buch erfahren. Es vermittelt Ihnen das Wissen, das Sie gern von einem Spitzenchef oder einem älteren, erfahrenen Mentor hätten lernen wollen, den Sie vielleicht nie hatten. Es zeigt Ihnen den inneren und äußeren Weg, auf dem Sie vom Manager immer mehr zu einem Leader werden.
Beginnen wir mit der Frage: Wer wollen Sie sein? Im Lauf unseres Lebens treffen wir einige wenige Grundsatzentscheidungen. Mit zwei dieser Entscheidungen stellen Sie die Weichen dafür, ob Sie eine Führungskraft werden, der die Mitarbeiter Respekt und Loyalität entgegenbringen. Viele Führungskräfte haben diese beiden Entscheidungen nie bewusst getroffen. Sie gehen einfach den Weg des geringsten Widerstands. Keine bewusste Entscheidung zu treffen ist aber auch eine Entscheidung - meist die schlechtere. Diese Vorgesetzten machen auf eingefahrenen Gleisen einfach weiter wie bisher. Wer jedoch die Weichen für seine Entwicklung als Führungskraft nicht selbst stellt, bewegt sich zuverlässig in Richtung Mittelmaß.
Ich vermute, die erste Entscheidung haben Sie bereits getroffen. Jetzt geht es um die zweite, die Ihr Leben verändern wird. Die zweite Entscheidung wird noch seltener bewusst getroffen als die erste. Deshalb gibt es auch nicht viele großartige Leader. Betrachten wir kurz die erste Entscheidung, um dann zu sehen, vor welcher Sie wahrscheinlich jetzt stehen.
Die erste Entscheidung
Sicherlich erinnern Sie sich noch an die Zeit, in der Sie Ihre erste Führungsposition erhalten haben. Wahrscheinlich hatten Sie gehofft, diese Position zu bekommen, und sich sogar darauf beworben. Und dann kam endlich der Tag, an dem Sie erfuhren, dass Sie die oder der Glückliche sind. In Zukunft würde auf Ihrer Visitenkarte ein Synonym für "Chef" stehen. Sie waren im Glücksrausch, aber vermutlich nur für kurze Zeit. Wie die meisten neuen Vorgesetzten empfanden Sie den Rollenwechsel vom Kollegen zum Chef wahrscheinlich als schwierig. Gestern standen Sie noch mit den Kollegen in der Kaffeeküche und haben über das unfähige Management diskutiert, und heute verstummen plötzlich alle Gespräche, wenn Sie den Raum betreten. Ihr Versuch, mit einigen Sätzen eine lockere Atmosphäre zu schaffen, misslingt. Sie gehören offensichtlich nicht mehr dazu, denn Sie sind jetzt Teil einer anderen Gruppe. In dieser werden Sie aber noch nicht voll akzeptiert. Zwar behandeln Sie die Managerkollegen einigermaßen höflich, die Zwölfender lassen Sie aber deutlich spüren, dass Sie noch ein sehr kleiner Hirsch ohne ernst zu nehmendes Geweih sind. Wenn Sie in der Leitungsrunde das Wort ergreifen wollen, finden Sie keine passende Gesprächslücke, weil trotz deutlicher Signale ihrerseits niemand für Sie eine Redepause macht.
Im Führungsalltag werden Sie sich nach und nach Ihrer Defizite bewusst. Keiner hat Sie ausreichend auf die Rolle als Führungskraft vorbereitet. Bei verschiedenen Anlässen verhalten Sie sich unangemessen, und Sie merken das nur zu deutlich. Ihnen wird bewusst, dass Ihr Rückgrat für manche Situationen noch nicht genügend ausgebildet ist. So etwas kennen Sie von sich bisher gar nicht. Das ist eine unangenehme Erkenntnis, die Sie verunsichert und ärgert. All das will emotional verarbeitet werden. Irgendwann akzeptieren Sie die Situation, auch wenn sie Ihnen nicht gefällt.
Nach der Akzeptanz gewöhnen Sie sich nach und nach an den neuen Job. Das alleine reicht aber noch nicht. Um eine wirkliche Führungskraft zu werden, der die Menschen folgen, ist mehr nötig als nur Gewöhnung an die neuen Umstände. Alfred Herrhausen, in den 1980er Jahren Vorstandssprecher der Deutschen Bank, hat einmal treffend formuliert: "Führung muss man wollen."
Es war, als hätten Sie mental einen Schalter im Kopf umgelegt. Sie haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden, Menschen führen zu wollen und nicht nur per Stellenbeschreibung zu müssen. Von der Position, führen zu müssen, in die Positon, führen zu wollen, haben Sie sich innerlich selbst befördert. Von diesem Zeitpunkt an wurden Sie tatsächlich ein Chef. Sie haben die Führungsrolle nicht nur erhalten, sondern für sich angenommen. Ihr inneres Selbstbild rastete in die äußerlich bereits erteilte Position ein. Damit gingen die ersten Weichenstellungen einher, sich in bestimmten Situationen wie eine Führungskraft zu verhalten. Ihre Managerkollegen begannen, Ihnen zuzuhören. Auch der Blick der Mitarbeiter auf Sie veränderte sich. Sie nahmen wahr, dass diese Ihnen in Alltagssituationen mehr Respekt entgegenbrachten. Ihre innere Entscheidung, ein Chef sein zu wollen, wurde nach außen hin sichtbar.
Kennen Sie die Art Vorgesetzte, die laut Titel zwar Chef sind, sich aber nie entschieden haben, führen zu wollen? Sie bleiben als Vorgesetzte ihr Leben lang brave Verwalter. Sie machen in einem geregelten Umfeld vielleicht sogar einen ganz ordentlichen Job, aber mehr ist nicht zu erwarten. Wer wirklich führen will, muss sich willentlich dafür entscheiden. Treffen Sie diese Entscheidung für sich nicht, ist das auch eine Entscheidung. Sie wählen den bereits ausgetretenen Weg hin zum Verwaltertyp und zum Mittelmaß als Führungskraft.
Neben der Entscheidung, Menschen führen zu wollen, gilt es noch eine weitere Entscheidung zu treffen. Diese verändert Sie noch mehr als die erste. Jeder Mensch kann diese Entscheidung für sich treffen. Wenn Sie aber eine Führungskraft sind, hat sie besonders deutliche Konsequenzen, weil Sie dann ein Multiplikator sind. Als solcher können Sie im Sinne der zweiten Entscheidung Großes leisten.
Die zweite Entscheidung
Welches ist nun die zweite wesentliche Entscheidung, nachdem Sie sich entschlossen haben zu führen? Die alles entscheidende zweite Frage ist jetzt: Was für eine Führungskraft wollen Sie sein?
Es gibt zwei Arten von Vorgesetzten. Es gibt diejenigen, die sich hauptsächlich um sich selbst kümmern. Sie sind in ihrer Sicht auf die Welt und das Leben sehr eingeschränkt, als wäre ihr Blick durch einen Schleier getrübt. Sie können all das, was hinter dem Schleier liegt, nicht scharf sehen. Diese Art von Vorgesetzten hat nur genau so viel Interesse an ihren Mitarbeitern, dass sie sich selbst einreden können, sie täten doch einiges für ihre Leute und seien im Großen und Ganzen gute Chefs. Auf einer Skala von 1 bis 10 (1 bedeutet "sehr schlechter Chef" und 10 heißt "exzellenter Chef") würden sich diese Vorgesetzten wahrscheinlich selbst eine 8 geben. Die zwei zur Maximalzahl fehlenden Punkte sind dem zukünftigen Wachstum geschuldet. Man hat ja schließlich noch etwas vor sich. Von dieser Art Manager gibt es leider viel zu viele, und das Ergebnis ihrer Arbeit ist die tägliche Demotivation der Mitarbeiter. Sie sorgen dafür, dass Menschen ihr Potenzial nicht entwickeln. Sie sind der Grund für ein schlechtes Arbeitsklima, für gestresste Mitarbeiter und Eltern, die ihrer Familie nicht mehr gerecht werden.
Auf der anderen Seite gibt es Vorgesetzte, die sich als Leader erweisen. Das sind Führungskräfte, deren Können ebenfalls mit einer Schätzung von 8 und auch darüber bedacht wird, allerdings nicht von ihnen selbst, sondern von deren Mitarbeitern. Diese Leader sind außergewöhnliche Persönlichkeiten. Sie wecken das Beste in den Menschen. Wenn deren frühere und aktuelle Mitarbeiter an sie denken, empfinden sie vor allem Respekt, Loyalität und Dankbarkeit. In diesem Buch werde ich Ihnen aufzeigen, was diese Führungskräfte auszeichnet und wie Sie ein solche werden. Die Grundhaltung, die das Handeln dieser Top-Leader bestimmt, lässt sich so zusammenfassen: We care!
