Die Seelen im Feuer
Historischer Roman
Bamberg, 1626: Der intrigante Fürstbischof terrorisiert die Stadt. Seine Waffe: die Angst vor dem Teufel und der Hexerei. So kann er auf dem Scheiterhaufen auch politische Gegner loswerden. In den Sog dieses Wahnsinns gerät auch die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Seelen im Feuer “
Bamberg, 1626: Der intrigante Fürstbischof terrorisiert die Stadt. Seine Waffe: die Angst vor dem Teufel und der Hexerei. So kann er auf dem Scheiterhaufen auch politische Gegner loswerden. In den Sog dieses Wahnsinns gerät auch die Apothekerstochter Johanna.
Kann sie sich in das liberale Amsterdam retten?
Klappentext zu „Die Seelen im Feuer “
Jeder kann verdächtigt werden, jeder wird verhört, jeder kann brennen. Die Angst geht um in Deutschland. 1626 ist es die Angst vor dem Teufel, der Zauberei, den Hexen.Es ist ein Ringen um Gut und Böse, aber auch ein Kampf um die Macht. Der intrigante Fürstbischof von Bamberg will die freien Bürger der Stadt in ihre Schranken weisen. Neben den einfachen Leuten hat er es deshalb besonders auf die Stadträte abgesehen. Sie werden verhört und verurteilt. Sie werden verbrannt.
Mit der jungen Apothekerstochter Johanna schauen wir in eine Welt, in der der Hexenwahn Wirklichkeit ist. Auch sie droht in den Teufelskreis zu geraten, aus dem keiner entrinnt. Gelingt ihr die Flucht ins weltoffene Amsterdam? Bekommen die Bürger von Bamberg endlich Hilfe bei Kaiser und Papst, um dem Brennen ein Ende zu machen?
Lese-Probe zu „Die Seelen im Feuer “
Die Seelen im Feuer von Sabine WeigandLESEPROBE
Es war Martinstag, und wohl in jeder Bamberger Familie, die es sich leisten konnte, kam zu Ehren des mildtätigen Heiligen heute ein Gänsebraten auf den Tisch. Dorothea hatte den Vogel das ganze Jahr über täglich mit dickem Kleiebrei geschoppt und gestopft, damit er fett und schwer wurde und Sankt Martin alle Ehre machte. Jetzt legte sie die würzig duftenden Fleischportionen auf eine große zinnerne Platte und stellte diese in die Mitte des Esstisches. Alle nahmen Platz, bekreuzigten sich und falteten die Hände.
Antoni leierte »Komm Herr Jesus, sei unser Gast ... «
»Entschuldigt bitte, aber ich hab’s nicht eher geschafft!« Hans Schramm hängte seinen regennassen Umhang an den Türhaken, fuhr sich mit allen zehn Fingern durchs feuchte Haar und setzte sich neben Johanna auf die Bank. »Die Straßen sind schlammig, und ich bin erst spät von Zeil weggekommen.« Schramm griff nach dem Weinbecher, der vor ihm stand, und nahm durstig einen großen Schluck. Seine Finger waren blauschwarz von Tinte. »Ich bin den ganzen Tag nicht zum Essen und Trinken gekommen, so viel ist grad zu tun.«
Johanna legte ihrem Verlobten einen Schöpfer Kraut und eine Gänsekeule vor, und auch die anderen bedienten sich. »Was ist denn los in der Schreiberei, dass du in letzter Zeit dauernd aus Bamberg fort und bei den Weinhäckern arbeiten musst?«
Schramm schluckte den Bissen Gänsefleisch hinunter, an dem er gerade gekaut hatte. »Habt ihr’s denn noch nicht gehört?« Er lutschte Daumen und Zeigefinger ab. »Zu Zeil brennen sie Hexen!«
»Um Gottes willen!« Dorothea schlug hastig ein Kreuz. »Das ist ja schrecklich!«
»Da hast du recht.« Schramm biss hungrig in seinen Wecken. »Man kann es kaum
... mehr
glauben, was für grauenvolle Untaten und Zauberei dort geschehen sind. Alles Teufelswerk! Sie haben den Regen vertrieben, Kühe verhext, dass sie blutige Milch geben, Läuse gemacht und Krankheit verbreitet, den Weinwuchs erfrieren lassen ... «
»Und warum musst du dort hin?« Antoni saß mit offenem Mund da, er hatte vergessen zu kauen.
