Die Physik der Zukunft
Unser Leben in 100 Jahren
Wie wird unser Leben aussehen in 20, 50, 100 Jahren? Star-Physiker Michio Kaku fragte 300 bedeutende Forscher, wie es mit der technischen Entwicklung und mit unserer Zivilisation weitergeht. Aus den Antworten hat er ein farbiges Zukunftsbild...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Physik der Zukunft “
Wie wird unser Leben aussehen in 20, 50, 100 Jahren? Star-Physiker Michio Kaku fragte 300 bedeutende Forscher, wie es mit der technischen Entwicklung und mit unserer Zivilisation weitergeht. Aus den Antworten hat er ein farbiges Zukunftsbild entworfen.
Roboter werden uns die Alltagsarbeit abnehmen. Küchengeräte steuern wir mit der Kraft unserer Gedanken. Zu Meetings schicken wir unser Hologramm. Wir beherrschen das Wetter, Nanobots eilen durch unsere Blutbahnen und heilen sogar Krebs. Trotzdem werden wir weiter reisen, Sport treiben und in Kneipen gehen weil Menschen nun mal so sind. Science-Fiction? Nein, seriöse Zukunftsforschung. Eingängig beschreibt Michio Kaku, wie der Weg in diese Zukunft aussieht denn vieles davon wird heute schon vorbereitet.
Kaku hat weltweit 300 Forscher von Rang befragt, wie die gesellschaftlich-technische Entwicklung wohl verlaufen wird: von der Künstlichen Intelligenz bis zur Raumfahrt, von der Medizin und Biologie bis zur Nanotechnologie. Ein überzeugendes, spannend zu lesendes Denkabenteuer!
Klappentext zu „Die Physik der Zukunft “
Wie die klügsten Köpfe der Welt unsere Zukunft sehenWie werden wir leben - in 20, 60, 100 Jahren? Star-Physiker Michio Kaku hat weltweit 300 Forscher von Rang danach gefragt, wie es weitergeht: mit der physikalisch-technischen Entwicklung, aber auch mit unserer Zivilisation. Er entwirft in diesem Buch das farbige Bild einer vielversprechenden Zukunft, die in den Labors von Wissenschaft und Industrie heute schon begonnen hat.
"Was für ein wunderbares Abenteuer ist dies, der Versuch, das Undenkbare zu denken."
New York Times Book Review
Lese-Probe zu „Die Physik der Zukunft “
Die Physik der Zukunft von Michio Kaku Die Reiche der Zukunft sind die Reiche des Geistes.
Winston Churchill
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Während meiner Kindheit trugen zwei Erfahrungen dazu bei, den Menschen zu prägen, der ich heute bin, und entfachten zwei Leidenschaften in mir, die mein ganzes Leben bestimmt haben. Ich erinnere mich, als ich acht Jahre war, dass sämtliche Lehrer eines Tages aufgeregt über die neuesten Nachrichten vom Tod eines großen Wissenschaftlers diskutierten. An diesem Abend veröffentlichten die Zeitungen ein Bild seines Büros mit seinem Schreibtisch, auf dem ein unbeendetes Manuskript lag. In der Schlagzeile hieß es, der größte Wissenschaftler unserer Zeit habe sein größtes Werk nicht vollenden können. Was konnte so schwierig sein, fragte ich mich, dass ein so großer Wissenschaftler es nicht abschließen konnte? Was konnte so kompliziert sein und so wichtig? Dieses Rätsel erschien mir spannender als jeder Krimi, faszinierender als jede Abenteuergeschichte. Ich musste herausfinden, um was es bei diesem unvollendeten Manuskript ging.
Später fand ich heraus, dass der Wissenschaftler Albert Einstein hieß und das unvollendete Manuskript die Krönung seines Lebenswerks sein sollte, sein Versuch, eine «Theorie von allem» zu schaffen, eine Gleichung, vielleicht kaum zwei Fingerbreit, die die Geheimnisse des Universums entschlüsseln und ihm vielleicht erlauben würde, «Gottes Geist zu lesen».
Die andere prägende Erfahrung meiner Kindheit waren die Fernsehserien am Samstagmorgen, vor allem die Serie Flash Gordon mit Buster Crabbe. Jede Woche drückte ich mir die Nase am Fernsehschirm platt. Ich tauchte ein in eine geheimnisvolle Welt voller Außerirdischer, Raumschiffe, Strahlenwaffen, Unterwasserstädte und Monster. Ich war geradezu süchtig danach. Das war mein erster Kontakt mit der Welt der Zukunft. Seitdem empfinde ich ein kindliches Gefühl des Staunens, wenn ich über die Zukunft nachdenke.
Doch nachdem ich sämtliche Folgen der Serie gesehen hatte, wurde mir allmählich klar, dass Flash zwar allen Ruhm einheimste, die Serie aber tatsächlich nur dank des Wissenschaftlers Dr. Zarkov funktionierte. Er erfand das Raketenschiff, den Unsichtbarkeitsschild, die Energiequelle für die Stadt im Himmel und vieles andere. Ohne den Wissenschaftler hätte es keine Zukunft gegeben. Die Attraktiven und die Schönen mögen die Bewunderung der Gesellschaft gewinnen, doch all die wunderbaren Erfindungen der Zukunft sind ein Nebenprodukt der unbesungenen, namenlosen Wissenschaftler.