Werden Sie ein We-care-Leader
Den ersten Kontakt zu einem We-care-Leader hatte ich auf dem Gymnasium. Dort gab es einen Lehrer, Robert Link, der damals schon kurz vor seiner Pensionierung stand. Er unterrichtete unter anderem Geschichte, und er verstand es, Begeisterung dafür zu wecken. Er war ein hervorragender Didaktiker. Eine Eigenschaft aber machte ihn einzigartig, die ich bei kaum einem anderen Lehrer und auch später in der Wirtschaft nur selten erlebt habe. Besonders deutlich wurde diese beim sogenannten Pausendienst, den Robert Link in den neun Jahren, in denen ich die Schule besuchte, jeden Tag freiwillig (!) beaufsichtigte. Dabei musste man in der zweiten großen Pause mit einer langen Metallklammer in der einen und einem Müllsack in der anderen Hand gemeinsam mit anderen Schülern und Herrn Link den Schulhof vom Müll befreien. Es war ein Strafdienst für Schüler, die im Unterricht auffällig geworden waren und zu denen ich gelegentlich auch gehörte. Meist befand man sich beim Pausendienst in Gesellschaft der schwierigsten Charaktere, die eine Schule zu bieten hat. Es war eine gute Schule, aber natürlich gab es auch einige ernsthafte Herausforderungen unter den Schülern. Es waren zur Hälfte immer dieselben Anwärter mit schlechten Noten und auffälligem Verhalten, die sich in der Pause zum Dienst trafen. Sie waren die schwarzen Schafe in ihren Klassen, und ihnen war klar, dass sie nicht als Kandidaten für das Abitur galten. Sie kannten es bisher nicht, dass jemand ihnen gegenüber Respekt, Vertrauen und Anerkennung zeigte. Robert Link tat genau das. Er begegnete auch Schülern, die auf den Pausendienst abonniert schienen, immer mit echter Freundlichkeit und großem Respekt, als seien sie Musterschüler, die sie sich freiwillig für einen Dienst an der Gemeinschaft gemeldet hätten. Wenn jemand etwas Unverschämtes zu Herrn Link oder auch einem Mitschüler sagte, war er sichtlich bestürzt und fragte sofort zurück, wie man so etwas denn sagen könne. Er suchte auf der Stelle (also im Pausenhof) das Gespräch mit demjenigen. Stets wurde sein unbedingter Glaube an das Gute in jedem von uns deutlich. Auch die Hartgesottenen blieben ihm gegenüber nach ein oder zwei Ausreißern höflich. Man wollte ihn einfach nicht enttäuschen. Dieser Glaube an uns entsprang aber nicht einer Naivität, sondern seinem inneren Bild davon, wie wir sein könnten.
Im Hintergrund setzte er sich regelmäßig still und leise für einige der "schwierigen Fälle" ein und versuchte bei ihnen, den Eltern und der Schulleitung das Vertrauen zu stärken, dass sie das Abitur schaffen könnten. Auch der Schuldirektor ließ sich von "Papa Link", wie wir ihn heimlich nannten, beeinflussen. Nicht wenige haben seinem Glauben an sie ihr Abitur zu verdanken. Dieser Mann beeindruckt mich im Nachhinein noch mehr als damals, weil ich erst heute verstehe, welche Charakterstärke und welches Menschenbild er hatte. Damit bewirkte er bei manchen Schülern mehr als das ganze restliche Lehrerkollegium zusammen. Er war weder ein strenger noch ein besonders dominanter Lehrer, aber er besaß Herzensgüte, Überzeugungskraft und Demut. Als wir zum Schulabschluss unsere Abizeitung herausgaben, war er einer von zwei Lehrern, die rundweg positiv dargestellt wurden. Dieser Mann hatte sich unseren Respekt verdient. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit und hat sehr wahrscheinlich nicht nur mich nachhaltig beeindruckt.
Später hörte ich an der Universität Mannheim im Grundstudium mit über 500 Kommilitonen Marketingvorlesungen von Prof. Dr. Hans Raffeé, der auch ein We-care-Leader ist. Er war ein begnadeter Rhetoriker, und wir BWL-Studenten hingen an seinen Lippen. Die letzten 15 bis 20 Minuten seiner 90-minütigen Vorlesungen nutzte er jeweils, um uns einen Artikel über gesellschaftliche Themen aus der ZEIT oder der FAZ vorzulesen, den er anschließend kommentierte. Raffeé hielt uns BWL-Studenten zu einem Studium generale an und ermahnte uns immer wieder: "Werden Sie nicht zu Fachidioten und besuchen Sie auch Vorlesungen an anderen Fakultäten. Hören Sie mal bei den Kollegen etwas über Ethik oder Geschichte. Bilden Sie sich." Raffeé stand in dem Ruf, sehr viel für die Studenten zu tun. Unter anderem organisierte er Besuche von Kunstausstellungen in den Mannheimer Museen. Mit seinen Wahlpflichtfachstudenten unternahm er mehr Kursfahrten als andere Professoren, die unter anderem regelmäßig ins Kloster führten. Dort trafen die Studenten auf einen sehr gebildeten Mönch, der Vorstände beriet und mit dem sie stundenlang die Bedeutung von Werten diskutierten. Professor Raffeé förderte die Studenten nicht nur beruflich, indem er zum Beispiel Kontakte zu Unternehmen herstellte, sondern auch in ihrer menschlichen Entwicklung. Er nahm sich Zeit, wann immer ein Student ihn darum bat. Raffeé war für mich ein Vorbild an Integrität, lebensbejahender Energie und Menschlichkeit. Obwohl er unter anderem wegen seiner brillanten Rhetorik ein in Kreisen der nationalen Wirtschaft bekannter Professor war, redete er mit uns Studenten sowohl in der Vorlesung als auch im Einzelgespräch immer auf Augenhöhe. In den Vorlesungen zeigten sich sein humanistisches Menschenbild und sein Glaube an uns Studenten als herausragende Persönlichkeiten. Auch er sah das Beste in uns und forderte uns auf, es zu entwickeln und hervorzubringen. Die Wirkung eines solchen ausgesprochenen Vertrauens ist so fulminant, dass man es am liebsten auf der Stelle rechtfertigen würde. Ich habe gehört, dass ihn zu seiner nächtlichen Emeritierungsfeier über 100 ehemalige Doktoranden und Studierende überraschten, die aus aller Welt angereist waren, um ihn mit einem Fackelzug von seinem Haus zur Universität zu geleiten. Kennen Sie jemanden, der mit 100 Fackelträgern, von denen viele Tränen in den Augen hatten, aus seinem Amt geleitet wurde?
Natürlich geht jemand wie Hans Raffeé nicht einfach in den Ruhestand, nur weil er ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat. Er setzte sich auch weiterhin für seine Studenten ein. Damals brach der Kontakt der Alumni zu ihrer deutschen Universität nach Beendigung des Studiums in der Regel vollständig ab. Alumni-Organisationen, wie man sie aus den USA und vielen Ländern der Welt kennt, gab es hierzulande nicht. Nach seiner Emeritierung 1994 beteiligte sich Raffeé deshalb als erster Vorsitzender am Aufbau der Absolventenvereinigung AbsolventUM (Absolventen der Universität Mannheim). Die 1995 ins Leben gerufene Organisation wurde unter anderem 1998 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog als Innovation im Hochschulbereich ausgezeichnet, und heute noch gilt AbsolventUM als der Maßstab für alle universitären Absolventennetzwerke im deutschsprachigen Raum. 2003 wurde Raffée für sein universitäres, kirchliches und kulturelles Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt.
Der dritte We-care-Leader auf meinem Weg war der Chef, von dem ich Ihnen in diesem Buch berichte. Auch wenn ich natürlich etwas verfremdet habe, ist einiges, was ich in diesem Buch über ihn erzähle, doch sehr persönlich, wie Sie noch merken werden. Deshalb nenne ich seinen Namen nicht. Von ihm erfahren Sie jeweils etwas zu Beginn der einzelnen Kapitel.
Serving-Leader versus Selfserving-Leader
Hinter dem Lebenswerk so hervorragender Leader steckt eine Geisteshaltung. Ich kam der Geisteshaltung dieser großartigen We-care-Leader das erste Mal inhaltlich auf die Spur, als ich mich mit dem 1990 verstorbenen amerikanischen Autor Robert K. Greenleaf beschäftigte, der mit dem Aufsatz "The servant as leader" von 1970 international bekannt wurde. In diesem Artikel hatte er den Begriff Servant-Leader geprägt. Da der Begriff "servant" nicht dieselbe Konnotation hat wie das deutsche "Diener", ist die Übersetzung nicht ganz adäquat. Sie finden den Originaltext in den Endnoten. Greenleaf beschreibt den Servant-Leader so (eigene Übersetzung, A. G.):
"Der dienende Führer ist in erster Linie Diener [...] Zunächst verspürt er den natürlichen Wunsch zu dienen, primär zu dienen. Darauf folgt die bewusste Entscheidung zu führen [...] Der Unterschied äußert sich in der Sorgfalt, die der Diener aufwendet - als Erstes sicherzustellen, dass die wichtigsten Bedürfnisse anderer erfüllt werden.
Der beste, aber am schwierigsten anzuwendende Test: Wachsen diejenigen, denen die Fürsorge gilt, als Persönlichkeiten? Werden sie dadurch gesünder, klüger, freier, selbstständiger und besser befähigt, selbst Dienende zu werden? Und wie sind die Auswirkungen auf die, die in der Gesellschaft am wenigsten privilegiert sind: Profitieren sie oder werden sie zumindest nicht benachteiligt?"1
Diese Fragen, die sich ein Leader stellen sollte, sind seit über 40 Jahren von immer gleicher Aktualität und Relevanz. Sie führen weg von der Perspektive des Selfserving-Leaders hin zum Serving-Leader. Die meisten Leser dieses Buches haben vermutlich nicht den Anspruch, ihr Leben ausschließlich in den Dienst ihrer Mitmenschen zu stellen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wollen sie Karriere machen und sich selbst und ihrer Familie ein ordentliches Maß an Wohlstand ermöglichen. Deswegen ist meine Empfehlung, nicht ein Servant-Leader, sondern ein We-care-Leader zu werden. Diese schaffen es, eine gute Balance zwischen den eigenen Ansprüchen und denen ihrer Mitmenschen herzustellen. Sie finden einen Sinn in ihrer Arbeit und können diesen vermitteln.
