Die Goldschmiedin
Augsburg im Jahre 1742: Zur Krönung Kaiser Karls VII. soll der berühmte Goldschmied Drentwett binnen kürzester Frist die Hauskrone erschaffen. Doch eine heimtückische Krankheit raubt ihm...
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Augsburg im Jahre 1742: Zur Krönung Kaiser Karls VII. soll der berühmte Goldschmied Drentwett binnen kürzester Frist die Hauskrone erschaffen. Doch eine heimtückische Krankheit raubt ihm sein Augenlicht. Die junge Magd Juliane ist seine einzige Rettung. Im Verborgenen lehrt er sie die Kunst des Goldschmiedens. Aber schon bald bekommt sie die Drohungen eines unbekannten Widersachers zu spüren.
- Ein historischer Roman der Extraklasse. Atmosphärisch, üppig, lebendig
- Mit Kartenmaterial, historischen Abbildungen und Glossar
Die Goldschmiedin von Sina Beerwald
LESEPROBE
1. Tag
Sonntag,28. Januar 1742,
noch 15Tage bis zur Krönung
Ich habebenso Verstand wie ihr und bin nicht
geringerals ihr; wer wüsste das nicht?
Hiob 12,3
Dienächtlichen Schatten wichen der aufgehenden Wintersonne, als die erstenGlockenschläge über Augsburg erklangen. Milchige Lichtstrahlen schoben sich zumFenster der Goldschmiede herein, gaben dem Tisch seine Konturen zurück, erhelltenden Dielenboden und das Werkzeug an der Wand. Juliane schaute auf. ImNachbarhaus regten sich die ersten Stimmen und vermischten sich mit denGeräuschen der erwachenden Stadt. Ein Fuhrwerk zog vorbei, die Pferdeschnaubten und die Räder pflügten mit malmendenSeufzern Spuren in den frischen Schnee.
Julianeunterdrückte ein Gähnen und legte das Fangleder auf ihrem Schoß zurecht, damitkein Gran des kostbaren Silbers verloren ginge. Auch in dieser Nacht war ihrBett kalt geblieben. Sie atmete tief durch. Ihr Rücken schmerzte, die Augen branntenund selbst die Finger wollten ihr nicht mehr gehor- chen. Wie gerne hätte sie sich jetzt ausgeruht und dieArbeit einfach vergessen, sich in ihr behagliches Federbett gelegt und geschlafen.Doch der Brief des Römischen Königs und künftigen Kaisers lag auf der Werkbankund gemahnte sie an ihre Disziplin. Nur noch fünfzehn Tage und Nächte, bisdahin mussten alle kaiserlichen Wünsche erfüllt und die Hauskrone erschaffen sein.Und noch in dieser Stunde wollte sie ihrem Meister beweisen, dass eineGoldschmiedsmagd ebenso viel leisten konnte wie ein Geselle. Der Meister durfteseine Entscheidung nicht bereuen, sie bei sich aufgenommen zu haben.
Juliane zogdie mit Wasser gefüllte Glaskugel näher, in der sich das schwache Morgenlichtbündelte. Es fiel auf ein Ornament aus dünnen Silberdrähten, das vor ihr aufdem zerfurchten Holztisch lag. Juliane warf einen letzten Blick in dasMusterbuch, in dem mit erfahrener Hand eine Zeichnung angefertigt worden war.Sie wollte ganz sicher gehen. Es musste perfekt werden. Der schwierigsteArbeitsgang stand ihr unmittelbar bevor. Noch nie hatte sie diesen Schrittselbst ausgeführt, sie könnte das silbern schimmernde Ergebnis dieser Nacht miteinem Schlag zunichtemachen.
Vor ihrlagen zahllose Blüten, Blätterranken und Zierdrähte, die sich nach dem Löten zueinem prächtigen Buchbeschlag für die Hausbibel des Kaisers vereinen sollten -oder bei zu starker Hitze zur Unkenntlichkeit verschnurren würden. Juliane hob diefiligran geformten Kunstwerke auf einen Holzkohlescheit, ließ genügend Tragant darüberfließen und schobdie Teile in der zähflüssigen Masse in die richtige Lage. Nachdem der Brei leichtangetrocknet war, bepinselte sie das zarte Drahtwerk mit Boraxlösung undstreute die Lotpaillen darüber.