Später auf der Highschool entschloss ich mich, in die Fußstapfen dieser großen Wissenschaftler zu treten und das, was ich gelernt hatte, zu erproben. Ich wollte an der großen Revolution teilhaben, von der ich wusste, sie würde die Welt verändern. Daher entschied ich mich, einen Atomzertrümmerer zu bauen, und bat meine Mutter um Erlaubnis, in der Garage einen 2,3-Millionen- Elektrovolt-Teilchenbeschleuniger zu bauen. Sie schien ein wenig überrascht, stimmte aber zu. Daraufhin wandte ich mich an Westinghouse and Varian Associates, erhielt 180 Kilogramm Transformatorstahl sowie 25 Kilometer Kupferdraht und baute in der Garage meiner Mutter einen Elektronenbeschleuniger.
Zuvor hatte ich eine Nebelkammer mit einem starken magnetischen Feld gebaut und Antimateriespuren fotografiert. Aber Antimaterie zu fotografieren, war nicht genug. Mein Ziel war es nun, einen Strahl Antimaterie zu erzeugen. Die Magnetspulen des Atomzertrümmerers erzeugten ein starkes Magnetfeld von 10000 Tesla (etwa das 20000-Fache des Erdmagnetfeldes, im Prinzip stark genug, um jemandem einen Hammer aus der Hand zu reißen). Die Maschine verschlang 6 Kilowatt und beanspruchte sämtliche Energie, die unser Haus liefern konnte. Wenn ich die Maschine anstellte, flogen häufig alle Sicherungen im Haus heraus. (Meine arme Mutter muss sich gefragt haben, warum sie keinen Sohn haben konnte, der lieber Football spielte.)
Daher haben zwei Passionen mein ganzes Leben geprägt: Zum einen der Wunsch, sämtliche physikalischen Gesetze des Universums mittels einer einzigen kohärenten Theorie zu verstehen, zum anderen der Wunsch, in die Zukunft zu sehen. Schließlich erkannte ich, dass diese beiden Passionentatsächlich zwei Seiten einer Medaille waren. Der Schlüssel zum Verständnis der Zukunft ist es, die grundlegenden Naturgesetze zu erkennen und diese dann auf Erfindungen, Maschinen und Therapien anzuwenden, die unsere Zivilisation weit in die Zukunft hinein neu definieren werden.
Wie ich herausfand, hat es schon zahlreiche Versuche gegeben, die Zukunft vorherzusagen, viele davon brauchbar und aufschlussreich. Sie stammten jedoch vorwiegend von Historikern, Soziologen, Science-Fiction-Autoren und «Futurologen», das heißt von Outsidern, die die Welt der Naturwissenschaften voraussagen wollen, ohne sie aus erster Hand zu kennen. Die Naturwissenschaftler, die Insider, die tatsächlich die Zukunft in ihren Laboratorien schaffen, sind zu sehr damit beschäftigt, an wissenschaftlichen Durchbrüchen zu arbeiten, als dass sie Zeit hätten, Bücher über die Zukunft für einen breiten Leserkreis zu schreiben. Genau darum ist dieses Buch anders. Ich hoffe, es bietet dem Leser einen Einblick aus der Sicht eines Insiders, welche wunderbaren Entdeckungen uns erwarten, und erlaubt einen möglichst authentischen und zuverlässigen Blick in die Welt des Jahres 2100. Natürlich lässt sich die Zukunft nicht völlig präzise vorhersagen. Das Beste, was man meines Erachtens tun kann, ist, die Köpfe der Wissenschaftler anzuzapfen, die an vorderster Front der Forschung stehen und die Knochenarbeit leisten, die Zukunft zu erfinden. Sie sind es, die die Apparate, Erfindungen und Therapien entwickeln, die unsere Zivilisation revolutionieren werden. Und dieses Buch erzählt ihre Geschichte. Ich hatte die Gelegenheit, bei dieser großen Revolution in der ersten Reihe zu sitzen, und habe mehr als 300 der weltweit bekanntesten Wissenschaftler, Denker und Träumer für das amerikanische Fernseh- und Radioprogramm interviewt. Ich habe auch Kamerateams mit in ihre Laboratorien genommen, um die Prototypen der bemerkenswerten Apparate zu filmen, die unsere Zukunft verändern werden. Es war mir eine große Ehre, mehrere Wissenschafts-Specials für das BBC-TV, den Discovery Channel und den Science Channel zu moderieren und dabei die bemerkenswerten Erfindungen und Entdeckungen der Visionäre vorstellen zu können, die so kühn sind, die Zukunft zu schaffen. Da ich meine eigene Arbeit an der String-Theorie verfolgen und gleichzeitig die aktuelle Spitzenforschung im Auge behalten konnte, die dieses Jahrhundert revolutionieren wird, habe ich das Gefühl, einen der begehrenswertesten Jobs in der ganzen Wissenschaft zu haben. Es ist, als ob mein Kindheitstraum wahr geworden wäre.
Dieses Buch unterscheidet sich jedoch von meinen vorangegangenen Büchern. In Büchern wie Beyond Einstein, Hyperspace (deutsch: Im Hyperraum) und Parallel Worlds (deutsch: Im Paralleluniversum) habe ich den frischen Wind diskutiert, der durch mein Fachgebiet, die theoretische Physik, weht und neue Wege eröffnet, das Universum zu verstehen. In Physics of the Impossible (deutsch: Die Physik des Unmöglichen) ging es mir darum zu zeigen, wie die neuesten Entdeckungen in der Physik schließlich selbst die fantasievollsten Vorstellungen der Science-Fiction Wirklichkeit werden lassen könnten.
