"... der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert"
Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933-1936/37
Schon bald nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 verhafteten die Nationalsozialisten Tausende Gegner. Bis Ende des Jahres wurden mindestens 100 000 Menschen in Konzentrationslagern und "Schutzhaftabteilungen " eingesperrt....
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Schon bald nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 verhafteten die Nationalsozialisten Tausende Gegner. Bis Ende des Jahres wurden mindestens 100 000 Menschen in Konzentrationslagern und "Schutzhaftabteilungen " eingesperrt. Rechtsgrundlage war die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933. Die Lager dienten zur Demütigung und Ausschaltung der Opposition, zur Einschüchterung der Bevölkerung und damit zur Sicherung des NS-Regimes. Dieser Band nimmt erstmals systematisch die wichtigsten Häftlingsgruppen der Konzentrationslager im Zeitraum von 1933 bis 1936/37 in den Blick, darunter Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Juden, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und "Asoziale". Die Beiträge fragen nach den Arrest- und Entlassungspraxen, den Haftbedingungen und -erfahrungen sowie nach den Strategien der Selbstbehauptung und des Widerstands.
Klappentext zu „"... der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert" “
Schon bald nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 verhafteten die Nationalsozialisten Tausende Gegner. Bis Ende des Jahres wurden mindestens 100 000 Menschen in Konzentrationslagern und "Schutzhaftabteilungen " eingesperrt. Rechtsgrundlage war die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933. Die Lager dienten zur Demütigung und Ausschaltung der Opposition, zur Einschüchterung der Bevölkerung und damit zur Sicherung des NS-Regimes. Dieser Band nimmt erstmals systematisch die wichtigsten Häftlingsgruppen der Konzentrationslager im Zeitraum von 1933 bis 1936/37 in den Blick, darunter Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Juden, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und "Asoziale". Die Beiträge fragen nach den Arrest- und Entlassungspraxen, den Haftbedingungen und -erfahrungen sowie nach den Strategien der Selbstbehauptung und des Widerstands.
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Gefangen im Terror des NationalsozialismusEinführung in die Geschichte der Häftlingeder frühen Konzentrationslager 1933 bis 1936/37Jörg Osterloh, Kim WünschmannDie Männer stehen in zwei Reihen auf dem gepflasterten Hof vor einem Backsteingebäude. Ihre Arme hängen locker am Körper herab, ihr Blick geht in verschiedene Richtungen. Mancher hat einen Fuß etwas vorgestellt, als wolle er aus der Reihe heraustreten. Die Männer sind jüngeren und mittleren Alters. Nach ihrer Kleidung zu urteilen, gehören die meisten der Arbeiterklasse an. Einige wenige tragen Anzüge, andere nur Hemden oder Pullover und zum Teil wadenlange Knickerbocker. Das Schuhwerk besteht teils aus Stiefeln, teils aus Halbschuhen; Mützen, Hüte, auch unbedeckte Köpfe sind zu sehen. Kurzum: Eine Ansammlung von Individuen steht hier einem Uniformierten gegenüber, der einen Papierblock oder eine Zettelsammlung in Händen hält.Die Schwarzweißfotografie, die diesem Sammelband als Titelbild dient, lässt sich ohne weitere Erläuterung nicht als Aufnahme aus einem nationalsozialistischen Konzentrationslager erkennen. Sie widerspricht dem gängigen Bild der Lager, das geprägt ist durch eine Ikonographie der Baracken, Wachtürme und des Stacheldrahts - Kulissen für das Leiden äußerlich kaum zu unterscheidender Häftlinge, die oft als anonyme Masse schwacher, ausgemergelter oder sterbender Gestalten dargestellt werden. Statt der gestreiften Uniformen mit den verschiedenfarbigen "Winkel"-Abzeichen, die ab 1937/38 standardmäßig zur Identifikation der unterschiedlichen Gefangenengruppen in den Konzentrationslagern benutzt wurden, tragen die Männer auf dem Titelbild Zivilkleidung. Ihre Köpfe sind nicht kahlgeschoren, sondern von unterschiedlich dichtem Haar bedeckt. Die Abgebildeten sind klar voneinander zu unterscheiden und sollten vermutlich sogar wiedererkannt werden können, denn bei der Aufnahme handelt es sich um eine Propagandafotografie aus dem von der SA betriebenen Konzentrationslager Oranienburg. Im Frühjahr 1934