Der Anspruch von Greenleaf an den Servant-Leader in diesem und anderen Texten, er solle das natürliche Verlangen "to serve" haben und sich ganz in den Dienst anderer stellen, bevor er zu führen beginnt, erscheint mir etwas idealisiert und übertrieben. Wenn ein Mensch geboren wird, ist er erst einmal ausschließlich "self-serving", denn ein Baby nimmt zunächst nur die eigenen Bedürfnisse wahr. Es weckt die Eltern nachts im Zwei-Stunden-Takt, obwohl diese am nächsten Tag früh aufstehen und arbeiten müssen. Auch in unserer Jugend zählen unsere eigenen Bedürfnisse meist mehr als die anderer Personen. Alle Eltern von Kindern in der Pubertät wissen zum Beispiel, dass diese nicht im Traum daran denken, freiwillig die Spülmaschine auszuräumen, obwohl sie wissen, dass sie die oft sehr stark angespannten Eltern damit entlasten würden. Wenn die Kinder dann nach Schule und Studium in den Beruf einsteigen, wollen sie sich erst einmal selbst beweisen. Danach kommt die Zeit der ersten Führungsverantwortung und parallel dazu oft auch die Verantwortung für den eigenen Nachwuchs. Jetzt geht es für die Führungskräfte darum, die berufliche Entwicklung in die richtige Bahn zu lenken, während gleichzeitig der Aspekt der Sicherheit eine immer größere Rolle spielt. Erst mit über 40 Jahren, wenn Führungskräfte oft schon einiges erreicht haben, kommt die Frage nach dem Sinn und danach, wie es weitergehen soll, noch einmal neu auf.
Meine Beobachtung ist, dass viele Führungskräfte mit Anfang 40 etwas in ihrer Arbeit vermissen. Bis dahin stand die Karriere im Mittelpunkt, und der Erfolg war sinnstiftend. Auch jetzt noch managen sie jeden Tag das Abarbeiten der auftretenden Probleme und gehen dabei kontinuierlich ihren Karrierepfad weiter. Aber das kann doch irgendwie nicht alles sein?
Viele vermissen in ihrer Arbeit einen übergeordneten Sinn. Sie würden gern für etwas stehen, das mehr bedeutet. Sie wollen Teil von etwas Großem sein, vielleicht sogar mit Begeisterung für etwas brennen. In dieser Hinsicht haben die meisten Unternehmen und auch die jeweiligen Vorgesetzten aber wenig zu bieten. Wo nichts brennt, kann auch keine Funke fliegen, der andere entzündet. In diesem Buch will ich Ihnen aufzeigen, wie Sie genau das erreichen, wie Sie Ihrer Arbeit und Ihrem Leben etwas Großes hinzufügen. Sie können eine Führungskraft werden, welche die eigenen Mitarbeiter durch Charakter und Vision inspiriert. Und nicht zuletzt werden Sie auch ein besserer Partner in der Beziehung und ein besserer Vater oder eine bessere Mutter. Alles, was Sie benötigen, steckt in Ihnen. Sie haben das Zeug dazu, ein außergewöhnlicher We-care-Leader zu werden! Im Lauf dieses Buches bekommen Sie konkrete Ideen und Haltungen vermittelt, es zeigt, was Sie tun können, um sich selbst und Ihre Mitarbeiter zu inspirieren.
Was macht gute Führung aus?
Viele Vorgesetzte halten sich selbst für gute, oft sogar für brillante Führungskräfte. Hatten Sie mal einen Chef oder eine Chefin, der oder die Ihre Nerven so richtig strapaziert hat? Und hielt sich diese Person selbst für unfähig? Sehr wahrscheinlich nicht. Es ist wie mit den Autofahrern. 94 Prozent der europäischen Fahrer halten sich für gute bis sehr gute, also überdurchschnittliche Autofahrer. Das liegt daran, dass all diese Fahrer "gutes Fahren" mit einer Eigenschaft verbinden, die sie zu besitzen glauben. Wer gut im Einparken ist, definiert "gutes Fahren" über das Einparkenkönnen. Wer vorsichtig und seit Langem unfallfrei fährt, definiert "gutes Fahren" eben so, auch wenn er all den "sportlichen" Autofahrern mit seiner zögerlichen Fahrweise das Nervenkostüm ruiniert. Mit der Führung ist es genauso. Viele Führungskräfte schätzen ihre Führungsfähigkeit als hoch ein. Befragt man ihre Mitarbeiter, sieht das Ergebnis oft anders aus. Wie steht es mit Ihnen? Halten Sie sich für einen guten bis sehr guten Chef?
Ob jemand eine gute Führungskraft ist, hängt, ähnlich wie beim "guten Fahren", zuerst einmal davon ab, wie man "gute Führung" definiert. Jeder, der führt, weiß, was mit Führung gemeint ist. Bittet man aber jemanden darum, zu definieren, was er oder sie unter "Führung" versteht, fällt das den meisten sehr schwer. Es folgt fast immer eine Aufzählung, welche Tätigkeiten eine Führungskraft ausübt. Das hat aber nichts mit einer Definition zu tun. Jetzt werden Sie vielleicht denken: Wen interessiert denn die Definition von Führung, wenn doch jeder weiß, was gemeint ist? Oder anders gefragt: Warum ist eine klares Verständnis des Begriffs für Sie als Führungskraft von Bedeutung?
Die Antwort ist so einfach, dass man sich wundert, wie wenige sich damit beschäftigen. Die Definition von Führung ist der Maßstab, an dem Sie und auch jeder andere feststellen kann, wie gut Sie darin sind. Eine gute Definition stellt auch klar, woran man eine echte Führungskraft erkennen und von einem bloßen hierarchischen Vorgesetzten ohne Führungsqualitäten unterscheiden kann.
Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen, wie Sie Führung in Zukunft für sich definieren könnten? Es kommt dabei nicht auf eine wissenschaftliche Definition an. Uns genügt hier eine praxisnahe Definition, unter der sich Führungskräfte etwas vorstellen können und mit deren Hilfe sie einschätzen können, ob und wie gut sie führen.
Führung heißt, die Energie der Mitarbeiter auf Handlungen auszurichten, um einen von der Führungskraft gewünschten Zustand in der Zukunft zu erreichen, und die Energie der Mitarbeiter auf Dauer zu mehren.
Die etwas verkürzte Formel zum Merken lautet: Führung heißt, Energie auszurichten und auf Dauer zu mehren.
Die Definition hat drei Aspekte, mit deren Hilfe Sie Ihre eigene Führung kritisch hinterfragen können:
1. Führung muss sich an der Erreichung eines gewünschten Zustands in der Zukunft messen lassen. Die Voraussetzung für die Erreichung eines gewünschten Zustands ist aber, dass die Führungskraft ein Bild davon hat, was sie anstrebt. Das klingt banal, ist aber viel zu oft nicht der Fall. Viele Vorgesetzte in Unternehmen verbringen ihre Zeit Tag für Tag mit den drei Managerdisziplinen Feuerlöschen, Hühnerfangen und Kühe-vom-Eis-Schieben. Das ist nach der eben genannten Definition keine Führung, denn die Energie der Mitarbeiter wird hier von den aktuellen Umständen gelenkt und nicht von einem selbst gewählten Bild der Zukunft. Natürlich geben die Unternehmen den Führungskräften Ziele vor, die im besten Fall sogar inspirierend und deckungsgleich mit denen der Führungskräfte sind. Letzteres ist allerdings eher selten der Fall, denn viele Ziele sind als Kennziffern und zu erreichende Zahlen formuliert. Nummern inspirieren Menschen aber nun mal nicht. Nicht von oben vorgegebene operative Ziele, sondern Ihr persönliches Bild von der Zukunft kann Sie und andere inspirieren. Dieses Bild könnte zum Beispiel eine neue Kultur sein, die Sie in Ihrem Bereich einführen wollen.
Welchen Anspruch haben Sie an sich selbst? Wenn Sie einfach einen ordentlichen Job machen und Ihre Mitarbeiter dabei fair behandeln wollen, ist das respektabel. Wenn sich aber nach Ihrer jahrelangen Tätigkeit als Chef in den Köpfen und Herzen der Menschen nichts verändert hat und nur die tagesaktuellen Probleme bearbeitet und der Status quo aufrechterhalten wurde, kann man kaum von Führung, sondern eher von Verwaltung sprechen. Ein Leader hat ein Bild vor Augen, wohin er will. Er hat eine Richtung, er geht voran, und andere folgen ihm. Der erste Präsident der Stanford-Universität, David Starr Jordan, hat einmal gesagt: "Die Welt tritt zur Seite, um jemanden vorbeizulassen, der weiß, wohin er geht." Wohin gehen Sie? Was wollen Sie mit Ihrer Führung für die Menschen, das Unternehmen und die Gesellschaft erreichen? Für welche Idee begeistern Sie sich?
2. Wenn Ihnen selbst klar und deutlich ist, welchen Weg Sie mit Ihren Leuten gehen wollen, dann ist der zweite Schritt, die Energie der Mitarbeiter in diese richtige Richtung zu lenken. Jeder Mensch hat Energie, aber es gibt unendlich viele Reize, denen die Mitarbeiter täglich ausgesetzt sind und die deren Energie binden und zerstreuen. Ihre Aufgabe ist es, die Wahrnehmung der Mitarbeiter auf den angestrebten Zustand zu fokussieren. Wenn Sie ein Bild der Zukunft im Kopf haben, das es zu erreichen gilt, ist es wichtig, dieses auch in den Köpfen der Mitarbeiter entstehen zu lassen. Das ist aber kein einmaliges Ereignis. Ein Leuchtturm am Hafeneingang blinkt ja auch nicht nur einmal in der Nacht nach dem Motto: "Jetzt kennt ihr ja die Richtung." Vielmehr sendet er ununterbrochen Signale, an denen sich die Kapitäne und Seeleute auf dem Weg in den Hafen ausrichten können. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es ebenfalls, unentwegt das "Leuchtfeuer" Ihrer Idee zu senden und damit die Wahrnehmung der Menschen zu lenken. Das kostet Energie, die auf Dauer nur von innen kommen kann. Wissen Ihre Mitarbeiter alle ohne Ausnahme, was Sie gemeinsam mit ihnen erreichen wollen? Können diese täglich Ihr Leuchtfeuer sehen, das den Zustand markiert, der angestrebt wird?