Dass mitdem Silber womöglich etwas nicht stimmte, durfte sie sich gar nicht vorstellen.Es erschien ihr leicht rötlich, es war nur ein Hauch, aber genug, um ihreohnehin blank liegenden Nerven anzugreifen. Der Gedanke an minderwertiges,sogar verbotenes Silber keimte in ihr auf. Aber das war ausgeschlossen, schließlichstammte es vom königlich-kaiserlichen Boten, der ihnen vor zwei Tagen die ersteCharge Schmelzsilber überbracht hatte. Trotzdem war irgendetwas damit nicht inOrdnung. Sie beschloss dem Meister ihren Verdacht mitzuteilen, falls er heutegeneigt sein würde, mit ihr zu sprechen.
Gedankenverlorenverfolgte Juliane die verschlungenen Pfade ihres silbernen Buchbeschlags.Während sie das Öl in der Lötlampe entzündete und nach dem Lötrohr griff, hieltsie unwillkürlich die Luft an. Sie schmeckte das trockene Holzmundstück anihren Lippen, rückte ihr Kunstwerk noch einmal mit den Fingerspitzen zurecht,und nach einem flehenden Blick zur Decke stieß sie den Atem durch das dünneRohr. Eine gelbe Feuerzunge schoss hervor, rauschte über die silberne Fläche, undals sie die Augen öffnete, offenbarte sich das angerichtete Unheil. Das Silberwar zu heiß geworden, die glatte Oberfläche hatte sich zu eigenwilligen Formengefaltet, glich der Haut eines Greises. Juliane starrte den Buchbeschlag mitgeweiteten Augen an. Das durfte nicht wahr sein. Die Blüte in der Mitte war biszur Unkenntlichkeit verschmolzen, die Blätterranken wie Herbstlaubzusammengefallen und die Zierdrähte hatten nur noch Ähnlichkeit mit Wurzelwerk.Fassungslos schob sie das Lötrohr beiseite. Aus und vorbei. Die nächtelange Arbeitvergebens.
Auch indieser Nacht habe ich dich beobachtet, meine Sonne. Jeden deiner Handgriffe,während du an der Werkbank sitzt und ein Kunstwerk aus deinen Händen entsteht.Es wird dir nicht gelingen, das weiß ich. Du wirst das missglückte Stück wiederüber dem Feuer einschmelzen müssen und mit einem Lächeln werde ich zusehen, wiedeine Träume zerfließen. Deine Arbeit wird auch dieses Mal nicht von Erfolggekrönt sein. Die zahllosen Stunden, in denen du gebeugt über dem Brett sitzt,die Hoffnungen, die du dir vergebens machst - ein wunderbares Gefühl. DeineVerzweiflung wird meine Wunden lecken und ich werde mich an deinem Kummerweiden, weil es das Einzige ist, was mich noch glücklich macht. Ich komme meinemZiel immer näher. Doch leider ein wenig zu langsam, denn du bist beharrlich unddickköpfig. Und das macht mich ungeduldig. Du bist sehr geschickt, aber dumusst auf deine zarten Fingerchen achtgeben. Wenn dusie zu weit ausstreckst, berührst du Dinge, die dich nichts angehen, und daskönnte ziemlich unangenehm für dich werden.
Ich habeeinen guten Rat für dich, meine Sonne: Gib auf, bevor ich dich dazu zwingenmuss.
NachdemJuliane eine Weile reglos dagesessen hatte, erhob sie sich mit schweren Beinen,um ihr Meisterstück in einen der bereitstehenden Schmelztiegel bei derFeuerstelle zu werfen. Dabei vergaß sie das Fangleder auf ihrem Schoß. Wie einfeiner Regenschauer fielen die kostbaren Silberstückchen auf den Boden undverschwanden in den trockenen Rissen des Dielenholzes. Ihr Blick schossinstinktiv zur Tür. Hatte sie eben die Schritte des Meisters gehört? Schnellließ sie ihr verunstaltetes Werk in einem Schmelztiegel verschwinden, bevor sieniederkniete, um in fieberhafter Eile ein Körnchen nach dem anderen aufzusammeln.
