Dschungelkind
Mit 5 Jahren kommt Sabine Kuegler als Tochter deutscher Missionare nach West-Papua - zum Stamm der Fayu, der heute noch...
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Mit 5 Jahren kommt Sabine Kuegler als Tochter deutscher Missionare nach West-Papua - zum Stamm der Fayu, der heute noch wie in der Steinzeit lebt. Das Mädchen lernt zu denken und fühlen wie eine Fayu. Doch mit 17 wird sie auf ein Schweizer Internat geschickt und erlebt zum ersten Mal die Zivilisation - ein katastrophaler Einschnitt in ihr Leben.
''Eine unglaubliche Story über eine einzigartige Odyssee zwischen den Kulturen.''
TV Hören und Sehen
Was uns unvorstellbar erscheint - Sabine Kuegler hat es erlebt. Unter archaischen Bedingungen wuchs sie im Dschungel West-Papuas auf. Heute lebt sie in Deutschland. Angst habe ich erst hier kennen gelernt , sagt sie. Und sie weiß, dass sie zurückkehren wird.
Dschungelkind von Sabine Kuegler
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Weiße Würmer und magisches Licht
Ich hatte viel Spaßund Freude dabei, den Fayus unsere technischenErrungenschaften zu zeigen. Sie waren sehr neugierig und studierten alles mit größtemInteresse. Eines Abends, als es bereits dunkelte, saßen wir gemeinsam am Lagerfeuer. Ich hatte meineTaschenlampe mitgebracht. Die Fayus kannten siebereits und begeisterten sich an dem hellen Lichtstrahl, der die Dunkelheitdurchschnitt. Da kam mir eine Idee - ich nahm die Lampe, steckte sie mir in denMund, blies die Backen auf und knipste sie an. Erschrocken von dem Rot, dasjetzt durch meine Backen leuchtete, sprangen meine Freunde auf. Suchendblickten sie sich um, schauten auf meinen Bauch, schauten auf meinen Rücken.
"Was ist passiert,was sucht ihr denn?" fragte ich überrascht.
"Wir suchen dasLicht, es ist verschwunden" riefen sie aufgeregt.
"Nein, das Lichtist nicht verschwunden - es ist jetzt in mir drin" sagte ich, und knipste dieLampe an und wieder aus.
Mit großen Augen blicktensie mich an und fragten mit einem Schaudern in der Stimme, ob man Licht dennessen kann... und wie es schmeckt, so ein Licht... Da musste ich lachen und erklärte,dass Licht keinen Geschmack hat und dass man es ganz ohne Gefahr schlucken kann.Die Fayus schauten mir nur skeptisch an. Also nahmich die Taschenlampe und reichte sie an Tuare weiter.Nach einem kurzen Zögern ergriff er sie,hielt sie an den Mund - und schaltete das Licht an. Nichts passierte. Erreichte die Lampe weiter, und nun wollten alle das Licht "schlucken" und sichso vergewissern, dass es wirklich keinen Geschmack hat und gänzlichungefährlich ist. Bis spät in die Nacht genossen wir so das Wunder derTaschenlampe...
Ein paar Tagespäter bekamen wir Post. Das war wie immer ein großer Augenblick, denn Post gabja nur alle paar Monate. Unter all den Briefen und Paketen war auch ein kleinesPäckchen mit Popcorn. Wir drei Kinder konnten es kaum abwarten, das Geschenkmit unseren Freunden zu teilen. Judith holte einen großen Topf und goß etwas Öl hinein. Gemeinsam bauten wir ein Gestell ausHolzstangen und befestigten den Topf über dem Feuer. Als sich das Öl langsamerhitzt hatte, warfen wir ein Korn hinein und warteten, bis es mit einem leisenKnall explodierte. Das Öl war heiß. Mit Schwung schütteten wir nun die ganzePackung hinterher und riefen den Fayus zu, einengebührenden Abstand vom Feuer zu halten. Gespannt schauten wir auf den Topf,den Deckel hatten wir natürlich zur Seite gelegt. Es dauerte nur kurze Zeit,bis das Popcorn zu hüpfen und zu knallen begann und wie ein Feuerwerk aus demTopf herausschoß. Voller Freude blickte ich mich um -doch was war das? Die Fayus waren wie vom Erdbodenverschluckt - ohne dass ich auch nur den geringsten Ton gehört hätte. Nur meineSchwester Judith und mein Bruder Christian standen noch da. Wo aber waren die Fayus?