Schramm lächelte ihm zu. »Nun, bei den Verhören muss schließlich jemand mitschreiben, Antoni. Und die Geständnisse der bösen Druden und Drudner brauchen die hohen Herren auch schriftlich. Der Stadtschreiber von Zeil, mein Kollege Schmeltzing, schafft das alles nicht mehr alleine. Deshalb haben sie mich geschickt, um auszuhelfen.«
»Hexen in Zeil?« Abdias Wolff wischte sich die fettigen Hände am Tischtuch ab. »Sind die Leute denn gar nicht gescheiter geworden? Es sind doch schon vor Jahren Druden gejagt worden, ohne dass die Welt besser geworden wäre!«
Antoni wunderte sich. »Hier in der Stadt?«
»Ja«, gab sein Vater zurück. »In Bamberg, Würzburg und anderswo. Es ist noch gar nicht so lange her. Immer wenn Dinge geschehen, die den Menschen nicht in den Kram passen, schreien sie nach Hexen. Dann müssen ein paar arme Schweine dran glauben, bis sich die Sache wieder beruhigt.«
»Ihr redet recht frisch und frei über eine solch ernste Angelegenheit wie Zauberei«, meinte der Schreiber ein wenig beleidigt und nahm einen Schluck Wein.
»Ernst? Das Ganze ist doch lächerlich! Hagel kommt jedes Jahr vor, und Kühe haben oft entzündete Euter, das gibt Blut in der Milch. Läuse hat sowieso jeder, und der Wein verträgt nun mal keinen Frost! Zauberei, pah! Diese Zeiler sind halt doch bloß rückständige Häcker und dumme Bauern.«
Hans Schramm blieb der Bissen im Hals stecken. »Wie könnt Ihr so etwas sagen, Meister Wolff? Ihr solltet sie sehen, diese Zauberinnen, wie sie verstockt alles abstreiten, obwohl ihnen das Blut aus den Fingern springt! Und wie sie schließlich, wenn der Teufel endlich aus ihnen gefahren ist, heulend und zähneknirschend ihre Übeltaten gestehen!«
»Meine Lehrer sagen auch, dass der Teufel sich oft in Verkleidung an die Leute heranmacht, dass sie vom rechten Glauben abfallen und schlimme Sachen tun«, warf Antoni aufgeregt ein. »Und dann fahren sie nachts auf der Ofengabel durch den Schlot aus, hui, mitten durch die Luft! Und sie küssen einem Ziegenbock, das ist nämlich der Teufel, den Hintern, pfui! Und dann müssen sie alles tun, was er ihnen sagt, zum Beispiel dem Fürstbischof den Wein aus dem Keller stehlen und kleine Kinder sieden, bis das Fett fl üssig wird und ... «
»Toni!« Abdias Wolff schnitt seinem Sohn das Wort ab. »Du musst nicht alles glauben, was dir die Jesuiten auf der Schule beibringen. Ich jedenfalls hab noch keine Hexe gesehen, und mich hat auch noch niemand verzaubert. Also iss jetzt weiter.«
»Aber er hat doch recht.« Hans Schramm legte sein Messer hin. »Genau das geben sie ja zu. Ich war selber dabei, sonst hätt ich’s auch nicht geglaubt. Seid Euch nur nicht so sicher, Meister Wolff! Die brävsten Bürgersweiber, Ehefrauen, Großmütter, denen vorher niemand zugetraut hätte, dass sie einer Fliege etwas zuleide tun, hat man ins Loch eingeholt! Und dann stellt sich heraus, dass es Unholdinnen sind, Teufelsbuhlinnen, die nichts als die Zerstörung unseres christlichen Gemeinwesens und das Unglück guter Christenmenschen im Sinn haben. Es ist widerlich!«
Dorothea war ganz blass geworden. »Und dann werden sie verbrannt?«
Schramm nickte. »Ja. Wenn sie gestanden haben, kommt der Pfarrer und nimmt sie wieder in die Gemeinschaft des Glaubens auf, damit sie als wahre Christen sterben können. Ihr solltet sehen, wie glücklich sie dann sind! Und der Tod im Feuer hat ja auch reinigende Kraft.«
»Wie viele Hexen waren es denn?«, fragte Johanna.