3. Jeder Mensch hat Lebensenergie. Im Idealfall wird diese Energie durch Ihre Arbeit als Führungskraft im Lauf der Zeit vermehrt. Ihre Mitarbeiter empfinden Gemeinschaft, Herausforderung und Sinn. Sie entwickeln mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen und reifen in ihrer Persönlichkeit. Wie ist es bei Ihnen? Wenn Ihre Mitarbeiter abends nach Hause gehen, in welchem Zustand sind sie dann? Und wie treffen sie auf ihre Familien? Natürlich gibt es auch im Job die harten Zeiten, die für alle anstrengend sind. Die Frage ist aber, was bleibt den Menschen in Erinnerung, wenn sie an ihre Zeit mit Ihnen als Chef zurückdenken? Der von mir für seine Weisheit und Demut sehr geschätzte Anselm Grün hat ein Buch mit dem perfekten Titel Menschen führen - Leben wecken verfasst. Genau darum geht es. Wecken Sie durch Ihre Persönlichkeit und Führung Leben in den Menschen oder bewirken Sie das Gegenteil?
Zu Beginn des Kapitels hatte ich Ihnen drei We-care-Leader vorgestellt, die diese Aspekte in hohem Maße umsetzen. Dafür muss man aber nicht einmal eine Führungskraft im engeren Sinn sein. Denken Sie an das Beispiel von meinem Lehrer Robert Link, der ein We-care-Leader war. Er hatte ein Bild im Kopf, wie die Zukunft für uns Schüler aussehen sollte, oder besser gesagt, was für Menschen wir werden sollten. Und dieses Bild hat er uns stets vermittelt, im Unterricht ebenso wie im Pausendienst. Mit seinem Glauben an uns hat er auch unsere Energie erhöht und bei manchem Schüler einen erstaunlichen Wandel bewirkt. Mit dieser Energie haben manche ihr Abitur geschafft, denen es niemand mehr zugetraut hatte.
We-care-Value versus Shareholder-Value
Für We-care-Leader ist es hilfreich, wenn auch nicht notwendig, in einem Umfeld zu arbeiten, das sich an bestimmten Werten orientiert. Ist das nicht der Fall, müssen Sie sehr viel Energie aufbringen, um trotz des Umfelds etwas zu bewirken. Um ihr Unternehmen in dieser Hinsicht besser einschätzen zu können, erläutere ich kurz, wie in den meisten großen Unternehmen heutzutage gedacht und gehandelt wird. Sie können dann vergleichen und bestimmen, wie Ihr aktuelles Unternehmen einzuordnen ist. Idealerweise arbeiten Sie in einem We-care-Unternehmen. Was aber zeichnet ein solches aus?
"We care" steht für:
- to care about something = etwas wichtig nehmen
- to care about somebody = jemanden wichtig nehmen
Ein We-care-Leader nimmt also bestimmte Werte wichtig und orientiert sein Handeln an den Menschen. Den Begriff "We-care-Leader" habe ich von Heinz Landau übernommen. Er ist ein We-care-Leader und bezogen auf das Thema Führung der belesenste Mann, den ich bis jetzt kennen gelernt habe. Als Leiter von Merck Thailand hat er 16 Jahre lang mit enormem Erfolg Menschen geführt und dabei bis auf die drei Asien-Krisenjahre immer zweistelliges Wachstum erzielt. Seine Auslandsniederlassung mit mehreren Hundert Angestellten war ein We-care-Unternehmen.
Ein We-care-Unternehmen richtet sich ebenfalls nach bestimmten Werten aus und handelt, um für die Anspruchsgruppen der Mitarbeiter, Kunden, Anteilseigner und für die Gesellschaft etwas Positives zu bewirken.
Die We-care-Idee bedeutet für Unternehmen:
- We care for employees.
- We care for customers.
- We care for shareholders.
- We care for society.
Sie werden jetzt sehr wahrscheinlich denken: Hat jemals ein Unternehmen etwas anderes behauptet, als genau das zu tun? Damit haben Sie natürlich Recht. Alle Unternehmen geben an, genau diesen vier Gruppen zu dienen. Das Problem ist aber, dass nur sehr wenige es auch wirklich tun. Die meisten Unternehmen haben vor allem eine Zielgruppe, deren Bedürfnissen sie dienen wollen, und das sind die Shareholder. Diese einseitige Orientierung hat viele negative Konsequenzen für die verbleibenden Gruppen der Mitarbeiter, der Kunden und für die Gesellschaft.
Dieses Buch kann Ihnen einen herausragenden Chef nicht ersetzen, aber es kann etwas anderes leisten. Neben einem großartigen Chef würden sich die meisten Führungskräfte einen Mentor wünschen, also jemanden, der ihnen aus seiner langjährigen Erfahrung heraus wertvolle Hinweise für den Weg als Führungskraft und für die persönliche Weiterentwicklung geben kann. Dieses Buch enthält die Erkenntnisse, die Ihnen ein lebenserfahrener Leader bei abendlichen Kamingesprächen mit auf den Weg geben würde. Planen Sie regelmäßige Sequenzen für diese Kamingespräche ein. Wenn Sie pro "Sitzung" einen guten Gedanken mitnehmen, den Sie umzusetzen beginnen, wird dieses Buch eine wunderbare Herausforderung für Sie sein.
1. Wer wollen Sie sein?
Von zwei grundsätzlichen Entscheidungen, die Sie als Führungskraft treffen müssen
Stehe an der Spitze, um zu dienen, nicht, um zu herrschen!
Bernhard von Clairvaux (französischer Zisterzienser-Abt)
Es war eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres. Die Vertreter eines asiatischen Konzerns waren angereist, und wir präsentierten ihnen unsere Vorschläge für eine Zusammenarbeit. Dieses Treffen war über Monate vorbereitet worden. Wir hatten sogar eine interkulturelle Schulung erhalten. Während ein Kollege am Beamer vortrug, blinkte plötzlich das stummgeschaltete Handy meiner Kollegin, die zwischen mir und meinem Chef saß. Ich dachte: "Wie kann man bei so einem Ereignis vergessen, das Handy auszuschalten?", denn ihre Präsentation sollte als nächste folgen. Auf dem Display stand "Schule". Die Kollegin drückte den Anruf weg. Ungefähr eine Minute später leuchtete es erneut auf: "Schule." Die Nervosität der Kollegin war zu spüren, denn sie hatte eine siebenjährige Tochter, die in die zweite Klasse ging. Es war aber unmöglich, den Anruf jetzt anzunehmen. Ihr gegenüber saß die gesamte asiatische Delegation, und es ging für unser Unternehmen um sehr viel. Außerdem musste sie sich auf ihren Vortrag konzentrieren. Es ging jetzt einfach gar nicht, zu telefonieren. Plötzlich hörte ich die Stimme meines Chefs, der links von ihr saß: "Wollen Sie nicht drangehen? Es könnte wichtig sein!" Sie: "Ja, aber ich kann doch jetzt nicht stören." Mein Chef mit Nachdruck: "Gehen Sie raus und telefonieren Sie!" Sie stand unter den verwunderten Blicken aller Anwesenden auf und verließ den Raum. Ungefähr anderthalb Minuten später kam sie wieder. Ich sah, dass sie nur mit Mühe die Fassung bewahrte. Mein Chef hob den Arm und unterbrach den Kollegen in seiner Präsentation. Er fragte: "Was ist passiert?" Meine Kollegin antwortete mit zittriger Stimme: "Meine Tochter ist in der Pause von einem Klettergerüst auf den Rücken gefallen. Sie wird gerade ins Krankenhaus gebracht. Mehr weiß ich noch nicht." Mein Chef reagierte mit ruhiger, fester Stimme: "Soll ich Ihnen einen Fahrer rufen oder wollen Sie selbst fahren?" Meine Kollegin zögerte kurz und sagte dann: "Nein danke, ich fahre selbst." Sie nahm ihre Tasche und verließ den Konferenzraum. Mein Chef entschuldigte sich bei der mittlerweile sehr irritierten Delegation und übernahm kurz darauf den Vortragsteil meiner Kollegin.
Die Tochter meiner Kollegin war, wie sich noch am gleichen Tag herausstellte, nicht schlimm verletzt. Den Auftrag verloren wir später, aber das hatte andere Gründe. Meine Kollegin erzählte mir an einem der folgenden Tage, dass sie sich bereits entschieden hatte, zuerst ihre Präsentation zu halten und die Schule dann zurückzurufen. Der Grund des Anrufs hätte ja auch harmlos sein können. Außerdem hätte das Handy ohnehin ausgeschaltet sein sollen. Sie war unserem Chef deshalb überaus dankbar, dass er ihr in einer Situation hoher Anspannung und persönlicher Befangenheit die klare Anweisung gegeben hatte, das Gespräch zu führen. Unser Chef hatte in diesem Moment ihre Bedürfnisse über die der Delegation und des für die Firma sehr wichtigen Auftrags gestellt.
Ich hatte großes Glück. Mein erster Chef hatte viel von dem, was ich für vorbildlich halte und was mancher im gesamten Berufsleben kein einziges Mal erlebt. Er war und ist eine Persönlichkeit von Format. Ich habe viel von ihm lernen dürfen. Er hatte als Chef und als Mensch unsere uneingeschränkte Loyalität. Wir wären für ihn durchs Feuer gegangen. Ich würde es sogar heute noch tun. Er ist ein sehr erfolgreicher Manager, der in der Sache hart verhandeln kann, wenn es erforderlich ist. Er besitzt aber auch Herzensgüte und Demut, beides Eigenschaften eines besonderen Charakters, der in Erinnerung bleibt.
