Die Silberschmiedin
Frankfurt im 15. Jahrhundert: Die Silberschmiedin Eva soll im Auftrag ihrer Mutter in Leipzig eine Silberschmiede einrichten. Unterstützung erhält sie dabei von dem erfahrenen Kaufmann Andreas Mattstedt, der schon bald um ihre Hand anhält. Eva willigt in...
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Frankfurt im 15. Jahrhundert: Die Silberschmiedin Eva soll im Auftrag ihrer Mutter in Leipzig eine Silberschmiede einrichten. Unterstützung erhält sie dabei von dem erfahrenen Kaufmann Andreas Mattstedt, der schon bald um ihre Hand anhält. Eva willigt in diese Vernunftheirat ein. Doch kurz darauf passiert es: Eva begegnet ihrer großen Liebe.
Ines Thorns erster Roman ''Die Pelzhändlerin'' wurde auf Anhieb ein Bestseller.
Hier erzählt sie die Geschichte Evas, der Tochter der Pelzhändlerin.
Die Silberschmiedin von Ines Thorn
LESEPROBE
Eva saß imWohnraum des reichen Bürgerhauses in der Krämergasse an einem Schreibpult, andem ihre Mutter für gewöhnlich die Korrespondenz erledigte. Sie spielte miteinem Gänsekiel, dessen Spitze von der Tusche ganz schwarz war, und sah zuihrer Mutter.
Sibyllastand am Fenster und spähte durch die gelben Butzenscheiben. Eine ältere,überaus unansehnliche Magd stand hinter ihr, hielt einen Rosenkranz zwischenden Fingern und murmelte ununterbrochen Gebete: «Herr Jesus, verschone uns vordem Jüngsten Gericht. Wir alle sind Sünder, vergib uns unsere Schuld, wie auchwir vergeben unsern Schuldigern. Behüte, beschütze und beschirme die Männer, Frauenund Kinder dieser Stadt.»
Die Muttersah die Magd von der Seite an. «Hast du die Wäsche ins Haus gebracht?», unterbrachsie die Litanei.
Die Frauzuckte zusammen. Sie sah mit erschrockenen Augen hoch und schüttelte den Kopf.
Evalächelte. Sie kannte ihre Mutter so gut, dass sie genau wusste, was diesegleich sagen würde. Ich bezahle dich nicht fürs Beten.
«Dann hole sie.Aber eile dich. Gleich wird es sintflutartig gießen. Du bekommst deinen Lohnfür deine Arbeit, nicht fürs Beten und Barmen.»
Eva hätteam liebsten aufgelacht, doch sie beherrschte sich.
«Aber ...es heißt ... der Teufel geht um, bevor ein Gewitter kommt», stammelte die Magdangstvoll.
Gleich wirdsie sagen: Dann kannst du ihn dir ja mit dem Kreuz um deinen Hals vom Leibehalten, dachte Eva.
«Du kannstihn ja mit deinem Rosenkranz abwehren», erwiderte die Mutter. Eva schlug sichdie Hand vor den Mund, um nicht zu kichern.
Die Magdverzog das Gesicht, als wolle sie weinen, und trat von einem Fuß auf denanderen. «Der Teufel geht um. Ich weiß es. Die ganze Stadt spricht darüber. Ichhabe Angst. Wegen ein paar Stück Wäsche setze ich meine Seele nicht aufs Spiel»;beharrte die Magd.
Plötzlichdrang Lärm bis in die Stube hinauf. Das Geschrei kam von der Straße. «Eine Toteam Mainufer. Man hat eine Tote gefunden!»
Eva eilteans Fenster und öffnete es. Ein Junge lief durch die Gasse und verkündete ausLeibeskräften die Neuigkeit. Plötzlich war das drohende Gewitter vergessen.
Die Mutteröffnete das Fenster: «Was ist lose», rief sie.
«Ein totesMädchen ist am Mainufer angeschwemmt worden. Nicht weit vom Hafen. Ein Gesichtganz von Silber soll sie haben. Eine Wasserhexe vielleicht oder ein Kind derSterne», antwortete der Junge und rannte weiter.
DieseNachricht goss Öl in die aufgeflackerte Neugierde. Aus allen Häusern strömtendie Menschen. Niemand wollte sich das Spektakel entgehen lassen, welches größerzu werden versprach als ein heftiges Sommergewitter.
«Einsilbernes Gesicht? Das glaube ich nicht. Ich möchte selbst sehen, was da losist», sagte auch Eva.
«Warte, ichkomme mit.»
Mutter undTochter eilten gemeinsam die Krämergasse hinunter, die Magd keuchte hinterdrein.Sie überquerten den Römer, hasteten am Bartholomäusdom vorbei und hattenendlich das Mainufer erreicht.
Die halbeStadt hatte sich bereits versammelt.
Energischbahnte sich die Mutter mit ihren Ellbogen einen Weg durch die dicht gedrängteMenge. Eva und die Magd folgten ihr.