»Waren?« Schramm lachte trocken auf. »Es werden immer mehr! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele schon beschuldigt wurden. Die Haare stehen einem zu Berge! Wir fragen die bösen Weiber, wer alles zu ihren gotteslästerlichen Treffen kommt, mit wem sie Zauberei treiben und wer sonst noch zu ihrem scheußlichen Kreis gehört. Erst wollen sie alle keine Namen nennen, aber später, wenn sie dann auf dem Bock sitzen oder im Zug hängen, da werden sie alle geständig. Ganze Familien kommen da in Teufels Namen zusammen. Derzeit wissen sie in Zeil gar nicht mehr, wo sie die Verhafteten noch einsperren sollen. Das Loch ist völlig überfüllt.«
Abdias Wolff schüttelte den Kopf. »Und warum verführt der Teufel ausgerechnet in Zeil die Weiber?«
»Wenn wir das wüssten. Vielleicht tut er’s ja überall, nur anderswo hat man es noch nicht entdeckt. Jeder weiß doch, dass der Leibhaftige den Menschen stets und überall ins Verderben reißen will.« Schramm nahm sich noch ein Stück Gans.
»Du meinst, dass es hier zu Bamberg auch wieder Hexen geben könnte, nur wissen wir es noch nicht?« Johanna schaute ihren Verlobten ernst an.
»Ganz genau! Denk nur an die braungescheckte Ziege der alten Marga vom Riegeltor. Wie viel Milch hat die in den letzten Jahren gegeben, ganz Bamberg hat gestaunt! Und dann plötzlich – wie abgerissen. Steht im Stall und es kommt kein Tröpfl ein mehr! Keiner hat sich dabei etwas gedacht. Und dabei wissen wir doch alle, dass Hexen eine Axt in die Stalltür hauen und aus dem Stiel dann heimlich die Milch wegmelken. Und der junge Knecht vom Sandbüttner: Fällt auf einmal mitten bei der Arbeit um und ist tot. Kerngesund war der doch bis dahin! Ich wette, eine Drud hat ihm das Geschoss getan. Sie wickeln ein Steinchen in Blätter vom Blutkraut und werfen es an! Das gibt dann einen plötzlichen Schmerz, der in den Leib fährt und einen sogar umbringen kann! Ich sage euch, wir sind alle zu gutgläubig. Wir müssen auf der Hut sein, Tag und Nacht.«
»Jetzt ist aber Schluss mit dem Unsinn.« Abdias Wolff wurde richtig zornig. »Hans, du machst dem Antoni Angst und setzt ihm dummes Zeug in den Kopf. Bei uns in Bamberg gibt’s keine Hexen, das walte schon unser Fürstbischof. Wir sind alle gut katholisch, an uns beißt sich der Teufel sämtliche Zähne aus. Lass die Zeiler ruhig ihr Hexenvolk verbrennen, wenn es denn eines ist – hier in der Stadt wird so etwas nicht wieder geschehen! So, und jetzt will ich in Ruhe meine Gans essen.«
Das Abendessen verlief in recht düsterer Stimmung. Abdias Wolff sprach kein Wort mehr, Dorothea brütete ängstlich über ihrem Teller, und Antoni traute sich nichts mehr zu sagen. Johanna war froh, als ihr Vater endlich aufstand und zu Bett ging.
»Toni, du auch!«, kommandierte sie streng und fi ng an, den Tisch abzuräumen.
»Lass nur«, winkte Dorothea ab, »ich mach das schon. Geht nur ihr zwei ein bisschen vor die Tür.«
Johanna lächelte ihr dankbar zu, griff Hans bei der Hand und zog ihn zur Hintertür hinaus.
Im Apothekersgarten gab es einen kleinen Unterstand, wo im Sommer die Kräutersträuße abhingen und allerlei Behältnisse und Gerätschaften lagerten. Auch eine kleine Bank stand da, auf der sich die beiden jetzt niederließen. Es war kalt, Johanna zitterte, und Hans legte den Arm um ihre Schultern.
»Dein Vater ist ein rechter Dickkopf«, meinte er. »Er soll bloß vorsichtig sein mit dem, was er sagt. Zu Zeil beäugt man Leute, die solche Meinung äußern, schon ziemlich genau ... «
»Was willst du damit sagen?« Johanna wurde es trotz der Umarmung ungemütlich.