Reden wir über Sie. Vermutlich sind Sie ein hervorragender Manager. Mit großer Wahrscheinlichkeit verfügen Sie über eine sehr gute Ausbildung und große Praxiserfahrung. Im Organisieren, Umsetzen, Kontrollieren und Problemlösen macht Ihnen so schnell keiner etwas vor. Sie wissen, wie man Prozesse aufsetzt und anschließend optimiert. Projekte managen Sie routiniert. Sie erreichen auch sehr anspruchsvolle Ziele. Jeden Tag holen Sie die Eisen aus dem Feuer. In Management sind Sie großartig und verdienen unbesehen Bestnoten! Wozu also sollten Sie dieses Buch lesen? Wenn es Ihnen ergeht wie den meisten Managern, liegt Ihr Wachstumspotenzial nicht mehr in der Verbesserung Ihrer Managementfähigkeiten, sondern beim Thema Leadership. Der amerikanische Berater und Autor Tom Peters bringt es auf die Formel, die meisten Unternehmen seien "overmanaged" und "underled". Weshalb ist das so?
Leadership-Fähigkeiten sind ganz überwiegend abhängig vom Charakter und der menschlichen Reife des Leaders und nur zu einem kleinen Teil vom Wissen über Führungstechniken. Bei Managementfähigkeiten ist es genau umgekehrt. Jemand kann sich umfangreiches Managementwissen aneignen und mit der entsprechenden Erfahrung ein guter Manager werden. Aber irgendwann stoßen Manager an eine Grenze. Diese kann darin bestehen, dass sie auf der Karriereleiter stehen bleiben oder unabhängig davon für sich selbst einen Mangel verspüren, den sie beheben wollen. In solchen Lebenslagen wünschen sich viele einen herausragenden Chef, der ihnen als Vorbild dienen und dabei helfen könnte, selbst besser zu werden und weiter zu wachsen. Ich hatte einen solchen Chef. Was ihn und andere Leader gegenüber bloßen Managern auszeichnet, werden Sie in diesem Buch erfahren. Es vermittelt Ihnen das Wissen, das Sie gern von einem Spitzenchef oder einem älteren, erfahrenen Mentor hätten lernen wollen, den Sie vielleicht nie hatten. Es zeigt Ihnen den inneren und äußeren Weg, auf dem Sie vom Manager immer mehr zu einem Leader werden.
Beginnen wir mit der Frage: Wer wollen Sie sein? Im Lauf unseres Lebens treffen wir einige wenige Grundsatzentscheidungen. Mit zwei dieser Entscheidungen stellen Sie die Weichen dafür, ob Sie eine Führungskraft werden, der die Mitarbeiter Respekt und Loyalität entgegenbringen. Viele Führungskräfte haben diese beiden Entscheidungen nie bewusst getroffen. Sie gehen einfach den Weg des geringsten Widerstands. Keine bewusste Entscheidung zu treffen ist aber auch eine Entscheidung - meist die schlechtere. Diese Vorgesetzten machen auf eingefahrenen Gleisen einfach weiter wie bisher. Wer jedoch die Weichen für seine Entwicklung als Führungskraft nicht selbst stellt, bewegt sich zuverlässig in Richtung Mittelmaß.
Ich vermute, die erste Entscheidung haben Sie bereits getroffen. Jetzt geht es um die zweite, die Ihr Leben verändern wird. Die zweite Entscheidung wird noch seltener bewusst getroffen als die erste. Deshalb gibt es auch nicht viele großartige Leader. Betrachten wir kurz die erste Entscheidung, um dann zu sehen, vor welcher Sie wahrscheinlich jetzt stehen.
Die erste Entscheidung
Sicherlich erinnern Sie sich noch an die Zeit, in der Sie Ihre erste Führungsposition erhalten haben. Wahrscheinlich hatten Sie gehofft, diese Position zu bekommen, und sich sogar darauf beworben. Und dann kam endlich der Tag, an dem Sie erfuhren, dass Sie die oder der Glückliche sind. In Zukunft würde auf Ihrer Visitenkarte ein Synonym für "Chef" stehen. Sie waren im Glücksrausch, aber vermutlich nur für kurze Zeit. Wie die meisten neuen Vorgesetzten empfanden Sie den Rollenwechsel vom Kollegen zum Chef wahrscheinlich als schwierig. Gestern standen Sie noch mit den Kollegen in der Kaffeeküche und haben über das unfähige Management diskutiert, und heute verstummen plötzlich alle Gespräche, wenn Sie den Raum betreten. Ihr Versuch, mit einigen Sätzen eine lockere Atmosphäre zu schaffen, misslingt. Sie gehören offensichtlich nicht mehr dazu, denn Sie sind jetzt Teil einer anderen Gruppe. In dieser werden Sie aber noch nicht voll akzeptiert. Zwar behandeln Sie die Managerkollegen einigermaßen höflich, die Zwölfender lassen Sie aber deutlich spüren, dass Sie noch ein sehr kleiner Hirsch ohne ernst zu nehmendes Geweih sind. Wenn Sie in der Leitungsrunde das Wort ergreifen wollen, finden Sie keine passende Gesprächslücke, weil trotz deutlicher Signale ihrerseits niemand für Sie eine Redepause macht.
Im Führungsalltag werden Sie sich nach und nach Ihrer Defizite bewusst. Keiner hat Sie ausreichend auf die Rolle als Führungskraft vorbereitet. Bei verschiedenen Anlässen verhalten Sie sich unangemessen, und Sie merken das nur zu deutlich. Ihnen wird bewusst, dass Ihr Rückgrat für manche Situationen noch nicht genügend ausgebildet ist. So etwas kennen Sie von sich bisher gar nicht. Das ist eine unangenehme Erkenntnis, die Sie verunsichert und ärgert. All das will emotional verarbeitet werden. Irgendwann akzeptieren Sie die Situation, auch wenn sie Ihnen nicht gefällt.
Nach der Akzeptanz gewöhnen Sie sich nach und nach an den neuen Job. Das alleine reicht aber noch nicht. Um eine wirkliche Führungskraft zu werden, der die Menschen folgen, ist mehr nötig als nur Gewöhnung an die neuen Umstände. Alfred Herrhausen, in den 1980er Jahren Vorstandssprecher der Deutschen Bank, hat einmal treffend formuliert: "Führung muss man wollen."
Es war, als hätten Sie mental einen Schalter im Kopf umgelegt. Sie haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden, Menschen führen zu wollen und nicht nur per Stellenbeschreibung zu müssen. Von der Position, führen zu müssen, in die Positon, führen zu wollen, haben Sie sich innerlich selbst befördert. Von diesem Zeitpunkt an wurden Sie tatsächlich ein Chef. Sie haben die Führungsrolle nicht nur erhalten, sondern für sich angenommen. Ihr inneres Selbstbild rastete in die äußerlich bereits erteilte Position ein. Damit gingen die ersten Weichenstellungen einher, sich in bestimmten Situationen wie eine Führungskraft zu verhalten. Ihre Managerkollegen begannen, Ihnen zuzuhören. Auch der Blick der Mitarbeiter auf Sie veränderte sich. Sie nahmen wahr, dass diese Ihnen in Alltagssituationen mehr Respekt entgegenbrachten. Ihre innere Entscheidung, ein Chef sein zu wollen, wurde nach außen hin sichtbar.
Kennen Sie die Art Vorgesetzte, die laut Titel zwar Chef sind, sich aber nie entschieden haben, führen zu wollen? Sie bleiben als Vorgesetzte ihr Leben lang brave Verwalter. Sie machen in einem geregelten Umfeld vielleicht sogar einen ganz ordentlichen Job, aber mehr ist nicht zu erwarten. Wer wirklich führen will, muss sich willentlich dafür entscheiden. Treffen Sie diese Entscheidung für sich nicht, ist das auch eine Entscheidung. Sie wählen den bereits ausgetretenen Weg hin zum Verwaltertyp und zum Mittelmaß als Führungskraft.
Neben der Entscheidung, Menschen führen zu wollen, gilt es noch eine weitere Entscheidung zu treffen. Diese verändert Sie noch mehr als die erste. Jeder Mensch kann diese Entscheidung für sich treffen. Wenn Sie aber eine Führungskraft sind, hat sie besonders deutliche Konsequenzen, weil Sie dann ein Multiplikator sind. Als solcher können Sie im Sinne der zweiten Entscheidung Großes leisten.
Die zweite Entscheidung
Welches ist nun die zweite wesentliche Entscheidung, nachdem Sie sich entschlossen haben zu führen? Die alles entscheidende zweite Frage ist jetzt: Was für eine Führungskraft wollen Sie sein?
Es gibt zwei Arten von Vorgesetzten. Es gibt diejenigen, die sich hauptsächlich um sich selbst kümmern. Sie sind in ihrer Sicht auf die Welt und das Leben sehr eingeschränkt, als wäre ihr Blick durch einen Schleier getrübt. Sie können all das, was hinter dem Schleier liegt, nicht scharf sehen. Diese Art von Vorgesetzten hat nur genau so viel Interesse an ihren Mitarbeitern, dass sie sich selbst einreden können, sie täten doch einiges für ihre Leute und seien im Großen und Ganzen gute Chefs. Auf einer Skala von 1 bis 10 (1 bedeutet "sehr schlechter Chef" und 10 heißt "exzellenter Chef") würden sich diese Vorgesetzten wahrscheinlich selbst eine 8 geben. Die zwei zur Maximalzahl fehlenden Punkte sind dem zukünftigen Wachstum geschuldet. Man hat ja schließlich noch etwas vor sich. Von dieser Art Manager gibt es leider viel zu viele, und das Ergebnis ihrer Arbeit ist die tägliche Demotivation der Mitarbeiter. Sie sorgen dafür, dass Menschen ihr Potenzial nicht entwickeln. Sie sind der Grund für ein schlechtes Arbeitsklima, für gestresste Mitarbeiter und Eltern, die ihrer Familie nicht mehr gerecht werden.