Dieses Buch ähnelt am ehesten meinem Buch Visions (deutsch: Zukunftsvisionen), in dem ich diskutiert habe, wie sich die Wissenschaft in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird. Ich freue mich, dass viele meiner damals gemachten Vorhersagen heute termingerecht realisiert werden. Die Treffsicherheit meiner Prognosen basierte in hohem Maße auf der Weisheit und Vorausschau
der vielen Wissenschaftler, die ich interviewt habe.
Dieses Buch riskiert jedoch einen viel weiteren Blick in die Zukunft und diskutiert Technologien, die in 100 Jahren ausreifen könnten und letztendlich das Schicksal der Menschheit bestimmen werden. Die Art und Weise, wie wir die Chancen und Risiken der nächsten 100 Jahre bewältigen werden, wird letztendlich über das Schicksal der Menschheit entscheiden.
DAS NÄCHSTE JAHRHUNDERT
Lediglich über eine Zeitspanne von wenigen Jahren in die Zukunft zu schauen, ist eine Respekt einflößende Aufgabe, gar nicht zu reden von einem Jahrhundert. Doch es ist eine Aufgabe, die uns herausfordert, über Technologien nachzudenken, von denen wir glauben, dass sie eines Tages das Schicksal der Menschen verändern werden.
Im Jahr 1863 wagte sich der große Romancier Jules Verne an sein vielleicht ehrgeizigstes Projekt. Er schrieb einen Zukunftsroman mit dem Titel Paris im 20. Jahrhundert, in dem er sein enormes Talent entfaltete, das kommende Jahrhundert vorherzusehen. Leider ging das Manuskript im Nebel der Zeit verloren, bis sein Urenkel zufällig in einem Safe darauf stieß, in dem es fast 130 Jahre unbeschadet überstanden hatte. Vernes Nachkomme erkannte sofort, auf welchen Schatz er gestoßen war, und veröffentlichte den Roman 1994. Er wurde ein Bestseller.
Damals, im Jahr 1863, herrschten noch Könige und Kaiser über historische Reiche, in denen verarmte Kleinbauern zermürbende Arbeit leisteten und sich auf den Feldern abmühten. In den Vereinigten Staaten herrschte ein ruinöser Bürgerkrieg, der das Land fast zerreißen sollte, und die Dampfkraft begann gerade, die Welt zu revolutionieren. Aber Verne sagte voraus, dass Paris 1960 über verglaste Wolkenkratzer, Klimaanlagen, Fernsehen, Aufzüge, Hochgeschwindigkeitszüge, benzingetriebene Automobile, Faxmaschinen und sogar über so etwas wie das Internet verfügen werde. Mit frappierender Präzision beschrieb Verne das Leben im modernen Paris.
Das war kein Glückstreffer, denn nur ein paar Jahre später machte er eine andere spektakuläre Voraussage. Im Jahr 1865 verfasste er den Roman Von der Erde zum Mond, in dem er detailliert die Mission beschrieb, die amerikanische Astronauten mehr als 100 Jahre später - 1969 - auf den Mond brachte. Er sagte die Größe der Raumkapsel bis auf wenige Prozent Abweichung präzise voraus, ebenso die Lage des Startplatzes in Florida nicht weit von Cape Canaveral, die Zahl der Astronauten bei der Mission, die Flugdauer, die Schwerelosigkeit, die die Astronauten erleben würden, und schließlich die Landung im Wasser. (Sein einziger größerer Irrtum war, dass er Schießpulver statt Raketentreibstoff benutzte, um seine Astronauten zum Mond zu bringen. Doch mit Flüssigtreibstoff betriebene Raketen sollten erst 70 Jahre später entwickelt werden.)
Wie konnte es Jules Verne gelingen, mit so atemberaubender Präzision 100 Jahre in die Zukunft zu schauen? Zwar war Verne selbst kein Wissenschaftler, doch wie seine Biografen schreiben, suchte er ständig Wissenschaftler auf und fragte sie nach ihren Visionen für die Zukunft. Er trug ein riesiges Archiv zusammen, in dem er die großen Erfindungen seiner Zeit sammelte. Klarer als andere realisierte Verne, dass die Naturwissenschaften der Motor waren, der die Fundamente der Zivilisation erschütterte, und sie in ein neues Jahrhundert voller unerhörter Wunder katapultierte. Verne begriff, dass die Naturwissenschaften die Macht besaßen, die Gesellschaft zu revolutionieren; das war der Schlüssel zu seinen Zukunftsvisionen.
Ein anderer großer Prophet der technischen Entwicklung war Leonardo da Vinci, Maler, Denker und Visionär. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts fertigte er wunderbare, präzise Zeichnungen von Maschinen an, die eines Tages den Himmel füllen würden: Skizzen von Fallschirmen, Helikoptern, Hängegleitern und sogar Flugzeugen. Bemerkenswerterweise wären viele seiner Erfindungen tatsächlich geflogen. (Seinen Flugapparaten fehlte jedoch eine weitere Komponente: zumindest ein 1-PS-Motor, aber ein solcher Antrieb sollte noch weitere 400 Jahre Zukunftsmusik bleiben.) Ebenso erstaunlich ist, dass Leonardo eine mechanische Addiermaschine entwarf, die ihrer Zeit um rund 150 Jahre voraus war. Im Jahr 1967 findet man eine Sammlung von Skizzenblättern und Texten von Leonardo da Vinci, den sogenannten Codex Madrid. Der Codex enthält eine Skizze, die als Basis für eine Addiermaschine mit 13 Rädern interpretiert wurde. Wenn man eine Kurbel drehte, drehten sich die Zahnräder in Folge und führten arithmetische Berechnungen durch. (Leonardos Maschine wurde 1968 von IBM nachgebaut und ausgestellt.)