Als Eva dieTote sah, schrie sie leise auf. Sie war nackt und vollkommen haarlos. Die Beinewaren schlank und fest, die Scham sah so unschuldig aus wie bei einem kleinenMädchen.
Ihr Leibwar jung, gerade erst erblüht und ohne Zeichen des Welkens.
Über demGesicht aber prangte eine silberne Maske.
Eva und dieMutter standen starr. Auch den anderen Schaulustigen hatte es die Spracheverschlagen. Stumm machten sie der Stadtwache Platz, die mit umgehängtenHakenbüchsen nach vorn drängte.
Selbstdiese beiden Männer waren für einen Augenblick wie gelähmt. Dann aber erinnerteein Donnergrollen an das bevorstehende Gewitter. Ein Wachmann beugte sich überdie Tote und löste vorsichtig die Maske vom Gesicht. Die Umstehenden stöhntenauf. Was zum Vorschein kam, hatte keine menschlichen Züge mehr. «Die Fratze desTeufels», keuchte die Magd und bekreuzigte sich.
Anstellevon Augen sah man nur dunkle Löcher. Die Haut hing in Fetzen und entblößte dasFleisch, die Lippen waren verbrannt und gaben die Zähne frei. Ihr Haar aber wargrau wie das einer alten Frau und stand in einem schmerzhaften Widerspruch zuihrem jungen Leib.
VollerGrauen wandte Eva den Blick ab. Sie musste ein Würgen unterdrücken.
«Esscheint, als hätte tatsächlich jemand ihr Gesicht mit heißem Silber überzogen.Oder einen Abdruck von Ton genommen und ihn direkt auf der Haut gebrannt»,stellte ihre Mutter fest. «Sie muss unendliche Schmerzen dabei gelitten haben.Das Blut hat ihr sicher in den Adern gekocht, falls sie noch gelebt hat, unddie Augen sind ihr in den Höhlen geschmolzen.»
Evaschüttelte den Kopf. «Wer tut so etwas? Das kann kein Mensch gewesen sein!»
«Das Endeder Welt ist nahe», vermutete die Magd. «Die ersten Boten des Satans mischensich unter das Volk und verüben ihre grausigen Werke. Besonders vor einemUnwetter, ich sage es ja.»
Sie nicktezufrieden und ließ den Rosenkranz durch ihre Hände gleiten. Jetzt würde dieHerrin bestimmt nicht mehr von ihr verlangen, dass sie vor dem Gewitter nochdie Wäsche holte.
«Wie kannso etwas passieren?», fragte Eva fassungslos.
Siebetrachtete das Mädchen, das sehr schön gewesen sein musste und die diesilberne Maske; die der Wachmann wieder zurückgelegt hatte, nun etwasKönigliches verlieh.
«Wie istsie nur in diese Lage gekommen?»
«Tja, wieist die Maid da wohl hingeraten?», wiederholte die Magd Evas Frage. «Sie wirdsich wohl mit einem Burschen herumgetrieben haben, einem Satansjünger. Mitihren festen Brüsten wird sie gewippt haben, wenn er in der Nähe war, denHintern wird sie geschwenkt haben, wenn er hinter ihr ging. So lange, bis ihm der Sabber aus dem Mund lief. Als er sich dann holenwollte, was ihm zustand, hat ihm das Mädchen eine Abfuhr erteilt. Auch derSatan ist ein Mann, der zum Knüppel greift, wenn ihm die Frau nicht zu Willenist. Ihre Unschuld hat sie bewahren wollen, so wie es Gott will, das gute Kind.Sie ist lieber in den Tod gegangen, als mit dem Teufel zu buhlen.»
«Schlussjetzt!», unterbrach Sibylla das Geschwätz. «Du gehst zurück und holst dieWäsche. Sofort!»
Die Magdsetzte zu einer Antwort an, doch als sie Sibyllas Blick sah, machte sie sichwortlos auf den Weg.
Eva aberstarrte noch immer auf die Tote.
«Eines istgewiss: Wer immer das Mädchen dort so zugerichtet hat, er versteht etwas vomUmgang mit Silber», überlegte Sibylla.
Die Mutterhatte sich gefasst und betrachtete die Tote wie einen Gegenstand.
«EinSilberschmied also?», fragte Eva schaudernd.
Die Mutterzuckte die Achseln. «Ein Silberschmied, ein Kannengießer, ein Waffenschmied,ein Bronzegießer, ein Aufbereiter oder einfach nurein Verrückter.»
© Rowohlt
Die Titel Ihrer Romane wie „Die Pelzhändlerin“ oder „Die Silberschmiedin“ verraten schon, dass sich die Geschichten um Frauengestalten herum entwickeln. Warum?
Oh, hier ist die Antwort recht einfach: Ich kenne mich mit Frauen einfach besser aus. Insbesondere, wenn es um weibliche Identität geht, glaube ich, darüber besser Bescheid zu wissen als über Identität und Selbstverständnis der Männer. Darüber hinaus weiß man aus den historischen Wissenschaften einfach mehr über Männer als über Frauen. Geschichtsforschung war Jahrhunderte lang Männerforschung. Es wird Zeit, dass die Frau mal in den Mittelpunkt gerückt wird. Selbst eine so berühmte Theologin wie Hildegard von Bingen war über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten.
