Die verborgene Sprache der Blumen
Schon immer lebt Victoria Jones in Waisenhäusern und Pflegefamilien. Sie interessiert sich für niemanden - nur den Blumen und deren verborgene Bedeutung gehört ihre große Liebe.
Victoria arbeitet in einem...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die verborgene Sprache der Blumen “
Schon immer lebt Victoria Jones in Waisenhäusern und Pflegefamilien. Sie interessiert sich für niemanden - nur den Blumen und deren verborgene Bedeutung gehört ihre große Liebe.
Victoria arbeitet in einem Blumenladen. Sie hat eine besondere Begabung: Sie kennt die Sprache der Blumen. Deshalb sind ihre Sträuße bei den Kunden so beliebt. Eines Tages begegnet sie dem faszinierenden Grant. Sie erkennt, dass auch er die Sprache der Blumen spricht. Zum ersten Mal in ihrem Leben hofft sie auf Liebe und Geborgenheit. Doch dann holt die Vergangenheit sie ein.
Klappentext zu „Die verborgene Sprache der Blumen “
Victoria Jones kennt von Geburt an nur Waisenhäuser und Pflegefamilien. Von ihren Mitmenschen hält sie nichts und ist daher am liebsten allein. Einzig für Blumen interessiert sie sich, und für ihre verborgene Bedeutung, in die Elizabeth sie als Kind eingeweiht hat. Elizabeth ist der einzige Mensch, der ihr jemals das Gefühl von einem Zuhause gegeben hat. Mit achtzehn Jahren ist Victoria schließlich auf sich allein gestellt, ist obdachlos, bis sie einen Job in einem kleinen Blumenladen findet. Weil sie die Sprache der Blumen kennt, weiß sie die richtigen Sträuße zu binden und hat damit Erfolg. Auf dem Markt lernt sie Grant kennen und stellt erstaunt fest, dass er ebenfalls die Sprache der Blumen versteht. Zum ersten Mal seit langer Zeit hofft sie wieder auf Liebe und eine Familie. Doch ihre Vergangenheit, ihr Gefühl, nichts wert zu sein, holen sie immer wieder ein.
Lese-Probe zu „Die verborgene Sprache der Blumen “
Die verborgene Sprache der Blumen von Vanessa Diffenbaugh1.
Die Gemeine Distel
1.
... mehr
Acht Jahre lang hatte ich von Feuer geträumt. Bäume loderten auf, wenn ich an ihnen vorbeiging, und
Ozeane brannten lichterloh. Im Schlaf sickerte der süßliche Rauch in mein Haar ein. Beim Aufwachen lag der Duft dann wie eine Wolke auf meinem Kopfkissen. Dennoch schreckte ich hoch, als meine Matratze Feuer fing. Der scharfe Geruch nach Chemikalien hatte nichts mit dem dunstigen Sirup meiner Träume gemeinsam, vielmehr unterschied er sich davon wie Jasmin aus Indien von dem aus Carolina - wie Trennung von Nähe. Unmöglich, sie miteinander zu verwechseln.
In der Mitte des Zimmers stehend, erkannte ich rasch, woher das Feuer kam. Einige Streichhölzer lagen, ordentlich in Reih und Glied, am Fußende meines Bettes. Als ein Streichholz nach dem anderen in Flammen aufging, verwandelte sich die Kette in einen glühenden Lattenzaun entlang des gepaspelten Matratzenrandes. Während ich ihm beim Brennen zusah, empfand ich eine Todesangst, die nicht von der Größe der flackernden Flammen herrühren konnte. Einen lähmenden Augenblick lang war ich wieder zehn Jahre alt und so verzweifelt und hoffnungsfroh, wie ich es noch nie zuvor gewesen war und auch nie wieder sein würde.
Allerdings flammte die nackte Matratze aus synthetischem Material nicht auf wie die Disteln in jenem späten Oktober. Sie schwelte nur vor sich hin, und schließlich ging das Feuer aus.
Es war mein achtzehnter Geburtstag.
Die Mädchen hatten sich im Wohnzimmer nebeneinander auf dem durchgesessenen Sofa niedergelassen. Ihre Blicke glitten über meinen Körper und blieben an meinen nackten, unversehrten Füßen hängen. Eine wirkte erleichtert, eine andere enttäuscht. Wenn ich noch eine Woche geblieben wäre, hätte ich mir wohl jedes Mienenspiel gut eingeprägt und mich mit rostigen Nägeln in Schuhsohlen und Kieselsteinchen in Chiliportionen gerächt. Einmal hatte ich einer schlafenden Zimmergenossin das Ende eines glühenden Drahtkleiderbügels an die Schulter gehalten, und zwar wegen eines weitaus geringfügigeren Vergehens als Brandstiftung.
Doch ich würde in einer Stunde fort sein. Das wussten die Mädchen. Jedes von ihnen.
Ein Mädchen, das in der Mitte der Couch gesessen hatte, erhob sich. Sie sah jung aus - fünfzehn, höchstens sechzehn - und war in einer Weise hübsch, wie ich es nur selten gesehen hatte: gute Haltung, reine Haut, neue Kleider. Ich erkannte sie nicht sofort, aber die Art, wie sie sich, mit angezogenen Armen und energisch, durch das Zimmer bewegte, kam mir vertraut vor. Obwohl sie gerade erst eingezogen war, war sie keine Fremde für mich; mir fiel ein, dass ich schon einmal mit ihr zusammengewohnt hatte, in den Jahren nach Elizabeth, als ich besonders zornig und aggressiv gewesen war.
Wenige Zentimenter vor mir blieb sie stehen, ihr Kinn ragte in den Raum zwischen uns.
»Das Feuer war von uns allen«, sagte sie ruhig. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
Hinter ihr wand sich die Mädchenreihe auf dem Sofa. Eine Kapuze wurde aufgesetzt, eine Decke fester um die Schultern gezogen. Die Morgensonne beschien geschlossene Augenlider, und die Mädchen sahen plötzlich jung und wie Gefangene aus. Aus einer betreuten Wohngemeinschaft wie dieser entkam man nur durch Weglaufen, Volljährigwerden oder indem man in einer Anstalt landete. Jugendliche über vierzehn wurden nicht mehr zur Adoption vermittelt und kehrten in den seltensten Fällen, wenn überhaupt, nach Hause zurück. Diese Mädchen kannten ihre Zukunftsaussichten. In ihren Augen stand nichts als Angst: vor mir, vor ihren Hausgenossinnen und vor dem Leben, das sie sich selbst eingebrockt hatten oder in das sie hineingeboren worden waren. Zu meiner Überraschung überkam mich plötzlich Mitleid mit ihnen. Ich konnte gehen, sie aber waren gezwungen zu bleiben.
Als ich mich an dem Mädchen vorbei zur Tür vordrängen wollte, machte sie einen Schritt zur Seite und versperrte mir den Weg.
»Mach Platz«, befahl ich.
Eine junge Frau, die Nachtschicht hatte, steckte den Kopf aus der Küchentür. Sie war wahrscheinlich noch keine zwanzig und fürchtete sich mehr vor mir als die Mädchen im Zimmer.
»Bitte«, meinte sie mit flehender Stimme. »Es ist ihr letzter Vormittag. Lass sie einfach in Ruhe.«
Ich wartete, auf alles gefasst, während das Mädchen vor mir den Bauch einzog und die Fäuste fest ballte. Nach einem kurzen Moment schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab. Ich ging um sie herum.