Zudem wurde in den 1950er Jahren ein anderes Manuskript mit der Skizze eines automatischen Kriegers in deutsch-italienischer Uniform entdeckt, der sich aufsetzen und Arme, Hals und Kiefer bewegen konnte. Auch dieser Automat wurde später gebaut und erwies sich als funktionsfähig.
Wie Jules Verne gelangen Leonardo tiefe Einblicke in die Zukunft, indem er sich mit einer Handvoll vorausschauender Menschen seiner Zeit austauschte. Er gehörte zu einem kleinen Kreis von Leuten, die an vorderster Front standen, wenn es um Innovationen ging. Leonardo war stets damit beschäftigt, zu experimentieren, etwas zu bauen und Modelle zu Papier zu bringen, ein
Schlüsselmerkmal eines jeden, der seine Gedanken Wirklichkeit werden lassen möchte. Angesichts der enormen prophetischen Gaben von Verne und Leonardo da Vinci stellen wir uns die Frage: Ist es möglich, die Welt des Jahres 2100 vorherzusagen? In der Tradition von Verne und Leonardo möchte ich in diesem Buch das Tun führender Wissenschaftler eingehend untersuchen, welche die Prototypen der Technologien bauen, die unsere Zukunft verändern werden. Dieses Buch ist keine Science-Fiction, kein Nebenprodukt der überhitzten Fantasie eines Hollywood-Drehbuchautors, sondern basiert vielmehr auf solider Wissenschaft, die heute in den besten Laboratorien rund um die Welt ausgeübt wird. Die Prototypen all dieser Technologien existieren bereits. Wie William Gibson, Autor von Neuromancer, der den Begriff Cyberspace prägte, einst meinte: «Die Zukunft ist bereits da. Sie ist nur ungleichmäßig verteilt.»
Die Welt des Jahres 2100 vorherzusagen, ist eine gewaltige Aufgabe, denn wir befinden uns in einer Zeit tiefgreifender wissenschaftlicher Umbrüche, in der sich das Tempo von Entdeckungen ständig beschleunigt. In den letzten paar Jahrzehnten haben sich mehr wissenschaftliche Erkenntnisse angesammelt als in der ganzen Menschheitsgeschichte davor. Und bis 2100 werden sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nochmals mehrfach verdoppelt haben.
Die beste Möglichkeit, die Ungeheuerlichkeit zu begreifen, 100 Jahre in die Zukunft zu blicken, besteht jedoch wohl darin, sich an die Welt von 1900 zu erinnern und daran, wie unsere Großeltern lebten.
Der Journalist Mark Sullivan fordert uns auf, sich einen Zeitungsleser im Jahr 1900 vorzustellen:
Der Amerikaner, der im Januar 1900 seine Zeitung aufschlug, fand darin keinen Begriff wie «Radio», denn das sollte erst 20 Jahre später eingeführt werden, oder «Film», denn auch der lag noch weitgehend in der Zukunft; auch «Chauffeur» war unbekannt, denn Automobile kamen gerade erst auf und wurden als «pferdelose Wagen» bezeichnet ... Es gab keinen Ausdruck wie Pilot ... Bauern hatten noch nichts von Traktoren gehört, Banker noch nichts vom Zentralbankensystem. Kaufleute hatten noch nichts von Ladenketten oder «Selbstbedienung» gehört, Seeleute noch nichts von Öl verbrennenden Motoren... auf den Landstraßen konnte man noch immer Ochsengespanne sehen... Pferde- oder Maultierkarren waren praktisch allgegenwärtig... Der Hufschmied unter der ausladenden Kastanie war eine Realität.
Um die Schwierigkeit zu verstehen, die nächsten 100 Jahre vorherzusagen, müssen wir die Schwierigkeit von Menschen im Jahr 1900 nachempfinden, die Welt des Jahres 2000 vorherzusagen. Im Rahmen der Chicagoer Weltausstellung von 1893 wurden 74 wohlbekannte Persönlichkeiten gebeten vorherzusagen, wie sich das Leben in den nächsten 100 Jahren entwickeln würde. Das eine Problem war, dass die Befragten durchweg die Geschwindigkeit des Fortschritts in den Naturwissenschaften unterschätzten. So sagten beispielsweise viele richtig voraus, dass eines Tages kommerzielle Luftfahrzeuge über dem Atlantik kreuzen würden, doch sie dachten dabei an Ballons. Senator John J. Ingalls meinte: «Es wird für einen Bürger einmal ebenso üblich sein, nach seinem lenkbaren Ballon zu verlangen, wie es heute üblich ist, nach seinem Einspänner oder seinen Stiefeln zu verlangen.» Den Befragten entging auch durchweg das Aufkommen des Automobils. So betonte der Vorsteher der amerikanischen Bundespost, Postmaster General John Wanamaker, die U. S. Mail werde auch noch in 100 Jahren per Postkutsche und Pferderücken geliefert werden.
