Die Frau im Mond
Roman
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Produktinformationen zu „Die Frau im Mond “
Klappentext zu „Die Frau im Mond “
"In zwei Stunden gelesen. Geweint, glücklich gewesen (...). Wunderbar!" Elke Heidenreich in Lesen!Milena Agus erzählt in ihrem kleinen preisgekrönten Roman die Geschichte einer sardischen Großmutter, die als junges Mädchen so von der Sehnsucht erfüllt war, die große Liebe zu erfahren, dass sie mit ihren anzüglichen Liebesbriefen sämtliche Verehrer vertrieb. Als reife, unglücklich verheiratete Frau trifft sie den Mann ihrer Träume. Eine Liebeserklärung an das ganz große Gefühl, an Sardinien und an eine einzigartige Großmutter und deren verblüffendes Lebensgeheimnis.
Ab 2. März 2017 im Kino!
Lese-Probe zu „Die Frau im Mond “
Die Frau im Mond von Milena Agus1
Großmutter lernte den Reduce im Herbst 1950 kennen. Zum ersten Mal in ihrem Leben betrat sie das italienische Festland. Sie ging auf die vierzig zu und hatte noch immer keine Kinder, weil die Nierensteine ihr in den ersten Monaten jeder Schwangerschaft Fehlgeburten bescherten. In einem sackartigen Mantel und mit hochhackigen Schnürschuhen, in der Hand den Koffer ihres Mannes, mit dem er Jahre zuvor als Evakuierter in ihr Dorf gekommen war, wurde Großmutter auf die Reise zu den Thermen geschickt. Dort sollte sie ihr Steinleiden kurieren.
2
Großmutter heiratete erst spät, im Juni 1943, kurz nachdem die Amerikaner Cagliari bombardiert hatten. Eine Frau, die damals mit dreißig Jahren noch nicht unter der Haube war, wurde praktisch als alte Jungfer angesehen. Nicht dass Großmutter hässlich gewesen wäre oder es ihr an Verehrern gemangelt hätte, keineswegs. Es war nur so, dass die Bewerber sie jeweils ab einem gewissen Punkt seltener besuchten, bis sie schließlich ganz ausblieben, ohne bei meinem Urgroßvater um ihre Hand angehalten zu haben.
»Liebes Fräulein, aufgrund von höherer Gewalt kann ich leider nächsten Mittwoch nicht zu Besuch kommen, was ich zutiefst bedaure, doch es ist mir unmöglich.«
Also erwartete Großmutter den Verehrer am über- nächsten Mittwoch, doch stattdessen kam jedes Mal ein kleines Mädchen, um einen Brief zu überbringen, in dem der angekündigte Besuch abermals verschoben wurde, bis schließlich auch die Briefe ausblieben.
Mein Urgroßvater und seine Schwestern hatten Großmutter sehr gern, auch wenn sie ihnen schon etwas altjüngferlich erschien. Meine Urgroßmutter hingegen behandelte sie so hart und streng, als wäre sie nicht ihr eigen Blut.
Am Sonntag, wenn die anderen Mädchen den Gottesdienst besuchten
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oder mit ihren Verlobten Arm in Arm auf der Allee flanierten, schlang Großmutter sich die Haare zu einem schweren Knoten – sie hatte noch dichtes schwarzes Haar, als sie schon eine alte Frau und ich ein kleines Mädchen war; wie mochte es erst früher gewesen sein? – und ging in die Kirche, um Gott zu fragen, warum er nur so ungerecht sei und es ihr verwehre, die Liebe kennenzulernen. Die Liebe sei doch die herrlichste Sache der Welt, die einzige, die es wert sei, ein Leben zu führen, bei dem man früh um vier aufsteht, um die Hausarbeit zu verrichten, dann aufs Feld geht und später in die Stickschule – die langweiligste Sache der Welt –, dann mit dem Krug auf dem Kopf am Brunnen Trinkwasser holt, und bei dem man alle zehn Tage die ganze Nacht aufbleibt und Brot backt, um am Morgen wieder den Wassereimer aus dem Brunnen zu ziehen und die Hühner zu füttern. Wenn Gott nicht bereit sei, sie mit der Liebe bekannt zu machen, solle er sie eben sterben lassen, auf welche Weise auch immer.
Der Priester, der ihr die Beichte abnahm, sagte, dass solche Gedanken eine große Sünde seien und dass es auf der Welt unzählige andere Dinge als die Liebe gebe, aber diese anderen Dinge konnten Großmutter gestohlen bleiben.
Eines Tages erwartete meine Urgroßmutter sie mit der Handpumpe, mit der sie immer den Hof besprengten, und schlug mit dem Gerät auf sie ein, bis Großmutters Kopf mit Wunden übersät war, woraufhin sie hohes Fieber bekam. Meiner Urgroßmutter war zu Ohren gekommen, was man sich im Dorf erzählte: Der Grund dafür, dass die Bewerber nach einer gewissen Zeit fernblieben, sei der, dass Großmutter ihnen feurige Liebesgedichte schreibe, die nicht ganz frei von anzüglichen Anspielungen seien. Damit besudelte Großmutter nach Ansicht ihrer Mutter nicht nur sich selbst, sondern den Ruf der ganzen Familie. Während sie auf ihre Tochter eindrosch, brüllte sie: »Dimonia! Dimonia! Du Teufelin!«, und sie verfluchte den Tag, an dem sie Großmutter in die Grundschule geschickt hatten, wo sie lesen und schreiben gelernt hatte.