Da hörte ich, hochüber mir, unterdrückte Stimmen und ein leises Rascheln in den Ästen. Als ichnach oben blickte, mußte ich laut auflachen - dichtgedrängt hockten die unerschrockenen Krieger, die gefürchteten Fayus, in einer Baumkrone und spähten furchtsam herab -dorthin, wo der Topf mit dem herausschießenden Popkorn stand. Auch meineGeschwister mussten jetzt lachen. "Dasist doch nur Popcorn" riefen wir unseren Freunden zu, "das ist überhaupt nicht gefährlich". Die platzendenKörner sprangen noch immer aus dem Topf heraus. Es war ein toller Anblick. Christian hob eins auf und steckte es inseinen Mund. "Hmmm", rief er, "Kaha,kaha, (gut, gut)"! Daraufhin trauten sich die ersten wiedervom Baum herunter und traten näher ans Feuer heran. Inzwischen hatte Judith denTopf vom Feuer genommen und auf den Boden gestellt. Er war prall gefüllt. Ichreichte jedem eine Handvoll Popcorn. Die Fayus betrachtetenes unschlüssig und fragten schließlich, was das denn für eine Art von Tier sei.
"Das sind keineTiere", antwortete meine Schwester, "das sind geröstete Körner von Pflanzen.Und die schmecken sehr gut!"
Zögernd steckteerst einer, dann ein anderer etwas Popcorn in den Mund. Schließlich probiertenalle von den wundersamen weißen Körnern - und waren begeistert. Von diesem Tagan zählte Popcorn zu den neuen Lieblingsgerichten der Fayus.
© Sabine Kuegler
Interviewmit SabineKuegler
Als ihreEltern, zwei Missionare und Sprachforscher, sie mit nach West-Papua(Indonesien) nahmen, war Sabine Kuegler gerade sieben Jahre alt. Zusammen mitdem Stamm der Fayu, Giftspinnen und Krokodilen verbrachte Sie ihre Kindheitmitten im Dschungel. Jetzt hat sie ihr Leben als „Dschungelkind“zum Bestseller gemacht.
Siehaben sehr lange nicht über Ihre Kindheit gesprochen. Warum nicht?
Wenn jemand mich gefragthat: „Woher kommen Sie?“, habe ich immer gesagt: „AusHamburg.“ Ich habe das gemacht, weil ich nicht anders sein wollte, weilich immer versucht habe, mich hier zu integrieren. Ich habe mich nichtgeschämt für meine Kindheit, aber wenn ich gesagt habe, ich komme ausdem Dschungel, dann war sofort die Stimmung anders. Ich habe gedacht, ichkönnte mich so besser anpassen, aber das Gegenteil war der Fall. Das habeich in den letzten zwei Jahren erst gemerkt, als ich anfing, meine Geschichtezu erzählen. OK, ich habe eine andere Kindheit gehabt, eine Kindheit, dieich niemals tauschen würde, weil sie für mich persönlich sehrschön war. Und jetzt gucken mich die Leute auch nicht mehr komisch an,denn sie wissen ja, ich bin erst seit 2 oder 3 Jahren in Deutschland und dakann man eben nicht alles wissen.
Der Stamm der Fayu, beidem Sie lebten, ist angeblich bekannt für Kannibalismus undBrutalität. Wie haben Sie das erlebt und wie wurde Ihre Familieaufgenommen?
Ich habe Brutalitätgesehen, aber ich empfand es nicht als brutal. Ich persönlich empfand dieMenschen hier in der westlichen Welt als viel brutaler. Das hängtvielleicht auch damit zusammen, dass ich damals noch ein Kind war. Die Fayuhaben Krieg geführt, und ich habe gemerkt, dass sie sehr viel Angst hattenund sehr in Angst lebten. Mir und meiner Familie gegenüber waren siejedoch sehr, sehr nett, denn wir standen nicht unter dem Blutrachesystem.Untereinander haben sich die einzelnen Gruppen auch geschützt. Der Verbundinnerhalb der Familie war sehr stark, nur das Verhalten gegenüber denFeinden war brutal.
Kannibalismus habe ich inmeinem Buch übrigens nur in einem einzigen Satz erwähnt, der vonMedien sofort aufgebauscht wurde. Persönlich habe ich nie Kannibalismusmiterlebt. Ich bezweifle auch, dass die Fayu so etwas während unserer Zeitim Dschungel gemacht haben. Was viele Leute auch nicht wissen: Im Urwald wurdeman nicht ohne Grund umgebracht. Man hat niemanden umgebracht, noch nicht malTiere, ohne Grund. Nur wenn jemand ein Tabu gebrochen hatte, dann hat man ihnumgebracht.