Schreiben Sie hauptsächlich für eine weibliche Leserschaft?
Nein, ich trenne nicht zwischen einer weiblichen und einer männlichen Leserschaft. Ich freue mich ganz einfach über jeden Leser. Und jede Lesermeinung ist für mich interessant, beflügelt mich oder hinterfragt mich. Ich habe schon tolle Anregungen von Männern bekommen, aber selbstverständlich auch von Frauen. Natürlich kann ich nicht abstreiten, dass meine Bücher mehr von Frauen als von Männern gelesen werden. Vielleicht liegt das daran, dass meine Themen Frauen mehr ansprechen als Männer. Ein Buch sozusagen von Frau zu Frau.
Mich fasziniert der Alltag im Mittelalter. Ich möchte wissen, was und wie die Menschen damals gelebt, geliebt, gelitten haben. Was wurde gegessen in einer Zeit, in der es weder Nudeln noch Reis noch Kartoffeln gab? Wie wurde getanzt, gefeiert? Wie getrauert und gelitten? Was galt damals, das noch heute gilt? Was können wir aus der Vergangenheit lernen? Was hat sich grundlegend verändert? Diesen Fragen möchte ich gern in meinen Büchern nachgehen.
Sie haben nach eigenen Worten eine „glückliche sozialistische Kindheit“ in Leipzig verbracht und leben nun schon einige Jahre in Frankfurt/Main. Wie kam es zu dem Umzug?
Aus Liebe. Ich habe 1990 in der „ersten deutsch-deutschen Werbeagentur“ gearbeitet, ein Joint Venture aus Frankfurtern und Leipzigern. Dort habe ich mich in meinen Kollegen und Chef verliebt und bin mit ihm zusammen nach Frankfurt gezogen. Es hat lange gedauert, bis ich mich in Frankfurt heimisch gefühlt habe, aber jetzt liebe ich insbesondere den Stadtteil Bornheim und die Berger Straße aus vollem Herzen.
Wie sehr fühlen Sie sich noch mit Leipzig verbunden?
Leipzig ist für mich nach wie vor die schönste Stadt der Welt, auch wenn ihr mittlerweile Frankfurt dicht auf den Fersen folgt. Meine Eltern und meine Großmutter leben dort, außerdem einige Freunde. Es kommt immer mal wieder vor, dass ich Sehnsucht nach Leipzig habe, richtiges Heimweh. Schließlich habe ich dort Kindheit und Jugend verbracht.
Sie erzählten einmal, dass in Ihrer Familie die meisten Männer Bücher schreiben. Sind Sie also in einem literarisch geprägten Umfeld aufgewachsen, ist Ihre Leidenschaft, Bücher zu schreiben, quasi schon angelegt gewesen?
Oh, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass mir sowohl meine Eltern und auch meine Großeltern stundenlang vorgelesen haben, als ich noch ein kleines Kind war. Außerdem hörte und höre ich noch heute wahnsinnig gern Geschichten. Dabei ist es mir sogar gleichgültig, ob sie wahr oder erfunden sind. Nicht die Leidenschaft für Bücher liegt mir im Blut, glaube ich, sondern eher die Leidenschaft für Geschichten.
Sie selbst nennen Ihre Lust am Schreiben „Besessenheit“ und wollen durch intensives Studium anderer Schriftsteller immer noch dazu lernen. Wer sind Ihre Lieblingsautoren, wer hat Sie am nachhaltigsten beeinflusst?
Ich bin ein großer Fan von Christoph Hein, von Christa Wolf und – neuerdings – von Uwe Tellkamp. Sehr gern lese ich auch die französischen Gegenwartsautoren. Von Josef Winkler habe ich Detailbeschreibungen gelernt, von amerikanischen Fernsehserien ein wenig Dramaturgie abgeschaut. Eigentlich lerne ich bei jedem Buch etwas. Manchmal ist da ein Wort, ein anderes Mal eine Satzstellung, die mir gut gefällt. Lesen und Schreiben sind für mich mehr als ein Beruf, sie sind einfach mein Leben.
Auch die „Galgentochter“ bekommt eine Fortsetzung mit dem Titel „Höllenknecht“. Arbeiten Sie zeitgleich an mehreren Büchern?
Leider bin ich nur sehr begrenzt fähig zum Multitasking. Ich schreibe meine Bücher fein säuberlich nacheinander. Und nicht nur das: Ich schreibe auch meine Bücher ganz ordentlich von Seite 1 bis Seite 400. Vor- und zurückspringen, wie zahlreiche Kollegen es beherrschen, kann ich leider nicht.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth, Literaturtest.
- Autor: Ines Thorn
- 2006, 7. Aufl., Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499238578
- ISBN-13: 9783499238574
- Erscheinungsdatum: 02.01.2006
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