Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft
Laienpflege in Deutschland. Dissertationsschrift
Was geht in der deutschen Altenpflege vor sich, wenn Angehörige Sondennahrung verabreichen, Langzeitarbeitslose als "Betreuungsassistenten" bettlägerige Patienten waschen und eine bulgarische Schneiderin als "Haushaltshilfe " monatelang mit einer...
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Produktinformationen zu „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft “
Was geht in der deutschen Altenpflege vor sich, wenn Angehörige Sondennahrung verabreichen, Langzeitarbeitslose als "Betreuungsassistenten" bettlägerige Patienten waschen und eine bulgarische Schneiderin als "Haushaltshilfe " monatelang mit einer demenzkranken Pflegebedürftigen das Bett teilt? Die Altenpflege steckt in einer Krise und die Stärkung informeller Laienpflege stellt eine für das deutsche Pflegeregime typische sozialpolitische Lösungsstrategie dar. Das Buch zeigt, dass es sich dabei um eine strukturelle und kaskadenförmige Ausbeutungsdynamik handelt, bei welcher pflegende Angehörige, freiwillig Engagierte, Arbeitslose und Migrantinnen zu Ausfallbürgen eines sozialstaatlichen Umbaus im Kontext einer Krise sozialer Reproduktion avancieren.
Tine Haubner erhielt für diese Arbeit den Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und den Dissertationspreis der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie.
Tine Haubner erhielt für diese Arbeit den Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und den Dissertationspreis der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie.
Klappentext zu „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft “
Was geht in der deutschen Altenpflege vor sich, wenn Angehörige Sondennahrung verabreichen, Langzeitarbeitslose als "Betreuungsassistenten" bettlägerige Patienten waschen und eine bulgarische Schneiderin als "Haushaltshilfe " monatelang mit einer demenzkranken Pflegebedürftigen das Bett teilt? Die Altenpflege steckt in einer Krise und die Stärkung informeller Laienpflege stellt eine für das deutsche Pflegeregime typische sozialpolitische Lösungsstrategie dar. Das Buch zeigt, dass es sich dabei um eine strukturelle und kaskadenförmige Ausbeutungsdynamik handelt, bei welcher pflegende Angehörige, freiwillig Engagierte, Arbeitslose und Migrantinnen zu Ausfallbürgen eines sozialstaatlichen Umbaus im Kontext einer Krise sozialer Reproduktion avancieren.Tine Haubner erhielt für diese Arbeit den Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und den Dissertationspreis der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie.
Lese-Probe zu „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft “
Einleitung?Rethinking Exploitation und die Ausbeutungvon Laienpflege"Alle entwickelten Industriestaaten sind im Zuge des demografischen Wandels mit einer spürbaren Veränderung der Relation zwischen produktiver und unproduktiver Lebenszeit der Bevölkerung - gemessen an der ökonomischen Verwertung - konfrontiert. So verändert sich auch das Verhältnis von Arbeitserlösen und Reproduktionskosten, einschließlich der Sozialkosten für die Zeit nach Beendigung der Erwerbsarbeit. Da die Negativbilanz nicht aus den steigenden Profiten ausgeglichen werden soll, lässt sie sich nur durch Staatsverschuldung oder durch Reprivatisierung sozialer Sicherung steuern." (Frings 2010: 58)Aufbruch in der Sorgekultur - aber wohin?Pflegende Angehörige verabreichen Sondennahrung, die ehemalige Leiterin einer Kindertagesstätte setzt als "Demenzhelferin" auf ehrenamtlicher