Wie sah Ihr Alltag imDschungel aus?
Wir sind aufgestanden, wenndie Sonne aufgegangen ist. Wir hatten ja keine Elektrizität, das war sozwischen sechs und sieben Uhr morgens. Zuerst haben wir gefrühstückt,dann mussten wir Schularbeiten machen bis mittags. Wir hatten englischenUnterricht, haben aber mit unseren Eltern deutsch gesprochen und mit denEingeborenen die Fayu-Sprache. Man mischt auch schon mal zwei Sprachen. Wenndie zum Beispiel etwas hatten,wofür kein Wort da war, haben wir auch schon mal das indonesische Wortbenutzt, das sie dann auch benutzt haben.
Nachmittags sind wir nachdraußen gegangen und haben bis abends gespielt. Wenn die Sonne unterging,sind wir heimgegangen und haben noch was gegessen, wenn wir Hunger hatten. Wir hatten zwei Kerosinlampenin der Hütte und haben zum Beispiel noch Spiele gespielt oder Geschichtenerzählt und dann sind wir schätzungsweise so gegen acht ins Bettgegangen. Und das jeden Tag. Außer wenn es geregnet hat, dann konnten wirnicht nach draußen und haben uns sehr, sehr gelangweilt.
Ihre Eltern sindMissionare. Wie muss man sich diese Missionarsarbeit konkret vorstellen?
Die Welt der Missionare hatsich in den letzten 50 Jahren sehr verändert. Es ist nicht mehr so wie esfrüher war, als Missionare die Bibel hochhielten und sagten, ihr seid alleSünder. Wer sich nicht bekehren lässt, kommt in die Hölle. Dieheutigen Missionare sind sehr gebildete Menschen, Sprachwissenschaftler,Anthropologen, Ärzte, Entwicklungshelfer, die zusätzlich noch einenGlauben haben. Sie sind am Schutz der Menschen und des Urwaldes interessiertund setzen sich mit der Kultur auseinander. Meine Eltern haben immer gesagt,dass man Glauben nicht predigen kann. Man kann einem Menschen nichtsaufzwingen, denn Glaube muss von Herzen kommen. Man muss das leben, woran manglaubt, und den Menschen ein Beispiel geben.
Es gab aber sicher dochauch Gelegenheiten, bei denen zwei ganz verschiedene Kulturen und Glaubenaufeinander gestoßen sind. Zum Beispiel bei der Bestattung der Toten inden Hütten.
Mein Vater hat sich niemalsin die Kultur der Fayu eingemischt, weil er der Meinung war, wenn sie etwasändern wollen, müssen sie das von selbst tun. Dass die Fayu ihreToten in ihren Hütten bestatten, empfand ich nie als eigenartig und ichhabe auch nie gesehen, dass meine Eltern das Gesicht dabei verzogen haben. MeinVater hat sich natürlich beim ersten Mal ein bisschen erschrocken, aber erhat nie was gesagt. Bis heute ist es so, dass einem erst einmal die Knochenvorgestellt werden, wenn man eine Hütte betritt. Das ist mein Onkel, dasist mein Großvater usw. Das ist Teil der Kultur und hat nichts mitReligion zu tun. Jahre später, als jemand gestorben war, bauten die Fayuplötzlich eine sehr hohe Plattform und legten den Körper drauf. Undmein Vater fragte: „Was macht ihr denn, tut ihr das nicht in eureHütte?“ „Aber nein“, sagten sie ,“das stinkt dochzu sehr“. Das Ritual änderte sich von ganz allein, auch ohneEinmischung von außen.
Warum sind Sie mit 17nach Europa zurückgekehrt?
Aus verschiedenenGründen. Ein Grund war, dass ich plötzlich merkte, dass ichweiß war. Obwohl ich vom Herzen her sehr angenommen war vom Stamm, wurdemir plötzlich bewusst, dass ein Teil von mir doch nicht dazu gehörte.Und dann kam ich auch in ein Alter, wo man anfängt darübernachzudenken, wer man ist und wohin man gehört. Ich wollte sozusagen denStamm meiner Eltern kennen lernen. Ich war auch in einem Alter, wo ich anfing,über Beziehungen nachzudenken. Die fayu waren alle wie Brüderfür mich und ich konnte mir nicht vorstellen, einen Fayu zu heiraten.Heute könnte ich das, aber damals mit 17 noch nicht. Und dann wurde ichimmer unglücklicher. Und ich fing einfach an, mir Gedanken zu machen, wasich mit meinem Leben anfangen sollte.
