Die große Liebe
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''Eine schöne, meisterhaft erzählte Liebesgeschichte.''
Die Zeit
Der Beginn einer Obsession: Zwei, die eigentlich mit beiden Beinen im Leben stehen, lernen sich an der italienischen Adria-Küste kennen und verfallen einander. Sie erkennen, dass sie füreinander geschaffen sind - eine Erfahrung, die keiner von beiden vorher gemacht hat. Zuerst langsam, dann mit rapide wachsender Intensität gehen sie ihren Wünschen nach und versuchen ihre Liebe gegen alle inneren und äußeren Widerstände zu behaupten.
LESEPROBE
1
Plötzlich das Meer, ganz nah, eine graue, stille, beinahe völlig beruhigteFläche. Ich reckte mich auf und schaute auf die Uhr, zwei, drei Stunden hatteich vielleicht geschlafen, jetzt war früher Morgen, kurz nach Fünf, ein Juli-Morgenan der italienischen Adria-Küste. Ich hatte das Meer einfach vergessen,jahrelang hatte ich es nicht gesehen, jetzt lag es mir wie eine weiteVerheißung zu Füßen, unaufdringlich und groß, als bekäme ich mit ihm zu tun.Noch war die Sonne nicht da, der Himmel noch graublau und fahl, am Strand keineBewegung, kein einziger Mensch, nur hier und da einige verlassene, verstreutstehende Liegestühle, Kinderspielzeug, Gerümpel, die schiefen,zusammengeklappten Sonnenschirmpilze, Liegengebliebenes Doch all das reichteschon, mich zu erregen, es war eine meinen ganzen Körper erfassende Erregung,wie sie mich nach langen Nachtfahrten in Zügen oft in der Morgenfrühe befiel.
Zwei weitere Fahrgäste teilten das Zugabteil mit mir, ein stiller, keinen Lautvon sich gebender Japaner und ein junger Schweizer, der sich in der Nachtumgezogen und schlafen gelegt hatte, als wäre er noch immer ein wenig bei sichzu Haus. Ich kletterte vorsichtig über die steifen, schlafenden Körper und tratauf den Gang, ruhig und schnell glitt der Zug durch die Landschaft, in derFerne die grünen Olivenhügel des Südens, mit einem Mal spürte ich meinaufgeregt klopfendes, hellwaches Herz. Im Waschraum wusch ich mir durchsGesicht, dann schaute ich, als müßte ich mich vergewissern, durch dasheruntergezogene Fenster der Waggontür noch einmal hinaus. Das Meer! , ja, dasMeer, die Überraschung hielt an, der Eindruck stimmte, am liebsten wäre ichausgestiegen, um jetzt, sofort, am Meer entlangzugehen, stundenlang, den ganzenMorgen, wie schön wäre es, dachte ich, so anzukommen, irgendwo ausgespuckt undgleich in der Weite verschwindend.
Dann blieb der Zug stehen, die Wolken hingen schwer und staubgrau über
Ich ging in den Speisewagen und trank einen starken, schwarzen Kaffee, als ichins Abteil zurückkam, waren auch die beiden anderen Fahrgäste wach. DerJapaner, der die ganze Nacht unter einem bunten, wie ein Linnen über den Körpergebreiteten Tuch verbracht hatte, verbeugte sich kurz, während der jungeSchweizer schon seine Verpflegung auspackte. Ich nahm die kaum handgroße,digitale Kamera, die Rudolf mir mitgegeben hatte, aus meinem Gepäck, setztemich wieder ans Fenster und filmte das vorbeigleitende Meer. Manchmal drängtensich häßliche Häuser aus unverputztem Beton vor den Anblick, minimale Gerippeauf ein paar dürftigen Fundamenten, aber ich filmte weiter, denn das Meerleuchtete immer wieder zwischen diesen Bauten hervor. Allmählich belebte sichdie Kulisse, einzelne Figuren standen am Strand und schauten mit verschränktenArmen in die Weite, manche waren auch in die Hocke gegangen, als wollten sieden Strand abtasten, es waren fast immer Männer, Männer ohne Begleitung oderhöchstens zu zweit, tastende, lauschende, schauende Männer, vom Anblick desMeeres in eine seltsam ruhige Andacht versetzt.
Das alles erschien auf dem Display meiner Kamera, der kleine Bildschirmverwandelte es sofort in einen strahlenden Film. Der junge Schweizer beugtesich zu mir hinüber und warf einen Blick darauf, aha!, sagte er kurz understaunt, als habe er mit soviel Präzision nicht gerechnet. Auch mir erschien dieAbbildung auf dem Bildschirm präziser, festlicher und genauer als das Original,erst gestern abend hatte Rudolf mir in München die Funktionen des kleinenGeräts erklärt, schließlich war ich nur ein Amateur, der den Umgang mit solchenApparaten nicht wirklich beherrschte.
Einen kurzen Moment dachte ich daran, wie wir in der Osteria italiana zu Abendgegessen hatten, ich hatte Kohlrabisuppe, Kalbsnieren und Erdbeeren bestellt,und Rudolf hatte lange von allen nur möglichen Kamera-Feinheiten gesprochen, ganzdetailliert, er wurde dabei immer verzückter, als habe er selbst diese Technikerfunden, während mir nichts anderes übriggeblieben war, als in derBedienungsanleitung zu blättern. Ich hatte ihm nicht mehr folgen können, vielzu lange hatte ihn das Thema gepackt, es war mir seltsam vorgekommen, daß ermein Schweigen nicht bemerkt hatte, er hatte immer weitergesprochen, als müßteich wirklich jede Einzelheit wissen. Rudolf war schon oft mit dieser kleinenKamera gereist, manchmal kam es mir so vor, als reiste er nur, um sieauszuführen, immerzu dachte er in Einstellungen und Schnitten, der Beruf desKameramannes prägte seine Wahrnehmung so sehr, daß er überhaupt nicht mehr naivin die Welt schauen konnte. Ich hatte ihm schließlich nicht mehr zugehört, sondernauf die Geräusche draußen geachtet, manchmal, wenn neue Gäste hereingekommenwaren, war ein frischer Windzug durch das Lokal gestreift, und ich hatte einebittere Erdfeuchtigkeit gerochen, die Feuchtigkeit des leichten Regens, der sosehr zu den breiten Münchener Straßen paßte. Im Taxi zum Bahnhof hatte Rudolfwieder von Technischem gesprochen, als wäre er besorgt, ich könnte die Kamerafalsch bedienen, ich hatte ihm sogar versprechen müssen, mich bei eventuellenProblemen zu melden. Jetzt, jenseits der Alpen, erschienen mir seineBeschwörungen wie eine deutsche Marotte, als verstünde er nichts vomschwerelosen, leichteren Leben auf dieser Seite der Berge.
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© Verlagsgruppe Random House
- Autor: Hanns-Josef Ortheil
- 2005, 318 Seiten, Maße: 11,7 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442727995
- ISBN-13: 9783442727995
- Erscheinungsdatum: 29.06.2005