Dunkler Fluch / Erben des Blutes Bd.1
Roman
Der uralte Vampirclan der Ptolemy wurde einst mit einem finsteren Fluch belegt. Königin Arsinöe beauftragt den Vampir und Gestaltwandler Tynan, eine Seherin zu finden, die dem Clan endlich Frieden bringen soll. Er trifft auf Lily Quinn. Ist sie die Richtige?
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Produktinformationen zu „Dunkler Fluch / Erben des Blutes Bd.1 “
Der uralte Vampirclan der Ptolemy wurde einst mit einem finsteren Fluch belegt. Königin Arsinöe beauftragt den Vampir und Gestaltwandler Tynan, eine Seherin zu finden, die dem Clan endlich Frieden bringen soll. Er trifft auf Lily Quinn. Ist sie die Richtige?
Klappentext zu „Dunkler Fluch / Erben des Blutes Bd.1 “
Diese Serie hat einfach alles, was einen fesselnden Vampirroman ausmacht!Der Jahrhunderte alte Vampirclan der Ptolemy wurde einst mit einem finsteren Fluch belegt. Königin Arsinöe beauftragt den Vampir und Gestaltwandler Tynan MacGillivray, eine Seherin ausfindig zu machen, die dem Clan endlich Frieden bringen soll. Als der attraktive Außenseiter auf Lily Quinn trifft, ist er sich sicher, die Richtige gefunden zu haben. Da versuchen die Feinde der Ptolemy, Lily zu töten, und es wird klar, dass die junge Frau weit mehr Macht besitzt, als angenommen.
Lese-Probe zu „Dunkler Fluch / Erben des Blutes Bd.1 “
Erben des Blutes - Dunkler Fluch von Kendra Leigh CastleTynan MacGillivray hockte in einer dunklen Ecke des kleinen Gartens, hörte den Sterblichen zu, die geräuschvoll in der muffigen alten Villa herumwuselten, und versuchte, sich auf ihre Gerüche und Töne zu konzentrieren. Er hoffte auf irgendeine Schwingung, die darauf hindeutete, dass sich unter diesen sogenannten Geisterjägern eine Seherin befand, doch bisher hatte ihm das alles nichts eingebracht - außer Kopfschmerzen.
In diese lächerliche Kleinstadt zu fahren, war nur ein verzweifelter Versuch gewesen, das war ihm durchaus klar. Aber in den letzten acht Monaten hatte er bereits alles abgeklappert, von Goth-Clubs in New York City bis zu Hexenzirkeln in Los Angeles. Er war überall gewesen, wo vielleicht ein Hauch von Fähigkeiten jenseits der Norm zu erwarten gewesen wäre. Doch in der ganzen Zeit hatte er nicht den kleinsten Hinweis auf eine Seherin entdeckt oder auch nur eine Spur von Paranormalität. Nur eine Horde menschlicher Wesen, die sich verkleideten, weil sie unbedingt anders sein wollten.
Er fragte sich, wie sie sich wohl fühlen würden, wenn sie aus Versehen in einen echten Vampirclub gerieten. Vermutlich wären die meisten von ihnen zu blöd, um in den wenigen Sekunden, die ihr Leben an solch einem Ort noch dauern würde, ein Gespür für die drohende Gefahr zu entwickeln. Aber vielleicht würden sie noch feststellen, dass es bei den Untoten nicht mal ansatzweise so viel schwarzes Leder und Sadomasoausrüstung gab, wie sie offensichtlich glaubten.
... mehr
Ty kam auf die Beine - auf alle vier - und streckte den Rücken durch, der ganz steif vom langen nächtlichen Herumhocken war. Seine Katzengestalt war das Erbe seines Stammbaums, allerdings half sie ihm an Orten wie diesem nur bedingt. Das Haus, das er gerade ausspionierte, lag nicht weit vom Stadtkern, und die paar armseligen Berberitzen boten so gut wie keinen Schutz. Sein Fell war schwarz, das schon, und verschmolz gut mit der Dunkelheit, aber hundegroße Katzen lösten bei Spaziergängern nicht unbedingt das Bedürfnis aus, ein paar Streicheleinheiten auszuteilen.
Verdammt. Das führt zu nichts. Frustriert knurrend gestand Ty sich ein, dass auch dieser Abstecher ein Schuss in den Ofen war. Er hatte Esoterikmessen abgeklappert und sämtliche amerikanischen Orte, an denen es angeblich spukte, in der Hoffnung, dorthin würde es ein menschliches Wesen ziehen, wie er es so verzweifelt suchte. Aber schon bald - sehr bald - würde er Arsinöe die schlechte Nachricht überbringen müssen, dass Seher höchstwahrscheinlich ausgestorben waren. Zum ersten Mal nach dreihundert Jahren in ihren Diensten würde er eingestehen müssen, dass er versagt hatte.
Und der Mulo, der Zigeunerfluch, der langsam all jene tötete, die Ty zu beschützen hatte, würde weiter sein Unwesen treiben, bis niemand mehr von der Ptolemy-Dynastie übrig war, dem ältesten und mächtigsten Geschlecht der gesamten Vampirgesellschaft, das bis in jene Zeit zurückreichte, als Arsinöe durch den dunklen Kuss einer Göttin das ewige Leben eingehaucht worden war. Keine andere Dynastie konnte einen solchen Beginn, eine solche Gebieterin aufweisen. Aber wenn es so weiterging, würde den anderen Dynastien, die seit jeher neidisch auf die Macht, die Abstammung und den Einfluss der Ptolemy waren, nicht mal mehr eine Leiche bleiben, die sie fleddern konnten.
Der unsichtbare Terror hatte noch zwei weitere Male zugeschlagen, beide Male während heiliger Initiationsriten, und beide Male war nur ein einziger Vampir gerade eben mit dem Leben davongekommen und hatte berichten können, was passiert war. Oder, im Fall des ersten Angriffs, eine fast schon verwandelte menschliche Frau. Rosalyn hatte sie geheißen, wie er sich mit einem Anflug von Widerwillen erinnerte. Sie hatten sie zu ihrer Siedlung zurückgebracht, blutüberströmt und verstümmelt, und hatten ihr so viele Informationen wie möglich entlockt, bevor sie sie einen sehr menschlichen Tod hatten sterben lassen. Er bezweifelte, dass ihr bewusst gewesen war, wie viel Glück sie hatte.
Ty, der es gewohnt war, mit den Schatten zu verschmelzen und zuzuhören, wusste, dass sich alle in Arsinöes engstem Kreis einig waren: Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Königin höchstpersönlich zum Angriffsziel wurde.
Ohne seine starke ägyptische Königin würde das Geschlecht der Ptolemy nicht überleben. Vielleicht kam das Ende nicht gleich, aber es gab niemanden, der Arsinöe hätte ersetzen können, es sei denn, Sekhmet würde noch einmal in Erscheinung treten und einem der Ptolemy ihre Gnade gewähren. Falls es die Göttin überhaupt noch gab. Wahrscheinlicher war, dass es zu einem blutigen Machtkampf unter den Ptolemy kommen würde, an dessen Ende nur noch eine blasse Erinnerung an das bleiben würde, was einst gewesen war. Dieser kurzsichtige interne Machtkampf würde die Letzten erledigen, die der Mulo noch am Leben gelassen hatte - falls es dann überhaupt noch welche gab. Und die Cait Sith, Vampire wie er, die nur in den Diensten der Ptolemy standen, weil ihr Blut mit Feenblut durchmischt war, würden der zweifelhaften Gnade der verbliebenen die Nacht beherrschenden Dynastien ausgeliefert sein.
