Dragons Schwur / House of Night Story Bd.1
Eine House of Night Story
Als Dragon Lankford von seinem Vater nach Amerika verbannt wird, wird er als Jungvampyr gezeichnet. Sein neues Leben und Amerika ist voller Gefahren. Dann lernt er die wunderschöne Anastasia kennen, eine Lehrerin für Rituale und Zauberei. Sie...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Dragons Schwur / House of Night Story Bd.1 “
Als Dragon Lankford von seinem Vater nach Amerika verbannt wird, wird er als Jungvampyr gezeichnet. Sein neues Leben und Amerika ist voller Gefahren. Dann lernt er die wunderschöne Anastasia kennen, eine Lehrerin für Rituale und Zauberei. Sie wird Dragons Leben für immer verändern. Aber erst muss er den Kampf gegen das Böse aufnehmen.
Ein Muss für alle Fans!
Klappentext zu „Dragons Schwur / House of Night Story Bd.1 “
Als Vampyr Gezeichnet. Von der Liebe geblendet. An einen Schwur gekettet.Bevor Zoey Gezeichnet wurde ... bevor sie ins House of Night eintrat ...bevor sie den Kampf gegen das Böse aufnahm...gab es schon einen, der dort seit langem lebte: Dragon Lankford, Schwertmeister und Krieger. Dies ist seine Geschichte.
Vom eigenen Vater verstoßen, der ihn im Jahre 1830 auf ein Schiff nach Amerika verbannt, wird Dragon Lankford noch im Hafen von London als Jungvampyr Gezeichnet. Doch das Leben als Vampyr im Amerika des 19. Jahrhunderts ist gefährlich. In St. Louis wird er zum Schwertmeister ausgebildet. Sein neues Leben birgt nicht nur viele Gefahren, sondern hält auch einige Vergünstigungen bereit. Denn da ist Anastasia, die junge, bildhübsche Lehrerin für Zauberei und Rituale, die sein Leben für immer verändern wird. Doch noch ist der Kampf gegen das Böse nicht gewonnen. Kann er sie beide retten?
Lese-Probe zu „Dragons Schwur / House of Night Story Bd.1 “
Dragons Schwur - Eine Houseof Night Story von P. C. Cast und Kristin CastEins
Oklahoma, Gegenwart
... mehr
Zorn und Verwirrung regten sich in Dragon Lankford. Wollte Neferet sich tatsächlich so bald nach dem Tod des Jungen und dem verheerenden Besuch ihrer Göttin verabschieden?
»Neferet, was wird aus der Leiche des Jungvampyrs? Sollten wir nicht weiter Wache halten?« Dragon Lankford konnte seine Stimme nur mit Mühe beherrschen, als er die Hohepriesterin ansprach.
Neferet schaute ihn aus wunderschönen Smaragdaugen an und lächelte milde. »Es ist richtig von dir, mich daran zu erinnern, Schwertmeister. Diejenigen unter euch, die Jack mit lila Kerzen geehrt haben, werfen sie auf den Scheiterhaufen, wenn sie gehen. Die Söhne des Erebos wachen während der restlichen Nacht über der Leiche des armen Jungvampyrs. «
»Wie du wünschst, Priesterin.« Dragon verbeugte sich tief vor ihr und fragte sich, weshalb seine Haut so kribbelte - fast so, als wäre er mit Schmutz bedeckt. Plötzlich verspürte er das unerklärliche Verlangen, sehr heiß zu baden. Es liegt an Neferet, meldete sich sein Gewissen mit sanfter Stimme. Mit ihr stimmt etwas nicht, seit Kalona sich aus der Erde befreit hat. Das hast du gespürt ...
