Der König der purpurnen Stadt
London im Jahr 1330: Jonah ist Lehrjunge im Haus seines Cousins, eines tyrannischen Tuchhändlers.
Doch die Begegnung mit König Edward lenkt sein Schicksal in neue Bahnen: Jonah wird in die elitäre Tuchhändlergilde aufgenommen.
Aber je größer seine...
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London im Jahr 1330: Jonah ist Lehrjunge im Haus seines Cousins, eines tyrannischen Tuchhändlers.
Doch die Begegnung mit König Edward lenkt sein Schicksal in neue Bahnen: Jonah wird in die elitäre Tuchhändlergilde aufgenommen.
Aber je größer seine Macht wird, desto gefährlicher werden seine Feinde.
Der Königder purpurnen Stadt von Rebecca Gablé
LESEPROBE
London, November 1330
Es war stockfinster, als Jonah heimkam; in ganz Cheapsideschien es kein einziges Licht mehr zu geben. Die Läden und Werkstätten, die dieStraßenfront der meist zweigeschossigen, schmalen Holzhäuser bildeten, hattenlängst geschlossen, und schwere Wolken hatten den Sichelmond und die Sterneverschluckt. Seit dem Nachmittag fiel ein lautloser Regen, der die Straßen undGassen in zähen Morast verwandelt hatte und Jonahs Fackel zu ertränken drohte. InSichtweite des Hauses gab sie endgültig den Geist auf. Er warf sie achtlos zuBoden und überquerte den kleinen Platz vor der St.- Lawrence-Kirche mit eiligenSchritten. Aus der Taverne Zum schönen Absalom drüben neben RobertsonsMietstall drang gedämpftes Stimmengewirr, aber kein Mensch war auf der Straße.Kein Mensch bis auf ihn.
Er klopfte verhalten an die Tür zu Hillocks Tuchladen.
Wer ist da? erkundigte sich eine kräftige, helle Stimme.
Ich.
Die Pforte öffnete sich lautlos. Der fünfzehnjährigeCrispin stand mit einem Öllämpchen auf der Schwelle. Seine Augen wirkten wietiefe leere Höhlen im flackernden Licht, und er schützte die kleine Flamme, dieJonah gleißend hell vorkam, mit einer Hand vor der Zugluft.
Blinzelnd trat Jonah ein, nickte und ging an ihm vorbei.
Crispin verriegelte hastig die Pforte und folgte ihm zurHintertür, die in den kleinen Innenhof des Hauses führte. Ich habe auf dichgewartet, statt mich schlafen zu legen, weißt du. Du könntest wenigstens dankesagen.
Danke.
Jonah legte die Hand an die Tür, aber Crispin nahm seinenEllbogen und hielt ihn zurück. Bleib lieber hier. Du bist inSchwierigkeiten.
Er wandte den Kopf. Tatsächlich?
Crispin nickte und schlug beklommen die Augen nieder. Wowarst du nur so lange? Die Meisterin hat sich Sorgen gemacht.
Jonah schnaubte verächtlich. Das will ich glauben.Schließlich war ich mit einem ganzen Ballen erstklassiger Wolle unterwegs. Erriss seinen Arm los, öffnete die Tür und trat hinaus.
Auch im Hof war es finster, doch er brauchte kein Licht, umdas vertraute, kleine Quadrat zu überqueren. Er ließ das Hühnerhaus und dieklapprige Holzbude mit dem Abort rechterhand liegen und schritt zwischen denGemüsebeeten einher, bis seine linke Hand die Brunneneinfassung streifte.Gleich hinter dem Brunnen lag die Küchentür. Auch sie war gut geölt und ließsich ohne einen Laut öffnen.
Jonah nahm den schweren, tropfnassen Mantel ab, hängte ihnsich über den Arm und glitt ins Trockene. Er war ausgehungert, und ehe erseinem Meister unter die Augen trat, wollte er wenigstens sehen, ob er nichtein Stück Brot oder vielleicht gar ein paar Reste vom Abendessen fand. Aber erhatte Pech. Kaum hatte er die Küche betreten, öffnete sich eine zweite Tür, diezur Treppe und dem Flur führte, der Laden und Küche verband, und die Meisterintrat ein, einen Messinghalter mit einer Kerze in der Linken.
Er neigte fast unmerklich den Kopf. Mistress.
Sie fuhr entsetzt zurück; der dunkle Schatten in derlichtlosen Küche hatte sie erschreckt. Als sie ihn erkannte, verengten sich diehaselnussbraunen Augen, die sonst eher vollen Lippen waren plötzlich zu einemschmalen weißen Strich zusammengepresst. Das von Natur aus eigentlichfröhliche, junge Gesicht unter der schlichten weißen Haube wurde hässlich.Jonah stellte nicht zum ersten Mal, aber mit unverminderter Verblüffung fest,dass der Zorn ihre Nase beinah um das Doppelte länger erscheinen ließ.