Das konnte er genauso wenig zulassen, wie er sich der Sonne aussetzen konnte.
Ty schob die düsteren Gedanken zur Seite und fragte sich, ob er für den Rest der Nacht in sein Hotelzimmer zurückkehren und auf dem Weg dorthin in einer Bar haltmachen sollte, um einem der wehrlosen Betrunkenen rasch ein wenig Blut abzuzapfen. In diesem Moment ging eine der hinteren Türen auf, und eine Frau trat in die kalte Nachtluft hinaus.
Zunächst blieb er aus reiner Neugier. Dann fing sich das Mondlicht in ihren rotbraunen Haaren, und als sie sich in seine Richtung wandte, konnte er den Blick nicht mehr von ihr abwenden. Ohne sich seiner Gegenwart bewusst zu sein, legte sie den Kopf in den Nacken und badete das Gesicht im Mondlicht. Um ihre Lippen spielte das leise Lächeln einer Frau, die es sehr zu schätzen wusste, eine Herbstnacht wie diese genießen zu dürfen.
Er hörte sie seufzen und sah, wie die warme Luft, die sie ausatmete, gemächlich wie Nebel nach oben stieg. Für ihn, der wie verzaubert dastand, schien sich alles wie in Zeitlupe abzuspielen. Ihr Atem bildete sekundenlang eine kleine Wolke oberhalb ihres Munds, als hätte sie der Nacht einen glänzenden Teil ihrer Seele geschenkt. Über dem Kragen ihres Mantels lockte ihr langer, blasser Hals, und der winzige Pulsschlag an ihrer Kehle schien sich tausendfach zu verstärken, bis Ty schließlich jenes einzigartige Schlagen und Pulsieren hören konnte, das ihr Leben ausmachte, bis es nur noch diesen Klang in seinem Universum gab. Ein kalter Windstoß blies ihren Geruch, einen leichten, exotischen Vanilleduft, in seine Nasenlöcher, und jeglicher Gedanke, von einem namen- und gesichtslosen Fremden zu trinken, löste sich in Wohlgefallen auf.
Ty wollte sie. Und obwohl es in seinem Leben eine Reihe klarer Einschränkungen gab, würde er sich diesen Genuss nicht entgehen lassen. Schon jetzt konnte er nur noch daran denken, wie ihr Blut wohl schmecken würde. Würde es so süß sein, wie sie roch? Oder hatte es eher den kräftigen Geschmack nach reifen Beeren? Jeder Mensch schmeckte anders - das wusste er inzwischen -, und dieser Geschmack erzählte Bände, mehr, als die Menschen jemals ahnen würden.
Die Frau blieb nur noch einen kurzen Moment stehen, doch ihr schönes, herzförmiges Gesicht mit den großen, ausdrucksvollen Augen, die er unbedingt aus der Nähe sehen musste, brannte sich in ihm ein, wie er das noch nie zuvor erlebt hatte. Ty war viel zu benebelt, um über seine seltsame Reaktion auf sie nachzudenken, aber er wusste, später würde er an nichts anderes mehr denken können.
Später. Sobald er sie geschmeckt hatte.
Als sie sich umdrehte und er nur noch die glänzenden Locken sehen konnte, die über den schwarzen Kragen ihres Mantels herabflossen, konnte er sich wenigstens wieder rühren, und das tat er mit den sparsamen Bewegungen des geübten Jägers. Wie ein Raubtier, das die Fährte seiner Beute aufgenommen hat, ließ er sie nicht aus den Augen, auch nicht, als er sich aufrichtete und sich seine katzenartige Gestalt ausdehnte und veränderte, bis er auf zwei Beinen zwischen den vereinzelten Büschen stand.
Ty holte tief Luft und sog voller Vorfreude den einzigartigen Duft ein.
Dann stellte er den Kragen seines Mantels auf und begab sich auf die Jagd.
Mit einem Seufzer der Erleichterung bog Lily um die Ecke des Hauses.
Vermutlich hätte sie sich schuldig fühlen sollen, weil sie sich vor der alljährlichen Geisterjagd in der Bonner-Villa drückte - und zwar, bevor irgendetwas Interessantes passiert wäre. Bisher hatte sie lediglich eine Gruppe übereifriger Amateur-Geisterjäger gesehen, die jedes Insekt für einen unberechenbaren Geist hielten. Und dann das Paar, das sich im Schrank einquartiert und die Tür hinter sich zugezogen hatte. Lily grinste. Die Erfahrungen, die die beiden machen wollten, waren mit Sicherheit alles andere als übernatürlich.
Wie Bay es geschafft hatte, sie hierherzulocken, war Lily ein Rätsel. Schön und gut, dass sie sich einmal die Woche trafen, um sich im Fernsehen die Serie Ghost Hunters anzusehen. Aber deswegen wollte sie jetzt noch lange nicht in einem alten, schimmeligen und angeblich von einem Geist heimgesuchten Haus herumlaufen. Glücklicherweise war der heiße Typ von der »Gesellschaft für übernatürliche Phänomene im Bonner County« gerade noch rechtzeitig aufgetaucht. Lily hätte nicht mit Sicherheit sagen können, was die Augen ihrer Freundin mehr zum Leuchten gebracht hatte - die enge Jeans oder die Wärmebildkamera. Wie auch immer - Lily hatte das zum Anlass genommen, sich wegen einer angeblichen Kopfschmerzattacke zu entschuldigen, was die Gruppe vermutlich gar nicht richtig mitbekommen hatte. Bay allerdings hatte gegrinst, und es war ein durchaus dankbares Grinsen gewesen.
Lily hob den Arm, um auf die Uhr zu schauen. Sie musste sie dicht vor die Augen halten, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Es war viertel vor zwölf.
»Schon wieder ein Freitagabend dahin«, murmelte sie. Trotzdem musste der Abend ja kein völliger Reinfall werden. Vielleicht würde sie noch etwas ganz Verrücktes machen und sich mit einem Gerard-Butler-Film und einer Schüssel Popcorn die Nacht um die Ohren schlagen.
Anarchische Zeiten in Lily Quinns Haus. Aber besser, auf jeden Fall besser als schlafen. Sie brauchte keine blödsinnige Geisterjagd, um sich zu gruseln. Nichts konnte beängstigender sein als das, was sie sah, sobald sie die Augen schloss.
Lily ging eine Weile durch das raschelnde Laub, dann blieb sie stehen und betrachtete stirnrunzelnd die nackten Bäume und, etwas weiter dahinter, den schmiedeeisernen Zaun, der das Grundstück begrenzte. Die Bonner-Villa lag zwar ganz in der Nähe des Stadtzentrums, war aber ein Stück von der Straße zurückversetzt. Der Historischen Gesellschaft war es gelungen, einen Teil des ursprünglichen Geländes vor dem Verkauf zu retten, sodass zu dem Haus noch ein recht großes Grundstück gehörte. Allerdings hatte man - als Zugeständnis an die Moderne - einen Teil davon in einen Parkplatz umgewandelt.
Und der lag, wie Lily erst jetzt bewusst wurde, auf der Rückseite des Hauses. Sie legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und stöhnte.
Ihr völlig unterentwickelter Orientierungssinn hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet.