Dragon schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Nebensächliche Ereignisse hatten nichts zu bedeuten. Gefühle waren nicht länger wichtig. Was zählte, war die Pflicht - und vor allem die Vergeltung. Konzentriere dich! Du musst an deine Aufgabe denken! befahl er sich selbst und nickte einigen Kriegern zu. »Treibt die Menge auseinander!«
Neferet sprach noch kurz mit Lenobia, bevor sie den Platz in der Mitte des Schulgeländes verließ und zu den Unterkünften der Lehrer ging. Dragon würdigte sie kaum eines Blickes. Seine ganze Aufmerksamkeit galt wieder dem brennenden Scheiterhaufen und dem flammenden Leichnam des Jungen.
»Die Menge hat sich zerstreut, Schwertmeister. Wie viele von uns sollen mit dir am Scheiterhaufen wachen?«, erkundigte sich Christophe, einer seiner engsten Vertrauten.
Dragon zögerte mit der Antwort. Er versuchte, seine innere Mitte zu finden, bemerkte aber, dass die
Jungvampyre und Lehrer, die sich unschlüssig um den hell lodernden Scheiterhaufen drängten, erregt und aufgebracht waren. Die Pflicht. Wenn alles andere nicht hilft, denk an die Pflicht!
»Zwei Wachen sollen die Lehrer in ihre Wohnungen bringen. Die übrigen gehen mit den Jungvampyren. Sorgt dafür, dass alle in ihre Zimmer zurückkehren. Ihr bleibt in der Nähe der Schlafsäle, bis diese furchtbare Nacht zu Ende ist. « Dragons Stimme klang rau vor unterdrücktem Gefühl. »Die Schüler müssen die schützende Gegenwart der Söhne des Erebos spüren, damit sie sich sicherfühlen. Irgendeine Gewissheit müssen sie haben.«
»Aber der Scheiterhaufen des Kindes -«
»Ich bleibe bei Jack.« Dragons Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Ich werde an seiner Seite bleiben, bis sich das rote Glühen seiner Asche in Rost verwandelt. Tu deine Pflicht, Christophe; das House of Night braucht dich. Ich kümmere mich um die Traurigkeit, die zurückbleibt.«
Christophe verneigte sich. Dann begann er, mit kalter, nüchterner Stimme die entsprechenden Befehle zu erteilen.
Nur Sekunden schienen vergangen, bis Dragon bemerkte, dass er allein war. Er hörte das Geräusch des Scheiterhaufens - das täuschend besänftigende Knacken und Knistern des Feuers. Ansonsten erfüllten nur Nacht und unendliche Leere sein Herz.
Der Schwertmeister starrte in die Flammen, als könnte er darin ein Mittel entdecken, das seinen Schmerz linderte. Das Feuer flackerte in Bernstein und Gold, in Rostbraun und Rot und erinnerte Dragon an ein kostbares Schmuckstück - einzigartig, erlesen -, das an einem samtroten Band von der Farbe frischen Blutes hing ...
Wie von selbst glitt seine Hand in die Tasche. Seine Finger schlossen sich um die ovale Scheibe darin. Sie war flach und glatt. Er spürte noch die Umrisse des Rotkehl-Hüttensängers, der einmal so klar und wunderschön in die Oberfläche graviert gewesen war. Das goldene Schmuckstück schmiegte sich in seine Hand. Er umfasste es schützend, bevor er die Hand mit dem Medaillon langsam hervorzog. Dragon fädelte das Samtband durch die Finger und rieb mit dem Daumen in einer vertrauten, geistesabwesenden Bewegung darüber. Er atmete tief aus, was mehr wie ein Schluchzen als wie ein Seufzer klang, öffnete die Handfläche und schaute darauf.
Das Licht von Jacks Scheiterhaufen huschte über die goldene Oberfläche des Medaillons und fing sich in dem Vogelbild.