Auf der anderen Seite gibt es Vorgesetzte, die sich als Leader erweisen. Das sind Führungskräfte, deren Können ebenfalls mit einer Schätzung von 8 und auch darüber bedacht wird, allerdings nicht von ihnen selbst, sondern von deren Mitarbeitern. Diese Leader sind außergewöhnliche Persönlichkeiten. Sie wecken das Beste in den Menschen. Wenn deren frühere und aktuelle Mitarbeiter an sie denken, empfinden sie vor allem Respekt, Loyalität und Dankbarkeit. In diesem Buch werde ich Ihnen aufzeigen, was diese Führungskräfte auszeichnet und wie Sie ein solche werden. Die Grundhaltung, die das Handeln dieser Top-Leader bestimmt, lässt sich so zusammenfassen: We care!
Werden Sie ein We-care-Leader
Den ersten Kontakt zu einem We-care-Leader hatte ich auf dem Gymnasium. Dort gab es einen Lehrer, Robert Link, der damals schon kurz vor seiner Pensionierung stand. Er unterrichtete unter anderem Geschichte, und er verstand es, Begeisterung dafür zu wecken. Er war ein hervorragender Didaktiker. Eine Eigenschaft aber machte ihn einzigartig, die ich bei kaum einem anderen Lehrer und auch später in der Wirtschaft nur selten erlebt habe. Besonders deutlich wurde diese beim sogenannten Pausendienst, den Robert Link in den neun Jahren, in denen ich die Schule besuchte, jeden Tag freiwillig (!) beaufsichtigte. Dabei musste man in der zweiten großen Pause mit einer langen Metallklammer in der einen und einem Müllsack in der anderen Hand gemeinsam mit anderen Schülern und Herrn Link den Schulhof vom Müll befreien. Es war ein Strafdienst für Schüler, die im Unterricht auffällig geworden waren und zu denen ich gelegentlich auch gehörte. Meist befand man sich beim Pausendienst in Gesellschaft der schwierigsten Charaktere, die eine Schule zu bieten hat. Es war eine gute Schule, aber natürlich gab es auch einige ernsthafte Herausforderungen unter den Schülern. Es waren zur Hälfte immer dieselben Anwärter mit schlechten Noten und auffälligem Verhalten, die sich in der Pause zum Dienst trafen. Sie waren die schwarzen Schafe in ihren Klassen, und ihnen war klar, dass sie nicht als Kandidaten für das Abitur galten. Sie kannten es bisher nicht, dass jemand ihnen gegenüber Respekt, Vertrauen und Anerkennung zeigte. Robert Link tat genau das. Er begegnete auch Schülern, die auf den Pausendienst abonniert schienen, immer mit echter Freundlichkeit und großem Respekt, als seien sie Musterschüler, die sie sich freiwillig für einen Dienst an der Gemeinschaft gemeldet hätten. Wenn jemand etwas Unverschämtes zu Herrn Link oder auch einem Mitschüler sagte, war er sichtlich bestürzt und fragte sofort zurück, wie man so etwas denn sagen könne. Er suchte auf der Stelle (also im Pausenhof) das Gespräch mit demjenigen. Stets wurde sein unbedingter Glaube an das Gute in jedem von uns deutlich. Auch die Hartgesottenen blieben ihm gegenüber nach ein oder zwei Ausreißern höflich. Man wollte ihn einfach nicht enttäuschen. Dieser Glaube an uns entsprang aber nicht einer Naivität, sondern seinem inneren Bild davon, wie wir sein könnten.
Im Hintergrund setzte er sich regelmäßig still und leise für einige der "schwierigen Fälle" ein und versuchte bei ihnen, den Eltern und der Schulleitung das Vertrauen zu stärken, dass sie das Abitur schaffen könnten. Auch der Schuldirektor ließ sich von "Papa Link", wie wir ihn heimlich nannten, beeinflussen. Nicht wenige haben seinem Glauben an sie ihr Abitur zu verdanken. Dieser Mann beeindruckt mich im Nachhinein noch mehr als damals, weil ich erst heute verstehe, welche Charakterstärke und welches Menschenbild er hatte. Damit bewirkte er bei manchen Schülern mehr als das ganze restliche Lehrerkollegium zusammen. Er war weder ein strenger noch ein besonders dominanter Lehrer, aber er besaß Herzensgüte, Überzeugungskraft und Demut. Als wir zum Schulabschluss unsere Abizeitung herausgaben, war er einer von zwei Lehrern, die rundweg positiv dargestellt wurden. Dieser Mann hatte sich unseren Respekt verdient. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit und hat sehr wahrscheinlich nicht nur mich nachhaltig beeindruckt.
Später hörte ich an der Universität Mannheim im Grundstudium mit über 500 Kommilitonen Marketingvorlesungen von Prof. Dr. Hans Raffeé, der auch ein We-care-Leader ist. Er war ein begnadeter Rhetoriker, und wir BWL-Studenten hingen an seinen Lippen. Die letzten 15 bis 20 Minuten seiner 90-minütigen Vorlesungen nutzte er jeweils, um uns einen Artikel über gesellschaftliche Themen aus der ZEIT oder der FAZ vorzulesen, den er anschließend kommentierte. Raffeé hielt uns BWL-Studenten zu einem Studium generale an und ermahnte uns immer wieder: "Werden Sie nicht zu Fachidioten und besuchen Sie auch Vorlesungen an anderen Fakultäten. Hören Sie mal bei den Kollegen etwas über Ethik oder Geschichte. Bilden Sie sich." Raffeé stand in dem Ruf, sehr viel für die Studenten zu tun. Unter anderem organisierte er Besuche von Kunstausstellungen in den Mannheimer Museen. Mit seinen Wahlpflichtfachstudenten unternahm er mehr Kursfahrten als andere Professoren, die unter anderem regelmäßig ins Kloster führten. Dort trafen die Studenten auf einen sehr gebildeten Mönch, der Vorstände beriet und mit dem sie stundenlang die Bedeutung von Werten diskutierten. Professor Raffeé förderte die Studenten nicht nur beruflich, indem er zum Beispiel Kontakte zu Unternehmen herstellte, sondern auch in ihrer menschlichen Entwicklung. Er nahm sich Zeit, wann immer ein Student ihn darum bat. Raffeé war für mich ein Vorbild an Integrität, lebensbejahender Energie und Menschlichkeit. Obwohl er unter anderem wegen seiner brillanten Rhetorik ein in Kreisen der nationalen Wirtschaft bekannter Professor war, redete er mit uns Studenten sowohl in der Vorlesung als auch im Einzelgespräch immer auf Augenhöhe. In den Vorlesungen zeigten sich sein humanistisches Menschenbild und sein Glaube an uns Studenten als herausragende Persönlichkeiten. Auch er sah das Beste in uns und forderte uns auf, es zu entwickeln und hervorzubringen. Die Wirkung eines solchen ausgesprochenen Vertrauens ist so fulminant, dass man es am liebsten auf der Stelle rechtfertigen würde. Ich habe gehört, dass ihn zu seiner nächtlichen Emeritierungsfeier über 100 ehemalige Doktoranden und Studierende überraschten, die aus aller Welt angereist waren, um ihn mit einem Fackelzug von seinem Haus zur Universität zu geleiten. Kennen Sie jemanden, der mit 100 Fackelträgern, von denen viele Tränen in den Augen hatten, aus seinem Amt geleitet wurde?
Natürlich geht jemand wie Hans Raffeé nicht einfach in den Ruhestand, nur weil er ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat. Er setzte sich auch weiterhin für seine Studenten ein. Damals brach der Kontakt der Alumni zu ihrer deutschen Universität nach Beendigung des Studiums in der Regel vollständig ab. Alumni-Organisationen, wie man sie aus den USA und vielen Ländern der Welt kennt, gab es hierzulande nicht. Nach seiner Emeritierung 1994 beteiligte sich Raffeé deshalb als erster Vorsitzender am Aufbau der Absolventenvereinigung AbsolventUM (Absolventen der Universität Mannheim). Die 1995 ins Leben gerufene Organisation wurde unter anderem 1998 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog als Innovation im Hochschulbereich ausgezeichnet, und heute noch gilt AbsolventUM als der Maßstab für alle universitären Absolventennetzwerke im deutschsprachigen Raum. 2003 wurde Raffée für sein universitäres, kirchliches und kulturelles Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt.
Der dritte We-care-Leader auf meinem Weg war der Chef, von dem ich Ihnen in diesem Buch berichte. Auch wenn ich natürlich etwas verfremdet habe, ist einiges, was ich in diesem Buch über ihn erzähle, doch sehr persönlich, wie Sie noch merken werden. Deshalb nenne ich seinen Namen nicht. Von ihm erfahren Sie jeweils etwas zu Beginn der einzelnen Kapitel.
Serving-Leader versus Selfserving-Leader
Hinter dem Lebenswerk so hervorragender Leader steckt eine Geisteshaltung. Ich kam der Geisteshaltung dieser großartigen We-care-Leader das erste Mal inhaltlich auf die Spur, als ich mich mit dem 1990 verstorbenen amerikanischen Autor Robert K. Greenleaf beschäftigte, der mit dem Aufsatz "The servant as leader" von 1970 international bekannt wurde. In diesem Artikel hatte er den Begriff Servant-Leader geprägt. Da der Begriff "servant" nicht dieselbe Konnotation hat wie das deutsche "Diener", ist die Übersetzung nicht ganz adäquat. Sie finden den Originaltext in den Endnoten. Greenleaf beschreibt den Servant-Leader so (eigene Übersetzung, A. G.):
"Der dienende Führer ist in erster Linie Diener [...] Zunächst verspürt er den natürlichen Wunsch zu dienen, primär zu dienen. Darauf folgt die bewusste Entscheidung zu führen [...] Der Unterschied äußert sich in der Sorgfalt, die der Diener aufwendet - als Erstes sicherzustellen, dass die wichtigsten Bedürfnisse anderer erfüllt werden.