Schon zurück?, fragte sie schneidend. Und der feine Lordwollte erst einmal speisen, ja? Wann hattest du die Absicht, uns von deinerglücklichen Heimkehr in Kenntnis zu setzen?
Gleich im Anschluss, antwortete er wahrheitsgemäß.
Vielsagend zog sie die Tür auf, durch die sie gekommen war,und ruckte das Kinn Richtung Flur. Wenn du essen willst, komm in Zukunftpünktlich zu den Mahlzeiten. Und jetzt scher dich nach oben. Master Hillockbrennt sicher schon darauf, deine Geschichte zu hören.
Mit einer spöttischen kleinen Geste ließ er ihr denVortritt, folgte ihr dann durch den schmalen Gang und die Treppe hinauf. Diealten Holzstufen ächzten unter ihren Schritten.
Über dem Laden lag die Halle, die Master Hillocks Haushaltals Wohngemach diente, außer der Küche der einzig beheizte Raum im Haus.
Rupert Hillock saß mit einem Becher Ale und einer Kerze amTisch nahe des Fensters und las in einem Buch mit englischen Nacherzählungenbiblischer Geschichten. Ein Bär von einem Mann mit ebenso rabenschwarzen Haarenund dunklen Augen wie Jonahs, doch war sein Gesicht fleischiger, gerötet, eineSpur verlebt und beinah zur Hälfte von einem dichten schwarzen Bart bedeckt.
Als er seine Frau und Jonah eintreten sah, klappte er dasBuch zu, erhob sich, streckte wortlos die Hand aus und trat vor seinenLehrling.
Ohne alle Eile öffnete der den schlichten braunenLederbeutel an seinem Gürtel, schüttete den klimpernden Inhalt in seine Linkeund ließ ihn in Ruperts Hand fallen, ohne sie zu berühren.
Rupert zählte murmelnd. zwei, drei Pfund und sechs,acht, zehn, zwölf, vierzehn, sechzehn, achtzehn, zwanzig Shilling. Vier Pfund.Stimmt, brummte er unwillig, nickte und ließ das Geld in seinem eigenen Beutelverschwinden. Und wo hast du den ganzen Tag gesteckt, du Lump?, fragte er.
Im Haus des Baron of Aimhurst. Es hat Stunden gedauert,ehe man mich vorließ.
Hast du das Tuch seiner Frau ausgehändigt, wie ich gesagthabe?, fragte Ruperts Frau begierig.
Jonah schüttelte den Kopf. Er hatte die Baroness nicht zuGesicht bekommen. Sie sei nicht zu Hause, hatte der Diener behauptet, der ihneinließ, aber Jonah war sicher gewesen, dass der Mann log.
Warum nicht?, herrschte Rupert ihn an. Hab ich dir nichtaufgetragen, du sollst dafür sorgen, dass sie selbst die Wolle auf der Stellebegutachtet? Wir haben sie viel zu preiswert abgegeben; es sollte einKöderangebot sein! Aber wenn du es ihrer Zofe überlassen hast, war die Müheumsonst.
Sie hat sich verleugnen lassen.
Und damit lässt du dich abspeisen, ja?
Was sollte ich tun? Die Halle erstürmen?
Rupert ohrfeigte ihn. Es war ein harter Schlag. Jonahtaumelte einen Schritt zur Seite und hielt mit Mühe das Gleichgewicht.
Wem hast du meine vierundzwanzig Yards feinster flämischerWolle für vier Pfund verhökert, he? Raus damit!
Dem Baron of Aimhurst. Jonah hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken.Der Baron selbst war schließlich am frühen Abend über den einsamen, geduldigwartenden Kaufmannslehrling in seiner Vorhalle gestolpert, hatte ihn barschgefragt, was er wünsche, und ihm dann voller Ungeduld den vereinbarten Preisfür die bestellte Wolle bezahlt, ehe er ihm brüsk die Tür wies. Jonah warjedoch nicht gleich gegangen, hatte er doch eine Botschaft für den Baron, dienicht das Geringste mit Rupert Hillocks flämischer Wolle zu tun hatte (...)
© für die deutschsprachige Ausgabe 2002 by VerlagsgruppeLübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
- Autor: Rebecca Gablé
- 2014, 15. Aufl., 960 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,5 x 18,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404152182
- ISBN-13: 9783404152186
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