»Der Staatsvogel von Missouri«, sagte Dragon mit lauter Stimme, in der keine Gefühle mitschwangen, obwohl seine Hand mit dem Medaillon zitterte. »Ich frage mich, ob du noch in der Wildnis zu finden bist, auf den Sonnenblumen am Fluss. Oder sind deine Schönheit und die der Blumen mit allem anderen gestorben, was schön und magisch ist in dieser Welt?« Seine Hand schloss sich so fest um das Medaillon, dass sich die Knöchel weiß färbten.
Dann öffnete Dragon schnell die Faust und drehte das goldene Oval ehrfürchtig wieder und wieder in der Hand. »Du Narr!«, sagte er mit bebender Stimme. »Du hättest es zerbrechen können!« Mit zitternden Fingern betastete er den Verschluss, doch das goldene Schmuckstück war unversehrt und ließ sich mühelos öffnen. Er sah die winzige Gravur, die mit der Zeit zwar verblasst war, aber noch immer das Gesicht der zierlichen Vampyrin zeigte, deren Blick den seinen zu fesseln schien.
»Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«, murmelte Dragon. Er fuhr über das alte Porträt in der rechten Hälfte des Medaillons streichelte dann auf der linken Seite die einzelne blonde Locke, die dort haftete, wo einmal sein Jugendbildnis gewesen war. Er wandte den Blick vom Medaillon zum nächtlichen Himmel und wiederholte die Frage, lauter diesmal, aus den Tiefen seiner Seele schrie er um Antwort. »Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«
Als Antwort erklang in der nächtlichen Luft das vernehmliche Krächzen eines Raben.
Zorn durchflutete Dragon, ein harter und heißer Zorn, der seine Hände wieder erzittern ließ - diesmal jedoch nicht aus Schmerz über den Verlust, sondern aus dem überwältigenden Drang heraus zu schlagen, zu zermalmen, zu vergelten.
»Ich werde dich rächen.« Dragons Stimme klang wie der Tod. Wieder schaute er auf das Medaillon und sprach zu der blonden Locke darin. »Dein Drache wird dich rächen. Ich werde das Unrecht, das ich zugelassen habe, wieder gutmachen. Ich werde nicht mehr den gleichen Fehler begehen, meine Liebste, meine Einzige. Die Kreatur wird nicht ungestraft davonkommen. Das schwöre ich.«
Plötzlich wehte ein heißer Windstoß vom Scheiterhaufen herüber. Er hob die Locke an, und während Dragon vergeblich versuchte, sie festzuhalten, wurde sie davongetragen, weg von ihm, hoch hinauf auf den warmen Luftzug, fast wie eine Feder. Sie schwebte dort, und dann veränderte sich der heiße Wind, stieß einen Laut aus, der an das überraschte Keuchen einer Frau gemahnte, atmete ein und sog die Haarlocke in den lodernden Scheiterhaufen, wo sie sich in Rauch und Erinnerung verwandelte.
»Nein!«, schrie Dragon und sank schluchzend auf die Knie. »Jetzt habe ich alles verloren, was ich von dir besaß. Durch meine Schuld ... «, sagte er mit gebrochener Stimme. »Durch meine Schuld, so wie ich auch deinen Tod verschuldet habe.«
Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er sah, wie sich die Locke seiner geliebten Gemahlin in Rauch auflöste, der vor ihm wirbelte und tanzte. Dann begann er magisch zu schimmern, sich von Rauch in einen Schleier grüner und gelber und brauner Funken zu verwandeln, die sich umeinander kräuselten und teilten und zu einem Bild zusammensetzten: Die grünen Funken wurden zu einem langen, dicken Stängel - zarte gelbe Blütenblätter formten sich um den braunen Kreis in ihrer Mitte.