»Na, der Pfarrer dort hat gepredigt, dass es nichts anderes als Ketzerei ist, wenn man nicht an das Hexenwesen glaubt.«
Johanna blieb eine Weile still und hing ihren Gedanken nach. Hexen, Druden, Unholden. Natürlich gab es sie. Genau wie es Engel und Teufel, Gott und die Heiligen gab. Wer wollte das bezweifeln? Aber damit ging es einem wie mit allen schlimmen Dingen: Sie fanden immer woanders statt, betrafen nie einen selber. Sie erinnerte sich an einen sonnigen Sommertag in ihrer Kindheit, als sie einer Moritatensängerin zuhörte, die auf dem Marktplatz ihr Lied vortrug. Die alte Zigeunerin hatte eine Tafel mit Zeichnungen aufgestellt, auf die sie bei jeder Strophe des Liedes mit einem krummen Stöckchen zeigte. Da konnte man Gestalten mitten im lodernden Feuer sehen, junge Weiber, die auf Ziegenböcken durch die Luft flogen, zerfledderte Alte, die um einen Kessel hockten und Gewitter brauten. Und den Teufel, gekleidet als edlen jungen Mann, der sich nur dadurch verriet, dass unten aus den Hosenbeinen Bocksfüße lugten. Sie hatte damals mit Gruseln und Gänsehaut der Ballade gelauscht, war danach stracks nach Hause zu ihrer Mutter gelaufen und hatte sich unter ihren weiten Röcken versteckt. Doch die hatte sie ausgelacht. »Hier gibt’s keine Hexen«, hatte sie gesagt, und Johanna war unendlich erleichtert gewesen. Aber nun? Waren die grässlichen Verbündeten Satans am Ende schon in der Stadt?
© Krüger Verlag
»Und warum musst du dort hin?« Antoni saß mit offenem Mund da, er hatte vergessen zu kauen.
Schramm lächelte ihm zu. »Nun, bei den Verhören muss schließlich jemand mitschreiben, Antoni. Und die Geständnisse der bösen Druden und Drudner brauchen die hohen Herren auch schriftlich. Der Stadtschreiber von Zeil, mein Kollege Schmeltzing, schafft das alles nicht mehr alleine. Deshalb haben sie mich geschickt, um auszuhelfen.«
»Hexen in Zeil?« Abdias Wolff wischte sich die fettigen Hände am Tischtuch ab. »Sind die Leute denn gar nicht gescheiter geworden? Es sind doch schon vor Jahren Druden gejagt worden, ohne dass die Welt besser geworden wäre!«
Antoni wunderte sich. »Hier in der Stadt?«
»Ja«, gab sein Vater zurück. »In Bamberg, Würzburg und anderswo. Es ist noch gar nicht so lange her. Immer wenn Dinge geschehen, die den Menschen nicht in den Kram passen, schreien sie nach Hexen. Dann müssen ein paar arme Schweine dran glauben, bis sich die Sache wieder beruhigt.«
»Ihr redet recht frisch und frei über eine solch ernste Angelegenheit wie Zauberei«, meinte der Schreiber ein wenig beleidigt und nahm einen Schluck Wein.