3
Im Mai 1943 kam mein Großvater ins Dorf. Er war jenseits der vierzig und Angestellter in der Saline von Cagliari. In der Via Giuseppe Manno hatte er ein schönes Haus besessen, unmittelbar neben der Kirche San Giorgio e Santa Caterina gelegen; von dort aus hatte man eine wunderbare Aussicht über die Dächer der Marina bis hin zum Meer. Nach dem Bombardement, das am 13.Mai stattfand, blieb weder von der Kirche noch von diesem Haus, noch von allen anderen Gebäuden in der Nachbarschaft etwas übrig – bis auf einen riesigen Trümmerhaufen.
Die Familie meiner Großmutter nahm diesen anständigen Herrn bereitwillig auf, der, für damalige Verhältnisse nicht mehr der Jüngste und obendrein Witwer, vom Kriegsdienst befreit war. Mit jenem geliehenen Koffer also, den er mit ein paar aus den Trümmern geretteten Habseligkeiten gefüllt hatte, kam er im Dorf meiner Großmutter an. Es verstand sich von selbst, dass er unentgeltlich im Haus wohnen durfte und verköstigt wurde.
Bereits im Juni hielt er um Großmutters Hand an. In jenem Monat vor der Hochzeit weinte sie den lieben langen Tag. In ihrer Verzweiflung fiel sie vor meinem Urgroßvater auf die Knie und beschwor ihn, Nein zu sagen, unter dem Vorwand, dass sie bereits einem anderen versprochen sei, der in den Krieg gezogen sei. Falls man sie im Haus partout nicht mehr haben wolle, sei sie zu allem bereit, etwa nach Cagliari zu gehen und sich dort Arbeit zu suchen.
»Die Leute kommen aus Cagliari hierher, Kind«, sagte mein Urgroßvater, »und du willst in die Stadt ziehen! Dort gibt es nichts mehr zu tun, was willst du denn machen?«
»Sie ist verrückt«, schrie meine Urgroßmutter, »vollkommen verrückt! Will doch tatsächlich in die Stadt gehen und dort als Hure arbeiten, denn etwas anderes kann sie sowieso nicht! Sie hat von nichts eine Ahnung, aber den Kopf voller Flausen, und das war schon so, als sie noch ein kleines Mädchen war!«
Es wäre ein Leichtes gewesen, einen Verlobten zu erfinden, der irgendwo an der Front war: in den Alpen, in Libyen, Albanien, im Ägäischen Meer oder auch bei der Regia Marina, der Königlichen Italienischen Marine. Ein Kinderspiel wäre es gewesen, aber meine Urgroßeltern wollten nichts davon wissen.
Also sagte Großmutter ihrem zukünftigen Ehemann, dass sie ihn nicht liebe und ihm niemals eine richtige Frau sein könne. Großvater versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen müsse – auch er liebe sie nicht. Somit wussten beide, woran sie waren. Und was die Sache mit der richtigen Frau anbelangte, hatte er ebenfalls vollstes Verständnis. Er würde eben weiter das Bordell im Hafenviertel von Cagliari besuchen, so wie er es schon immer getan hatte, seit er ein junger Mann war, ohne sich dabei jemals eine Krankheit zugezogen zu haben. Aber nach Cagliari kehrte er mit Großmutter, seiner Frau, bis 1945 nicht zurück.
Also schliefen die Großeltern wie Bruder und Schwester im Gästezimmer, das reich ausgestattet war: ein großes, hohes schmiedeeisernes Bett mit Intarsienarbeiten aus Perlmutt, darüber an der Wand ein Bild mit der Madonna und dem Kind, auf der Kommode eine Kaminuhr unter einer Glasglocke, ein Waschtisch mit Schüssel und Krug, ein Spiegel, den eine gemalte Blume zierte, und unter dem Bett ein Nachttopf aus Porzellan.
© dtv
Übersetzung: Monika Köpfer
Der Priester, der ihr die Beichte abnahm, sagte, dass solche Gedanken eine große Sünde seien und dass es auf der Welt unzählige andere Dinge als die Liebe gebe, aber diese anderen Dinge konnten Großmutter gestohlen bleiben.
Eines Tages erwartete meine Urgroßmutter sie mit der Handpumpe, mit der sie immer den Hof besprengten, und schlug mit dem Gerät auf sie ein, bis Großmutters Kopf mit Wunden übersät war, woraufhin sie hohes Fieber bekam. Meiner Urgroßmutter war zu Ohren gekommen, was man sich im Dorf erzählte: Der Grund dafür, dass die Bewerber nach einer gewissen Zeit fernblieben, sei der, dass Großmutter ihnen feurige Liebesgedichte schreibe, die nicht ganz frei von anzüglichen Anspielungen seien. Damit besudelte Großmutter nach Ansicht ihrer Mutter nicht nur sich selbst, sondern den Ruf der ganzen Familie. Während sie auf ihre Tochter eindrosch, brüllte sie: »Dimonia! Dimonia! Du Teufelin!«, und sie verfluchte den Tag, an dem sie Großmutter in die Grundschule geschickt hatten, wo sie lesen und schreiben gelernt hatte.