Lily fluchte eine Weile lautlos vor sich hin, dann schob sie die Hände tiefer in die Taschen und machte sich auf den - diesmal hoffentlich richtigen - Weg. Ihr mangelnder Orientierungssinn war genauso typisch für sie wie ihre unerklärliche Abneigung gegen adäquate Männer. Wenn sie doch bloß einen wohlerzogenen, Shakespeare zitierenden Mann finden könnte, der gleichzeitig ein Bösewicht war, mit einer Vorliebe für sexy Tattoos und einem Hang zum Lederfetischismus. Dann hätte sie eventuell eine Chance, nicht als verrücktes altes Weibchen zu enden.
Vielleicht nur eine geringe Chance, aber immerhin eine Chance.
Wenigstens ist heute eine herrliche Nacht, dachte Lily und atmete tief ein. Oktobernächte hatten ihren ganz eigenen Geruch, vor allem in diesem Teil Neuenglands. Lily liebte den erdigen, intensiven Geruch verfaulender Blätter, in den sich der Rauch aus irgendeinem Holzofen mischte, wobei gleichzeitig die erste Kälte für klare, reine Luft sorgte.
Lily sah sich ausgiebig um, während sie zurückging. Im schwachen Schein der Straßenlaternen sah die Bonner-Villa wirklich wie ein Gespensterhaus aus, hatte aber trotzdem nichts Beängstigendes an sich. Sie wirkte eher wie der richtige Ort für eine düstere Liebesgeschichte voller Schatten und sinnlicher Geheimnisse.
Amüsiert grinste Lily in sich hinein. Sie unterrichtete englische Literatur, weil sie die Möglichkeiten, die die Fantasie bot, der oftmals unerfreulichen Wirklichkeit immer vorgezogen hatte. Und das bedeutete auch, dass ein Freitagabend mit dem Phantom der Oper vielleicht genau das Richtige für sie war. Und das, obwohl der Film nie so endet, wie ich das will, dachte sie und lächelte, egal wie oft ich Christine dazu zu bewegen versuche, das dunkle, verwundete Phantom zu heilen, statt ihre Zeit mit dem langweiligen alten Raoul zu verplempern.
Was für eine Wahnsinnsliebesszene das gegeben hätte!
Plötzlich stellten sich Lily sämtliche Nackenhaare auf. Adrenalin schoss durch ihre Adern. Hinter ihr war jemand, das wusste sie, ohne die Person zu sehen. Sie spürte Augen auf sich ruhen, die einen Moment zuvor noch nicht da gewesen waren.
Aber als sie herumwirbelte, war dort niemand. Weder auf dem Rasen mit seinen vereinzelten, blattlosen Bäumen noch auf der Bank und auch nicht beim Haus. Nichts.
Und hier gab es auch kein Versteck.
Lilys Herz schlug schneller, und ihr Atem wurde flacher. Sie ließ den Blick über das Gelände schweifen, in der Hoffnung, irgendetwas Auffälliges zu entdecken. Es musste doch eine Erklärung dafür geben, dass sie so eindeutig die Anwesenheit eines anderen Menschen spürte.
So ein Quatsch!, sagte sie sich. Diese Horrorfilmkulisse hier hat einfach deine Fantasie beflügelt. Das ist alles.
Lily wusste, dass das die wahrscheinlichste Erklärung war, aber sie wollte trotzdem so schnell wie möglich zu ihrem Wagen, und dann nichts wie weg. Glücklicherweise waren im Haus jede Menge Leute, die sie, falls doch etwas passierte, schreien hören würden. Sie machte sich wieder auf den Weg, warf jedoch vorsichtshalber alle paar Schritte einen Blick über die Schulter.
Der fast volle Mond hing hoch über ihr am Nachthimmel, und die Luft war noch immer mit all den Gerüchen getränkt, die sie eben noch so genossen hatte. Doch ihr Vergnügen war jenem eindringlichen Instinkt gewichen, der Menschen über Millionen Jahre hinweg das Leben auf der Erde ermöglicht hatte: Flucht.
»He, alles in Ordnung?«
Den leisen Aufschrei konnte sie einfach nicht unterdrücken, zu plötzlich war der Fremde vor ihr aufgetaucht.
Er hob die Hände und zog die Augenbrauen hoch, als wolle er zeigen, dass er genauso erschrocken war wie sie. »Oh. Bitte, nicht schreien. Ich bin kein Geist oder irgend so was. Du kannst ruhig weiteratmen.« Eine seiner Augenbrauen glitt noch weiter nach oben. »Bitte?«
Seine Stimme klang sowohl besorgt als auch amüsiert, und so wagte sie es, vorsichtig wieder einzuatmen. Dennoch schaute sie sich rasch um, um ihre Fluchtmöglichkeiten abzuschätzen.
»Schau, es tut mir leid«, fuhr der Mann fort und lenkte damit Lilys Aufmerksamkeit wieder zurück auf sich. »Ich musste da unbedingt mal raus. Zu viele Leute, nicht genug Geister, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich ... ja.« Lily war sich noch immer nicht ganz schlüssig, wie sie mit der Situation umgehen sollte. War er ebenfalls da drin gewesen? Sie war sich nicht sicher ... Es waren eine Menge Leute gewesen, und nicht alle waren zur gleichen Zeit eingetroffen. Möglich war es also. Aber als sie ihn sich genauer ansah, war sie sofort überzeugt, dass sie sich jemanden wie ihn bestimmt gemerkt hätte.
»Fangen wir noch mal von vorn an«, schlug er vor.
Seine leise Stimme war tief und rau, und jetzt fiel ihr auch sein singender Tonfall auf. Konnte gut sein, dass er Schotte war.
Er streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Tynan MacGillivray.«
Viel schottischer konnte ein Name kaum sein. Lily zögerte den Bruchteil einer Sekunde, bevor ihr ausgeprägtes Gespür für Höflichkeit die Oberhand gewann. Zögernd legte sie ihre Hand in seine.
»Ich heiße Lily. Lily Quinn«, erwiderte sie. Seine Hand fühlte sich überraschend kühl und samten an. Doch jetzt wurde sie rasch warm, genau wie ihr selbst auf einmal ganz warm wurde, weil ihr plötzlich auffiel, wie unglaublich gut Tynan MacGillivray aussah.
Schön ist er nicht, dachte sie. Das Wort passte nicht zu ihm, obwohl manche Leute ihn sicher als schön bezeichnet hätten. Er war eher ... bezwingend. Sie musterte das scharf geschnittene, kantige Gesicht mit der langen, geraden Nase und den dunklen, auffälligen Augenbrauen. Sein Mund war das Einzige, was auf eine gewisse Weichheit hindeutete, und seine volle Unterlippe war so einladend, dass Lily ihr mehr Aufmerksamkeit schenkte, als unter diesen Umständen angebracht war. Seine Haut war sehr hell, fast schon bleich, was seine seltsame Anziehungskraft allerdings eher noch verstärkte, genau wie seine ein wenig zotteligen langen dunkelbraunen Haare, die er hinter die Ohren gestrichen hatte.
Am meisten aber faszinierten sie seine Augen. Sie waren hellgrau und glänzten silbern im Mondlicht. Tynan beobachtete sie, ohne zu blinzeln. Sie hätte ihm gern geglaubt, dass er ihr nichts Böses wollte. Aber die Intensität, die in seinem Blick lag, beunruhigte sie. Ich sollte abhauen, dachte Lily. Sie fühlte sich wie ein Reh, das den Geruch eines Raubtiers wittert.
