Der Dieb in der Nacht

Ich bin durch das Buch geschwebt , am Stück bis nachts um halb drei. Ich habe immer weiter gelesen. Nicht, weil ich neugierig auf das Ende der Geschichte war. Felix ist und bleibt für immer verschwunden. Das dämmert einem ab der Mitte des Buches und so kommt es auch. Ich habe es nicht aus der Hand legen können, weil mich die Sprache von Katharina Hartwell in den Bann zieht. Die unglaubliche Gabe, Dinge nicht beim Namen zu nennen, sondern sie in Märchenbildern zu erklären, sie herauszuarbeiten, sie anzudeuten und mir die Erkenntnis zu überlassen. Ein Wort ist mehr als ein Wort. Ein Wort sind Gefühle, Bilder, Taten. Paul sucht seinen Freund und Louise ihren Bruder. Die Leben der beiden sind zum Stillstand gekommen, als Felix verschwand. Es gibt ab dem 22. August - dem heißesten Tag des Jahres - nichts als die Sehnsucht nach ihm. Zunächst empfinde ich Mitleid mit ihnen, sehr tiefes Mitleid und weine mit ihnen. Dann trifft Paul den Künstler Ira Brixen in Prag. Er hält ihn für den verschwundenen Felix. Er sieht nicht so aus, aber die Details..., die Details zusammengenommen. Er könnte es sein, oder auch nicht. Auch Luisa blendet alle rationalen Fakten aus. Kann etwas in Erfüllung gehen, wenn man es sich so sehr wünscht? Blixen besucht Paul und bleibt. Louise zieht schließlich mit ein und zusammen leben sie in einem nebulösen Schwebezustand in einem herbstlichen Berlin. Über allem steht die Frage - ist Blixen Felix. Surreale Dinge geschehen. Paul und Louise empfinden Blixen mehr und mehr als Bedrohung. Sich von Blixen zu lösen, bedeutet, sich von Felix zu lösen. Schaffen Sie das? Das Buch endet ruhig, fast schon beruhigend. Es gibt keinen Überraschungsmoment. Katharina Hartwell hat dafür gesorgt, dass der Leser ganz sachte selbst zu den Erkenntnissen kommt. Es gibt immer eine Wahrheit, auch wenn wir sie nicht wissen und niemals erfahren. Das Buch sollte lesen, wer sich durch Sprache unterhalten fühlt. Der, der empathisch mit Menschen sein kann und will.