Diese Unterschätzung von wissenschaftlichem Fortschritt und Innovation erstreckte sich sogar auf das Patentamt. Im Jahr 1899 meinte der Bevollmächtigte des amerikanischen Patentamts, Charles H.Duell: «Alles, was erfunden werden kann, ist bereits erfunden worden.»
Einige Experten unterschätzten sogar das, was auf ihrem eigenen Gebiet direkt vor ihrer Nase geschah. Im Jahr 1927 meinte Harry M.Warner, einer der Gründer der Warner Brothers, während der Stummfilmära: «Wer, zum Teufel, will Schauspieler sprechen hören?»
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Während meiner Kindheit trugen zwei Erfahrungen dazu bei, den Menschen zu prägen, der ich heute bin, und entfachten zwei Leidenschaften in mir, die mein ganzes Leben bestimmt haben. Ich erinnere mich, als ich acht Jahre war, dass sämtliche Lehrer eines Tages aufgeregt über die neuesten Nachrichten vom Tod eines großen Wissenschaftlers diskutierten. An diesem Abend veröffentlichten die Zeitungen ein Bild seines Büros mit seinem Schreibtisch, auf dem ein unbeendetes Manuskript lag. In der Schlagzeile hieß es, der größte Wissenschaftler unserer Zeit habe sein größtes Werk nicht vollenden können. Was konnte so schwierig sein, fragte ich mich, dass ein so großer Wissenschaftler es nicht abschließen konnte? Was konnte so kompliziert sein und so wichtig? Dieses Rätsel erschien mir spannender als jeder Krimi, faszinierender als jede Abenteuergeschichte. Ich musste herausfinden, um was es bei diesem unvollendeten Manuskript ging.
Später fand ich heraus, dass der Wissenschaftler Albert Einstein hieß und das unvollendete Manuskript die Krönung seines Lebenswerks sein sollte, sein Versuch, eine «Theorie von allem» zu schaffen, eine Gleichung, vielleicht kaum zwei Fingerbreit, die die Geheimnisse des Universums entschlüsseln und ihm vielleicht erlauben würde, «Gottes Geist zu lesen».
Die andere prägende Erfahrung meiner Kindheit waren die Fernsehserien am Samstagmorgen, vor allem die Serie Flash Gordon mit Buster Crabbe. Jede Woche drückte ich mir die Nase am Fernsehschirm platt. Ich tauchte ein in eine geheimnisvolle Welt voller Außerirdischer, Raumschiffe, Strahlenwaffen, Unterwasserstädte und Monster. Ich war geradezu süchtig danach. Das war mein erster Kontakt mit der Welt der Zukunft. Seitdem empfinde ich ein kindliches Gefühl des Staunens, wenn ich über die Zukunft nachdenke.
Doch nachdem ich sämtliche Folgen der Serie gesehen hatte, wurde mir allmählich klar, dass Flash zwar allen Ruhm einheimste, die Serie aber tatsächlich nur dank des Wissenschaftlers Dr. Zarkov funktionierte. Er erfand das Raketenschiff, den Unsichtbarkeitsschild, die Energiequelle für die Stadt im Himmel und vieles andere. Ohne den Wissenschaftler hätte es keine Zukunft gegeben. Die Attraktiven und die Schönen mögen die Bewunderung der Gesellschaft gewinnen, doch all die wunderbaren Erfindungen der Zukunft sind ein Nebenprodukt der unbesungenen, namenlosen Wissenschaftler.
Später auf der Highschool entschloss ich mich, in die Fußstapfen dieser großen Wissenschaftler zu treten und das, was ich gelernt hatte, zu erproben. Ich wollte an der großen Revolution teilhaben, von der ich wusste, sie würde die Welt verändern. Daher entschied ich mich, einen Atomzertrümmerer zu bauen, und bat meine Mutter um Erlaubnis, in der Garage einen 2,3-Millionen- Elektrovolt-Teilchenbeschleuniger zu bauen. Sie schien ein wenig überrascht, stimmte aber zu. Daraufhin wandte ich mich an Westinghouse and Varian Associates, erhielt 180 Kilogramm Transformatorstahl sowie 25 Kilometer Kupferdraht und baute in der Garage meiner Mutter einen Elektronenbeschleuniger.
Zuvor hatte ich eine Nebelkammer mit einem starken magnetischen Feld gebaut und Antimateriespuren fotografiert. Aber Antimaterie zu fotografieren, war nicht genug. Mein Ziel war es nun, einen Strahl Antimaterie zu erzeugen. Die Magnetspulen des Atomzertrümmerers erzeugten ein starkes Magnetfeld von 10000 Tesla (etwa das 20000-Fache des Erdmagnetfeldes, im Prinzip stark genug, um jemandem einen Hammer aus der Hand zu reißen). Die Maschine verschlang 6 Kilowatt und beanspruchte sämtliche Energie, die unser Haus liefern konnte. Wenn ich die Maschine anstellte, flogen häufig alle Sicherungen im Haus heraus. (Meine arme Mutter muss sich gefragt haben, warum sie keinen Sohn haben konnte, der lieber Football spielte.)
