Der Kindersammler
Anne und ihr Mann Harald erleben den Albtraum aller Eltern: Während eines Toscana-Urlaubs verschwindet ihr Kind beim Spielen spurlos. Die Suche der Polizei verläuft ergebnislos, und sie müssen ohne ihren Sohn nach Hause fahren. Zehn Jahre später kehrt...
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Anne und ihr Mann Harald erleben den Albtraum aller Eltern: Während eines Toscana-Urlaubs verschwindet ihr Kind beim Spielen spurlos. Die Suche der Polizei verläuft ergebnislos, und sie müssen ohne ihren Sohn nach Hause fahren. Zehn Jahre später kehrt Anne an den Ort des Geschehens zurück, um herauszufinden, was damals passiert ist. Sie ahnt nicht, wie nah sie dem Täter kommt - und er ihr.
Anne und ihr Mann Harald erleben den Albtraum aller Eltern: Während eines Toscana-Urlaubs verschwindet ihr Kind beim Spielen spurlos. Die Suche der Polizei verläuft ergebnislos, und sie müssen ohne ihren Sohn nach Hause fahren. Zehn Jahre später kehrt Anne an den Ort des Geschehens zurück, um herauszufinden, was damals passiert ist. Sie ahnt nicht, wie nah sie dem Täter kommt - und er ihr.
Ein Roman, der einem zuweilen den Hals abschnürt, so schrecklich realistisch ist die Geschichte.
Ein Roman, der einem zuweilen den Hals abschnürt, so schrecklich realistisch ist die Geschichte.
Der Kindersammler von Sabine Thiesler
LESEPROBE
PROLOG
Toscana 1994
Die Atmosphäre im Tal war eigentümlich. Alle Fenster undTüren der beiden Häuser waren geschlossen, was Allora noch nie erlebt hatte. Wederder Mann noch die Frau waren zu sehen. Aber als sie ganz still war und den Atemanhielt, hörte sie ein leises Wimmern, beinah wie das Jaulen einer Katze.
Allora bohrte in der Nase undwartete ab. Das Jaulen verstummte manchmal für wenige Minuten, setzte aberimmer wieder ein. Als sie ein hohes, schrilles Quietschen hörte, zuckte siezusammen und fing an zu zittern. Angst kroch ihr langsam den Nacken empor. Waswar da los? Sollte sie einfach hingehen und anklopfen? Aber sie wagte es nicht.Der Engel war kein Mensch, bei dem man einfach auftauchen und »allora« sagenkonnte. Der Engel hatte etwas an sich, vor dem sie zurückschreckte. Als wäre ermit einem unsichtbaren Stacheldraht umwickelt, der einen verletzte und einemdie Haut aufschlitzte, wenn man zu nahe kam.
Und zum ersten Mal kam ihr derGedanke, dass der Engel vielleicht gar kein Engel war. Die Sonne war längstuntergegangen, und die Nacht brach herein. Im Wald wurde es schnell dunkel,viel schneller als auf freiem Feld. Allora dachte noch nicht an den Rückweg,sie starrte unverwandt in Richtung Mühle. Die Laternen links und rechts neben derTür brannten nicht, und auch im Haus war alles dunkel. Als Allora das Haus kaumnoch erkennen konnte, wurde ihr klar, dass sie die Zeit vergessen hatte, jetztkonnte sie nicht mehr zurück. Sie würde im Wald übernachten müssen. Plötzlichhörte sie einen Schrei. Einen lang anhaltenden Schrei, der gar nicht mehr endenwollte. Und in diesem Moment wusste Allora, dass das keine Katze war, sondernein Mensch. Allora hielt sich die Ohren zu, bis der Schrei verstummte. Danach wares totenstill. Kein Laut drang mehr aus der Mühle zu ihr herüber. Sie rieb sichdie Augen, die brannten, als hätte sie zu nahe am Feuer gesessen und zu langein die Flammen gestarrt. Sie war wie gelähmt. Saß in ihrem Erdloch, unfähig,sich zu bewegen. Langsam kroch ihr die Kälte in die nackten Füße und die Beinehinauf. Allora wühlte sich noch tiefer in ihr Erdloch und häufte Zweige,Blätter und Moos um sich herum, alles, was sie erreichen konnte, ohne ihreKuhle zu verlassen. Dann umschlang sie ihre Beine mit den Armen, legte ihr Kinnauf die Knie und wartete weiter. Ihr Atem ging gleichmäßig, ihr Herz schlugjetzt langsamer. Aber sie war hellwach, konzentrierte all ihre Sinne auf diestille Mühle. Doch da war nichts mehr.Kein Laut.Kein Ton. Fenster und Türenblieben geschlossen, der Mann kam nicht mehr aus dem Haus.
Das Käuzchen schrie. So wie dasKäuzchen in der Nacht geschrieen hatte, als die alte Giulietta gestorben war.Ihre geliebte Nonna.
Allora wusste am nächsten Morgennicht, ob sie die ganze Nacht so gesessen und gewacht oder ob sie geschlafenhatte. Im Morgengrauen hörte sie, wie die hölzerne Küchentür in den Angelnquietschte. Die Sonne kam gerade mit den ersten Strahlen über die Bergkuppe,als der Mann aus dem Haus trat. In seinen Armen trug er einen leblosen Jungen,genau so, wie sie ihre Nonna getragen hatte. Der Kopf des Jungen hing weit nachhinten gekippt über dem linken Unterarm des Mannes, der Mund stand offen. Seineblonden Haare bewegten sich leise im Wind. Den rechten Unterarm hatte der Mannunter den Knien des toten Kindes, die Beine baumelten schlaff hin und her, alser mit ihm zum ausgetrockneten Teich ging und es behutsam hineinlegte.
Wenig später begann dieBetonmischmaschine mit ohrenbetäubendem Krach zu rotieren, sodass Allora die Fluchtergriff. Der Mann, den sie von nun an nie wieder Engel nannte, hatte sie nicht bemerkt.Alloras Glieder waren steif und kalt, ihr Atem ging flach, sie musste so vieldenken, dass ihr das Laufen schwer fiel. Sie brauchte drei Stunden bis nach SanVincenti. Niemand fragte sie, wo sie in der Nacht gewesen war. Sie ging in ihrZimmer und kroch in ihr Bett, ohne sich die Erde von den Armen und Beinen zuwaschen. Sie zog sich die Decke über die Ohren und versuchte zu verstehen, wassie gesehen hatte, aber es gelang ihr nicht.
© Verlagsgruppe Random House
- Autor: Sabine Thiesler
- 2006, Originalausgabe, 544 Seiten, Maße: 12 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453024540
- ISBN-13: 9783453024540
- Erscheinungsdatum: 09.10.2006
4.5 von 5 Sternen
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