Wie schwer war dieEingewöhnung in die Zivilisation?
Di ersten eineinhalb Jahreim Internat waren sehr schön, die habe ich sehr genossen, das hat mir vielSpaß gemacht und mein Plan war ja eigentlich, danach wiederzurückzukehren, doch ich wurde schwanger. Und als ich aus dem Internatherauskam, da habe ich einen richtigen Schock bekommen. Ich war nicht mehr ineiner geschützten Umgebung, ich war nicht mehr mit Mädchen aus allerWelt zusammen, die Kulturen verstanden, die tolerant waren. Ich wurde mit einerWelt konfrontiert, die meiner Ansicht nach kein Erbarmen, keine Toleranzkannte. Schwarze Menschen wurden schlecht behandelt, Frauen mit Kopftuch wurdenausgeschlossen. Das war für mich einfach so schockierend. Und ich war ineiner Situation, wo ich nicht mehr wusste, wer ist mein Feind, wer ist meinFreund.
Sie habenschließlich eine Karriere gestartet, haben sich nicht unterkriegen lassenvon der Zivilisation. Hat das Leben im Dschungel Sie besonders stark gemacht?
Ich frage mich das selbstmanchmal. Ich glaube, was mich stark gemacht hat, war mein Elternhaus, meinFamilienleben. Und ich glaube, dass ich im Urwald gelernt habe, dankbar zusein. Ich weiß nicht, ob die Deutschen realisieren, wie gut sie eseigentlich hier haben. Viele kritisieren an der Zivilisation, dass wir zu vielTechnologie haben, aber nicht dieTechnologie ist das Problem, sondern die Mentalität der Menschen, dieIntoleranz und die Kritik. Ich kannte zum Beispiel keinen Neid, bis ich hierherkam.
Ich habe gehört,dass Sie zurückkehren wollen, um einen Dokumentarfilm zu drehen...
Ich möchte erstmalzurückkehren, um die Leute zu sehen und habe dann überlegt, ob icheine Kamera mitnehme, um das live aufzunehmen. Nicht als herkömmlicherDokumentarfilm, sondern um aufzunehmen, wie das ist, wenn man nach so vielenJahren in den Urwald zurückkehrt.
Ist es vielleicht eineGefahr, wenn man die Menschen dort der Öffentlichkeit so zugänglichmacht?
Erstens lebt der Stamm ineinem Gebiet, wo kein Tourist hinkommt. Zweitens glaube ich nicht, dass Wissenetwas kaputt macht. Ich glaube, es ist das Unwissen, das Dinge zerstört.Wer die Menschen hier sieht und die Natur, der wird alles besser verstehen undsorgfältiger damit umgehen. Jährlich reisen tausende von Touristen inLändern ohne sich über die Kultur zu erkundigen und darüber, wasman machen darf und was nicht. Ohne nachzudenken legen sie sich nackt an dieStrände und behandeln die Menschen wie zweiter Klasse. Und ich glaubenicht, dass sie das absichtlich tun, ich glaube, es wird einfach aus Unwissengemacht.
Sie beschreiben, dass Siein einer Art Identitätskrise stecken und nicht wirklich hier und auchnicht dorthin gehören. Hat Ihnen das Schreiben des Buchs geholfen dieseKrise zu überwinden? Wie wird es sein in den Dschungelzurückzukehren?
Das Buch hat mir sehr, sehrgeholfen. Ich würde auch jedem, der eine Krise durchmacht, vorschlagen,einfach mal über sein Leben zu schreiben. Es ist erstaunlich, man bekommtmehr Distanz dazu und dann fallen einem auch noch so viele Sachen ein,über die man sonst nie nachgedacht hätte.
Ich hoffe, dass ich durchdie Rückkehr endlich einen Abschluss finden kann, wenn ich das alles nocheinmal sehe. Es ist wichtig für mich zur Ruhe zu kommen und irgendwiezwischen den beiden Welten zu leben und dort auch glücklich zu sein.
Die Fragenstellte Nicole Brunner / lorenzspringer medien
- Autor: Sabine Kuegler
- 2005, 345 Seiten, mit farbigen Abbildungen, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 15 x 21,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426273616
- ISBN-13: 9783426273616
4.5 von 5 Sternen
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