Dragon wischte sich die Tränen ab, er konnte kaum glauben, was er da sah. »Eine Sonnenblume?« Seine Lippen fühlten sich ebenso taub an wie sein Verstand. Es ist ihre Blume!, rief sein Geist. Es muss ein Zeichen von ihr sein! »Anastasia! «, schrie Dragon, als sich die Taubheit in eine schreckliche und wunderbare Quelle der Hoffnung verwandelte. »Bist du hier, meine Einzige?«
Das Bild der schimmernden Sonnenblume zitterte und veränderte sich. Das Gelb floss in einer Kaskade hinunter, die sich goldblond färbte. Das Braun erhellte sich zur Farbe sonnengeküsster Haut, und das Grün schmolz in die Haut und gerann zu leuchtenden Kugeln, die zu türkisfarbenen Augen wurden, vertraut und geliebt.
»Oh, Göttin, Anastasia! Du bist es!« Dragons Stimme brach, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Doch das Bild hob sich, verspottete ihn, schwebte knapp außerhalb seiner Reichweite. Enttäuscht schrie er auf und unterdrückte einen Elendslaut, als sich die Stimme seiner Gemahlin wie ein Bach, der über wassergeschliffene Kiesel rinnt, singend um ihn herum ausbreitete. Dragon hielt die Luft an und lauschte der geisterhaften Botschaft.
Verzaubert ist dies Medaillon für dich, meinen
Einzigen, meinen Gemahl, der mir entrissen.
Gekommen ist der Tag, an dem der Tod uns
brachte Trennungsschmerzen.
Ich werde ewig auf dich warten, sollst du wissen.
Bis wir uns wiedersehn, trag deine Liebe ich im
Herzen.
Bedenk, du hast geschworen, Kraft mit Gnade abzumildern.
So lang wir auch getrennt sein mögen, gemahne
ich dich an den Eid
ewiglich ... ewiglich ...
Das Bild vor ihm lächelte noch einmal, bevor es verschwamm, sich in Rauch verwandelte und dann in Nichts auflöste.
»Mein Eid! «, rief Dragon und sprang auf die Füße. »Zuerst erinnert Nyx mich daran und jetzt du. Begreifst du nicht, dass du wegen dieses verfluchten Eides gestorben bist? Hätte ich mich vor all den Jahren anders entschieden, hätte ich das alles vielleicht verhindern können. Es war ein Fehler, Kraft durch Gnade abzumildern. Weißt du das nicht mehr, meine Einzige? Erinnerst du dich nicht? Ich werde es nie vergessen ... «
Während Dragon Lankford, Schwertmeister des House of Night, über der Leiche des gefallenen Jungvampyrs wachte, starrte er in den brennenden Scheiterhaufen und ließ sich von den Flammen in die Vergangenheit tragen, damit er noch einmal den Schmerz und die Freude - die Tragödie und den Triumph - einer Vergangenheit durchleben konnte, die diese herzzerreißende Zukunft geformt hatte.
Übersetzung: Susanne Goga-Klinkenberg
© Fischer S. Verlag GmbH
Zorn und Verwirrung regten sich in Dragon Lankford. Wollte Neferet sich tatsächlich so bald nach dem Tod des Jungen und dem verheerenden Besuch ihrer Göttin verabschieden?
»Neferet, was wird aus der Leiche des Jungvampyrs? Sollten wir nicht weiter Wache halten?« Dragon Lankford konnte seine Stimme nur mit Mühe beherrschen, als er die Hohepriesterin ansprach.
Neferet schaute ihn aus wunderschönen Smaragdaugen an und lächelte milde. »Es ist richtig von dir, mich daran zu erinnern, Schwertmeister. Diejenigen unter euch, die Jack mit lila Kerzen geehrt haben, werfen sie auf den Scheiterhaufen, wenn sie gehen. Die Söhne des Erebos wachen während der restlichen Nacht über der Leiche des armen Jungvampyrs. «
»Wie du wünschst, Priesterin.« Dragon verbeugte sich tief vor ihr und fragte sich, weshalb seine Haut so kribbelte - fast so, als wäre er mit Schmutz bedeckt. Plötzlich verspürte er das unerklärliche Verlangen, sehr heiß zu baden. Es liegt an Neferet, meldete sich sein Gewissen mit sanfter Stimme. Mit ihr stimmt etwas nicht, seit Kalona sich aus der Erde befreit hat. Das hast du gespürt ...