»Ernst? Das Ganze ist doch lächerlich! Hagel kommt jedes Jahr vor, und Kühe haben oft entzündete Euter, das gibt Blut in der Milch. Läuse hat sowieso jeder, und der Wein verträgt nun mal keinen Frost! Zauberei, pah! Diese Zeiler sind halt doch bloß rückständige Häcker und dumme Bauern.«
Hans Schramm blieb der Bissen im Hals stecken. »Wie könnt Ihr so etwas sagen, Meister Wolff? Ihr solltet sie sehen, diese Zauberinnen, wie sie verstockt alles abstreiten, obwohl ihnen das Blut aus den Fingern springt! Und wie sie schließlich, wenn der Teufel endlich aus ihnen gefahren ist, heulend und zähneknirschend ihre Übeltaten gestehen!«
»Meine Lehrer sagen auch, dass der Teufel sich oft in Verkleidung an die Leute heranmacht, dass sie vom rechten Glauben abfallen und schlimme Sachen tun«, warf Antoni aufgeregt ein. »Und dann fahren sie nachts auf der Ofengabel durch den Schlot aus, hui, mitten durch die Luft! Und sie küssen einem Ziegenbock, das ist nämlich der Teufel, den Hintern, pfui! Und dann müssen sie alles tun, was er ihnen sagt, zum Beispiel dem Fürstbischof den Wein aus dem Keller stehlen und kleine Kinder sieden, bis das Fett fl üssig wird und ... «
»Toni!« Abdias Wolff schnitt seinem Sohn das Wort ab. »Du musst nicht alles glauben, was dir die Jesuiten auf der Schule beibringen. Ich jedenfalls hab noch keine Hexe gesehen, und mich hat auch noch niemand verzaubert. Also iss jetzt weiter.«
»Aber er hat doch recht.« Hans Schramm legte sein Messer hin. »Genau das geben sie ja zu. Ich war selber dabei, sonst hätt ich’s auch nicht geglaubt. Seid Euch nur nicht so sicher, Meister Wolff! Die brävsten Bürgersweiber, Ehefrauen, Großmütter, denen vorher niemand zugetraut hätte, dass sie einer Fliege etwas zuleide tun, hat man ins Loch eingeholt! Und dann stellt sich heraus, dass es Unholdinnen sind, Teufelsbuhlinnen, die nichts als die Zerstörung unseres christlichen Gemeinwesens und das Unglück guter Christenmenschen im Sinn haben. Es ist widerlich!«
Dorothea war ganz blass geworden. »Und dann werden sie verbrannt?«
Schramm nickte. »Ja. Wenn sie gestanden haben, kommt der Pfarrer und nimmt sie wieder in die Gemeinschaft des Glaubens auf, damit sie als wahre Christen sterben können. Ihr solltet sehen, wie glücklich sie dann sind! Und der Tod im Feuer hat ja auch reinigende Kraft.«
»Wie viele Hexen waren es denn?«, fragte Johanna.
»Waren?« Schramm lachte trocken auf. »Es werden immer mehr! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele schon beschuldigt wurden. Die Haare stehen einem zu Berge! Wir fragen die bösen Weiber, wer alles zu ihren gotteslästerlichen Treffen kommt, mit wem sie Zauberei treiben und wer sonst noch zu ihrem scheußlichen Kreis gehört. Erst wollen sie alle keine Namen nennen, aber später, wenn sie dann auf dem Bock sitzen oder im Zug hängen, da werden sie alle geständig. Ganze Familien kommen da in Teufels Namen zusammen. Derzeit wissen sie in Zeil gar nicht mehr, wo sie die Verhafteten noch einsperren sollen. Das Loch ist völlig überfüllt.«
Abdias Wolff schüttelte den Kopf. »Und warum verführt der Teufel ausgerechnet in Zeil die Weiber?«
»Wenn wir das wüssten. Vielleicht tut er’s ja überall, nur anderswo hat man es noch nicht entdeckt. Jeder weiß doch, dass der Leibhaftige den Menschen stets und überall ins Verderben reißen will.« Schramm nahm sich noch ein Stück Gans.
»Du meinst, dass es hier zu Bamberg auch wieder Hexen geben könnte, nur wissen wir es noch nicht?« Johanna schaute ihren Verlobten ernst an.