Ich hatte noch eine Stunde, bis Meredith mich abholen würde. Ich öffnete die Eingangstür und trat hinaus. Es war ein nebliger Morgen in San Francisco. Der Betonboden der Veranda fühlte sich unter meinen nackten Füßen kühl an. Nachdenklich blieb ich stehen. Eigentlich hatte ich eine Retourkutsche für die Mädchen geplant, etwas Kränkendes und Hasserfülltes. Aber ich war seltsam nachsichtig gestimmt. Vielleicht lag es daran, dass ich nun achtzehn war und mit einem Schlag alles ausgestanden hatte, jedenfalls konnte ich ihnen ihren üblen Streich verzeihen. Deshalb wollte ich ihnen, bevor ich ging, etwas mitteilen, das die Angst aus ihren Augen vertrieb.
Also spazierte ich die Fell Street hinunter zur Market Street. Als ich eine belebte Kreuzung erreichte, wurde ich langsamer, denn ich hatte noch nicht entschieden, wohin ich wollte. An einem gewöhnlichen Tag hätte ich Sommerblumen im Duboce Park gepflückt, die Brachfläche Ecke Page Street und Buchanan Street geplündert oder auf dem Straßenmarkt Kräuter gestohlen. Fast zehn Jahre lang hatte ich jede freie Minute damit verbracht, mir die Bedeutung und wissenschaftliche Beschreibung der verschiedenen Blumen einzuprägen, auch wenn ich dieses Wissen kaum nutzte. Wieder und wieder verwendete ich die gleichen Blumen. Ein Strauß Ringelblumen: Trauer. Ein Eimer Disteln: Menschenfeindlichkeit. Eine Prise getrocknetes Basilikum: Hass. Nur gelegentlich änderte ich meine Botschaften. Eine Hosentasche voller roter Nelken für die Richterin, als ich begriff, dass ich nie wieder in den Weinberg zurückkehren würde; und Pfingstrosen für Meredith, sooft ich welche auftreiben konnte. Nun suchte ich die Market Street nach einem Blumengeschäft ab und blätterte dabei in Gedanken in meinem Wörterbuch.
Drei Häuserblocks weiter stieß ich auf einen Getränkeladen, wo in Papier gewickelte Sträuße in Eimern unter den vergitterten Fenstern vor sich hin welkten. Ich blieb vor dem Laden stehen. Da die meisten Sträuße gemischt waren, vermittelten sie widersprüchliche Aussagen. Die Auswahl an Gebinden, die nur aus einer Blumensorte bestanden, war gering: gewöhnliche Rosen in Rot oder Rosa und ein schlaffer Strauß gestreifter Nelken. Ein Büschel violetter Dahlien quoll aus einem Papierhörnchen:
Würde. Sofort wusste ich, dass das meine Botschaft war. Ich drehte mich mit dem Rücken zu dem schräg hängenden Spiegel über der Tür, schob die Blumen unter meine Jacke und rannte los.
Als ich zu dem Haus zurückkam, war ich außer Atem. Das Wohnzimmer war leer, und ich trat ein, um die Dahlien auszupacken. Die Blumen ähnelten formvollendeten Sternen, Schicht um Schicht violetter Blütenblätter mit weißem Rand, die aus einer fest zusammengeballten Mitte ragten. Ich durchtrennte das Gummiband mit den Zähnen und entwirrte die Stengel. Die Mädchen würden niemals verstehen, was die Dahlien ihnen sagen wollten (außerdem war die aufmunternde Botschaft eine zweischneidige Sache). Dennoch fühlte ich mich seltsam unbeschwert, als ich den langen Flur entlangging und unter jeder geschlossenen Zimmertür eine Blume durchschob. Die restlichen Blumen gab ich der jungen Frau, die die Nachtschicht machte. Sie stand am Küchenfenster und wartete auf ihre Ablösung.
»Danke«, sagte sie verdattert, als ich ihr den Strauß reichte. Sie drehte die starren Stengel zwischen den Handflächen.
Meredith erschien wie versprochen um zehn. Ich erwartete sie, einen Pappkarton auf dem Schoß, auf der Veranda. In den achtzehn Jahren hatte ich hauptsächlich Bücher angesammelt: Das Lexikon der Blumen und Peterson Field Guide to Pacif c States Wildf owers, beides geschickt von Elizabeth, einen Monat nachdem ich ihr Haus verlassen hatte. Dazu Botaniklehrbücher aus Bibliotheken überall entlang der East Bay und dünne Taschenbücher mit viktorianischen Gedichten, stibitzt in stillen Buchläden. Die Bücher waren unter Stapeln gefalteter Kleider versteckt, eine Sammlung gefundener und gestohlener Sachen, von denen manche passten, viele auch nicht. Meredith würde mich zum Gathering House bringen, einem Übergangswohnheim im Bezirk Sunset. Ich stand auf der Warteliste, seit ich zehn war.
»Alles Gute zum Geburtstag«, meinte Meredith, während ich meinen Karton auf dem Rücksitz ihres Dienstwagens verstaute. Ich antwortete nicht. Wir wussten beide, dass es vielleicht gar nicht mein wirklicher Geburtstag war. In meiner ersten Gerichtsakte wurde mein Alter mit schätzungsweise drei Wochen angegeben. Geburtsdatum und Geburtsort waren ebenso unbekannt wie meine leiblichen Eltern. Man hatte sich für den 1. August entschieden, damit ich irgendwann volljährig werden konnte, nicht um ihn festlich zu begehen.
Ich setzte mich nach vorne neben Meredith, schloss die Tür und dachte, dass sie jetzt losfahren würde. Sie klopfte mit ihren Fingernägeln auf das Lenkrad. Ich schnallte mich an. Aber das Auto bewegte sich noch immer nicht von der Stelle. Ich drehte mich zu Meredith um. Da ich noch im Pyjama war, zog ich die in Flanell steckenden Knie hoch bis zum Brustbein und wickelte mir die Jacke um die Beine. Mein Blick war auf das Dach von Merediths Auto gerichtet, während ich darauf wartete, dass sie etwas sagte.
»Nun, bist du bereit?«, fragte sie.
Ich zuckte die Achseln.
»Jetzt ist es so weit«, fügte sie hinzu. »Ab heute beginnt dein Leben. Von diesem Moment an kannst du niemandem mehr die Verantwortung zuschieben als dir selbst.« Meredith Combs, die Sozialarbeiterin, der ich die endlose Reihe von Adoptivfamilien verdankte, die mich stets wieder abgeschoben hatten, wollte mit mir über Verantwortung reden.
2.
Ich presste die Stirn gegen die Fensterscheibe und sah zu, wie die staubigen sommerlichen Hügel vorbeiglit-
ten. In Merediths Auto roch es nach Zigarettenrauch, und der Sicherheitsgurt wies Schimmelflecke von etwas auf, das ein anderes Kind hatte essen dürfen. Ich war neun Jahre alt und saß, im Nachthemd und mit wild zerzaustem, kurzgeschnittenem Haar, auf dem Rücksitz. Meredith hatte sich das ganz anders vorgestellt. Sie hatte mir sogar eigens für diesen Anlass ein Kleid gekauft, ein fließendes, hellblaues mit Stickereien und Spitze. Aber ich hatte mich geweigert, es anzuziehen.
Meredith starrte geradeaus auf die Straße. Deshalb sah sie nicht, wie ich meinen Sicherheitsgurt öffnete, das Fenster aufmachte und den Kopf hinausstreckte, bis sich mein Schlüsselbein an den Rand der Tür drückte. Ich hielt mein Kinn in den Wind und wartete darauf, dass sie mir befahl, mich zu setzen. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, schwieg aber. Ihr Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst, ihren Augenausdruck konnte ich wegen der Sonnenbrille nicht erkennen.
