Die Haushälterin
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Die Haushälterin ist ein Generationenroman, eine Vater-und-Sohn-Geschichte und zugleich der Roman einer ersten Liebe. Jens Petersen hat mit seinem Debüt ein einfühlsames Porträt eines jungen Erwachsenen geschrieben - lakonisch und witzig.
Die Haushälterin ist ein Generationenroman, eine Vater-und-Sohn-Geschichte und zugleich der Roman einer ersten Liebe. Jens Petersen hat mit seinem Debüt ein einfühlsames Porträt eines jungen Erwachsenen geschrieben - lakonisch und witzig.
Dieses Buch wurde mit dem Bayerischen Kunstförderpreis 2005 sowie dem "aspekte"-Literaturpreis 2005 ausgezeichnet.
Die Haushälterin vonJens Petersen
LESEPROBE
Als die Ferien begannen, verlor mein Vater seinen Job beiden Hamburgischen Elektrizitätswerken. Zwanzig Jahre hatte er Kernkraftwerke imHamburger Umland gewartet. Er hatte mir sämtliche Schwachstellen vonPrimärkreisläufen, Brennelementen und Wärmetauschern aufgezeigt, war morgensum sieben mit seiner braunen Aktentasche zur S-Bahn gegangen und nachmittags zurückgekommen,manchmal spät am Abend, ein- oder zweimal im Monat erst am nächsten Tag. DieHEW hatte ihn vor die Wahl gestellt, nach Japan zu gehen - nicht nach Tokio,sondern in eine kleinere Stadt an der Küste Hokkaidos, wo ein Schneller Brütergebaut wurde - oder eine Abfindung zu akzeptieren, sechzigtausend Mark. Das erzählteer mir beim Frühstück, an einem Sonntag, einige Tage nach dem Gespräch mitDoktor Steinberg, seinem Chef. Er trug das karierte Flanellhemd mit denabgewetzten Manschetten und strich sein Brötchen mit Leberpastete, nachdem ernoch einmal den Deckel der Dose geprüft, das Verfallsdatum kontrolliert und amInhalt gerochen hatte.
»Sechzigtausend Mark«, sagte er und zupfte die Servietteauf seinem Schoß zurecht.
Ich wußte, daß ihm sein Job gefiel. Er schätzte Doktor Steinberg,und er mochte seine Kollegen. Manchmal sprach er von ihnen, als hätten sichleidenschaftliche Bienenzüchter, Schachspieler und Antiquitätennarren, Physikerallesamt, durch einen glücklichen Zufall gefunden, um die Gefahren derNukleartechnik mit einer Leichtigkeit zu bannen, die mich an den Computerkurs derProjektwoche erinnerte. Er schwieg, wenn bei Familientreffen vonUrlaubsplanung, Überstundenausgleich oder Vorgesetzten die Rede war, als wollteer die HEW vor meinen Onkels und Tanten, die ihre Jobs offenbar haßten, durchsein Schweigen schützen.
Während der folgenden Tage saß er mit starrer Miene vor demFernseher und nestelte am Manschettenknopf seines Hemdes. Die Serben belagertenSarajevo, Deutschland verlor in Sofia ein Länderspiel gegen Bulgarien. Ichwollte verstehen, warum er Japan nicht wenigstens in Erwägung zog. Er konntedort helfen, eine riesige Anlage zu errichten, einen Schnellen Brüter derjüngsten Generation, zusammen mit französischen und japanischen Ingenieuren.Angeblich gab es in der Stadt, in die wir ziehen sollten, sogar eine deutscheSchule. Ich ließ ihn allein; ich war sein stilles Nachdenken nicht gewohnt.
Er stand spät auf und ging früh ins Bett. Nachts hörte ichdurch die dünnen Wände den Lattenrost in seinem Bett knarren. Oft, wenn icheingeschlafen war, weckten mich Geräusche aus dem Bad wieder auf. Ich hatte nureinen Menschen gekannt, der zwischen drei und fünf Uhr morgens aufs Klo ging,meine Großmutter, in deren Wohnung ich ein paarmal auf der Couch übernachtet hatte.Ich drückte mein Ohr an die Wand, um herauszufinden, was er tat, aber ichhörte nur seinen Strahl ans Porzellan prasseln; dann kam minutenlang nichts,bis die Spülung rauschte. Ich stellte mir vor, wie er im Sitzen schlief oderstarb, an die Wand gelehnt, oder daß er im trüben Spiegel über dem Waschbeckensein Gesicht betrachtete.