Basis Injektionen, Langzeitarbeitslose waschen und lagern als umgeschulte "Betreuungsassistenten" bettlägerige Patienten und eine bulgarische Schneiderin teilt als "Haushaltshilfe" monatelang mit einer demenzkranken Pflegebedürftigen das Bett - was geht da vor sich in der deutschen Altenpflege? Die genannten Beispiele sind den empirischen Befunden der vorliegenden Arbeit entnommen, die von der Frage angeleitet wird, wie es kommt, dass die "fürsorgliche Gesellschaft" der Laien statt, "begleitende[r], betreuende[r], tröstende[r] und aufrichtende[r] Handlungen" pflegerisch-medizinische Handgriffe verrichtet, für die sie weder qualifiziert sind noch bezahlt werden.Das Thema Altenpflege wird in der BRD seit vielen Jahren von einem Krisendiskurs beherrscht: Von einem "Pflegenotstand" (vgl. Fussek 2015) oder gar "Pflege-Desaster" ist die Rede (vgl. Wimmer 2013). Die Pflege soll "Schicksalsfrage der Nation" werden (vgl. Fussek 2012), wird wahlweise selbst zum "Pflegefall" (vgl. Voigt 2004) oder zur "Achillesferse der Wirtschaft" (vgl. Kinkartz 2014) erklärt. Den Hintergrund dieses Alarmismus bildet meist die mit Überstunden,
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Zeitdruck und aufwendigen Dokumentationspflichten angezeigte Überlastung professioneller Pflegekräfte, welche wiederum als Indiz einer primär demografisch verursachten "Mismatch"-Situation der Pflegebranche gilt: Während die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf 3,4 Millionen ansteigen soll, fehlen für deren Versorgung geschätzt bis zu 506.000 professionelle Pflegekräfte (vgl. Prognos 2012). Der Verweis auf einen maßgeblich durch den demografischen Wandel verursachten Fachkräftemangel führt jedoch häufig zu einer "Demografisierung sozialer Probleme" (Barlösius/Schieck 2007), die andere Erklärungen an den Rand drängt. So ist die professionelle Pflegearbeit in Deutschland seit jeher durch eine eher niedrige berufliche Attraktivität aufgrund geringer Löhne, mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung sowie einem vergleichsweise schwachen Professionalisierungsgrad bei gleichzeitig hohen psycho-physischen Arbeitsbelastungen gekennzeichnet.Was also läge in der gegenwärtigen Pflegekrise näher, als den Pflegeberuf durch Anhebungen des Lohn- und Qualifikationsniveaus aufzuwerten, um den Beruf für Nachwuchskräfte attraktiv zu machen und so dem eklatanten Fachkräftemangel etwas entgegen zu setzen? Stattdessen tauchen seit den 1990er Jahren sukzessive sozial- und pflegepolitische Lösungsvorschläge und -versuche auf, die einer solchen Aufwertungsstrategie fundamental zuwiderlaufen: Da wird von "Pflegeassistenten im Schnellkurs" (vgl. Focus 2008) - dem Einsatz ehemals Langzeitarbeitsloser als "angelernte Helfer" in der stationären Pflege (vgl. SZ 2015) - oder vom Ehrenamt als "neue[m] Standbein im pflegerischen Versorgungsmix" (vgl. ZQP 2013) gesprochen. Die Bundesagentur wirbt außerdem für "pflegerische Alltagshilfen" aus dem Ausland (vgl. BA 2015), und die Bundeskanzlerin lobt pflegende Angehörige als die "stillen Helden der Gesellschaft" (vgl. Ärztezeitung 2014). Statt also die Attraktivität von Pflegearbeit durch Professionalisierung aufzuwerten, ist die sozialpolitische Stä
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Inhaltsverzeichnis zu „Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft “
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Rethinking Exploitation und die Ausbeutung von Laienpflege - 11Kapitel 1: Ein unbequemes Erbe: Der Marx'?sche Ausbeutungsbegriff und die Soziologie- 221.1 Ökonomistische Hardliner und Humanisten - 231.2 Ausbeutung bei Marx: Begriffliche Verwendung und Status - 251.3 Marx' Ausbeutungsbegriff - 291.4 Blockierte Anschlüsse - 391.5 Zwischenfazit: Mit Marx gegen Marx denken - 46Kapitel 2: Ein ehrfurchtsloses Bekenntnis: Analytische Marxisten und Ausbeutung - 502.1 Geläuterte Marxisten - 502.2 Imagine oder die Idee einer besseren Alternative: Der Ausbeutungsbegriff John Roemers - 532.3 Gerald A. Cohen und das schlichte Argument - 642.4 Die Intersektionalität von Ausbeutungsformen bei Erik O. Wright - 662.5 Zwischenfazit: Uneingelöste Versprechen - 72Kapitel 3: Ausbeutung ist keine Männersache: Ausbeutungstheoretische Beiträge feministischer Theoriebildung - 753.1 Eine unglückliche Ehe: Hausfrauen, Proletarier und die feministische Marx-Kritik - 753.2 Exploitation comes home: Zur Bedeutung von Hausarbeit im Kapitalismus - 783.3 Frauen, die letzte Kolonie: Der Bielefelder Subsistenzansatz - 823.4 Ausbeutung von Hausarbeit als Wertminderung - 883.5 Aus der Hausarbeitsdebatte lernen - 913.6 Fluch und Segen: Perspektiverweiterungen im Kontext der Care-Forschung - 933.7 Die Care-Seite des Werts: Externalisierung, Exterritorialisierung und Wert-Abspaltung - 963.8 Zwischenfazit: Feministische Theorie als Vademekum - 99Kapitel 4: Schließung, Rentenbildung, Exklusion: Alternativen zu Ausbeutung? - 1024.1 Ausbeutung in der Sozialstrukturanalyse: Ein toter Klassiker - 1024.2 Geschlossene Gesellschaft: Die Theorie sozialer Schließung - 1044.3 Vorteile durch Marktversagen: Rentenbildung - 1114.4 Die bevölkerten Randzonen der Gesellschaft: Exklusion - 1164.5 Die Synthese von Ausbeutung und Ausschließung - 1194.6 Zwischenfazit: Ausschluss als Komplement von Ausbeutung - 134Kapitel 5: Die Ausbeutungsdynamik von Nutzung durch Ausschluss - 1355.1 Keeping it
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simple: Ein basales Ausbeutungsverständnis - 1355.2 Schritte zu einer Soziologie der Ausbeutung von Sorgearbeiten - 1385.3 Was bisher geschah: Bilanz der theoretischen Exkursionen - 1395.4 Ausbeutung und Ausschluss: Ein Arbeitskonzept - 144Kapitel 6: Die Altenpflegekrise und die Ausbeutung der Care-Reserve - 1576.1 Die Demografisierung sozialer Spannungsverhältnisse - 1576.2 Pflege im Kontext der Krise des deutschen Reproduktionsmodells - 1616.3 Beruf oder Berufung? Altenpflege als unvollständige Profession und weiblich-fürsorgliches Stammterrain - 1646.4 Gendering the welfare state: Die privatistisch-familialistische Pflegekultur des deutschen Sozialstaats - 1776.5 Die Einführung der sozialen Pflegeversicherung - 1856.6 Wachsender Hilfebedarf versus abnehmendes Helferpotenzial: Die steigende Bedeutung informeller Netzwerke - 197Kapitel 7: Ausbeutung empirisch untersuchen: Bemerkungen zum methodischen Vorgehen - 2057.1 Ausbeutung als relational work - 2057.2 Ein triangulierendes Vorgehen - 2077.3 Sampling - 2097.4 Felderschließung - 2107.5 Datenerhebung und Aufbereitung - 2137.6 Die Auswertung des Materials - 2197.7 Fallkonstruktion - 222Kapitel 8: Geschichten gegen das Heldentum: Pflegende Angehörige als Dienstboten der Nation - 2238.1 Direkte und indirekte Interventionen des Gesetzgebers für eine Sozialpolitik aus der Nähe - 2258.2 Stille Heldinnen oder stille Opfer? Drei Fallbeispiele - 2388.3 Die Aktiv(iert)e: Was ich raushole, das kann ich auch reinbringen - 2398.4 Die Dienstbotin: Sie sind Dienstleistung. Sie sind immer in Bewegung. Und sie machen das eigentlich für nichts. - 2498.5 Die Einzelkämpferin: Sie hat Pflegestufe drei, meine