Ich verharrte in dieser Haltung und beugte mich mit jedem Kilometer ein Stück weiter vor, bis Meredith ohne Vorwarnung einen Knopf an ihrer Tür bediente, so dass sich das Fenster ein Stück schloss. Das dicke Glas grub sich in meinen ausgestreckten Hals. Ich fuhr zurück und fiel auf den Boden. Meredith schloss das Fenster weiter, bis das Geräusch des Windes, der durch das Wageninnere brauste, von Stille abgelöst wurde. Sie drehte sich nicht um. Ich rollte mich auf dem schmutzigen Bodenbelag zusammen, kramte ein Babyfläschchen mit verdorbenem Inhalt unter dem Beifahrersitz hervor und warf es nach Meredith. Es prallte an ihrer Schulter ab und flog zu mir zurück. Eine säuerliche Pfütze ergoss sich über meine Knie. Meredith zuckte nicht mit der Wimper.
»Möchtest du Pf rsiche?«, fragte sie.
Beim Essen konnte ich nicht nein sagen, was Meredith sehr wohl wusste.
»Ja.«
»Dann setz dich wieder hin und schnall dich an. Am nächsten Obststand kaufe ich dir, was du willst.«
Ich kletterte auf meinen Sitz und zog mir den Sicherheitsgurt über die Brust.
Eine Viertelstunde später bog Meredith von der Schnellstraße ab. Sie kaufte mir zwei Pfirsiche und ein halbes Pfund Kirschen, die ich zählte, während ich sie verspeiste.
»Eigentlich dürfte ich es dir nicht verraten«, begann Meredith. Sie sprach langsam, dehnte dramatisch die Silben, hielt inne und sah mich an. Ich blickte, die Wange an die Glasscheibe gelehnt, gleichmütig aus dem Fenster, ohne zu antworten. »Aber ich finde, du solltest dir darüber im Klaren sein. Das hier ist deine letzte Chance. Deine allerletzte. Victoria, hast du mich verstanden?« Ich reagierte nicht. »Wenn du zehn wirst, giltst du für die Behörden als nicht mehr vermittelbar, und nicht einmal ich werde mich weiter bemühen, dich bei einer Familie unterzubringen. Das heißt, eine Einrichtung nach der anderen, bis du volljährig bist, falls es diesmal nicht klappt. Versprich mir einfach, dass du dir das zu Herzen nehmen wirst.«
Ich öffnete das Fenster und spuckte Kirschkerne in den Wind. Meredith hatte mich vor gerade einmal einer Stunde aus meinem ersten Kinderheim abgeholt. Mir schoss durch den Kopf, dass ich vielleicht absichtlich dort einquartiert worden war, um mich genau auf diesen Moment vorzubereiten. Mich traf keine Schuld daran, dass meine letzte Pflegefamilie mich vor die Tür gesetzt hatte. Außerdem hatte ich nur eine Woche im Heim gelebt, bis Meredith kam und mich zu Elizabeth brachte.
Wie ich fand, hätte es zu Meredith gepasst, mich zu quälen, um ihren Standpunkt zu untermauern. Die Mitarbeiterinnen im Heim waren grausam zu uns gewesen. Jeden Morgen hatte die Köchin ein dickes dunkelhäutiges Mädchen gezwungen, beim Essen das Hemd bis zum Hals hochzuziehen und ihren mächtigen Bauch zu zeigen, damit sie nicht vergaß, sich zu mäßigen. Nach dem Frühstück pickte sich Miss Gayle, die Hausmutter, eine von uns heraus, die sich an den Kopf des langen Tisches stellen und erzählen musste, warum ihre Familie sie abgeschoben hatte. Mich ließ Miss Gayle nur einmal antreten, und da ich als Neugeborenes ausgesetzt worden war, kam ich mit der Aussage: Meine Mutter wollte kein Baby davon. Andere Mädchen berichteten von den schrecklichen Dingen, die sie ihren Geschwistern angetan hatten oder dass sie verantwortlich für die Drogensucht ihrer Eltern seien. Fast immer weinten sie dabei.
Doch wenn Meredith mich ins Heim gesteckt hatte, um mir Angst zu machen, damit ich mich endlich benahm, war ihr Plan nicht aufgegangen, denn trotz des Personals hatte es mir dort gefallen. Es gab regelmäßige Mahlzeiten, ich schlief unter zwei Decken, und niemand heuchelte mir vor, mich zu lieben.
Ich aß die letzte Kirsche und spuckte Meredith den Kern an den Hinterkopf.
»Nimm es dir einfach zu Herzen«, wiederholte sie. Wie um mich zu bestechen, hielt sie an und kaufte an einem Drive-in-Imbiss eine dampfende Schale mit Fish and Chips und einen Schokomilchshake. Hastig stopfte ich alles in mich hinein, während ich zusah, wie die staubigen Hügel an der East Bay ins quirlige Durcheinander von San Francisco und schließlich in ebene Küstenlandschaft übergingen. Als wir die Golden Gate Bridge überquerten, war mein Nachthemd mit Pfirsichsaft, Kirschen, Ketchup und Milchshake beschmiert.
Wir kamen an verdorrten Feldern, einer Gärtnerei und einem verlassenen Parkplatz vorbei und erreichten schließlich einen Weinberg, wo sich die Rebstöcke in ordentlichen Reihen den geschwungenen Hügel hinauf erstreckten. Meredith trat fest auf die Bremse und bog rechts in eine lange, nicht geteerte Auffahrt ein. Sie beschleunigte auf der holperigen Straße, als könne sie es kaum erwarten, mich aus dem Auto zu werfen. Wir sausten an Picknicktischen und sorgfältig gepflegten Reben mit dicken Stämmen vorbei, die sich um lange Drähte rankten. An einer Kurve ging Meredith ein wenig vom Gas, beschleunigte dann wieder und hielt auf einen Hain hoher Bäume in der Mitte des Anwesens zu. Ihr Dienstwagen war in eine Staubwolke gehüllt.
Nachdem Meredith angehalten und der Staub sich gelegt hatte, sah ich ein weißes Farmhaus. Es hatte zwei Stockwerke, ein Satteldach und eine verglaste Veranda. Spitzenvorhänge verdeckten die Fenster. Rechts davon standen ein niedriger Wohnwagen aus Metall und einige windschiefe Schuppen. Dazwischen lagen Spielsachen, Werkzeuge und Fahrräder herum. Da ich schon einmal in so einem Wohnwagen gelebt hatte, fragte ich mich sofort, ob Elizabeth wohl ein Klappsofa hatte oder ob ich in ihrem Bett würde schlafen müssen. Ich hörte anderen Leuten nicht gern beim Atmen zu.
Meredith wartete nicht ab, ob ich freiwillig aussteigen würde, sondern öffnete meinen Sicherheitsgurt, packte mich unter den Achseln und zerrte mich zu dem großen Haus, während ich wild um mich trat. Da ich damit rechnete, dass Elizabeth aus dem Wohnwagen kommen würde, kehrte ich der Veranda den Rücken zu und sah sie nicht, als ich ihre knochigen Finger auf meiner Schulter fühlte. Mit einem Aufschrei riss ich mich los, rannte barfuß zum Auto und versteckte mich dahinter.
»Sie lässt sich nicht gerne anfassen«, hörte ich Meredith, offensichtlich ungehalten, zu Elizabeth sagen. »Das habe ich Ihnen ja schon erklärt. Sie müssen abwarten, bis sie von selbst auf Sie zukommt.« Es ärgerte mich, dass Meredith das wusste. Ich rieb mir die Stelle, wo sie mich berührt hatte, um ihre Fingerabdrücke zu beseitigen, und blieb hinter dem Auto in Deckung.
