Die erste Leiche vergisst man nicht
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''... spannender und eindrücklicher als jeder Krimi im Fernsehen.''
Ludwigsburger Kreiszeitung
Die ersteLeiche vergisst man nicht herausgegeben von Volker Uhl
LESEPROBE
vonSteffen Pudimat, Berlin
Ich bin auf dem Weg in das Geschäftszimmer. Ein ungutes Gefühlhat sich in mir breit gemacht. Das Gefühl erwacht immer, wenn ich diesen Gangentlanglaufe, denn hierher gerufen zu werden, bedeutet gewöhnlich Ärger. Dabeibin ich mir keiner Schuld bewusst. Ich bin ein guter Polizist, genau wie meinVater und Großvater es waren.
Da ist die Tür, ich höre mein Klopfen. Es ist ein gutes Klopfen,finde ich. Nicht zu zaghaft und nicht zu forsch, genau das richtige Maß.
»Herein«, tönt eine Frauenstimme.
Ich bin fast erleichtert und drücke die Klinke herunter. ZweiAugenpaare starren mich an. Ein gütiges und das eines Dobermanns. Die Augen desHundes gehören meinem Vorgesetzten.
»Ich möchte, dass du dein Verwarngeld abrechnest«, bittetmich seine Sekretärin. Verwarngeld wird von Bürgern gezahlt, dieVerkehrsverstöße begehen oder Unfälle verursachen. Der Polizei steht es jedochfrei, auch mündliche Verwarnungen auszusprechen.
»Das geht schnell, ich habe kein Geld gemacht«, antworteich.
Die Frau schlägt sich die Hände vors Gesicht.
Der Rassehund schnappt nach Luft. »Wie lange sind Sie dennschon bei uns?«, lauert er.
»Was hat es denn damit zu tun?«, frage ich, um Zeit zu gewinnen.
»Antworten Sie gefälligst!«
»Einen Monat und zwei Wochen«, rechne ich laut.
»Sie sind einen Monat und zwei Wochen hier und haben es nochnicht geschafft, Verwarngeld zu erheben?«
Ich verwandele mich langsam. Zunächst spüre ich nur einleichtes Kribbeln in meinen Fingern. Dann laufen die Nägel blau an undbeginnen, zu wachsen. »Ich konnte das bisher auf meine Art regeln.«
Die Hundeaugen streifen meine Schulterstücke. »Sie sindPolizeikommissar und verpflichtet, sämtliche Verkehrsverstöße zu ahnden. HabenSie noch nie einen Verkehrsunfall aufgenommen?«
Am Körper sprießen jetzt überall Haare, es juckt fürchterlich.Meine Körpermasse nimmt langsam zu, das Uniformhemd spannt bedenklich amRücken. »Ich rede lieber mit den Menschen, anstatt die Hand aufzuhalten. Wenn jemandeinen Verkehrsunfall verursacht, hat er genug Ärger, und es reicht, wenn ichihn mündlich verwarne.« Das Uniformhemd zerreißt mit einem lauten Ratschen.
»Sind Sie denn noch ganz bei Trost?« Mein Chef beginnt zubellen. »Es gibt eine Dienstanweisung der Polizeipräsidentin. Bei allenVerstößen wird kassiert. Wenn Sie das nicht kapieren, müssen wir es Ihnenanders beibringen.«
Meine Eckzähne sind lang und spitz geworden, sie ragen überdie Unterlippe. Merkwürdig, dass es niemand zu bemerken scheint. »Ich glaube,wir haben ein unterschiedliches Verständnis von Polizeiarbeit«, versuche ichmich zu rechtfertigen. Speichel tropft dabei aus meinem Mund.
»Ich werde mir das mit Ihnen noch eine Weile anschauen. Wennsich nichts ändert, müssen wir uns wohl noch einmal unterhalten und die ganzeSache schriftlich fixieren. Man kann Sie wegen Arbeitsverweigerung belangen undein Entlassungsverfahren einleiten!«
»Das ist mir egal, davor habe ich keine Angst«, kann ich nochsagen. Dann schnellt meine Hand vor und verschwindet mit einem schmatzendenGeräusch in der Brust meines Gegenübers. Meine Klaue umklammert sein Herz undreißt es aus dem Körper. Erschrocken halte ich den hässlichen Klumpen vor meinGesicht.
Der Mann läuft dunkelrot an. »Sie können dann gehen«,
meint er ruhig. Benommen verlasse ich das Geschäftszimmer.
Einige Minuten später erhalte ich den Auftrag, Geschwindigkeitskontrollendurchzuführen. Drei meiner Kollegen müssen mich begleiten, um die Durchführungzu überwachen. Als ich das Herz unterwegs in eine Mülltonne werfe, fällt mirein, dass ich meinen Verwarngeldblock auf der Wache vergessen habe. Das unguteGefühl ist mit einem Mal verschwunden.
© Piper Verlag GmbH
- Autor: VOLKER (HRSG.) UHL
- 2005, 12. Aufl., 224 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Volker Uhl
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 349224503X
- ISBN-13: 9783492245036
- Erscheinungsdatum: 01.09.2005
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