Die Stunde der Kurden

Karl Mays erfundenes wildes Kurdistan ist gegen den heutigen Hexenkesse im Nahen Osten romantische Idylle. Löwer war noch bis zum Februar in der Krisenregion auf Achse. Er kennt sie offenbar von früher, denn für seine hinterfragte Vision von einem Kurdenstaat quasi aus rauchenden Trümmern haben sich ihm verrammelte Türen - und Herzen - geöffnet. Die vielschichtige Reportage mit Essays und fundierten Interviews mit einflußreichen Geschäftsleuten, weitsichtigen Politikern und Gouverneuren, Strippenziehern und gar schöngeistigen (!) Militärs ist informativ wie ein Reiseführer, spannend wie ein Krimi und vor allem halt authentisch und aktuell. Ich habe das gut gegliederte Buch trotz der vielen geschichtlichen, ethnischen und religiösen Hintergrundinformationen nie gelangweilt aus der Hand gelegt. Die bildhafte Sprache beleuchtet unterhaltsam Zusammenhänge und fordert unausgesprochen zur Parteinahme für die Kurdische Sache auf, auch - oder vielleicht weil einen die Sympathie mitnimmt, die beim Buchautor für islamische Toleranz der Kurden inmitten haßerfüllten Gotteskrieges und deren Hoffnung auf einen eigenen Staat durchschimmert; Hoffnung nicht zuletzt auch, weil sie sich uneins bis feindlich oft noch selbst im Weg stehen. Löwer glaubt trotzdem an sie. Das Buch ist lesenswert, der Preis leider stolz - ein Kurde wohl!