»Dann warte ich eben«, erwiderte Elizabeth. »Das habe ich Ihnen versprochen, und ich werde mein Wort auch halten.«
Meredith begann, ihre übliche Litanei von Gründen herunterzubeten, warum sie nicht bleiben könne, um uns zu helfen, einander besser kennenzulernen: eine kranke Großmutter, ein besorgter Ehemann und ihre Angst, nachts Auto zu fahren. Beim Zuhören klopfte Elizabeth ungeduldig mit dem Fuß an den Hinterreifen. In wenigen Minuten würde Meredith fort sein und mich schutzlos auf dem mit Kies bestreuten Platz zurücklassen. Also schlich ich mich geduckt und rückwärts davon, machte einen Satz hinter einen Walnussbaum, richtete mich auf und rannte los.
Am Ende der Baumreihe kroch ich zwischen die Reben, versteckte mich in einer dichten Pflanze und zog die losen Ranken um meinen mageren Körper. In meinem Unterschlupf hörte ich, wie Elizabeth auf mich zukam, und als ich die Ranken zurechtschob, konnte ich sehen, wie sie eine der Reihen entlangging. Erleichtert nahm ich die Hand vom Mund, als sie meine Reihe links liegenließ.
Übersetzung: Karin Dufner
Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe bei
Droemer Verlag
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Acht Jahre lang hatte ich von Feuer geträumt. Bäume loderten auf, wenn ich an ihnen vorbeiging, und
Ozeane brannten lichterloh. Im Schlaf sickerte der süßliche Rauch in mein Haar ein. Beim Aufwachen lag der Duft dann wie eine Wolke auf meinem Kopfkissen. Dennoch schreckte ich hoch, als meine Matratze Feuer fing. Der scharfe Geruch nach Chemikalien hatte nichts mit dem dunstigen Sirup meiner Träume gemeinsam, vielmehr unterschied er sich davon wie Jasmin aus Indien von dem aus Carolina - wie Trennung von Nähe. Unmöglich, sie miteinander zu verwechseln.
In der Mitte des Zimmers stehend, erkannte ich rasch, woher das Feuer kam. Einige Streichhölzer lagen, ordentlich in Reih und Glied, am Fußende meines Bettes. Als ein Streichholz nach dem anderen in Flammen aufging, verwandelte sich die Kette in einen glühenden Lattenzaun entlang des gepaspelten Matratzenrandes. Während ich ihm beim Brennen zusah, empfand ich eine Todesangst, die nicht von der Größe der flackernden Flammen herrühren konnte. Einen lähmenden Augenblick lang war ich wieder zehn Jahre alt und so verzweifelt und hoffnungsfroh, wie ich es noch nie zuvor gewesen war und auch nie wieder sein würde.
Allerdings flammte die nackte Matratze aus synthetischem Material nicht auf wie die Disteln in jenem späten Oktober. Sie schwelte nur vor sich hin, und schließlich ging das Feuer aus.
Es war mein achtzehnter Geburtstag.
Die Mädchen hatten sich im Wohnzimmer nebeneinander auf dem durchgesessenen Sofa niedergelassen. Ihre Blicke glitten über meinen Körper und blieben an meinen nackten, unversehrten Füßen hängen. Eine wirkte erleichtert, eine andere enttäuscht. Wenn ich noch eine Woche geblieben wäre, hätte ich mir wohl jedes Mienenspiel gut eingeprägt und mich mit rostigen Nägeln in Schuhsohlen und Kieselsteinchen in Chiliportionen gerächt. Einmal hatte ich einer schlafenden Zimmergenossin das Ende eines glühenden Drahtkleiderbügels an die Schulter gehalten, und zwar wegen eines weitaus geringfügigeren Vergehens als Brandstiftung.
Doch ich würde in einer Stunde fort sein. Das wussten die Mädchen. Jedes von ihnen.
Ein Mädchen, das in der Mitte der Couch gesessen hatte, erhob sich. Sie sah jung aus - fünfzehn, höchstens sechzehn - und war in einer Weise hübsch, wie ich es nur selten gesehen hatte: gute Haltung, reine Haut, neue Kleider. Ich erkannte sie nicht sofort, aber die Art, wie sie sich, mit angezogenen Armen und energisch, durch das Zimmer bewegte, kam mir vertraut vor. Obwohl sie gerade erst eingezogen war, war sie keine Fremde für mich; mir fiel ein, dass ich schon einmal mit ihr zusammengewohnt hatte, in den Jahren nach Elizabeth, als ich besonders zornig und aggressiv gewesen war.
Wenige Zentimenter vor mir blieb sie stehen, ihr Kinn ragte in den Raum zwischen uns.
»Das Feuer war von uns allen«, sagte sie ruhig. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
Hinter ihr wand sich die Mädchenreihe auf dem Sofa. Eine Kapuze wurde aufgesetzt, eine Decke fester um die Schultern gezogen. Die Morgensonne beschien geschlossene Augenlider, und die Mädchen sahen plötzlich jung und wie Gefangene aus. Aus einer betreuten Wohngemeinschaft wie dieser entkam man nur durch Weglaufen, Volljährigwerden oder indem man in einer Anstalt landete. Jugendliche über vierzehn wurden nicht mehr zur Adoption vermittelt und kehrten in den seltensten Fällen, wenn überhaupt, nach Hause zurück. Diese Mädchen kannten ihre Zukunftsaussichten. In ihren Augen stand nichts als Angst: vor mir, vor ihren Hausgenossinnen und vor dem Leben, das sie sich selbst eingebrockt hatten oder in das sie hineingeboren worden waren. Zu meiner Überraschung überkam mich plötzlich Mitleid mit ihnen. Ich konnte gehen, sie aber waren gezwungen zu bleiben.
Als ich mich an dem Mädchen vorbei zur Tür vordrängen wollte, machte sie einen Schritt zur Seite und versperrte mir den Weg.
»Mach Platz«, befahl ich.
Eine junge Frau, die Nachtschicht hatte, steckte den Kopf aus der Küchentür. Sie war wahrscheinlich noch keine zwanzig und fürchtete sich mehr vor mir als die Mädchen im Zimmer.
»Bitte«, meinte sie mit flehender Stimme. »Es ist ihr letzter Vormittag. Lass sie einfach in Ruhe.«
Ich wartete, auf alles gefasst, während das Mädchen vor mir den Bauch einzog und die Fäuste fest ballte. Nach einem kurzen Moment schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab. Ich ging um sie herum.
Ich hatte noch eine Stunde, bis Meredith mich abholen würde. Ich öffnete die Eingangstür und trat hinaus. Es war ein nebliger Morgen in San Francisco. Der Betonboden der Veranda fühlte sich unter meinen nackten Füßen kühl an. Nachdenklich blieb ich stehen. Eigentlich hatte ich eine Retourkutsche für die Mädchen geplant, etwas Kränkendes und Hasserfülltes. Aber ich war seltsam nachsichtig gestimmt. Vielleicht lag es daran, dass ich nun achtzehn war und mit einem Schlag alles ausgestanden hatte, jedenfalls konnte ich ihnen ihren üblen Streich verzeihen. Deshalb wollte ich ihnen, bevor ich ging, etwas mitteilen, das die Angst aus ihren Augen vertrieb.