Der beste, aber am schwierigsten anzuwendende Test: Wachsen diejenigen, denen die Fürsorge gilt, als Persönlichkeiten? Werden sie dadurch gesünder, klüger, freier, selbstständiger und besser befähigt, selbst Dienende zu werden? Und wie sind die Auswirkungen auf die, die in der Gesellschaft am wenigsten privilegiert sind: Profitieren sie oder werden sie zumindest nicht benachteiligt?"1
Diese Fragen, die sich ein Leader stellen sollte, sind seit über 40 Jahren von immer gleicher Aktualität und Relevanz. Sie führen weg von der Perspektive des Selfserving-Leaders hin zum Serving-Leader. Die meisten Leser dieses Buches haben vermutlich nicht den Anspruch, ihr Leben ausschließlich in den Dienst ihrer Mitmenschen zu stellen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wollen sie Karriere machen und sich selbst und ihrer Familie ein ordentliches Maß an Wohlstand ermöglichen. Deswegen ist meine Empfehlung, nicht ein Servant-Leader, sondern ein We-care-Leader zu werden. Diese schaffen es, eine gute Balance zwischen den eigenen Ansprüchen und denen ihrer Mitmenschen herzustellen. Sie finden einen Sinn in ihrer Arbeit und können diesen vermitteln.
Der Anspruch von Greenleaf an den Servant-Leader in diesem und anderen Texten, er solle das natürliche Verlangen "to serve" haben und sich ganz in den Dienst anderer stellen, bevor er zu führen beginnt, erscheint mir etwas idealisiert und übertrieben. Wenn ein Mensch geboren wird, ist er erst einmal ausschließlich "self-serving", denn ein Baby nimmt zunächst nur die eigenen Bedürfnisse wahr. Es weckt die Eltern nachts im Zwei-Stunden-Takt, obwohl diese am nächsten Tag früh aufstehen und arbeiten müssen. Auch in unserer Jugend zählen unsere eigenen Bedürfnisse meist mehr als die anderer Personen. Alle Eltern von Kindern in der Pubertät wissen zum Beispiel, dass diese nicht im Traum daran denken, freiwillig die Spülmaschine auszuräumen, obwohl sie wissen, dass sie die oft sehr stark angespannten Eltern damit entlasten würden. Wenn die Kinder dann nach Schule und Studium in den Beruf einsteigen, wollen sie sich erst einmal selbst beweisen. Danach kommt die Zeit der ersten Führungsverantwortung und parallel dazu oft auch die Verantwortung für den eigenen Nachwuchs. Jetzt geht es für die Führungskräfte darum, die berufliche Entwicklung in die richtige Bahn zu lenken, während gleichzeitig der Aspekt der Sicherheit eine immer größere Rolle spielt. Erst mit über 40 Jahren, wenn Führungskräfte oft schon einiges erreicht haben, kommt die Frage nach dem Sinn und danach, wie es weitergehen soll, noch einmal neu auf.
Meine Beobachtung ist, dass viele Führungskräfte mit Anfang 40 etwas in ihrer Arbeit vermissen. Bis dahin stand die Karriere im Mittelpunkt, und der Erfolg war sinnstiftend. Auch jetzt noch managen sie jeden Tag das Abarbeiten der auftretenden Probleme und gehen dabei kontinuierlich ihren Karrierepfad weiter. Aber das kann doch irgendwie nicht alles sein?
Viele vermissen in ihrer Arbeit einen übergeordneten Sinn. Sie würden gern für etwas stehen, das mehr bedeutet. Sie wollen Teil von etwas Großem sein, vielleicht sogar mit Begeisterung für etwas brennen. In dieser Hinsicht haben die meisten Unternehmen und auch die jeweiligen Vorgesetzten aber wenig zu bieten. Wo nichts brennt, kann auch keine Funke fliegen, der andere entzündet. In diesem Buch will ich Ihnen aufzeigen, wie Sie genau das erreichen, wie Sie Ihrer Arbeit und Ihrem Leben etwas Großes hinzufügen. Sie können eine Führungskraft werden, welche die eigenen Mitarbeiter durch Charakter und Vision inspiriert. Und nicht zuletzt werden Sie auch ein besserer Partner in der Beziehung und ein besserer Vater oder eine bessere Mutter. Alles, was Sie benötigen, steckt in Ihnen. Sie haben das Zeug dazu, ein außergewöhnlicher We-care-Leader zu werden! Im Lauf dieses Buches bekommen Sie konkrete Ideen und Haltungen vermittelt, es zeigt, was Sie tun können, um sich selbst und Ihre Mitarbeiter zu inspirieren.
Was macht gute Führung aus?
Viele Vorgesetzte halten sich selbst für gute, oft sogar für brillante Führungskräfte. Hatten Sie mal einen Chef oder eine Chefin, der oder die Ihre Nerven so richtig strapaziert hat? Und hielt sich diese Person selbst für unfähig? Sehr wahrscheinlich nicht. Es ist wie mit den Autofahrern. 94 Prozent der europäischen Fahrer halten sich für gute bis sehr gute, also überdurchschnittliche Autofahrer. Das liegt daran, dass all diese Fahrer "gutes Fahren" mit einer Eigenschaft verbinden, die sie zu besitzen glauben. Wer gut im Einparken ist, definiert "gutes Fahren" über das Einparkenkönnen. Wer vorsichtig und seit Langem unfallfrei fährt, definiert "gutes Fahren" eben so, auch wenn er all den "sportlichen" Autofahrern mit seiner zögerlichen Fahrweise das Nervenkostüm ruiniert. Mit der Führung ist es genauso. Viele Führungskräfte schätzen ihre Führungsfähigkeit als hoch ein. Befragt man ihre Mitarbeiter, sieht das Ergebnis oft anders aus. Wie steht es mit Ihnen? Halten Sie sich für einen guten bis sehr guten Chef?
Ob jemand eine gute Führungskraft ist, hängt, ähnlich wie beim "guten Fahren", zuerst einmal davon ab, wie man "gute Führung" definiert. Jeder, der führt, weiß, was mit Führung gemeint ist. Bittet man aber jemanden darum, zu definieren, was er oder sie unter "Führung" versteht, fällt das den meisten sehr schwer. Es folgt fast immer eine Aufzählung, welche Tätigkeiten eine Führungskraft ausübt. Das hat aber nichts mit einer Definition zu tun. Jetzt werden Sie vielleicht denken: Wen interessiert denn die Definition von Führung, wenn doch jeder weiß, was gemeint ist? Oder anders gefragt: Warum ist eine klares Verständnis des Begriffs für Sie als Führungskraft von Bedeutung?
Die Antwort ist so einfach, dass man sich wundert, wie wenige sich damit beschäftigen. Die Definition von Führung ist der Maßstab, an dem Sie und auch jeder andere feststellen kann, wie gut Sie darin sind. Eine gute Definition stellt auch klar, woran man eine echte Führungskraft erkennen und von einem bloßen hierarchischen Vorgesetzten ohne Führungsqualitäten unterscheiden kann.
Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen, wie Sie Führung in Zukunft für sich definieren könnten? Es kommt dabei nicht auf eine wissenschaftliche Definition an. Uns genügt hier eine praxisnahe Definition, unter der sich Führungskräfte etwas vorstellen können und mit deren Hilfe sie einschätzen können, ob und wie gut sie führen.
Führung heißt, die Energie der Mitarbeiter auf Handlungen auszurichten, um einen von der Führungskraft gewünschten Zustand in der Zukunft zu erreichen, und die Energie der Mitarbeiter auf Dauer zu mehren.
Die etwas verkürzte Formel zum Merken lautet: Führung heißt, Energie auszurichten und auf Dauer zu mehren.
Die Definition hat drei Aspekte, mit deren Hilfe Sie Ihre eigene Führung kritisch hinterfragen können:
1. Führung muss sich an der Erreichung eines gewünschten Zustands in der Zukunft messen lassen. Die Voraussetzung für die Erreichung eines gewünschten Zustands ist aber, dass die Führungskraft ein Bild davon hat, was sie anstrebt. Das klingt banal, ist aber viel zu oft nicht der Fall. Viele Vorgesetzte in Unternehmen verbringen ihre Zeit Tag für Tag mit den drei Managerdisziplinen Feuerlöschen, Hühnerfangen und Kühe-vom-Eis-Schieben. Das ist nach der eben genannten Definition keine Führung, denn die Energie der Mitarbeiter wird hier von den aktuellen Umständen gelenkt und nicht von einem selbst gewählten Bild der Zukunft. Natürlich geben die Unternehmen den Führungskräften Ziele vor, die im besten Fall sogar inspirierend und deckungsgleich mit denen der Führungskräfte sind. Letzteres ist allerdings eher selten der Fall, denn viele Ziele sind als Kennziffern und zu erreichende Zahlen formuliert. Nummern inspirieren Menschen aber nun mal nicht. Nicht von oben vorgegebene operative Ziele, sondern Ihr persönliches Bild von der Zukunft kann Sie und andere inspirieren. Dieses Bild könnte zum Beispiel eine neue Kultur sein, die Sie in Ihrem Bereich einführen wollen.