Aber sein Blick hielt sie gefangen, und es gelang ihr nicht, wegzusehen. Als er, ohne ihre Hand loszulassen, einen Schritt näher auf sie zutrat, schnappte sie zitternd nach Luft.
Nein, dachte sie, aber ihre Beine weigerten sich zu gehorchen. Und gleich der nächste Gedanke war: Ja.
»Lily«, sagte er, und das klang unglaublich sinnlich. »Was für ein schöner Name. Und so passend.«
Noch nie hatte jemand ihren Namen so ausgesprochen, so, als würde er ihn sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Tief in ihrem Bauch entwickelte sich ein Verlangen, unerwartet, unerwünscht, aber auch unleugbar. Sie überlegte verzweifelt, was sie sagen sollte, um diesen seltsamen Bann zu brechen, aber ihr fiel nichts ein. Es gab nur noch diesen düsteren Fremden. Alles andere schien zu verblassen, wurde unwichtig.
»Du zitterst ja«, sagte er. »Du solltest bei dieser Kälte nicht ganz allein hier draußen sein.«
»Nein, ich ... vermutlich hast du recht«, murmelte sie, ein wenig überrascht, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, wie sehr sie zitterte. Kalt war ihr mit Sicherheit nicht mehr. Und aus irgendeinem Grund war es plötzlich schwierig, ihre Gedanken in einen vernünftigen Satz zusammenzufassen. »Ich war ... gerade auf dem Weg zu meinem Wagen.«
Seine Augen, dachte sie, überwältigt von einem Schauder von Begierde, der sie von Kopf bis Fuß durchlief und ihr jegliches Gefühl für die Temperatur hier draußen raubte. Seine Augen waren wirklich silberfarben, das konnte sie jetzt deutlich sehen. Silberfarben und glänzend wie der Mond. Seltsame, schöne Augen.
»Darf ich dich begleiten?«, fragte er.
Die Worte drangen kaum in ihr Bewusstsein vor. Als sie sie endlich kapierte, nickte sie automatisch. Auto. Begleiten. Ja. Vermutlich keine schlechte Idee. »Ja. Das wäre nett.«
Tynan lächelte, und dieses Lächeln wirkte äußerst sinnlich. Es schien das Natürlichste auf Erden, dass sich - ganz im Gegensatz zu dem, was sie beide gesagt hatten - keiner von ihnen von der Stelle rührte. Stattdessen glitt seine freie Hand, die sich an ihrer warmen Haut wie kühler Marmor anfühlte, über ihre Wange hinab bis zu ihrem Mund. Sanft strich er mit dem Daumen über ihre Unterlippe.
Lilys Antwort bestand darin, die Lippen zu öffnen, die Augen zu schließen und einen leisen Seufzer auszustoßen. Noch nie hatte solch eine zarte Berührung ihr so viel Vergnügen bereitet. Alles, woran sie denken konnte, alles, was sie wollte, war, dass es nicht aufhören sollte.
»Lily«, flüsterte er schmeichelnd. »Wie wunderschön du bist.«
»Mmm«, war alles, was sie herausbrachte. Als seine Finger ihr durch das Haar strichen, als er die Hand aus ihrer löste, um sie ihr um die Taille zu legen, als er ganz nah an sie herantrat, da konnte sie gar nicht anders, als sich an ihn zu schmiegen. Es war, als würde sie in einen düsteren Traum hinabgleiten, ein Gefühl, dem sie sich widerstandslos hingab. Sie fuhr mit den Händen über seine Brust, verschränkte sie dann hinter seinem Rücken und zog ihn an sich.
Sie war sich nicht sicher, was sie sich von ihm wünschte - aber bei Tynans Berührung war etwas in ihr erwacht, eine Sehnsucht, die lange in ihr geschlummert hatte und sich jetzt wie gerade aus dem Schlaf erwacht dehnte und streckte und eine fast schon schmerzhafte Begierde in ihr auslöste. Als sie den Kopf in den Nacken legte, war das wie eine wortlose Einladung. Sie spürte, wie sein warmer, unregelmäßiger Atem über ihr Gesicht strich, wie sein Herz an ihrer Brust pulsierte, und trotz des seltsamen Nebelschleiers, der sie einzuschließen schien, überlief sie ein Schauder.
»Lily«, sagte er abermals, und diesmal klang es fast schon ehrfürchtig.
Er beugte den Kopf herab, und Lily öffnete erwartungsvoll die Lippen. Noch nie hatte sie sich so verzweifelt nach dem Kuss eines Mannes gesehnt - ihr ganzes Wesen schien vor Begierde zu vibrieren. Atemlos wartete sie darauf, seine Lippen auf ihren zu spüren. Aber statt anzunehmen, was sie ihm anbot, glitt sein Mund nur über ihre Wange, während er die Finger an ihr Kinn legte und ihren Kopf zur Seite bog.
Lily gab ein leises, frustriertes Stöhnen von sich, das ihren Folterer auflachen ließ.
»Geduld, mein Schatz«, sagte er sanft tadelnd. Sein Dialekt klang jetzt sehr viel deutlicher durch. »Zu große Eile verdirbt nur alles.«
Tynan bedeckte ihr Kinn von einem Ohr zum anderen mit Küssen. Seine eher kühlen Lippen auf ihrer warmen, empfindlichen Haut zu spüren, bereitete ihr ein unerwartetes Vergnügen. Lily wand sich in seinen Armen, um ihm noch näherzukommen. Sie sehnte sich nach einem namenlosen »Mehr«, das sie nicht genauer hätte beschreiben können. Tynan dagegen schien sich völlig unter Kontrolle zu haben, und nur sein unregelmäßiger Atem deutete daraufhin, dass er vielleicht genauso aufgelöst war wie sie. Dann hörte sie seine Stimme, und es war, als würde sie direkt in ihrem Kopf erklingen.
Lass mich dich schmecken.
Unfähig, etwas anderes zu tun, als zu gehorchen, ließ Lily unterwürfig den Kopf nach hinten sinken. Er sollte nicht aufhören, sie zu berühren, sollte sich nehmen, was er wollte. Irgendwo in ihrem Hinterkopf tauchte der Gedanke auf, dass diese ganze Situation völlig verrückt, wenn nicht gar selbstmörderisch war. Aber je mehr sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, desto schneller schien er sich in Luft aufzulösen. Und war es nicht viel einfacher, sich Tynan einfach hinzugeben? Als wolle Tynan ihr in diesem Punkt recht geben, küsste er zärtlich ihr Ohr und fuhr mit der Zunge über ihr empfindsames Ohrläppchen.
»Bitte«, stöhnte Lily und presste sich unruhig gegen ihn, ohne dass sie so recht wusste, um was sie eigentlich bat. Dann strich er ihr das Haar über die Schultern zurück und legte ihren Kopf auf die Seite, um besser an ihren Hals heranzukommen. Er zog den Kragen ihrer Bluse hinunter, bis ihr Schlüsselbein der kalten Nachtluft ausgesetzt war. Lily ließ alles mit sich geschehen. Sie wollte nur wieder seine Lippen auf ihrer Haut spüren und ihm alles geben, was er sich wünschte. Die Welt hatte aufgehört zu existieren, es gab nur noch Tynan. Sein Griff war jetzt fester geworden, und dabei zitterten seine Hände, als wären seine Bedürfnisse noch drängender als ihre.