Tochter, aber wir machen alles selbst. - 2598.6 Zwischenfazit: Eine Sozialpolitik mit Risiken und Nebenwirkungen - 267Kapitel 9: The shadow state: Freiwillig Engagierte in der Pflege - 2739.1 Totgesagte leben länger: Wiederentdecktes Engagement im Rhythmus gesellschaftlicher Krisenzyklen - 2739.2 An Ensemble of Superwomen: Die Fallbeispiele - 2899.3 Ein Gemeinwohlunternehmen - 2919.4 Eine ehemalige Pflegehilfskraft: Jetzt als Erwerbsunfähiger mit meinen 700 Euro Rente, ich muss ja auch noch nebenbei ein bisschen was machen. - 3009.5 Die Degradierte: Du wirst noch gebraucht. Ich denke, das war einfach für mich auch so das ganz, ganz Wichtige. - 3069.6 Die Unruheständlerin: Ich muss immer irgendwas tun, und ich bin auch immer am Gucken. - 3129.7 Zwischenfazit: Der Kitt, der unsere Demokratie zusammenhält - 317Kapitel 10: Dieses Potenzial müssen wir aktivieren: Langzeitarbeitslose in der Altenpflege - 32210.1 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik und Pflegekrise - 32210.2 Ausbeutung in der stationären und ambulanten Pflege: Die Fallbeispiele - 33210.3 Eine stationäre Pflegeeinrichtung: ... dass wir immer noch hier die geringsten Pflegesätze haben ... - 33510.4 Spezifika ambulanter Pflege - 34510.5 Die Arbeitsvermittlung: ... dass nicht immer eine entsprechende Ausbildung vorliegen muss, um in diesem Bereich arbeiten zu können. - 35510.6 Zwischenfazit: Letztlich steht und fällt alles mit dem Pflegepersonal. Das ist ja der höchste Kostenfaktor ... - 365Kapitel 11: Sklavinnen des 21. Jahrhunderts: Osteuropäische Pflegekräfte in deutschen Pflegehaushalten - 37011.1 Swept Under the Rug: Die Rückkehr der Dienstmädchen - 37111.2 Migrantische Pflegekräfte: Eine dienstbare Alternative - 37511.3 Die Fallbeispiele: Jederzeit in guten Händen - 39211.4 Das Gruppengespräch: Das ist Sklaverei des 21. Jahrhunderts - so nennen wir es. - 39311.5 Eine Pflegekraft: Ich schlafen mit Oma zusammen - ich nicht schlafen. - 40211.6 Ein Arbeitgeber: Ärmere Gegenden - da steht Familiensinn noch hoch im Kurs. - 40611.7 Zwischenfazit: Poor services for poor people? - 412Kapitel 12: Fazit oder: Die Ausbeutung der Care-Reserve als Kaskadeneffekt - 41912.1 Theoretische Abstraktion und empirische Untersuchung - 41912.2 Zurück zu den Anfängen - 42012.3 Die kaskadenförmige Ausbeutung von Laienpflege - 43612.4 Ausblick: Community Capitalism - 450Schluss: Für eine Profanierung des Ausbeutungsbegriffes - 455Anhang - 463Danksagung - 495
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Autoren-Porträt von Tine Haubner
Tine Haubner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Politische Soziologie des Instituts für Soziologie an der Universität Jena.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tine Haubner
- 2017, 495 Seiten, Maße: 15,6 x 22,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593507358
- ISBN-13: 9783593507354
- Erscheinungsdatum: 02.06.2017
Pressezitat
»Ein absolut lesenswertes Buch, das den Zustand der Gesellschaft und der Pflege sozialkritisch untersucht. Was das Buch vor allem so interessant macht, ist der Blick auf die Pflege mit den Augen einer anderen Profession: Es tauchen unerwartete Aspekte, die im Rahmen der Pflege- und Rechtswissenschaft bisher noch nicht bewertet wurden.« Isabel Romy Bierther, socialnet.de, 22.05.2018»Eine junge Wissenschaftlerin geht mit der deutschen Pflegepolitik hart ins Gericht. Sie setze gezielt auf Laienpfleger, um Kosten zu sparen. Die Zeche zahlten die Angehörigen.«, Frankenpost, 19.07.2017
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