Daher haben zwei Passionen mein ganzes Leben geprägt: Zum einen der Wunsch, sämtliche physikalischen Gesetze des Universums mittels einer einzigen kohärenten Theorie zu verstehen, zum anderen der Wunsch, in die Zukunft zu sehen. Schließlich erkannte ich, dass diese beiden Passionentatsächlich zwei Seiten einer Medaille waren. Der Schlüssel zum Verständnis der Zukunft ist es, die grundlegenden Naturgesetze zu erkennen und diese dann auf Erfindungen, Maschinen und Therapien anzuwenden, die unsere Zivilisation weit in die Zukunft hinein neu definieren werden.
Wie ich herausfand, hat es schon zahlreiche Versuche gegeben, die Zukunft vorherzusagen, viele davon brauchbar und aufschlussreich. Sie stammten jedoch vorwiegend von Historikern, Soziologen, Science-Fiction-Autoren und «Futurologen», das heißt von Outsidern, die die Welt der Naturwissenschaften voraussagen wollen, ohne sie aus erster Hand zu kennen. Die Naturwissenschaftler, die Insider, die tatsächlich die Zukunft in ihren Laboratorien schaffen, sind zu sehr damit beschäftigt, an wissenschaftlichen Durchbrüchen zu arbeiten, als dass sie Zeit hätten, Bücher über die Zukunft für einen breiten Leserkreis zu schreiben. Genau darum ist dieses Buch anders. Ich hoffe, es bietet dem Leser einen Einblick aus der Sicht eines Insiders, welche wunderbaren Entdeckungen uns erwarten, und erlaubt einen möglichst authentischen und zuverlässigen Blick in die Welt des Jahres 2100. Natürlich lässt sich die Zukunft nicht völlig präzise vorhersagen. Das Beste, was man meines Erachtens tun kann, ist, die Köpfe der Wissenschaftler anzuzapfen, die an vorderster Front der Forschung stehen und die Knochenarbeit leisten, die Zukunft zu erfinden. Sie sind es, die die Apparate, Erfindungen und Therapien entwickeln, die unsere Zivilisation revolutionieren werden. Und dieses Buch erzählt ihre Geschichte. Ich hatte die Gelegenheit, bei dieser großen Revolution in der ersten Reihe zu sitzen, und habe mehr als 300 der weltweit bekanntesten Wissenschaftler, Denker und Träumer für das amerikanische Fernseh- und Radioprogramm interviewt. Ich habe auch Kamerateams mit in ihre Laboratorien genommen, um die Prototypen der bemerkenswerten Apparate zu filmen, die unsere Zukunft verändern werden. Es war mir eine große Ehre, mehrere Wissenschafts-Specials für das BBC-TV, den Discovery Channel und den Science Channel zu moderieren und dabei die bemerkenswerten Erfindungen und Entdeckungen der Visionäre vorstellen zu können, die so kühn sind, die Zukunft zu schaffen. Da ich meine eigene Arbeit an der String-Theorie verfolgen und gleichzeitig die aktuelle Spitzenforschung im Auge behalten konnte, die dieses Jahrhundert revolutionieren wird, habe ich das Gefühl, einen der begehrenswertesten Jobs in der ganzen Wissenschaft zu haben. Es ist, als ob mein Kindheitstraum wahr geworden wäre.
Dieses Buch unterscheidet sich jedoch von meinen vorangegangenen Büchern. In Büchern wie Beyond Einstein, Hyperspace (deutsch: Im Hyperraum) und Parallel Worlds (deutsch: Im Paralleluniversum) habe ich den frischen Wind diskutiert, der durch mein Fachgebiet, die theoretische Physik, weht und neue Wege eröffnet, das Universum zu verstehen. In Physics of the Impossible (deutsch: Die Physik des Unmöglichen) ging es mir darum zu zeigen, wie die neuesten Entdeckungen in der Physik schließlich selbst die fantasievollsten Vorstellungen der Science-Fiction Wirklichkeit werden lassen könnten.
Dieses Buch ähnelt am ehesten meinem Buch Visions (deutsch: Zukunftsvisionen), in dem ich diskutiert habe, wie sich die Wissenschaft in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird. Ich freue mich, dass viele meiner damals gemachten Vorhersagen heute termingerecht realisiert werden. Die Treffsicherheit meiner Prognosen basierte in hohem Maße auf der Weisheit und Vorausschau
der vielen Wissenschaftler, die ich interviewt habe.
Dieses Buch riskiert jedoch einen viel weiteren Blick in die Zukunft und diskutiert Technologien, die in 100 Jahren ausreifen könnten und letztendlich das Schicksal der Menschheit bestimmen werden. Die Art und Weise, wie wir die Chancen und Risiken der nächsten 100 Jahre bewältigen werden, wird letztendlich über das Schicksal der Menschheit entscheiden.
DAS NÄCHSTE JAHRHUNDERT
Lediglich über eine Zeitspanne von wenigen Jahren in die Zukunft zu schauen, ist eine Respekt einflößende Aufgabe, gar nicht zu reden von einem Jahrhundert. Doch es ist eine Aufgabe, die uns herausfordert, über Technologien nachzudenken, von denen wir glauben, dass sie eines Tages das Schicksal der Menschen verändern werden.