Einmal ging ich auf den Flur und wartete im Dunkeln. Er kamheraus, schloß die Tür, drehte sich um und fuhr zusammen.
»Ich bin's.«
»Spinnst du«, sagte er. »Wie spät ist es. Mußt du aufs Klo?«Er roch nach alter Bettwäsche.
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Du wirst dich erkälten! «
Ich glaubte damals, daß Männer sich von Zeit zu Zeit an einenTisch setzten und alles miteinander besprachen. Ich hatte das Gefühl, einsolches Gespräch stehe kurz bevor. Aber wir standen um vier Uhr morgens im dunklenFlur, in unseren Pyjamas; ich dachte an seine nackten Füße, an sein Brusthaaroben am Kragen, und plötzlich war er nicht mehr mein Vater, sondern einFremder, und ich wollte weg, zurück in mein Zimmer, durchs Fenster nach draußenund über den Zaun.
© 2005 Deutsche Verlags-Anstalt, München
Interview mit Jens Petersen
DerIch-Erzähler Ihres Romans "Die Haushälterin" lebt mit seinem Vater inder Nähe von Hamburg. Sie sind in Pinneberg geboren - da liegt der Gedankenahe, dass es sich um einen autobiographischen Roman handelt. Inwiefern trifftdies zu?
Meine Mutter lebt noch, und mein Vater ist kein Alkoholiker!Außerdem war ich als Junge immer in die größten Zicken verliebt und nicht insolche Engelsgeschöpfe wie Ada. Aber ernsthaft: Ganz ohne Autobiographischesgeht s nicht. Dass mein Protagonist Philipp die Welt schnüffelnd und schmeckenderschließt, dass er sich unverstanden fühlt und bedingungslos liebt, hat schonmanches mit meiner eigenen Pubertät zu tun. Ich könnte nie über einen altenchinesischen Reisbauern schreiben.
"DieHaushälterin" ist Ihr Debütroman. Wie entstand die Idee zu dieserGeschichte? Wie lange haben Sie an ihm geschrieben?
Ich war fasziniert von Iwan Turgenjews Erzählung "Erste Liebe". Das Thema ist klassisch: Sohnund Vater lieben dieselbe junge Frau. Der Sohn ist ein bisschen naiv. Der Vaterist reich und charmant, aber alt. Das ist auch zu verstehen als Statement gegendie populäre Meinung, älter werden sei bloß eine Frage der Befindlichkeit: dieRealität sieht düsterer aus. Geschrieben habe ich seit der ersten Skizzezweieinhalb Jahre.
Sie haben Medizin studiert. Wie vereinbaren Sie Ihrebeiden Berufe miteinander? Sind Sie primär als Arzt tätig und schreiben inIhrer Freizeit?
Sagen wir so: Ich bin den ganzen Tag Schriftsteller und elf,zwölf Stunden Arzt. Das eine befruchtet das andere. Klar, es gibt auch Autoren,die nur an die Wand starren, über Beziehungskisten und die Identität ihrerGroßmutter grübeln. Da würde mir irgendwann die Sicherung durchbrennen. Ichbrauche dieses Gefühl, in der Gesellschaft geerdet zu sein.
Sie haben in verschiedenen Ländern studiert. Was bedeutetdas Reisen für Sie? Ist es wichtig für Ihr Schreiben?
Beides hat eine gemeinsame Voraussetzung: Neugier. Aber esgibt noch eine zweite Parallele: Beim Schreiben geht es weniger darum, alles aufzusaugen,sondern Dinge wegzulassen, zu pointieren. Das tut auch ein Tourist, der vonseinen Reisen berichtet. Die Dramaturgie der idealen Reise entspricht der desidealen Romans. Vor allem hält man beim Reisen eine besondere Gabe wach, diebeim Schreiben wichtig ist und im Alltag so oft verkümmert: zu staunen.
Haben Sie schon das nächste Buch in Arbeit? Und, wenn ja,worum geht es in Ihrem nächsten Roman?
Um Freundschaft, Verfolgung, die Liebe zu viel jüngeren undviel älteren Frauen. Um die Distanz zwischen Hamburg und einer Welt, diesüdlich Siziliens beginnt.
Die Fragenstellte Ulrike Künnecke, Literaturtest.
- Autor: Jens Petersen
- 2005, 5. Aufl., 174 Seiten, Maße: 12,6 x 20,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421057869
- ISBN-13: 9783421057860
- Erscheinungsdatum: 09.02.2005
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