Also spazierte ich die Fell Street hinunter zur Market Street. Als ich eine belebte Kreuzung erreichte, wurde ich langsamer, denn ich hatte noch nicht entschieden, wohin ich wollte. An einem gewöhnlichen Tag hätte ich Sommerblumen im Duboce Park gepflückt, die Brachfläche Ecke Page Street und Buchanan Street geplündert oder auf dem Straßenmarkt Kräuter gestohlen. Fast zehn Jahre lang hatte ich jede freie Minute damit verbracht, mir die Bedeutung und wissenschaftliche Beschreibung der verschiedenen Blumen einzuprägen, auch wenn ich dieses Wissen kaum nutzte. Wieder und wieder verwendete ich die gleichen Blumen. Ein Strauß Ringelblumen: Trauer. Ein Eimer Disteln: Menschenfeindlichkeit. Eine Prise getrocknetes Basilikum: Hass. Nur gelegentlich änderte ich meine Botschaften. Eine Hosentasche voller roter Nelken für die Richterin, als ich begriff, dass ich nie wieder in den Weinberg zurückkehren würde; und Pfingstrosen für Meredith, sooft ich welche auftreiben konnte. Nun suchte ich die Market Street nach einem Blumengeschäft ab und blätterte dabei in Gedanken in meinem Wörterbuch.
Drei Häuserblocks weiter stieß ich auf einen Getränkeladen, wo in Papier gewickelte Sträuße in Eimern unter den vergitterten Fenstern vor sich hin welkten. Ich blieb vor dem Laden stehen. Da die meisten Sträuße gemischt waren, vermittelten sie widersprüchliche Aussagen. Die Auswahl an Gebinden, die nur aus einer Blumensorte bestanden, war gering: gewöhnliche Rosen in Rot oder Rosa und ein schlaffer Strauß gestreifter Nelken. Ein Büschel violetter Dahlien quoll aus einem Papierhörnchen:
Würde. Sofort wusste ich, dass das meine Botschaft war. Ich drehte mich mit dem Rücken zu dem schräg hängenden Spiegel über der Tür, schob die Blumen unter meine Jacke und rannte los.
Als ich zu dem Haus zurückkam, war ich außer Atem. Das Wohnzimmer war leer, und ich trat ein, um die Dahlien auszupacken. Die Blumen ähnelten formvollendeten Sternen, Schicht um Schicht violetter Blütenblätter mit weißem Rand, die aus einer fest zusammengeballten Mitte ragten. Ich durchtrennte das Gummiband mit den Zähnen und entwirrte die Stengel. Die Mädchen würden niemals verstehen, was die Dahlien ihnen sagen wollten (außerdem war die aufmunternde Botschaft eine zweischneidige Sache). Dennoch fühlte ich mich seltsam unbeschwert, als ich den langen Flur entlangging und unter jeder geschlossenen Zimmertür eine Blume durchschob. Die restlichen Blumen gab ich der jungen Frau, die die Nachtschicht machte. Sie stand am Küchenfenster und wartete auf ihre Ablösung.
»Danke«, sagte sie verdattert, als ich ihr den Strauß reichte. Sie drehte die starren Stengel zwischen den Handflächen.
Meredith erschien wie versprochen um zehn. Ich erwartete sie, einen Pappkarton auf dem Schoß, auf der Veranda. In den achtzehn Jahren hatte ich hauptsächlich Bücher angesammelt: Das Lexikon der Blumen und Peterson Field Guide to Pacif c States Wildf owers, beides geschickt von Elizabeth, einen Monat nachdem ich ihr Haus verlassen hatte. Dazu Botaniklehrbücher aus Bibliotheken überall entlang der East Bay und dünne Taschenbücher mit viktorianischen Gedichten, stibitzt in stillen Buchläden. Die Bücher waren unter Stapeln gefalteter Kleider versteckt, eine Sammlung gefundener und gestohlener Sachen, von denen manche passten, viele auch nicht. Meredith würde mich zum Gathering House bringen, einem Übergangswohnheim im Bezirk Sunset. Ich stand auf der Warteliste, seit ich zehn war.
»Alles Gute zum Geburtstag«, meinte Meredith, während ich meinen Karton auf dem Rücksitz ihres Dienstwagens verstaute. Ich antwortete nicht. Wir wussten beide, dass es vielleicht gar nicht mein wirklicher Geburtstag war. In meiner ersten Gerichtsakte wurde mein Alter mit schätzungsweise drei Wochen angegeben. Geburtsdatum und Geburtsort waren ebenso unbekannt wie meine leiblichen Eltern. Man hatte sich für den 1. August entschieden, damit ich irgendwann volljährig werden konnte, nicht um ihn festlich zu begehen.
Ich setzte mich nach vorne neben Meredith, schloss die Tür und dachte, dass sie jetzt losfahren würde. Sie klopfte mit ihren Fingernägeln auf das Lenkrad. Ich schnallte mich an. Aber das Auto bewegte sich noch immer nicht von der Stelle. Ich drehte mich zu Meredith um. Da ich noch im Pyjama war, zog ich die in Flanell steckenden Knie hoch bis zum Brustbein und wickelte mir die Jacke um die Beine. Mein Blick war auf das Dach von Merediths Auto gerichtet, während ich darauf wartete, dass sie etwas sagte.
»Nun, bist du bereit?«, fragte sie.
Ich zuckte die Achseln.
»Jetzt ist es so weit«, fügte sie hinzu. »Ab heute beginnt dein Leben. Von diesem Moment an kannst du niemandem mehr die Verantwortung zuschieben als dir selbst.« Meredith Combs, die Sozialarbeiterin, der ich die endlose Reihe von Adoptivfamilien verdankte, die mich stets wieder abgeschoben hatten, wollte mit mir über Verantwortung reden.
2.
Ich presste die Stirn gegen die Fensterscheibe und sah zu, wie die staubigen sommerlichen Hügel vorbeiglit-
ten. In Merediths Auto roch es nach Zigarettenrauch, und der Sicherheitsgurt wies Schimmelflecke von etwas auf, das ein anderes Kind hatte essen dürfen. Ich war neun Jahre alt und saß, im Nachthemd und mit wild zerzaustem, kurzgeschnittenem Haar, auf dem Rücksitz. Meredith hatte sich das ganz anders vorgestellt. Sie hatte mir sogar eigens für diesen Anlass ein Kleid gekauft, ein fließendes, hellblaues mit Stickereien und Spitze. Aber ich hatte mich geweigert, es anzuziehen.
Meredith starrte geradeaus auf die Straße. Deshalb sah sie nicht, wie ich meinen Sicherheitsgurt öffnete, das Fenster aufmachte und den Kopf hinausstreckte, bis sich mein Schlüsselbein an den Rand der Tür drückte. Ich hielt mein Kinn in den Wind und wartete darauf, dass sie mir befahl, mich zu setzen. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, schwieg aber. Ihr Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst, ihren Augenausdruck konnte ich wegen der Sonnenbrille nicht erkennen.
Ich verharrte in dieser Haltung und beugte mich mit jedem Kilometer ein Stück weiter vor, bis Meredith ohne Vorwarnung einen Knopf an ihrer Tür bediente, so dass sich das Fenster ein Stück schloss. Das dicke Glas grub sich in meinen ausgestreckten Hals. Ich fuhr zurück und fiel auf den Boden. Meredith schloss das Fenster weiter, bis das Geräusch des Windes, der durch das Wageninnere brauste, von Stille abgelöst wurde. Sie drehte sich nicht um. Ich rollte mich auf dem schmutzigen Bodenbelag zusammen, kramte ein Babyfläschchen mit verdorbenem Inhalt unter dem Beifahrersitz hervor und warf es nach Meredith. Es prallte an ihrer Schulter ab und flog zu mir zurück. Eine säuerliche Pfütze ergoss sich über meine Knie. Meredith zuckte nicht mit der Wimper.