Im Jahr 1863 wagte sich der große Romancier Jules Verne an sein vielleicht ehrgeizigstes Projekt. Er schrieb einen Zukunftsroman mit dem Titel Paris im 20. Jahrhundert, in dem er sein enormes Talent entfaltete, das kommende Jahrhundert vorherzusehen. Leider ging das Manuskript im Nebel der Zeit verloren, bis sein Urenkel zufällig in einem Safe darauf stieß, in dem es fast 130 Jahre unbeschadet überstanden hatte. Vernes Nachkomme erkannte sofort, auf welchen Schatz er gestoßen war, und veröffentlichte den Roman 1994. Er wurde ein Bestseller.
Damals, im Jahr 1863, herrschten noch Könige und Kaiser über historische Reiche, in denen verarmte Kleinbauern zermürbende Arbeit leisteten und sich auf den Feldern abmühten. In den Vereinigten Staaten herrschte ein ruinöser Bürgerkrieg, der das Land fast zerreißen sollte, und die Dampfkraft begann gerade, die Welt zu revolutionieren. Aber Verne sagte voraus, dass Paris 1960 über verglaste Wolkenkratzer, Klimaanlagen, Fernsehen, Aufzüge, Hochgeschwindigkeitszüge, benzingetriebene Automobile, Faxmaschinen und sogar über so etwas wie das Internet verfügen werde. Mit frappierender Präzision beschrieb Verne das Leben im modernen Paris.
Das war kein Glückstreffer, denn nur ein paar Jahre später machte er eine andere spektakuläre Voraussage. Im Jahr 1865 verfasste er den Roman Von der Erde zum Mond, in dem er detailliert die Mission beschrieb, die amerikanische Astronauten mehr als 100 Jahre später - 1969 - auf den Mond brachte. Er sagte die Größe der Raumkapsel bis auf wenige Prozent Abweichung präzise voraus, ebenso die Lage des Startplatzes in Florida nicht weit von Cape Canaveral, die Zahl der Astronauten bei der Mission, die Flugdauer, die Schwerelosigkeit, die die Astronauten erleben würden, und schließlich die Landung im Wasser. (Sein einziger größerer Irrtum war, dass er Schießpulver statt Raketentreibstoff benutzte, um seine Astronauten zum Mond zu bringen. Doch mit Flüssigtreibstoff betriebene Raketen sollten erst 70 Jahre später entwickelt werden.)
Wie konnte es Jules Verne gelingen, mit so atemberaubender Präzision 100 Jahre in die Zukunft zu schauen? Zwar war Verne selbst kein Wissenschaftler, doch wie seine Biografen schreiben, suchte er ständig Wissenschaftler auf und fragte sie nach ihren Visionen für die Zukunft. Er trug ein riesiges Archiv zusammen, in dem er die großen Erfindungen seiner Zeit sammelte. Klarer als andere realisierte Verne, dass die Naturwissenschaften der Motor waren, der die Fundamente der Zivilisation erschütterte, und sie in ein neues Jahrhundert voller unerhörter Wunder katapultierte. Verne begriff, dass die Naturwissenschaften die Macht besaßen, die Gesellschaft zu revolutionieren; das war der Schlüssel zu seinen Zukunftsvisionen.
Ein anderer großer Prophet der technischen Entwicklung war Leonardo da Vinci, Maler, Denker und Visionär. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts fertigte er wunderbare, präzise Zeichnungen von Maschinen an, die eines Tages den Himmel füllen würden: Skizzen von Fallschirmen, Helikoptern, Hängegleitern und sogar Flugzeugen. Bemerkenswerterweise wären viele seiner Erfindungen tatsächlich geflogen. (Seinen Flugapparaten fehlte jedoch eine weitere Komponente: zumindest ein 1-PS-Motor, aber ein solcher Antrieb sollte noch weitere 400 Jahre Zukunftsmusik bleiben.) Ebenso erstaunlich ist, dass Leonardo eine mechanische Addiermaschine entwarf, die ihrer Zeit um rund 150 Jahre voraus war. Im Jahr 1967 findet man eine Sammlung von Skizzenblättern und Texten von Leonardo da Vinci, den sogenannten Codex Madrid. Der Codex enthält eine Skizze, die als Basis für eine Addiermaschine mit 13 Rädern interpretiert wurde. Wenn man eine Kurbel drehte, drehten sich die Zahnräder in Folge und führten arithmetische Berechnungen durch. (Leonardos Maschine wurde 1968 von IBM nachgebaut und ausgestellt.)
Zudem wurde in den 1950er Jahren ein anderes Manuskript mit der Skizze eines automatischen Kriegers in deutsch-italienischer Uniform entdeckt, der sich aufsetzen und Arme, Hals und Kiefer bewegen konnte. Auch dieser Automat wurde später gebaut und erwies sich als funktionsfähig.
Wie Jules Verne gelangen Leonardo tiefe Einblicke in die Zukunft, indem er sich mit einer Handvoll vorausschauender Menschen seiner Zeit austauschte. Er gehörte zu einem kleinen Kreis von Leuten, die an vorderster Front standen, wenn es um Innovationen ging. Leonardo war stets damit beschäftigt, zu experimentieren, etwas zu bauen und Modelle zu Papier zu bringen, ein
Schlüsselmerkmal eines jeden, der seine Gedanken Wirklichkeit werden lassen möchte. Angesichts der enormen prophetischen Gaben von Verne und Leonardo da Vinci stellen wir uns die Frage: Ist es möglich, die Welt des Jahres 2100 vorherzusagen? In der Tradition von Verne und Leonardo möchte ich in diesem Buch das Tun führender Wissenschaftler eingehend untersuchen, welche die Prototypen der Technologien bauen, die unsere Zukunft verändern werden. Dieses Buch ist keine Science-Fiction, kein Nebenprodukt der überhitzten Fantasie eines Hollywood-Drehbuchautors, sondern basiert vielmehr auf solider Wissenschaft, die heute in den besten Laboratorien rund um die Welt ausgeübt wird. Die Prototypen all dieser Technologien existieren bereits. Wie William Gibson, Autor von Neuromancer, der den Begriff Cyberspace prägte, einst meinte: «Die Zukunft ist bereits da. Sie ist nur ungleichmäßig verteilt.»