»GutenMorgen, Blümlein. Hörst du schlecht? Ich habe nach dir gerufen.«
Julianefuhr herum und schaute zu Meister Drentwett auf, dermit verschränkten Armen wie das Abbild eines Reiterdenkmals in der Tür stand.Seine wuchtige Gestalt und die straffe Haltung hätten jedem Feldherrn zur Ehregereicht. Einzig die nachlässig frisierte Perücke und die schief geknöpftegoldfarbene Seidenweste gaben ihm menschliche Züge. Sein Blick irrte durch denRaum. »Blümlein? Komm sofort her und hilf mir. Ich kann meinen Ausgehrock nichtfinden.«
Julianeräusperte sich. »Ich sitze hier auf dem Boden.«Zaghaft fügte sie hinzu: »Könnt Ihr mich vielleicht nicht mehr richtig sehen,Meister Drentwett?« Schonseit Tagen hegte sie diesen Verdacht, hatte ihn aber bisher nicht auszusprechengewagt. Stattdessen hatte sie in den letzten Nächten für zwei gearbeitet. Heimlich.Denn er erklärte seine wellenförmigen Teller, ovalen Trinkpokale und verzogenenBesteckgabeln nach wie vor für formvollendet und eines Kaisers würdig.
Ihrwiederum fehlte es neben der Routine am nötigen Wissen, denn der Meister hüteteseine Kenntnisse wie sein vergoldetes Werkzeug. Kein Wort der Erklärung kam jeüber seine Lippen. Jeden Handgriff musste sie sich bei ihm abschauen, jeder Bewegungnachlauern, wissend, dass er sie nur duldete wie ein König seine Mätresse.Seine Gunst konnte jeden Augenblick ein Ende haben.
EineZornesfalte erschien auf der Stirn des Meisters. »Ich pflege meine Augen nichtauf Bettler zu richten, also erheb dich gefälligst und hilf mir.«
Julianestand auf. Unwillkürlich schloss sich ihre Hand um die aufgesammeltenSilberkörnchen. »Gewiss, Meister Drentwett. Abernennt mich nicht immer Blümlein. Ich habe einen richtigen Namen.«
»Namen sindnur dazu da, dass der Mensch sie vergessen kann. Du wiederum solltest dichdaran erinnern, deinem Meis- terdienstbar zu sein und ihm aufs Wort zu gehorchen. Außerdem ist Blümlein dochein hübscher Name, ich weiß gar nicht, was du hast.«
Juliane lageine Erwiderung auf der Zunge, aber sie blieb stumm.
»Was hastdu überhaupt die ganze Nacht gemacht? Wieder einmal aus dem kostbaren Materialdes Händlers Kunstwerke für den Misthaufen geschaffen? Hätte dich dein Vaternicht irgendwo in der Kirche unterbringen können? Ist ihm als Pfarrer nichtsBesseres eingefallen?«
Esverletzte sie, wie abfällig er von ihrem geliebten Vater sprach, um den sieseit einigen Monaten trauerte, und den sie so sehr vermisste. »Aber Ihr habtdoch zugestimmt, dass ich als Goldschmiedsmagd bei Euch lernen darf.«
»Weil ichklug genug war, mich nicht dem letzten Willen deines Vaters zu widersetzen! EinGoldschmied, der das Testament eines Pfarrers missachtet - glaubst du, ichwürde noch einen Auftrag bekommen?«
Julianeschwieg und ballte ihre Hände zu Fäusten. Aus ihr würde eine Goldschmiedinwerden, ihr Vater hatte ihr diesen Weg geebnet und nun wollte sie ihn gehen.Niemand hatte behauptet, dass es einfach werden würde.
»Ich willwissen, was du heute Nacht in der Werkstatt getrieben hast! Wenn einer derVerordneten vom Handwerksgericht das Licht gesehen hat man wird uns Fragenstellen! Ganz abgesehen davon versteht der Rat keinen Spaß, was nächtlicheArbeit angeht, das weißt du! Da braucht kein Weibsbild am Brett gesessen zu haben.«
© HeyneVerlag
- Autor: Sina Beerwald
- 2007, 463 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453265424
- ISBN-13: 9783453265424
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