Dragon schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Nebensächliche Ereignisse hatten nichts zu bedeuten. Gefühle waren nicht länger wichtig. Was zählte, war die Pflicht - und vor allem die Vergeltung. Konzentriere dich! Du musst an deine Aufgabe denken! befahl er sich selbst und nickte einigen Kriegern zu. »Treibt die Menge auseinander!«
Neferet sprach noch kurz mit Lenobia, bevor sie den Platz in der Mitte des Schulgeländes verließ und zu den Unterkünften der Lehrer ging. Dragon würdigte sie kaum eines Blickes. Seine ganze Aufmerksamkeit galt wieder dem brennenden Scheiterhaufen und dem flammenden Leichnam des Jungen.
»Die Menge hat sich zerstreut, Schwertmeister. Wie viele von uns sollen mit dir am Scheiterhaufen wachen?«, erkundigte sich Christophe, einer seiner engsten Vertrauten.
Dragon zögerte mit der Antwort. Er versuchte, seine innere Mitte zu finden, bemerkte aber, dass die
Jungvampyre und Lehrer, die sich unschlüssig um den hell lodernden Scheiterhaufen drängten, erregt und aufgebracht waren. Die Pflicht. Wenn alles andere nicht hilft, denk an die Pflicht!
»Zwei Wachen sollen die Lehrer in ihre Wohnungen bringen. Die übrigen gehen mit den Jungvampyren. Sorgt dafür, dass alle in ihre Zimmer zurückkehren. Ihr bleibt in der Nähe der Schlafsäle, bis diese furchtbare Nacht zu Ende ist. « Dragons Stimme klang rau vor unterdrücktem Gefühl. »Die Schüler müssen die schützende Gegenwart der Söhne des Erebos spüren, damit sie sich sicherfühlen. Irgendeine Gewissheit müssen sie haben.«
»Aber der Scheiterhaufen des Kindes -«
»Ich bleibe bei Jack.« Dragons Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Ich werde an seiner Seite bleiben, bis sich das rote Glühen seiner Asche in Rost verwandelt. Tu deine Pflicht, Christophe; das House of Night braucht dich. Ich kümmere mich um die Traurigkeit, die zurückbleibt.«
Christophe verneigte sich. Dann begann er, mit kalter, nüchterner Stimme die entsprechenden Befehle zu erteilen.
Nur Sekunden schienen vergangen, bis Dragon bemerkte, dass er allein war. Er hörte das Geräusch des Scheiterhaufens - das täuschend besänftigende Knacken und Knistern des Feuers. Ansonsten erfüllten nur Nacht und unendliche Leere sein Herz.
Der Schwertmeister starrte in die Flammen, als könnte er darin ein Mittel entdecken, das seinen Schmerz linderte. Das Feuer flackerte in Bernstein und Gold, in Rostbraun und Rot und erinnerte Dragon an ein kostbares Schmuckstück - einzigartig, erlesen -, das an einem samtroten Band von der Farbe frischen Blutes hing ...
Wie von selbst glitt seine Hand in die Tasche. Seine Finger schlossen sich um die ovale Scheibe darin. Sie war flach und glatt. Er spürte noch die Umrisse des Rotkehl-Hüttensängers, der einmal so klar und wunderschön in die Oberfläche graviert gewesen war. Das goldene Schmuckstück schmiegte sich in seine Hand. Er umfasste es schützend, bevor er die Hand mit dem Medaillon langsam hervorzog. Dragon fädelte das Samtband durch die Finger und rieb mit dem Daumen in einer vertrauten, geistesabwesenden Bewegung darüber. Er atmete tief aus, was mehr wie ein Schluchzen als wie ein Seufzer klang, öffnete die Handfläche und schaute darauf.