»Ganz genau! Denk nur an die braungescheckte Ziege der alten Marga vom Riegeltor. Wie viel Milch hat die in den letzten Jahren gegeben, ganz Bamberg hat gestaunt! Und dann plötzlich – wie abgerissen. Steht im Stall und es kommt kein Tröpfl ein mehr! Keiner hat sich dabei etwas gedacht. Und dabei wissen wir doch alle, dass Hexen eine Axt in die Stalltür hauen und aus dem Stiel dann heimlich die Milch wegmelken. Und der junge Knecht vom Sandbüttner: Fällt auf einmal mitten bei der Arbeit um und ist tot. Kerngesund war der doch bis dahin! Ich wette, eine Drud hat ihm das Geschoss getan. Sie wickeln ein Steinchen in Blätter vom Blutkraut und werfen es an! Das gibt dann einen plötzlichen Schmerz, der in den Leib fährt und einen sogar umbringen kann! Ich sage euch, wir sind alle zu gutgläubig. Wir müssen auf der Hut sein, Tag und Nacht.«
»Jetzt ist aber Schluss mit dem Unsinn.« Abdias Wolff wurde richtig zornig. »Hans, du machst dem Antoni Angst und setzt ihm dummes Zeug in den Kopf. Bei uns in Bamberg gibt’s keine Hexen, das walte schon unser Fürstbischof. Wir sind alle gut katholisch, an uns beißt sich der Teufel sämtliche Zähne aus. Lass die Zeiler ruhig ihr Hexenvolk verbrennen, wenn es denn eines ist – hier in der Stadt wird so etwas nicht wieder geschehen! So, und jetzt will ich in Ruhe meine Gans essen.«
Das Abendessen verlief in recht düsterer Stimmung. Abdias Wolff sprach kein Wort mehr, Dorothea brütete ängstlich über ihrem Teller, und Antoni traute sich nichts mehr zu sagen. Johanna war froh, als ihr Vater endlich aufstand und zu Bett ging.
»Toni, du auch!«, kommandierte sie streng und fi ng an, den Tisch abzuräumen.
»Lass nur«, winkte Dorothea ab, »ich mach das schon. Geht nur ihr zwei ein bisschen vor die Tür.«
Johanna lächelte ihr dankbar zu, griff Hans bei der Hand und zog ihn zur Hintertür hinaus.
Im Apothekersgarten gab es einen kleinen Unterstand, wo im Sommer die Kräutersträuße abhingen und allerlei Behältnisse und Gerätschaften lagerten. Auch eine kleine Bank stand da, auf der sich die beiden jetzt niederließen. Es war kalt, Johanna zitterte, und Hans legte den Arm um ihre Schultern.
»Dein Vater ist ein rechter Dickkopf«, meinte er. »Er soll bloß vorsichtig sein mit dem, was er sagt. Zu Zeil beäugt man Leute, die solche Meinung äußern, schon ziemlich genau ... «
»Was willst du damit sagen?« Johanna wurde es trotz der Umarmung ungemütlich.
»Na, der Pfarrer dort hat gepredigt, dass es nichts anderes als Ketzerei ist, wenn man nicht an das Hexenwesen glaubt.«
Johanna blieb eine Weile still und hing ihren Gedanken nach. Hexen, Druden, Unholden. Natürlich gab es sie. Genau wie es Engel und Teufel, Gott und die Heiligen gab. Wer wollte das bezweifeln? Aber damit ging es einem wie mit allen schlimmen Dingen: Sie fanden immer woanders statt, betrafen nie einen selber. Sie erinnerte sich an einen sonnigen Sommertag in ihrer Kindheit, als sie einer Moritatensängerin zuhörte, die auf dem Marktplatz ihr Lied vortrug. Die alte Zigeunerin hatte eine Tafel mit Zeichnungen aufgestellt, auf die sie bei jeder Strophe des Liedes mit einem krummen Stöckchen zeigte. Da konnte man Gestalten mitten im lodernden Feuer sehen, junge Weiber, die auf Ziegenböcken durch die Luft flogen, zerfledderte Alte, die um einen Kessel hockten und Gewitter brauten. Und den Teufel, gekleidet als edlen jungen Mann, der sich nur dadurch verriet, dass unten aus den Hosenbeinen Bocksfüße lugten. Sie hatte damals mit Gruseln und Gänsehaut der Ballade gelauscht, war danach stracks nach Hause zu ihrer Mutter gelaufen und hatte sich unter ihren weiten Röcken versteckt. Doch die hatte sie ausgelacht. »Hier gibt’s keine Hexen«, hatte sie gesagt, und Johanna war unendlich erleichtert gewesen. Aber nun? Waren die grässlichen Verbündeten Satans am Ende schon in der Stadt?
© Krüger Verlag
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Autoren-Porträt von Sabine Weigand
Sabine Weigand stammt aus Franken. Sie ist Historikerin und arbeitet als Ausstellungsplanerin im Museum von Schwabach. Historische Personen liefern auch die Vorlage für ihre Romane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sabine Weigand
- 2008, 523 Seiten, Maße: 14 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: FISCHER Krüger
- ISBN-10: 3810526630
- ISBN-13: 9783810526632
Kommentar zu "Die Seelen im Feuer"
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