»Möchtest du Pf rsiche?«, fragte sie.
Beim Essen konnte ich nicht nein sagen, was Meredith sehr wohl wusste.
»Ja.«
»Dann setz dich wieder hin und schnall dich an. Am nächsten Obststand kaufe ich dir, was du willst.«
Ich kletterte auf meinen Sitz und zog mir den Sicherheitsgurt über die Brust.
Eine Viertelstunde später bog Meredith von der Schnellstraße ab. Sie kaufte mir zwei Pfirsiche und ein halbes Pfund Kirschen, die ich zählte, während ich sie verspeiste.
»Eigentlich dürfte ich es dir nicht verraten«, begann Meredith. Sie sprach langsam, dehnte dramatisch die Silben, hielt inne und sah mich an. Ich blickte, die Wange an die Glasscheibe gelehnt, gleichmütig aus dem Fenster, ohne zu antworten. »Aber ich finde, du solltest dir darüber im Klaren sein. Das hier ist deine letzte Chance. Deine allerletzte. Victoria, hast du mich verstanden?« Ich reagierte nicht. »Wenn du zehn wirst, giltst du für die Behörden als nicht mehr vermittelbar, und nicht einmal ich werde mich weiter bemühen, dich bei einer Familie unterzubringen. Das heißt, eine Einrichtung nach der anderen, bis du volljährig bist, falls es diesmal nicht klappt. Versprich mir einfach, dass du dir das zu Herzen nehmen wirst.«
Ich öffnete das Fenster und spuckte Kirschkerne in den Wind. Meredith hatte mich vor gerade einmal einer Stunde aus meinem ersten Kinderheim abgeholt. Mir schoss durch den Kopf, dass ich vielleicht absichtlich dort einquartiert worden war, um mich genau auf diesen Moment vorzubereiten. Mich traf keine Schuld daran, dass meine letzte Pflegefamilie mich vor die Tür gesetzt hatte. Außerdem hatte ich nur eine Woche im Heim gelebt, bis Meredith kam und mich zu Elizabeth brachte.
Wie ich fand, hätte es zu Meredith gepasst, mich zu quälen, um ihren Standpunkt zu untermauern. Die Mitarbeiterinnen im Heim waren grausam zu uns gewesen. Jeden Morgen hatte die Köchin ein dickes dunkelhäutiges Mädchen gezwungen, beim Essen das Hemd bis zum Hals hochzuziehen und ihren mächtigen Bauch zu zeigen, damit sie nicht vergaß, sich zu mäßigen. Nach dem Frühstück pickte sich Miss Gayle, die Hausmutter, eine von uns heraus, die sich an den Kopf des langen Tisches stellen und erzählen musste, warum ihre Familie sie abgeschoben hatte. Mich ließ Miss Gayle nur einmal antreten, und da ich als Neugeborenes ausgesetzt worden war, kam ich mit der Aussage: Meine Mutter wollte kein Baby davon. Andere Mädchen berichteten von den schrecklichen Dingen, die sie ihren Geschwistern angetan hatten oder dass sie verantwortlich für die Drogensucht ihrer Eltern seien. Fast immer weinten sie dabei.
Doch wenn Meredith mich ins Heim gesteckt hatte, um mir Angst zu machen, damit ich mich endlich benahm, war ihr Plan nicht aufgegangen, denn trotz des Personals hatte es mir dort gefallen. Es gab regelmäßige Mahlzeiten, ich schlief unter zwei Decken, und niemand heuchelte mir vor, mich zu lieben.
Ich aß die letzte Kirsche und spuckte Meredith den Kern an den Hinterkopf.
»Nimm es dir einfach zu Herzen«, wiederholte sie. Wie um mich zu bestechen, hielt sie an und kaufte an einem Drive-in-Imbiss eine dampfende Schale mit Fish and Chips und einen Schokomilchshake. Hastig stopfte ich alles in mich hinein, während ich zusah, wie die staubigen Hügel an der East Bay ins quirlige Durcheinander von San Francisco und schließlich in ebene Küstenlandschaft übergingen. Als wir die Golden Gate Bridge überquerten, war mein Nachthemd mit Pfirsichsaft, Kirschen, Ketchup und Milchshake beschmiert.
Wir kamen an verdorrten Feldern, einer Gärtnerei und einem verlassenen Parkplatz vorbei und erreichten schließlich einen Weinberg, wo sich die Rebstöcke in ordentlichen Reihen den geschwungenen Hügel hinauf erstreckten. Meredith trat fest auf die Bremse und bog rechts in eine lange, nicht geteerte Auffahrt ein. Sie beschleunigte auf der holperigen Straße, als könne sie es kaum erwarten, mich aus dem Auto zu werfen. Wir sausten an Picknicktischen und sorgfältig gepflegten Reben mit dicken Stämmen vorbei, die sich um lange Drähte rankten. An einer Kurve ging Meredith ein wenig vom Gas, beschleunigte dann wieder und hielt auf einen Hain hoher Bäume in der Mitte des Anwesens zu. Ihr Dienstwagen war in eine Staubwolke gehüllt.
Nachdem Meredith angehalten und der Staub sich gelegt hatte, sah ich ein weißes Farmhaus. Es hatte zwei Stockwerke, ein Satteldach und eine verglaste Veranda. Spitzenvorhänge verdeckten die Fenster. Rechts davon standen ein niedriger Wohnwagen aus Metall und einige windschiefe Schuppen. Dazwischen lagen Spielsachen, Werkzeuge und Fahrräder herum. Da ich schon einmal in so einem Wohnwagen gelebt hatte, fragte ich mich sofort, ob Elizabeth wohl ein Klappsofa hatte oder ob ich in ihrem Bett würde schlafen müssen. Ich hörte anderen Leuten nicht gern beim Atmen zu.
Meredith wartete nicht ab, ob ich freiwillig aussteigen würde, sondern öffnete meinen Sicherheitsgurt, packte mich unter den Achseln und zerrte mich zu dem großen Haus, während ich wild um mich trat. Da ich damit rechnete, dass Elizabeth aus dem Wohnwagen kommen würde, kehrte ich der Veranda den Rücken zu und sah sie nicht, als ich ihre knochigen Finger auf meiner Schulter fühlte. Mit einem Aufschrei riss ich mich los, rannte barfuß zum Auto und versteckte mich dahinter.
»Sie lässt sich nicht gerne anfassen«, hörte ich Meredith, offensichtlich ungehalten, zu Elizabeth sagen. »Das habe ich Ihnen ja schon erklärt. Sie müssen abwarten, bis sie von selbst auf Sie zukommt.« Es ärgerte mich, dass Meredith das wusste. Ich rieb mir die Stelle, wo sie mich berührt hatte, um ihre Fingerabdrücke zu beseitigen, und blieb hinter dem Auto in Deckung.
»Dann warte ich eben«, erwiderte Elizabeth. »Das habe ich Ihnen versprochen, und ich werde mein Wort auch halten.«
Meredith begann, ihre übliche Litanei von Gründen herunterzubeten, warum sie nicht bleiben könne, um uns zu helfen, einander besser kennenzulernen: eine kranke Großmutter, ein besorgter Ehemann und ihre Angst, nachts Auto zu fahren. Beim Zuhören klopfte Elizabeth ungeduldig mit dem Fuß an den Hinterreifen. In wenigen Minuten würde Meredith fort sein und mich schutzlos auf dem mit Kies bestreuten Platz zurücklassen. Also schlich ich mich geduckt und rückwärts davon, machte einen Satz hinter einen Walnussbaum, richtete mich auf und rannte los.