Das Licht von Jacks Scheiterhaufen huschte über die goldene Oberfläche des Medaillons und fing sich in dem Vogelbild.
»Der Staatsvogel von Missouri«, sagte Dragon mit lauter Stimme, in der keine Gefühle mitschwangen, obwohl seine Hand mit dem Medaillon zitterte. »Ich frage mich, ob du noch in der Wildnis zu finden bist, auf den Sonnenblumen am Fluss. Oder sind deine Schönheit und die der Blumen mit allem anderen gestorben, was schön und magisch ist in dieser Welt?« Seine Hand schloss sich so fest um das Medaillon, dass sich die Knöchel weiß färbten.
Dann öffnete Dragon schnell die Faust und drehte das goldene Oval ehrfürchtig wieder und wieder in der Hand. »Du Narr!«, sagte er mit bebender Stimme. »Du hättest es zerbrechen können!« Mit zitternden Fingern betastete er den Verschluss, doch das goldene Schmuckstück war unversehrt und ließ sich mühelos öffnen. Er sah die winzige Gravur, die mit der Zeit zwar verblasst war, aber noch immer das Gesicht der zierlichen Vampyrin zeigte, deren Blick den seinen zu fesseln schien.
»Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«, murmelte Dragon. Er fuhr über das alte Porträt in der rechten Hälfte des Medaillons streichelte dann auf der linken Seite die einzelne blonde Locke, die dort haftete, wo einmal sein Jugendbildnis gewesen war. Er wandte den Blick vom Medaillon zum nächtlichen Himmel und wiederholte die Frage, lauter diesmal, aus den Tiefen seiner Seele schrie er um Antwort. »Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«
Als Antwort erklang in der nächtlichen Luft das vernehmliche Krächzen eines Raben.
Zorn durchflutete Dragon, ein harter und heißer Zorn, der seine Hände wieder erzittern ließ - diesmal jedoch nicht aus Schmerz über den Verlust, sondern aus dem überwältigenden Drang heraus zu schlagen, zu zermalmen, zu vergelten.
»Ich werde dich rächen.« Dragons Stimme klang wie der Tod. Wieder schaute er auf das Medaillon und sprach zu der blonden Locke darin. »Dein Drache wird dich rächen. Ich werde das Unrecht, das ich zugelassen habe, wieder gutmachen. Ich werde nicht mehr den gleichen Fehler begehen, meine Liebste, meine Einzige. Die Kreatur wird nicht ungestraft davonkommen. Das schwöre ich.«
Plötzlich wehte ein heißer Windstoß vom Scheiterhaufen herüber. Er hob die Locke an, und während Dragon vergeblich versuchte, sie festzuhalten, wurde sie davongetragen, weg von ihm, hoch hinauf auf den warmen Luftzug, fast wie eine Feder. Sie schwebte dort, und dann veränderte sich der heiße Wind, stieß einen Laut aus, der an das überraschte Keuchen einer Frau gemahnte, atmete ein und sog die Haarlocke in den lodernden Scheiterhaufen, wo sie sich in Rauch und Erinnerung verwandelte.
»Nein!«, schrie Dragon und sank schluchzend auf die Knie. »Jetzt habe ich alles verloren, was ich von dir besaß. Durch meine Schuld ... «, sagte er mit gebrochener Stimme. »Durch meine Schuld, so wie ich auch deinen Tod verschuldet habe.«
Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er sah, wie sich die Locke seiner geliebten Gemahlin in Rauch auflöste, der vor ihm wirbelte und tanzte. Dann begann er magisch zu schimmern, sich von Rauch in einen Schleier grüner und gelber und brauner Funken zu verwandeln, die sich umeinander kräuselten und teilten und zu einem Bild zusammensetzten: Die grünen Funken wurden zu einem langen, dicken Stängel - zarte gelbe Blütenblätter formten sich um den braunen Kreis in ihrer Mitte.