Welchen Anspruch haben Sie an sich selbst? Wenn Sie einfach einen ordentlichen Job machen und Ihre Mitarbeiter dabei fair behandeln wollen, ist das respektabel. Wenn sich aber nach Ihrer jahrelangen Tätigkeit als Chef in den Köpfen und Herzen der Menschen nichts verändert hat und nur die tagesaktuellen Probleme bearbeitet und der Status quo aufrechterhalten wurde, kann man kaum von Führung, sondern eher von Verwaltung sprechen. Ein Leader hat ein Bild vor Augen, wohin er will. Er hat eine Richtung, er geht voran, und andere folgen ihm. Der erste Präsident der Stanford-Universität, David Starr Jordan, hat einmal gesagt: "Die Welt tritt zur Seite, um jemanden vorbeizulassen, der weiß, wohin er geht." Wohin gehen Sie? Was wollen Sie mit Ihrer Führung für die Menschen, das Unternehmen und die Gesellschaft erreichen? Für welche Idee begeistern Sie sich?
2. Wenn Ihnen selbst klar und deutlich ist, welchen Weg Sie mit Ihren Leuten gehen wollen, dann ist der zweite Schritt, die Energie der Mitarbeiter in diese richtige Richtung zu lenken. Jeder Mensch hat Energie, aber es gibt unendlich viele Reize, denen die Mitarbeiter täglich ausgesetzt sind und die deren Energie binden und zerstreuen. Ihre Aufgabe ist es, die Wahrnehmung der Mitarbeiter auf den angestrebten Zustand zu fokussieren. Wenn Sie ein Bild der Zukunft im Kopf haben, das es zu erreichen gilt, ist es wichtig, dieses auch in den Köpfen der Mitarbeiter entstehen zu lassen. Das ist aber kein einmaliges Ereignis. Ein Leuchtturm am Hafeneingang blinkt ja auch nicht nur einmal in der Nacht nach dem Motto: "Jetzt kennt ihr ja die Richtung." Vielmehr sendet er ununterbrochen Signale, an denen sich die Kapitäne und Seeleute auf dem Weg in den Hafen ausrichten können. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es ebenfalls, unentwegt das "Leuchtfeuer" Ihrer Idee zu senden und damit die Wahrnehmung der Menschen zu lenken. Das kostet Energie, die auf Dauer nur von innen kommen kann. Wissen Ihre Mitarbeiter alle ohne Ausnahme, was Sie gemeinsam mit ihnen erreichen wollen? Können diese täglich Ihr Leuchtfeuer sehen, das den Zustand markiert, der angestrebt wird?
3. Jeder Mensch hat Lebensenergie. Im Idealfall wird diese Energie durch Ihre Arbeit als Führungskraft im Lauf der Zeit vermehrt. Ihre Mitarbeiter empfinden Gemeinschaft, Herausforderung und Sinn. Sie entwickeln mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen und reifen in ihrer Persönlichkeit. Wie ist es bei Ihnen? Wenn Ihre Mitarbeiter abends nach Hause gehen, in welchem Zustand sind sie dann? Und wie treffen sie auf ihre Familien? Natürlich gibt es auch im Job die harten Zeiten, die für alle anstrengend sind. Die Frage ist aber, was bleibt den Menschen in Erinnerung, wenn sie an ihre Zeit mit Ihnen als Chef zurückdenken? Der von mir für seine Weisheit und Demut sehr geschätzte Anselm Grün hat ein Buch mit dem perfekten Titel Menschen führen - Leben wecken verfasst. Genau darum geht es. Wecken Sie durch Ihre Persönlichkeit und Führung Leben in den Menschen oder bewirken Sie das Gegenteil?
Zu Beginn des Kapitels hatte ich Ihnen drei We-care-Leader vorgestellt, die diese Aspekte in hohem Maße umsetzen. Dafür muss man aber nicht einmal eine Führungskraft im engeren Sinn sein. Denken Sie an das Beispiel von meinem Lehrer Robert Link, der ein We-care-Leader war. Er hatte ein Bild im Kopf, wie die Zukunft für uns Schüler aussehen sollte, oder besser gesagt, was für Menschen wir werden sollten. Und dieses Bild hat er uns stets vermittelt, im Unterricht ebenso wie im Pausendienst. Mit seinem Glauben an uns hat er auch unsere Energie erhöht und bei manchem Schüler einen erstaunlichen Wandel bewirkt. Mit dieser Energie haben manche ihr Abitur geschafft, denen es niemand mehr zugetraut hatte.
We-care-Value versus Shareholder-Value
Für We-care-Leader ist es hilfreich, wenn auch nicht notwendig, in einem Umfeld zu arbeiten, das sich an bestimmten Werten orientiert. Ist das nicht der Fall, müssen Sie sehr viel Energie aufbringen, um trotz des Umfelds etwas zu bewirken. Um ihr Unternehmen in dieser Hinsicht besser einschätzen zu können, erläutere ich kurz, wie in den meisten großen Unternehmen heutzutage gedacht und gehandelt wird. Sie können dann vergleichen und bestimmen, wie Ihr aktuelles Unternehmen einzuordnen ist. Idealerweise arbeiten Sie in einem We-care-Unternehmen. Was aber zeichnet ein solches aus?
"We care" steht für:
- to care about something = etwas wichtig nehmen
- to care about somebody = jemanden wichtig nehmen
Ein We-care-Leader nimmt also bestimmte Werte wichtig und orientiert sein Handeln an den Menschen. Den Begriff "We-care-Leader" habe ich von Heinz Landau übernommen. Er ist ein We-care-Leader und bezogen auf das Thema Führung der belesenste Mann, den ich bis jetzt kennen gelernt habe. Als Leiter von Merck Thailand hat er 16 Jahre lang mit enormem Erfolg Menschen geführt und dabei bis auf die drei Asien-Krisenjahre immer zweistelliges Wachstum erzielt. Seine Auslandsniederlassung mit mehreren Hundert Angestellten war ein We-care-Unternehmen.
Ein We-care-Unternehmen richtet sich ebenfalls nach bestimmten Werten aus und handelt, um für die Anspruchsgruppen der Mitarbeiter, Kunden, Anteilseigner und für die Gesellschaft etwas Positives zu bewirken.
Die We-care-Idee bedeutet für Unternehmen:
- We care for employees.
- We care for customers.
- We care for shareholders.
- We care for society.
Sie werden jetzt sehr wahrscheinlich denken: Hat jemals ein Unternehmen etwas anderes behauptet, als genau das zu tun? Damit haben Sie natürlich Recht. Alle Unternehmen geben an, genau diesen vier Gruppen zu dienen. Das Problem ist aber, dass nur sehr wenige es auch wirklich tun. Die meisten Unternehmen haben vor allem eine Zielgruppe, deren Bedürfnissen sie dienen wollen, und das sind die Shareholder. Diese einseitige Orientierung hat viele negative Konsequenzen für die verbleibenden Gruppen der Mitarbeiter, der Kunden und für die Gesellschaft.
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Inhaltsverzeichnis zu „Der Chef, den ich nie vergessen werde “
InhaltVorwort
1. Wer wollen Sie sein?
Zwei grundsätzliche Entscheidungen, die Sie als Führungskraft treffen müssen 9
2. Von der Kopie zum Original
Wie Sie erreichen, dass Ihre Mitarbeiter Ihnen folgen 32
3. Der innere Hochofen
Wie Sie eine wirkungsstarke Persönlichkeit werden 61
4. Das alles entscheidende Element
Wie Sie sich verändern müssen, um die Welt zu verändern 79
5. Das Beste fordern
Was gute Mitarbeiter wollen, ohne es selbst zu wissen 110
6. Das Beste fördern
Warum Sie Ihre Mitarbeiter nicht verändern müssen 140
7. Sehen, was andere nicht sehen
Was Menschen wirklich inspiriert 166
8. Den Kern verstehen
Das größte Leadership-Prinzip aller Zeiten 194
Ihre ersten Schritte zum We-care-Leader 213
Danksagung 215
Literatur 216
Anmerkungen 218
Register 221
Autoren-Porträt von Alexander Groth
Alexander Groth ist Experte für Leadership. Als Professional Speaker gibt er Führungskräften auf Tagungen und Konferenzen mit seinen Vorträgen neue Impulse für ihre Arbeit. Er ist Leiter des Mastermoduls Leadership an der Universität Stuttgart sowie Lehrbeauftragter für Change Management an der BWL-Fakultät der Universität Mannheim.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alexander Groth
- 2014, 223 Seiten, 26 Abbildungen, Maße: 13,6 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Illustration: Plaßmann, Thomas
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593501341
- ISBN-13: 9783593501345
Rezension zu „Der Chef, den ich nie vergessen werde “
Der Chef, den ich nie vergessen werde"Mit vielen tatsächlich erlebten Beispielen schildert der Autor anschaulich, was gute Führung ausmacht - und was nicht. Seine Empfehlungen erscheinen unspektakulär, treffen aber umso mehr den Kern und rütteln auf." (ManagerSeminare, 01.11.2014)
Die besten Karrierebücher 2014
"Wer gute Spuren in den Köpfen und Herzen seiner Mitarbeiter hinterlassen möchte, bekommt von Alexander Groth viele kluge Einsichten, wie man zur starken Führungspersönlichkeit reifen kann." (Hamburger Abendblatt, 12.12.2014)
Macht Spaß zu lesen und lässt einen hoffen, dass die Alphatiere in den Chefetagen bald verschwunden sind. (Harvard Business Manager, 01.04.2015)
"Dank eines flotten Stils, anschaulicher Beispiele und amüsanter Cartoons ist dieses Führungskräftetraining in Papierform sehr abwechslungsreich. ... Daher ist dieses Buch allen Führungskräften, Personalentwicklern und Coachs zu empfehlen" (Organisator, 08.05.2015)
"Dieses handliche und eloquent geschriebene Buch könnte vor allem bei neu ernannten Führungskräften Anklang finden. Die am Ende jedes Kapitels zusammengefassten Handlungsempfehlungen geben eine erste gute Orientierung
für die Führungsrolle und werden bei so manchen Lesern ein starkes Bedürfnis nach praktischer Umsetzung wecken." (OrganisationsEntwicklung, 15.01.2016)
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