Plötzlich hielt er inne, versteifte sich und atmete einmal heftig aus. Völlig versunken in ihrer sexuellen Gier grub Lily die Hände in Tynans dicken Wollmantel und stöhnte gequält auf. Wieso hörte er einfach auf? Sie brauchte ... sie brauchte unbedingt ...
Alles, was sie zu hören bekam, war ein Fluch in einer ihr unbekannten Sprache.
Dann ein plötzlicher kühler Luftzug. Langsam öffnete Lily die Augen. Erst ganz allmählich wurde ihr klar, wo sie war und was sie getan hatte. Ihre geballten Hände umschlossen nichts als kalte Luft. Lily blinzelte ein paarmal, dann stolperte sie einen Schritt zurück. Ein erdrückendes, wenn auch unsinniges Verlustgefühl überkam sie. Sie drehte sich suchend einmal um sich selbst, irgendwo musste er doch sein. Er konnte nicht einfach fort sein. Niemand konnte sich einfach in Luft auflösen.
Aber wer immer - oder was immer - Tynan MacGillivray auch war, Lily musste sich schon bald die Wahrheit eingestehen.
Er war fort.
© 2013 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Ty kam auf die Beine - auf alle vier - und streckte den Rücken durch, der ganz steif vom langen nächtlichen Herumhocken war. Seine Katzengestalt war das Erbe seines Stammbaums, allerdings half sie ihm an Orten wie diesem nur bedingt. Das Haus, das er gerade ausspionierte, lag nicht weit vom Stadtkern, und die paar armseligen Berberitzen boten so gut wie keinen Schutz. Sein Fell war schwarz, das schon, und verschmolz gut mit der Dunkelheit, aber hundegroße Katzen lösten bei Spaziergängern nicht unbedingt das Bedürfnis aus, ein paar Streicheleinheiten auszuteilen.
Verdammt. Das führt zu nichts. Frustriert knurrend gestand Ty sich ein, dass auch dieser Abstecher ein Schuss in den Ofen war. Er hatte Esoterikmessen abgeklappert und sämtliche amerikanischen Orte, an denen es angeblich spukte, in der Hoffnung, dorthin würde es ein menschliches Wesen ziehen, wie er es so verzweifelt suchte. Aber schon bald - sehr bald - würde er Arsinöe die schlechte Nachricht überbringen müssen, dass Seher höchstwahrscheinlich ausgestorben waren. Zum ersten Mal nach dreihundert Jahren in ihren Diensten würde er eingestehen müssen, dass er versagt hatte.
Und der Mulo, der Zigeunerfluch, der langsam all jene tötete, die Ty zu beschützen hatte, würde weiter sein Unwesen treiben, bis niemand mehr von der Ptolemy-Dynastie übrig war, dem ältesten und mächtigsten Geschlecht der gesamten Vampirgesellschaft, das bis in jene Zeit zurückreichte, als Arsinöe durch den dunklen Kuss einer Göttin das ewige Leben eingehaucht worden war. Keine andere Dynastie konnte einen solchen Beginn, eine solche Gebieterin aufweisen. Aber wenn es so weiterging, würde den anderen Dynastien, die seit jeher neidisch auf die Macht, die Abstammung und den Einfluss der Ptolemy waren, nicht mal mehr eine Leiche bleiben, die sie fleddern konnten.
Der unsichtbare Terror hatte noch zwei weitere Male zugeschlagen, beide Male während heiliger Initiationsriten, und beide Male war nur ein einziger Vampir gerade eben mit dem Leben davongekommen und hatte berichten können, was passiert war. Oder, im Fall des ersten Angriffs, eine fast schon verwandelte menschliche Frau. Rosalyn hatte sie geheißen, wie er sich mit einem Anflug von Widerwillen erinnerte. Sie hatten sie zu ihrer Siedlung zurückgebracht, blutüberströmt und verstümmelt, und hatten ihr so viele Informationen wie möglich entlockt, bevor sie sie einen sehr menschlichen Tod hatten sterben lassen. Er bezweifelte, dass ihr bewusst gewesen war, wie viel Glück sie hatte.
Ty, der es gewohnt war, mit den Schatten zu verschmelzen und zuzuhören, wusste, dass sich alle in Arsinöes engstem Kreis einig waren: Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Königin höchstpersönlich zum Angriffsziel wurde.
Ohne seine starke ägyptische Königin würde das Geschlecht der Ptolemy nicht überleben. Vielleicht kam das Ende nicht gleich, aber es gab niemanden, der Arsinöe hätte ersetzen können, es sei denn, Sekhmet würde noch einmal in Erscheinung treten und einem der Ptolemy ihre Gnade gewähren. Falls es die Göttin überhaupt noch gab. Wahrscheinlicher war, dass es zu einem blutigen Machtkampf unter den Ptolemy kommen würde, an dessen Ende nur noch eine blasse Erinnerung an das bleiben würde, was einst gewesen war. Dieser kurzsichtige interne Machtkampf würde die Letzten erledigen, die der Mulo noch am Leben gelassen hatte - falls es dann überhaupt noch welche gab. Und die Cait Sith, Vampire wie er, die nur in den Diensten der Ptolemy standen, weil ihr Blut mit Feenblut durchmischt war, würden der zweifelhaften Gnade der verbliebenen die Nacht beherrschenden Dynastien ausgeliefert sein.
Das konnte er genauso wenig zulassen, wie er sich der Sonne aussetzen konnte.
Ty schob die düsteren Gedanken zur Seite und fragte sich, ob er für den Rest der Nacht in sein Hotelzimmer zurückkehren und auf dem Weg dorthin in einer Bar haltmachen sollte, um einem der wehrlosen Betrunkenen rasch ein wenig Blut abzuzapfen. In diesem Moment ging eine der hinteren Türen auf, und eine Frau trat in die kalte Nachtluft hinaus.
Zunächst blieb er aus reiner Neugier. Dann fing sich das Mondlicht in ihren rotbraunen Haaren, und als sie sich in seine Richtung wandte, konnte er den Blick nicht mehr von ihr abwenden. Ohne sich seiner Gegenwart bewusst zu sein, legte sie den Kopf in den Nacken und badete das Gesicht im Mondlicht. Um ihre Lippen spielte das leise Lächeln einer Frau, die es sehr zu schätzen wusste, eine Herbstnacht wie diese genießen zu dürfen.
Er hörte sie seufzen und sah, wie die warme Luft, die sie ausatmete, gemächlich wie Nebel nach oben stieg. Für ihn, der wie verzaubert dastand, schien sich alles wie in Zeitlupe abzuspielen. Ihr Atem bildete sekundenlang eine kleine Wolke oberhalb ihres Munds, als hätte sie der Nacht einen glänzenden Teil ihrer Seele geschenkt. Über dem Kragen ihres Mantels lockte ihr langer, blasser Hals, und der winzige Pulsschlag an ihrer Kehle schien sich tausendfach zu verstärken, bis Ty schließlich jenes einzigartige Schlagen und Pulsieren hören konnte, das ihr Leben ausmachte, bis es nur noch diesen Klang in seinem Universum gab. Ein kalter Windstoß blies ihren Geruch, einen leichten, exotischen Vanilleduft, in seine Nasenlöcher, und jeglicher Gedanke, von einem namen- und gesichtslosen Fremden zu trinken, löste sich in Wohlgefallen auf.