Dragon wischte sich die Tränen ab, er konnte kaum glauben, was er da sah. »Eine Sonnenblume?« Seine Lippen fühlten sich ebenso taub an wie sein Verstand. Es ist ihre Blume!, rief sein Geist. Es muss ein Zeichen von ihr sein! »Anastasia! «, schrie Dragon, als sich die Taubheit in eine schreckliche und wunderbare Quelle der Hoffnung verwandelte. »Bist du hier, meine Einzige?«
Das Bild der schimmernden Sonnenblume zitterte und veränderte sich. Das Gelb floss in einer Kaskade hinunter, die sich goldblond färbte. Das Braun erhellte sich zur Farbe sonnengeküsster Haut, und das Grün schmolz in die Haut und gerann zu leuchtenden Kugeln, die zu türkisfarbenen Augen wurden, vertraut und geliebt.
»Oh, Göttin, Anastasia! Du bist es!« Dragons Stimme brach, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Doch das Bild hob sich, verspottete ihn, schwebte knapp außerhalb seiner Reichweite. Enttäuscht schrie er auf und unterdrückte einen Elendslaut, als sich die Stimme seiner Gemahlin wie ein Bach, der über wassergeschliffene Kiesel rinnt, singend um ihn herum ausbreitete. Dragon hielt die Luft an und lauschte der geisterhaften Botschaft.
Verzaubert ist dies Medaillon für dich, meinen
Einzigen, meinen Gemahl, der mir entrissen.
Gekommen ist der Tag, an dem der Tod uns
brachte Trennungsschmerzen.
Ich werde ewig auf dich warten, sollst du wissen.
Bis wir uns wiedersehn, trag deine Liebe ich im
Herzen.
Bedenk, du hast geschworen, Kraft mit Gnade abzumildern.
So lang wir auch getrennt sein mögen, gemahne
ich dich an den Eid
ewiglich ... ewiglich ...
Das Bild vor ihm lächelte noch einmal, bevor es verschwamm, sich in Rauch verwandelte und dann in Nichts auflöste.
»Mein Eid! «, rief Dragon und sprang auf die Füße. »Zuerst erinnert Nyx mich daran und jetzt du. Begreifst du nicht, dass du wegen dieses verfluchten Eides gestorben bist? Hätte ich mich vor all den Jahren anders entschieden, hätte ich das alles vielleicht verhindern können. Es war ein Fehler, Kraft durch Gnade abzumildern. Weißt du das nicht mehr, meine Einzige? Erinnerst du dich nicht? Ich werde es nie vergessen ... «
Während Dragon Lankford, Schwertmeister des House of Night, über der Leiche des gefallenen Jungvampyrs wachte, starrte er in den brennenden Scheiterhaufen und ließ sich von den Flammen in die Vergangenheit tragen, damit er noch einmal den Schmerz und die Freude - die Tragödie und den Triumph - einer Vergangenheit durchleben konnte, die diese herzzerreißende Zukunft geformt hatte.
Übersetzung: Susanne Goga-Klinkenberg
© Fischer S. Verlag GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von P. C. Cast, Kristin Cast
P.C. Cast und Kristin Cast sind weltweit das erfolgreichste Mutter-Tochter-Autorengespann. Im Mittelpunkt der House-of-Night-Stories stehen vor allem die Lehrer aus dem House of Night in Tulsa. P.C.Cast lebt heute mit vielen Tieren auf einer Ranch in Oklahama. Kristin Cast studiert an der Universität von Oklahoma Kommunikationswissenschaften.
Bibliographische Angaben
- Autoren: P. C. Cast , Kristin Cast
- 2012, 1. Auflage, 176 Seiten, Maße: 13,3 x 18,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Susanne Goga-Klinkenberg
- Verlag: Fischer FJB
- ISBN-10: 3841422136
- ISBN-13: 9783841422132
- Erscheinungsdatum: 22.02.2012
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