Am Ende der Baumreihe kroch ich zwischen die Reben, versteckte mich in einer dichten Pflanze und zog die losen Ranken um meinen mageren Körper. In meinem Unterschlupf hörte ich, wie Elizabeth auf mich zukam, und als ich die Ranken zurechtschob, konnte ich sehen, wie sie eine der Reihen entlangging. Erleichtert nahm ich die Hand vom Mund, als sie meine Reihe links liegenließ.
Übersetzung: Karin Dufner
Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe bei
Droemer Verlag
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Vanessa Diffenbaugh
Vanessa Diffenbaugh ist Kunsterzieherin und Schriftstellerin. Sie ist 32 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie ist nicht nur künstlerisch, sondern auch sozial sehr engagiert. Diffenbaugh weiß, wovon sie schreibt: Sie hat bereits mehrfach Pflegekinder in ihre Familie aufgenommen und über längere Zeit betreut. Sie lebt mit ihrer Familie in Boston.
Autoren-Interview mit Vanessa Diffenbaugh
Beschreiben Sie sich mit drei Worten!Vanessa Diffenbaugh: Diszipliniert, leidenschaftlich, hingebungsvoll
Was macht Ihnen schlechte Laune, was macht Ihnen Freude?
Vanessa Diffenbaugh: Dinge, die mir schlechte Laune bereiten: in der Schlange anstehen, in der Warteschleife sein, nach verlorenen Spielsachen suchen, meinen Kindern hinterherräumen, lange Winter, kalte Sommer.
Gute Laune macht mir: meinem dreijährigen Sohn beim Breakdance zu mexikanischer Musik zuzusehen, einen Abend mit meinem Mann ausgehen, Nachrichten von meinen Teenagern, Zeichnungen meiner kleinen Tochter, gute Bücher, guter Wein, gute Freunde.
Sie können Frühstück, Mittag- und Abendessen an drei unterschiedlichen Orten auf der Welt einnehmen - wohin führt Sie diese Reise?
Vanessa Diffenbaugh: Frühstück: Kaffee und Scone bei Farley's/Portrero Hill in San Francisco. Farley's ist ein Coffeeshop und ist seit über 25 Jahren DER Treffpunkt des Viertels. Ich bin nur ein paar Blocks davon entfernt geboren und obwohl ich dort nur kurz gelebt habe, fühle ich mich in der Umgebung sehr zuhause.
Mittagessen: Ein Picknick in den Pajaro Dünen, einem Strand an der Küste Kaliforniens. Der Strand ist ein echter Geheimtipp nahe Watsonville. Die Touristen aus aller Welt baden an den Stränden von Carmel und Monterey - aber Pajano Dünen, nur ein paar Kilometer weiter, ist immer wunderbar sauber und fast menschenleer. Ich würde Brot, Käse und Obst einpacken und meine ganze Familie mitnehmen. Außerdem noch einen Drachen, einen Fußball und Sandspielzeug.
Abendessen: Sushi (lecker!) in Cambridge, Massachusetts. Ich würde die Kinder zuhause lassen und zum Harvard Square laufen, um dort mit meinem Mann zu essen. Nur wir beide beim Essen, Zeit zu reden und einen kurzen, ruhigen
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Moment miteinander zu genießen.
Kaffee oder Tee?
Vanessa Diffenbaugh: Chai-Tee
Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Vanessa Diffenbaugh: Der perfekte Tag ... Mit meinen Kindern zur Schule gehen, auf dem Rückweg zum Büro einen kleinen Stopp für einen Chai-Tee einbauen, schreiben, mein gemeinnütziges Engagement ausbauen , zum Yoga gehen, Abendessen mit meiner Familie essen, meinen Kindern Geschichten vorlesen und sie ins Bett bringen.
Woher kommen die Inspirationen zu Ihren Büchern?
Vanessa Diffenbaugh: Ich beginne mit einem Entwurf - etwas, das ich gerne sagen oder erläutern möchte über die Menschen oder die Art, wie die Welt funktioniert. Danach arbeite ich mit dem oder den Hauptpersonen weiter, mit denen ich mein Anliegen ausdrücken will, und eventuell habe ich danach dann sogar schon einen Plot.
Bei „Die verborgene Sprache der Blumen" begann alles mit meinem Interesse an Bindungsstörungen. Das ist die Unfähigkeit, zu lieben oder sich zu binden - aufgrund einer Vernachlässigung in den ersten drei Lebensjahren. Ich habe mit mehreren Menschen mit Bindungsstörungen gearbeitet und konnte die Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit dieser Störung nicht abschütteln. Und die Entschlossenheit, mit der so viele kämpfen, um diese Diagnose zu überwinden. Stellen Sie sich vor, nicht fähig zu sein, zu lieben und sich zu binden! Stellen Sie sich vor, durchs Leben zu gehen ohne die Liebe als eine Art Kompass auf Ihrem Weg! Und dann stellen Sie sich vor, dabei noch verantwortlich zu sein für ein Kind, wenn Sie selbst niemals umsorgt wurden - das waren die Fragen, die mir geholfen haben, eine Figur wie Viktoria zu entwickeln und ihre Reise hat sich von diesem Moment an ergeben.
Neben der Arbeit als Schriftstellerin - was wären alternative Berufe für Sie? Und warum?
Vanessa Diffenbaugh: Als ich mit dem Schreiben von „Die verborgenen Sprache der Blumen" begann, war ich Vollzeit-Mutter und habe mich um meine vier Kinder gekümmert. Sharon, 17, Tre'von, 15, Graciela, 1, und Miles, gerade geboren. Mein ganzes Leben drehte sich darum, die Kinder zu versorgen und meinen Mann in seiner Arbeit als High School Direktor zu unterstützen. Jeden Tag, wenn meine Kinder schliefen, versuchte ich zu schreiben. Es war die einzige Zeit am Tag, die mir gehörte, und sie war mir ein kostbarer Ausgleich zu der durchaus anstrengenden Erziehungs-Arbeit als Mutter.
Jetzt, wo die Teenager im College sind und die Kleinen im Kindergarten, habe ich viel mehr Zeit für mich selber, aber ich würde mich dennoch nicht als Vollzeit-Autorin bezeichnen. Die Hälfte der Zeit verbringe ich mit Schreiben, und die andere Hälfte mit meiner anderen Leidenschaft: Pflegekinder aufnehmen. Ich baue gerade ein gemeinnütziges Projekt auf, „Camellia Network", das es Menschen erlaubt, junge Leute dabei zu unterstützen, aus den Pflegefamilien in die Unabhängigkeit zu wachsen.
Haben Sie einen Lieblingsautor? Wer ist es und weshalb?
Vanessa Diffenbaugh: Toni Morrison. Auf dem College lernte ich die letzte Seite von „Beloved" auswendig und sagte sie mir selbst immer wieder auf, während ich auf meinem Rad um den Campus fuhr. Es ist eine wunderschöne, poetische Seite die all die Komplexität einer großen Arbeit in einigen wenigen, atemberaubenden Absätzen enthält. Ihr Schreiben ist mit nichts zu vergleichen, das ich je gelesen habe, überirdisch und dabei unglaublich persönlich.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Vanessa Diffenbaugh: Rooms, von Emma Donoghue.
Welches Buch sollte jeder einmal gelesen haben?
Letters to a Young Poet von Rainer Maria Rilke.