Ty wollte sie. Und obwohl es in seinem Leben eine Reihe klarer Einschränkungen gab, würde er sich diesen Genuss nicht entgehen lassen. Schon jetzt konnte er nur noch daran denken, wie ihr Blut wohl schmecken würde. Würde es so süß sein, wie sie roch? Oder hatte es eher den kräftigen Geschmack nach reifen Beeren? Jeder Mensch schmeckte anders - das wusste er inzwischen -, und dieser Geschmack erzählte Bände, mehr, als die Menschen jemals ahnen würden.
Die Frau blieb nur noch einen kurzen Moment stehen, doch ihr schönes, herzförmiges Gesicht mit den großen, ausdrucksvollen Augen, die er unbedingt aus der Nähe sehen musste, brannte sich in ihm ein, wie er das noch nie zuvor erlebt hatte. Ty war viel zu benebelt, um über seine seltsame Reaktion auf sie nachzudenken, aber er wusste, später würde er an nichts anderes mehr denken können.
Später. Sobald er sie geschmeckt hatte.
Als sie sich umdrehte und er nur noch die glänzenden Locken sehen konnte, die über den schwarzen Kragen ihres Mantels herabflossen, konnte er sich wenigstens wieder rühren, und das tat er mit den sparsamen Bewegungen des geübten Jägers. Wie ein Raubtier, das die Fährte seiner Beute aufgenommen hat, ließ er sie nicht aus den Augen, auch nicht, als er sich aufrichtete und sich seine katzenartige Gestalt ausdehnte und veränderte, bis er auf zwei Beinen zwischen den vereinzelten Büschen stand.
Ty holte tief Luft und sog voller Vorfreude den einzigartigen Duft ein.
Dann stellte er den Kragen seines Mantels auf und begab sich auf die Jagd.
Mit einem Seufzer der Erleichterung bog Lily um die Ecke des Hauses.
Vermutlich hätte sie sich schuldig fühlen sollen, weil sie sich vor der alljährlichen Geisterjagd in der Bonner-Villa drückte - und zwar, bevor irgendetwas Interessantes passiert wäre. Bisher hatte sie lediglich eine Gruppe übereifriger Amateur-Geisterjäger gesehen, die jedes Insekt für einen unberechenbaren Geist hielten. Und dann das Paar, das sich im Schrank einquartiert und die Tür hinter sich zugezogen hatte. Lily grinste. Die Erfahrungen, die die beiden machen wollten, waren mit Sicherheit alles andere als übernatürlich.
Wie Bay es geschafft hatte, sie hierherzulocken, war Lily ein Rätsel. Schön und gut, dass sie sich einmal die Woche trafen, um sich im Fernsehen die Serie Ghost Hunters anzusehen. Aber deswegen wollte sie jetzt noch lange nicht in einem alten, schimmeligen und angeblich von einem Geist heimgesuchten Haus herumlaufen. Glücklicherweise war der heiße Typ von der »Gesellschaft für übernatürliche Phänomene im Bonner County« gerade noch rechtzeitig aufgetaucht. Lily hätte nicht mit Sicherheit sagen können, was die Augen ihrer Freundin mehr zum Leuchten gebracht hatte - die enge Jeans oder die Wärmebildkamera. Wie auch immer - Lily hatte das zum Anlass genommen, sich wegen einer angeblichen Kopfschmerzattacke zu entschuldigen, was die Gruppe vermutlich gar nicht richtig mitbekommen hatte. Bay allerdings hatte gegrinst, und es war ein durchaus dankbares Grinsen gewesen.
Lily hob den Arm, um auf die Uhr zu schauen. Sie musste sie dicht vor die Augen halten, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Es war viertel vor zwölf.
»Schon wieder ein Freitagabend dahin«, murmelte sie. Trotzdem musste der Abend ja kein völliger Reinfall werden. Vielleicht würde sie noch etwas ganz Verrücktes machen und sich mit einem Gerard-Butler-Film und einer Schüssel Popcorn die Nacht um die Ohren schlagen.
Anarchische Zeiten in Lily Quinns Haus. Aber besser, auf jeden Fall besser als schlafen. Sie brauchte keine blödsinnige Geisterjagd, um sich zu gruseln. Nichts konnte beängstigender sein als das, was sie sah, sobald sie die Augen schloss.
Lily ging eine Weile durch das raschelnde Laub, dann blieb sie stehen und betrachtete stirnrunzelnd die nackten Bäume und, etwas weiter dahinter, den schmiedeeisernen Zaun, der das Grundstück begrenzte. Die Bonner-Villa lag zwar ganz in der Nähe des Stadtzentrums, war aber ein Stück von der Straße zurückversetzt. Der Historischen Gesellschaft war es gelungen, einen Teil des ursprünglichen Geländes vor dem Verkauf zu retten, sodass zu dem Haus noch ein recht großes Grundstück gehörte. Allerdings hatte man - als Zugeständnis an die Moderne - einen Teil davon in einen Parkplatz umgewandelt.
Und der lag, wie Lily erst jetzt bewusst wurde, auf der Rückseite des Hauses. Sie legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und stöhnte.
Ihr völlig unterentwickelter Orientierungssinn hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet.
Lily fluchte eine Weile lautlos vor sich hin, dann schob sie die Hände tiefer in die Taschen und machte sich auf den - diesmal hoffentlich richtigen - Weg. Ihr mangelnder Orientierungssinn war genauso typisch für sie wie ihre unerklärliche Abneigung gegen adäquate Männer. Wenn sie doch bloß einen wohlerzogenen, Shakespeare zitierenden Mann finden könnte, der gleichzeitig ein Bösewicht war, mit einer Vorliebe für sexy Tattoos und einem Hang zum Lederfetischismus. Dann hätte sie eventuell eine Chance, nicht als verrücktes altes Weibchen zu enden.
Vielleicht nur eine geringe Chance, aber immerhin eine Chance.
Wenigstens ist heute eine herrliche Nacht, dachte Lily und atmete tief ein. Oktobernächte hatten ihren ganz eigenen Geruch, vor allem in diesem Teil Neuenglands. Lily liebte den erdigen, intensiven Geruch verfaulender Blätter, in den sich der Rauch aus irgendeinem Holzofen mischte, wobei gleichzeitig die erste Kälte für klare, reine Luft sorgte.
Lily sah sich ausgiebig um, während sie zurückging. Im schwachen Schein der Straßenlaternen sah die Bonner-Villa wirklich wie ein Gespensterhaus aus, hatte aber trotzdem nichts Beängstigendes an sich. Sie wirkte eher wie der richtige Ort für eine düstere Liebesgeschichte voller Schatten und sinnlicher Geheimnisse.
Amüsiert grinste Lily in sich hinein. Sie unterrichtete englische Literatur, weil sie die Möglichkeiten, die die Fantasie bot, der oftmals unerfreulichen Wirklichkeit immer vorgezogen hatte. Und das bedeutete auch, dass ein Freitagabend mit dem Phantom der Oper vielleicht genau das Richtige für sie war. Und das, obwohl der Film nie so endet, wie ich das will, dachte sie und lächelte, egal wie oft ich Christine dazu zu bewegen versuche, das dunkle, verwundete Phantom zu heilen, statt ihre Zeit mit dem langweiligen alten Raoul zu verplempern.