Die Welt des Jahres 2100 vorherzusagen, ist eine gewaltige Aufgabe, denn wir befinden uns in einer Zeit tiefgreifender wissenschaftlicher Umbrüche, in der sich das Tempo von Entdeckungen ständig beschleunigt. In den letzten paar Jahrzehnten haben sich mehr wissenschaftliche Erkenntnisse angesammelt als in der ganzen Menschheitsgeschichte davor. Und bis 2100 werden sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nochmals mehrfach verdoppelt haben.
Die beste Möglichkeit, die Ungeheuerlichkeit zu begreifen, 100 Jahre in die Zukunft zu blicken, besteht jedoch wohl darin, sich an die Welt von 1900 zu erinnern und daran, wie unsere Großeltern lebten.
Der Journalist Mark Sullivan fordert uns auf, sich einen Zeitungsleser im Jahr 1900 vorzustellen:
Der Amerikaner, der im Januar 1900 seine Zeitung aufschlug, fand darin keinen Begriff wie «Radio», denn das sollte erst 20 Jahre später eingeführt werden, oder «Film», denn auch der lag noch weitgehend in der Zukunft; auch «Chauffeur» war unbekannt, denn Automobile kamen gerade erst auf und wurden als «pferdelose Wagen» bezeichnet ... Es gab keinen Ausdruck wie Pilot ... Bauern hatten noch nichts von Traktoren gehört, Banker noch nichts vom Zentralbankensystem. Kaufleute hatten noch nichts von Ladenketten oder «Selbstbedienung» gehört, Seeleute noch nichts von Öl verbrennenden Motoren... auf den Landstraßen konnte man noch immer Ochsengespanne sehen... Pferde- oder Maultierkarren waren praktisch allgegenwärtig... Der Hufschmied unter der ausladenden Kastanie war eine Realität.
Um die Schwierigkeit zu verstehen, die nächsten 100 Jahre vorherzusagen, müssen wir die Schwierigkeit von Menschen im Jahr 1900 nachempfinden, die Welt des Jahres 2000 vorherzusagen. Im Rahmen der Chicagoer Weltausstellung von 1893 wurden 74 wohlbekannte Persönlichkeiten gebeten vorherzusagen, wie sich das Leben in den nächsten 100 Jahren entwickeln würde. Das eine Problem war, dass die Befragten durchweg die Geschwindigkeit des Fortschritts in den Naturwissenschaften unterschätzten. So sagten beispielsweise viele richtig voraus, dass eines Tages kommerzielle Luftfahrzeuge über dem Atlantik kreuzen würden, doch sie dachten dabei an Ballons. Senator John J. Ingalls meinte: «Es wird für einen Bürger einmal ebenso üblich sein, nach seinem lenkbaren Ballon zu verlangen, wie es heute üblich ist, nach seinem Einspänner oder seinen Stiefeln zu verlangen.» Den Befragten entging auch durchweg das Aufkommen des Automobils. So betonte der Vorsteher der amerikanischen Bundespost, Postmaster General John Wanamaker, die U. S. Mail werde auch noch in 100 Jahren per Postkutsche und Pferderücken geliefert werden.
Diese Unterschätzung von wissenschaftlichem Fortschritt und Innovation erstreckte sich sogar auf das Patentamt. Im Jahr 1899 meinte der Bevollmächtigte des amerikanischen Patentamts, Charles H.Duell: «Alles, was erfunden werden kann, ist bereits erfunden worden.»
Einige Experten unterschätzten sogar das, was auf ihrem eigenen Gebiet direkt vor ihrer Nase geschah. Im Jahr 1927 meinte Harry M.Warner, einer der Gründer der Warner Brothers, während der Stummfilmära: «Wer, zum Teufel, will Schauspieler sprechen hören?»
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Autoren-Porträt von Michio Kaku
Michio Kaku, geb. 1947, ist Professor für Theoretische Physik an der New Yorker City University und hat die Stringtheorie mitentwickelt. Daneben hat er mehrere populärwissenschaftliche Bücher geschrieben und verfasst regelmäßig Beiträge für Zeitungen und Magazine, Hörfunk und Fernsehen.Dr. Monika Niehaus ist Biologin und Journalistin und war viele Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zoologie der Universität Düsseldorf tätig. Seit 1980 arbeitet sie freiberuflich als Autorin und naturwissenschaftliche Übersetzerin. Für den EM EU.L.E.n-Spiegel/EM verfasst sie seit 2007 regelmäßig Artikel.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michio Kaku
- 2012, 6. Aufl., 602 Seiten, 14 Abbildungen, Maße: 15,3 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Niehaus, Monika
- Übersetzer: Monika Niehaus
- Verlag: Rowohlt
- ISBN-10: 3498035592
- ISBN-13: 9783498035594
Kommentar zu "Die Physik der Zukunft"
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