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Im Mai 1943 kam mein Großvater ins Dorf. Er war jenseits der vierzig und Angestellter in der Saline von Cagliari. In der Via Giuseppe Manno hatte er ein schönes Haus besessen, unmittelbar neben der Kirche San Giorgio e Santa Caterina gelegen; von dort aus hatte man eine wunderbare Aussicht über die Dächer der Marina bis hin zum Meer. Nach dem Bombardement, das am 13.Mai stattfand, blieb weder von der Kirche noch von diesem Haus, noch von allen anderen Gebäuden in der Nachbarschaft etwas übrig – bis auf einen riesigen Trümmerhaufen.
Die Familie meiner Großmutter nahm diesen anständigen Herrn bereitwillig auf, der, für damalige Verhältnisse nicht mehr der Jüngste und obendrein Witwer, vom Kriegsdienst befreit war. Mit jenem geliehenen Koffer also, den er mit ein paar aus den Trümmern geretteten Habseligkeiten gefüllt hatte, kam er im Dorf meiner Großmutter an. Es verstand sich von selbst, dass er unentgeltlich im Haus wohnen durfte und verköstigt wurde.
Bereits im Juni hielt er um Großmutters Hand an. In jenem Monat vor der Hochzeit weinte sie den lieben langen Tag. In ihrer Verzweiflung fiel sie vor meinem Urgroßvater auf die Knie und beschwor ihn, Nein zu sagen, unter dem Vorwand, dass sie bereits einem anderen versprochen sei, der in den Krieg gezogen sei. Falls man sie im Haus partout nicht mehr haben wolle, sei sie zu allem bereit, etwa nach Cagliari zu gehen und sich dort Arbeit zu suchen.
»Die Leute kommen aus Cagliari hierher, Kind«, sagte mein Urgroßvater, »und du willst in die Stadt ziehen! Dort gibt es nichts mehr zu tun, was willst du denn machen?«
»Sie ist verrückt«, schrie meine Urgroßmutter, »vollkommen verrückt! Will doch tatsächlich in die Stadt gehen und dort als Hure arbeiten, denn etwas anderes kann sie sowieso nicht! Sie hat von nichts eine Ahnung, aber den Kopf voller Flausen, und das war schon so, als sie noch ein kleines Mädchen war!«
Es wäre ein Leichtes gewesen, einen Verlobten zu erfinden, der irgendwo an der Front war: in den Alpen, in Libyen, Albanien, im Ägäischen Meer oder auch bei der Regia Marina, der Königlichen Italienischen Marine. Ein Kinderspiel wäre es gewesen, aber meine Urgroßeltern wollten nichts davon wissen.
Also sagte Großmutter ihrem zukünftigen Ehemann, dass sie ihn nicht liebe und ihm niemals eine richtige Frau sein könne. Großvater versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen müsse – auch er liebe sie nicht. Somit wussten beide, woran sie waren. Und was die Sache mit der richtigen Frau anbelangte, hatte er ebenfalls vollstes Verständnis. Er würde eben weiter das Bordell im Hafenviertel von Cagliari besuchen, so wie er es schon immer getan hatte, seit er ein junger Mann war, ohne sich dabei jemals eine Krankheit zugezogen zu haben. Aber nach Cagliari kehrte er mit Großmutter, seiner Frau, bis 1945 nicht zurück.
Also schliefen die Großeltern wie Bruder und Schwester im Gästezimmer, das reich ausgestattet war: ein großes, hohes schmiedeeisernes Bett mit Intarsienarbeiten aus Perlmutt, darüber an der Wand ein Bild mit der Madonna und dem Kind, auf der Kommode eine Kaminuhr unter einer Glasglocke, ein Waschtisch mit Schüssel und Krug, ein Spiegel, den eine gemalte Blume zierte, und unter dem Bett ein Nachttopf aus Porzellan.
© dtv
Übersetzung: Monika Köpfer
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Autoren-Porträt von Milena Agus
Agus, MilenaMilena Agus wurde 1959 als Kind sardischer Eltern in Genua geboren. Heute lebt sie in Cagliari auf Sardinien. Ihr Weltbestseller 'Die Frau im Mond' (2007) wurde 2016 mit Marion Cotillard verfilmt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Milena Agus
- 2017, 136 Seiten, Maße: 11,8 x 19,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Köpfer, Monika
- Übersetzer: Monika Köpfer
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423137363
- ISBN-13: 9783423137362
Rezension zu „Die Frau im Mond “
"Eine rührende Liebeserklärung an das ganz große Gefühl."eco.nova - Das Wirtschaftsmagazin Juni-August 2009
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