Welche Person - aus Roman, Film oder dem öffentlichen Leben - würden Sie gerne treffen? Und was würden Sie zu ihm/ihr sagen?
IVanessa Diffenbaugh: ch würde gerne Michelle Obama treffen. Ich denke, sie ist schön, souverän, smart und sehr stark. Ich würde sie gerne nach ihrem Leben im Weißen Haus fragen, und wie sie ihre private Rolle als Mutter und Ehefrau mit ihrer Rolle als First Lady vereinbart.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gerne Zeuge gewesen?
Vanessa Diffenbaugh: Dr. Martin Luther Kings Rede I have a dream auf den Stufen des Lincoln Memorial am 28.8.1963.
Was ist Ihre Lebensphilosophie?
Vanessa Diffenbaugh: Mein Mann und ich sagen immer im Spaß, das Motto unserer Familie sei „Go big or go home". Das meint in etwa, „Mach es ganz oder garnicht". Wir sind beide wagemutig und haben schon viel auf uns genommen, aber es ist eine Arbeit, die wir lieben und für die wir mit dem Herzen bei der Sache sind.
Haben Sie schon das nächste Projekt im Kopf?
Vanessa Diffenbaugh: Ich habe 50 Seiten meines neuen Romans geschrieben. Dran bleiben!
Kaffee oder Tee?
Vanessa Diffenbaugh: Chai-Tee
Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Vanessa Diffenbaugh: Der perfekte Tag ... Mit meinen Kindern zur Schule gehen, auf dem Rückweg zum Büro einen kleinen Stopp für einen Chai-Tee einbauen, schreiben, mein gemeinnütziges Engagement ausbauen , zum Yoga gehen, Abendessen mit meiner Familie essen, meinen Kindern Geschichten vorlesen und sie ins Bett bringen.
Woher kommen die Inspirationen zu Ihren Büchern?
Vanessa Diffenbaugh: Ich beginne mit einem Entwurf - etwas, das ich gerne sagen oder erläutern möchte über die Menschen oder die Art, wie die Welt funktioniert. Danach arbeite ich mit dem oder den Hauptpersonen weiter, mit denen ich mein Anliegen ausdrücken will, und eventuell habe ich danach dann sogar schon einen Plot.
Bei „Die verborgene Sprache der Blumen" begann alles mit meinem Interesse an Bindungsstörungen. Das ist die Unfähigkeit, zu lieben oder sich zu binden - aufgrund einer Vernachlässigung in den ersten drei Lebensjahren. Ich habe mit mehreren Menschen mit Bindungsstörungen gearbeitet und konnte die Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit dieser Störung nicht abschütteln. Und die Entschlossenheit, mit der so viele kämpfen, um diese Diagnose zu überwinden. Stellen Sie sich vor, nicht fähig zu sein, zu lieben und sich zu binden! Stellen Sie sich vor, durchs Leben zu gehen ohne die Liebe als eine Art Kompass auf Ihrem Weg! Und dann stellen Sie sich vor, dabei noch verantwortlich zu sein für ein Kind, wenn Sie selbst niemals umsorgt wurden - das waren die Fragen, die mir geholfen haben, eine Figur wie Viktoria zu entwickeln und ihre Reise hat sich von diesem Moment an ergeben.
Neben der Arbeit als Schriftstellerin - was wären alternative Berufe für Sie? Und warum?
Vanessa Diffenbaugh: Als ich mit dem Schreiben von „Die verborgenen Sprache der Blumen" begann, war ich Vollzeit-Mutter und habe mich um meine vier Kinder gekümmert. Sharon, 17, Tre'von, 15, Graciela, 1, und Miles, gerade geboren. Mein ganzes Leben drehte sich darum, die Kinder zu versorgen und meinen Mann in seiner Arbeit als High School Direktor zu unterstützen. Jeden Tag, wenn meine Kinder schliefen, versuchte ich zu schreiben. Es war die einzige Zeit am Tag, die mir gehörte, und sie war mir ein kostbarer Ausgleich zu der durchaus anstrengenden Erziehungs-Arbeit als Mutter.
Jetzt, wo die Teenager im College sind und die Kleinen im Kindergarten, habe ich viel mehr Zeit für mich selber, aber ich würde mich dennoch nicht als Vollzeit-Autorin bezeichnen. Die Hälfte der Zeit verbringe ich mit Schreiben, und die andere Hälfte mit meiner anderen Leidenschaft: Pflegekinder aufnehmen. Ich baue gerade ein gemeinnütziges Projekt auf, „Camellia Network", das es Menschen erlaubt, junge Leute dabei zu unterstützen, aus den Pflegefamilien in die Unabhängigkeit zu wachsen.
Haben Sie einen Lieblingsautor? Wer ist es und weshalb?
Vanessa Diffenbaugh: Toni Morrison. Auf dem College lernte ich die letzte Seite von „Beloved" auswendig und sagte sie mir selbst immer wieder auf, während ich auf meinem Rad um den Campus fuhr. Es ist eine wunderschöne, poetische Seite die all die Komplexität einer großen Arbeit in einigen wenigen, atemberaubenden Absätzen enthält. Ihr Schreiben ist mit nichts zu vergleichen, das ich je gelesen habe, überirdisch und dabei unglaublich persönlich.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Vanessa Diffenbaugh: Rooms, von Emma Donoghue.
Welches Buch sollte jeder einmal gelesen haben?
Letters to a Young Poet von Rainer Maria Rilke.
Welche Person - aus Roman, Film oder dem öffentlichen Leben - würden Sie gerne treffen? Und was würden Sie zu ihm/ihr sagen?
IVanessa Diffenbaugh: ch würde gerne Michelle Obama treffen. Ich denke, sie ist schön, souverän, smart und sehr stark. Ich würde sie gerne nach ihrem Leben im Weißen Haus fragen, und wie sie ihre private Rolle als Mutter und Ehefrau mit ihrer Rolle als First Lady vereinbart.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gerne Zeuge gewesen?
Vanessa Diffenbaugh: Dr. Martin Luther Kings Rede I have a dream auf den Stufen des Lincoln Memorial am 28.8.1963.
Was ist Ihre Lebensphilosophie?
Vanessa Diffenbaugh: Mein Mann und ich sagen immer im Spaß, das Motto unserer Familie sei „Go big or go home". Das meint in etwa, „Mach es ganz oder garnicht". Wir sind beide wagemutig und haben schon viel auf uns genommen, aber es ist eine Arbeit, die wir lieben und für die wir mit dem Herzen bei der Sache sind.
Haben Sie schon das nächste Projekt im Kopf?
Vanessa Diffenbaugh: Ich habe 50 Seiten meines neuen Romans geschrieben. Dran bleiben!
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Bibliographische Angaben
- Autor: Vanessa Diffenbaugh
- 2011, 410 Seiten, Maße: 13 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Karin Dufner
- Übersetzer: Karin Dufner
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426199041
- ISBN-13: 9783426199046
Rezension zu „Die verborgene Sprache der Blumen “
"Ein berührendes Debüt für Träumer und Poeten, nach dem man auch dank eines speziellen Wörterbuchs nie wieder Blumen nur nach Farbe aussucht: Es lehrt uns, wie wir auch ohne unsere Wurzeln wachsen können." -- Petra - Buch Special, 07.11.2012"Ein Feuerwerk voller kleiner Wunder - frabenfroh, atemberaubend und einfach prächtig. Dieser Roman ist ein poetisch anmutendes Meisterwerk, das jeden mitreißt udn fesselt bis zur letzten Seite." -- Literaturmarkt.info, 22.10.2012
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