Was für eine Wahnsinnsliebesszene das gegeben hätte!
Plötzlich stellten sich Lily sämtliche Nackenhaare auf. Adrenalin schoss durch ihre Adern. Hinter ihr war jemand, das wusste sie, ohne die Person zu sehen. Sie spürte Augen auf sich ruhen, die einen Moment zuvor noch nicht da gewesen waren.
Aber als sie herumwirbelte, war dort niemand. Weder auf dem Rasen mit seinen vereinzelten, blattlosen Bäumen noch auf der Bank und auch nicht beim Haus. Nichts.
Und hier gab es auch kein Versteck.
Lilys Herz schlug schneller, und ihr Atem wurde flacher. Sie ließ den Blick über das Gelände schweifen, in der Hoffnung, irgendetwas Auffälliges zu entdecken. Es musste doch eine Erklärung dafür geben, dass sie so eindeutig die Anwesenheit eines anderen Menschen spürte.
So ein Quatsch!, sagte sie sich. Diese Horrorfilmkulisse hier hat einfach deine Fantasie beflügelt. Das ist alles.
Lily wusste, dass das die wahrscheinlichste Erklärung war, aber sie wollte trotzdem so schnell wie möglich zu ihrem Wagen, und dann nichts wie weg. Glücklicherweise waren im Haus jede Menge Leute, die sie, falls doch etwas passierte, schreien hören würden. Sie machte sich wieder auf den Weg, warf jedoch vorsichtshalber alle paar Schritte einen Blick über die Schulter.
Der fast volle Mond hing hoch über ihr am Nachthimmel, und die Luft war noch immer mit all den Gerüchen getränkt, die sie eben noch so genossen hatte. Doch ihr Vergnügen war jenem eindringlichen Instinkt gewichen, der Menschen über Millionen Jahre hinweg das Leben auf der Erde ermöglicht hatte: Flucht.
»He, alles in Ordnung?«
Den leisen Aufschrei konnte sie einfach nicht unterdrücken, zu plötzlich war der Fremde vor ihr aufgetaucht.
Er hob die Hände und zog die Augenbrauen hoch, als wolle er zeigen, dass er genauso erschrocken war wie sie. »Oh. Bitte, nicht schreien. Ich bin kein Geist oder irgend so was. Du kannst ruhig weiteratmen.« Eine seiner Augenbrauen glitt noch weiter nach oben. »Bitte?«
Seine Stimme klang sowohl besorgt als auch amüsiert, und so wagte sie es, vorsichtig wieder einzuatmen. Dennoch schaute sie sich rasch um, um ihre Fluchtmöglichkeiten abzuschätzen.
»Schau, es tut mir leid«, fuhr der Mann fort und lenkte damit Lilys Aufmerksamkeit wieder zurück auf sich. »Ich musste da unbedingt mal raus. Zu viele Leute, nicht genug Geister, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich ... ja.« Lily war sich noch immer nicht ganz schlüssig, wie sie mit der Situation umgehen sollte. War er ebenfalls da drin gewesen? Sie war sich nicht sicher ... Es waren eine Menge Leute gewesen, und nicht alle waren zur gleichen Zeit eingetroffen. Möglich war es also. Aber als sie ihn sich genauer ansah, war sie sofort überzeugt, dass sie sich jemanden wie ihn bestimmt gemerkt hätte.
»Fangen wir noch mal von vorn an«, schlug er vor.
Seine leise Stimme war tief und rau, und jetzt fiel ihr auch sein singender Tonfall auf. Konnte gut sein, dass er Schotte war.
Er streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Tynan MacGillivray.«
Viel schottischer konnte ein Name kaum sein. Lily zögerte den Bruchteil einer Sekunde, bevor ihr ausgeprägtes Gespür für Höflichkeit die Oberhand gewann. Zögernd legte sie ihre Hand in seine.
»Ich heiße Lily. Lily Quinn«, erwiderte sie. Seine Hand fühlte sich überraschend kühl und samten an. Doch jetzt wurde sie rasch warm, genau wie ihr selbst auf einmal ganz warm wurde, weil ihr plötzlich auffiel, wie unglaublich gut Tynan MacGillivray aussah.
Schön ist er nicht, dachte sie. Das Wort passte nicht zu ihm, obwohl manche Leute ihn sicher als schön bezeichnet hätten. Er war eher ... bezwingend. Sie musterte das scharf geschnittene, kantige Gesicht mit der langen, geraden Nase und den dunklen, auffälligen Augenbrauen. Sein Mund war das Einzige, was auf eine gewisse Weichheit hindeutete, und seine volle Unterlippe war so einladend, dass Lily ihr mehr Aufmerksamkeit schenkte, als unter diesen Umständen angebracht war. Seine Haut war sehr hell, fast schon bleich, was seine seltsame Anziehungskraft allerdings eher noch verstärkte, genau wie seine ein wenig zotteligen langen dunkelbraunen Haare, die er hinter die Ohren gestrichen hatte.
Am meisten aber faszinierten sie seine Augen. Sie waren hellgrau und glänzten silbern im Mondlicht. Tynan beobachtete sie, ohne zu blinzeln. Sie hätte ihm gern geglaubt, dass er ihr nichts Böses wollte. Aber die Intensität, die in seinem Blick lag, beunruhigte sie. Ich sollte abhauen, dachte Lily. Sie fühlte sich wie ein Reh, das den Geruch eines Raubtiers wittert.
Aber sein Blick hielt sie gefangen, und es gelang ihr nicht, wegzusehen. Als er, ohne ihre Hand loszulassen, einen Schritt näher auf sie zutrat, schnappte sie zitternd nach Luft.
Nein, dachte sie, aber ihre Beine weigerten sich zu gehorchen. Und gleich der nächste Gedanke war: Ja.
»Lily«, sagte er, und das klang unglaublich sinnlich. »Was für ein schöner Name. Und so passend.«
Noch nie hatte jemand ihren Namen so ausgesprochen, so, als würde er ihn sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Tief in ihrem Bauch entwickelte sich ein Verlangen, unerwartet, unerwünscht, aber auch unleugbar. Sie überlegte verzweifelt, was sie sagen sollte, um diesen seltsamen Bann zu brechen, aber ihr fiel nichts ein. Es gab nur noch diesen düsteren Fremden. Alles andere schien zu verblassen, wurde unwichtig.
»Du zitterst ja«, sagte er. »Du solltest bei dieser Kälte nicht ganz allein hier draußen sein.«
»Nein, ich ... vermutlich hast du recht«, murmelte sie, ein wenig überrascht, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, wie sehr sie zitterte. Kalt war ihr mit Sicherheit nicht mehr. Und aus irgendeinem Grund war es plötzlich schwierig, ihre Gedanken in einen vernünftigen Satz zusammenzufassen. »Ich war ... gerade auf dem Weg zu meinem Wagen.«
Seine Augen, dachte sie, überwältigt von einem Schauder von Begierde, der sie von Kopf bis Fuß durchlief und ihr jegliches Gefühl für die Temperatur hier draußen raubte. Seine Augen waren wirklich silberfarben, das konnte sie jetzt deutlich sehen. Silberfarben und glänzend wie der Mond. Seltsame, schöne Augen.
»Darf ich dich begleiten?«, fragte er.