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erschien das Bild in verschiedenen Zeitungen und in dem vom Oranienburger Lagerkommandanten Werner Schäfer verfassten Anti-Braunbuch über das erste deutsche Konzentrationslager, mit dem das NS-Regime die zahlreichen den frühen Terror anprangernden Berichte und Gerüchte im In- und Ausland zu entkräften suchte. Wie sich der Bildunterschrift des Fotos, das beispielsweise die Deutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 20. März 1934 abdruckte, entnehmen ließ, waren die Männer zwecks "Einteilens zum Arbeitskommando" angetreten. Sie standen stellvertretend für die "bunte Gesellschaft" von Gefangenen, die von der SA-Standarte 208 in Oranienburg eingesperrt wurde. Neben "kommunistischen Radauhelden", so die Zeitung in der Fortsetzung des Berichts am folgenden Tag, befänden sich unter den Lagerinsassen auch "Systemgrößen" wie ein ehemaliger SPD-Bürgermeister aus dem Kreis Niederbarnim nördlich von Berlin, in dem auch das Lager selbst lag.Das Fotodokument vom Appell in Oranienburg kann wegen seiner reichsweiten Verbreitung und zeitgenössischen wie auch späteren erinnerungsgeschichtlichen Verwendung als ein Sinnbild für die Geschichte der Häftlinge in den frühen Konzentrationslagern gelten. Es zeigt, wie sehr diese Geschichte von Improvisation geprägt war, wie die KZ-Haft öffentlich inszeniert wurde und dass sie in erster Linie Männer traf. Um die Gewalt zu verharmlosen, sollte das offizielle Bild der Konzentrationslager dort ausgeübte traditionelle und gesellschaftlich akzeptierte Riten der Disziplinierung betonen, den mit ihnen verbundenen blanken Terror allerdings verschweigen. Der KZ-Appell imitierte den militärischen Drill, mit dem der Einzelne einübt, sich einem Kollektiv unterzuordnen. Wie das Militär sollte auch das Konzentrationslager als eine "totale Institution" verstanden werden, deren Insassen einem strengen, aber fairen Regime von Zucht und Ordnung unterworfen waren. Was im Lager geschah, war, wie die Deutsche Zeitung erklärte, "sehr schwere Erziehungsarbeit" an "
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Inhaltsverzeichnis zu „"... der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert" “
InhaltJörg Osterloh, Kim WünschmannGefangen im Terror des NationalsozialismusEinführung in die Geschichte der Häftlinge der frühenKonzentrationslager 1933 bis 1936/37 9Irene von GötzEin stadtumspannendes TerrornetzDie Konzentrationslager und Folterstätten in Berlin 1933 51Dirk RiedelVom Terror gegen politische Gegner zur rassistischen GesellschaftDie Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau 1933 bis 1936 73Habbo Knoch"Endlose Heide. Tempo! Tempo!"Die Emslandlager von 1933 bis 1936 97Nicola Wenge"Das System des Quälens, der Einschüchterung, der Demütigung ..."Die frühen württembergischen Konzentrationslager Heubergund Oberer Kuhberg 123Karoline Georg, Kurt SchildeDer frühe Terror gegen die ArbeiterbewegungPolitische Gefangene in den Konzentrationslagernin Berlin und Brandenburg 151Siegfried Mielke unter Mitarbeit von Julia PietschEine signifikante Gruppe der HäftlingsgesellschaftGewerkschaftsfunktionäre in den frühen Konzentrationslagern 173Kim WünschmannGewaltsam aus der "Volksgemeinschaft" ausgeschlossenJüdische Häftlinge in den Konzentrationslagern1933 bis 1936/37 197Albert Knoll"Es muß alles versucht werden, um dieses widernatürliche Laster auszurotten"Homosexuelle Häftlinge in den frühen Konzentrationslagern 221Oliver GaidaZwischen Arbeitshaus und KonzentrationslagerDie nationalsozialistische Verfolgung von als "asozial"Stigmatisierten 1933 bis 1937 247Hans HesseVon Anfang an ein "besonderes Hassobjekt"Zeugen Jehovas in den frühen Konzentrationslagern 269Stefan HördlerDie "Gefallenen"Nationalsozialisten als KZ-Häftlinge 291Jörg Osterloh"Es wurde ja auch darüber geschrieben, in der Zeitung ..."Die Berichterstattung im Deutschen Reich über die Häftlingeder frühen Konzentrationslager 317Paul Moore"Es geht ihm soweit ganz gut"Reaktionen auf die Konzentrationslager im Arbeitermilieu1933 bis 1936 349Carina Baganz"... eine dem Ansehen der nationalsozialistischen Bewegungabträgliche Wirkung"Der Prozess gegen das Wachpersonal des KonzentrationslagersHohnstein 1935
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375Henning BorggräfePotentiale für neue ForschungsperspektivenDas Archiv des International Tracing Service und die Häftlingeder frühen Konzentrationslager 389AnhangFotos 413Abkürzungen 427Auswahlbibliographie 431Dank 439Autorinnen und Autoren 441Personenregister 453
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Autoren-Porträt
Jörg Osterloh, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main. Kim Wünschmann, Dr. phil., ist DAAD-Fachlektorin am Historischen Seminar der Universität Sussex.
Bibliographische Angaben
- 2017, 459 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 15,4 x 22,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben: Jörg Osterloh, Kim Wünschmann
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593507021
- ISBN-13: 9783593507026
- Erscheinungsdatum: 10.07.2017
Pressezitat
"Für Forscherinnen und Forscher gibt es noch viel zu tun. Wenn diese sich in Zukunft einen Überblick über die Verfolgungspraxis einzelner Häftlingsgruppen verschaffen wollen, werden sie zu diesem Buch greifen." Andrea Rudorff, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 18.04.2018
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