Die Worte drangen kaum in ihr Bewusstsein vor. Als sie sie endlich kapierte, nickte sie automatisch. Auto. Begleiten. Ja. Vermutlich keine schlechte Idee. »Ja. Das wäre nett.«
Tynan lächelte, und dieses Lächeln wirkte äußerst sinnlich. Es schien das Natürlichste auf Erden, dass sich - ganz im Gegensatz zu dem, was sie beide gesagt hatten - keiner von ihnen von der Stelle rührte. Stattdessen glitt seine freie Hand, die sich an ihrer warmen Haut wie kühler Marmor anfühlte, über ihre Wange hinab bis zu ihrem Mund. Sanft strich er mit dem Daumen über ihre Unterlippe.
Lilys Antwort bestand darin, die Lippen zu öffnen, die Augen zu schließen und einen leisen Seufzer auszustoßen. Noch nie hatte solch eine zarte Berührung ihr so viel Vergnügen bereitet. Alles, woran sie denken konnte, alles, was sie wollte, war, dass es nicht aufhören sollte.
»Lily«, flüsterte er schmeichelnd. »Wie wunderschön du bist.«
»Mmm«, war alles, was sie herausbrachte. Als seine Finger ihr durch das Haar strichen, als er die Hand aus ihrer löste, um sie ihr um die Taille zu legen, als er ganz nah an sie herantrat, da konnte sie gar nicht anders, als sich an ihn zu schmiegen. Es war, als würde sie in einen düsteren Traum hinabgleiten, ein Gefühl, dem sie sich widerstandslos hingab. Sie fuhr mit den Händen über seine Brust, verschränkte sie dann hinter seinem Rücken und zog ihn an sich.
Sie war sich nicht sicher, was sie sich von ihm wünschte - aber bei Tynans Berührung war etwas in ihr erwacht, eine Sehnsucht, die lange in ihr geschlummert hatte und sich jetzt wie gerade aus dem Schlaf erwacht dehnte und streckte und eine fast schon schmerzhafte Begierde in ihr auslöste. Als sie den Kopf in den Nacken legte, war das wie eine wortlose Einladung. Sie spürte, wie sein warmer, unregelmäßiger Atem über ihr Gesicht strich, wie sein Herz an ihrer Brust pulsierte, und trotz des seltsamen Nebelschleiers, der sie einzuschließen schien, überlief sie ein Schauder.
»Lily«, sagte er abermals, und diesmal klang es fast schon ehrfürchtig.
Er beugte den Kopf herab, und Lily öffnete erwartungsvoll die Lippen. Noch nie hatte sie sich so verzweifelt nach dem Kuss eines Mannes gesehnt - ihr ganzes Wesen schien vor Begierde zu vibrieren. Atemlos wartete sie darauf, seine Lippen auf ihren zu spüren. Aber statt anzunehmen, was sie ihm anbot, glitt sein Mund nur über ihre Wange, während er die Finger an ihr Kinn legte und ihren Kopf zur Seite bog.
Lily gab ein leises, frustriertes Stöhnen von sich, das ihren Folterer auflachen ließ.
»Geduld, mein Schatz«, sagte er sanft tadelnd. Sein Dialekt klang jetzt sehr viel deutlicher durch. »Zu große Eile verdirbt nur alles.«
Tynan bedeckte ihr Kinn von einem Ohr zum anderen mit Küssen. Seine eher kühlen Lippen auf ihrer warmen, empfindlichen Haut zu spüren, bereitete ihr ein unerwartetes Vergnügen. Lily wand sich in seinen Armen, um ihm noch näherzukommen. Sie sehnte sich nach einem namenlosen »Mehr«, das sie nicht genauer hätte beschreiben können. Tynan dagegen schien sich völlig unter Kontrolle zu haben, und nur sein unregelmäßiger Atem deutete daraufhin, dass er vielleicht genauso aufgelöst war wie sie. Dann hörte sie seine Stimme, und es war, als würde sie direkt in ihrem Kopf erklingen.
Lass mich dich schmecken.
Unfähig, etwas anderes zu tun, als zu gehorchen, ließ Lily unterwürfig den Kopf nach hinten sinken. Er sollte nicht aufhören, sie zu berühren, sollte sich nehmen, was er wollte. Irgendwo in ihrem Hinterkopf tauchte der Gedanke auf, dass diese ganze Situation völlig verrückt, wenn nicht gar selbstmörderisch war. Aber je mehr sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, desto schneller schien er sich in Luft aufzulösen. Und war es nicht viel einfacher, sich Tynan einfach hinzugeben? Als wolle Tynan ihr in diesem Punkt recht geben, küsste er zärtlich ihr Ohr und fuhr mit der Zunge über ihr empfindsames Ohrläppchen.
»Bitte«, stöhnte Lily und presste sich unruhig gegen ihn, ohne dass sie so recht wusste, um was sie eigentlich bat. Dann strich er ihr das Haar über die Schultern zurück und legte ihren Kopf auf die Seite, um besser an ihren Hals heranzukommen. Er zog den Kragen ihrer Bluse hinunter, bis ihr Schlüsselbein der kalten Nachtluft ausgesetzt war. Lily ließ alles mit sich geschehen. Sie wollte nur wieder seine Lippen auf ihrer Haut spüren und ihm alles geben, was er sich wünschte. Die Welt hatte aufgehört zu existieren, es gab nur noch Tynan. Sein Griff war jetzt fester geworden, und dabei zitterten seine Hände, als wären seine Bedürfnisse noch drängender als ihre.
Plötzlich hielt er inne, versteifte sich und atmete einmal heftig aus. Völlig versunken in ihrer sexuellen Gier grub Lily die Hände in Tynans dicken Wollmantel und stöhnte gequält auf. Wieso hörte er einfach auf? Sie brauchte ... sie brauchte unbedingt ...
Alles, was sie zu hören bekam, war ein Fluch in einer ihr unbekannten Sprache.
Dann ein plötzlicher kühler Luftzug. Langsam öffnete Lily die Augen. Erst ganz allmählich wurde ihr klar, wo sie war und was sie getan hatte. Ihre geballten Hände umschlossen nichts als kalte Luft. Lily blinzelte ein paarmal, dann stolperte sie einen Schritt zurück. Ein erdrückendes, wenn auch unsinniges Verlustgefühl überkam sie. Sie drehte sich suchend einmal um sich selbst, irgendwo musste er doch sein. Er konnte nicht einfach fort sein. Niemand konnte sich einfach in Luft auflösen.
Aber wer immer - oder was immer - Tynan MacGillivray auch war, Lily musste sich schon bald die Wahrheit eingestehen.
Er war fort.
© 2013 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Kendra Leigh Castle
Kendra Leigh Castle ist im kalten Norden New Yorks aufgewachsen, wo sie dank endlos langer Winter ihre Liebe zum Lesen entdeckte. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Maryland. Erben des Blutes - Dunkler Fluch ist der erste Band ihrer neuen Romantic-Fantasy-Serie.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kendra Leigh Castle
- 2013, 368 Seiten, Maße: 12,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Betzenbichler, Richard; Mrugalla, Katrin
- Übersetzer: Katrin Mrugalla, Richard Betzenbichler
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586522
- ISBN-13: 9783802586521
Rezension zu „Dunkler Fluch / Erben des Blutes Bd.1 “
"Ein neuer Stern am Himmel der Romantic Fantasy!" (Romantic Times)
Kommentar zu "Dunkler Fluch / Erben des Blutes Bd.1"
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