Echo einer Winternacht / Karen Pirie Bd.1
Eine eisige Winternacht, 1978. In dem schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews machen Alex Gilbey und seine Freunde auf dem alten keltischen Friedhof eine grausige Entdeckung: den blutüberströmten Körper der jungen Rosie Duff. Jede Hilfe kommt zu...
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Eine eisige Winternacht, 1978. In dem schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews machen Alex Gilbey und seine Freunde auf dem alten keltischen Friedhof eine grausige Entdeckung: den blutüberströmten Körper der jungen Rosie Duff. Jede Hilfe kommt zu spät. Auch wenn die Polizei ihnen nichts nachweisen kann, geraten die Studenten unter Verdacht.
Fünfundzwanzig Jahre später rollt die Polizei ungelöste Mordfälle wieder auf. Auch den Mord an Rosie. Und es scheint jemanden zu geben, der seine eigene Vorstellung von Gerechtigkeit hat: Einer der vier Freunde von damals kommt auf mysteriöse Weise ums Leben, kurz darauf ein zweiter. Alex Gilbey muss herausfinden, wer es auf das Quartett abgesehen hat, bevor er selbst das nächste Opfer wird. Ein Alptraum nimmt seinen Lauf.
Echoeiner Winternacht vonVal McDermid
LESEPROBE
1
1978, St.Andrews, Schottland
Es war vierUhr morgens, mitten im Dezember. Vier verschwommene Schatten schwankten imSchneesturm, den der Nordostwind nach Lust und Laune vom Ural her über dieNordsee trieb. Stolpernd folgten die acht Füße der jungen Männer, die sichselbst die »Laddies fi Kirkcaldy« nannten, dem ihnen vertrauten Pfad. Siehatten die Abkürzung über Hallow Hill gewählt, um zum Fife Park zu kommen, demmodernsten der zur Universität St. Andrews gehörenden Wohnheime, wo ihrepermanent ungemachten Betten mit zerwühlten Laken und auf den Boden hängendenDecken auf sie warteten. Das Gespräch ging um Dinge, die ihnen genauso vertrautwaren wie der Weg. »Ich sag dir, Bowie ist der King«, nuschelte Sigmund Malkiewiczlaut, und sein sonst meist unbewegtes Gesicht war nach den vielen Drinksentspannter. Ein paar Schritte hinter ihm zerrte Alex Gilbey die Kapuze seinesParkas enger ums Gesicht und kicherte in sich hinein, denn im Stillen kannte erdie Antwort schon genau. »Quatsch«, sagte David Kerr. »Bowie ist doch eineFlasche. Pink Floyd, die können Bowie jederzeit zeigen, wos langgeht. DarkSide of the Moon, das ist Spitzenklasse. Bowie hat nichts fertig gekriegt, wasda rankommt.« Seine langen dunklen, von den schmelzenden Schneeflocken feuchtenLocken hingen schwer herunter, und er strich sie sich ungeduldig aus demGesicht, das so traurig wie das eines verlassenen Kindes aussah. Und wiederlegten sie los. Wie Hexenmeister, die sich mit Zaubersprüchen bekriegen, warfenSigmund und Davey einander Songtitel, Textzeilen und Fetzen von Melodien ineinem Streitritual zu, das sich schon über die letzten sechs oder sieben Jahreerstreckte. Es war ihnen egal, dass die Musik, bei der heute die Fenster ihrerStudentenbuden klirrten, eher von The Clash, The Jam oder The Skids kam. Selbstihre Spitznamen zeugten noch von ihrer früheren Leidenschaft. Vom erstenNachmittag an, an dem sie sich nach der Schule in Alex Zimmer versammelthatten, um sich sein frisch erworbenes Album Ziggy Stardust and the Spiders fromMars anzuhören, war es unvermeidlich gewesen, dass der charismatische Sigmund,der ausgestoßene Messias, für alle Zeiten Ziggy heißen würde. Und die anderenwürden sich mit den Spiders zufrieden geben müssen. Alex nannte man Gilly,obwohl er sich gegen diesen läppischen Namen wehrte, der für jemanden mit demstämmigen Körperbau eines Rugbyspielers nicht passte. Aber über seinenFamiliennamen, den er nun mal zufällig hatte, ließ sich kaum streiten. Undkeiner zweifelte auch nur einen Moment daran, dass für das vierte Mitgliedihrer Gruppe nur Weird - der komische Kauz - in Frage kam. Denn seltsam wardieser Tom Mackie, daran ließ sich nicht deuteln. Als der Größte seinesJahrgangs sah er mit seinen langen, schlaksigen Gliedern absonderlich aus, waszu seiner Persönlichkeit passte, denn er hatte eine Vorliebe fürs Ausgefallene.Dann blieb nur noch Davey übrig, ein treuer Pink-Floyd-Anhänger, der sichhartnäckig weigerte, einen Spitznamen aus dem Bowie-Spektrum anzunehmen. EineWeile hatte er sich widerstrebend Pink nennen lassen, aber als sie zum erstenMal »Shine on, You Crazy Diamond« hörten, gab es keine weitere Diskussion mehr.Davey war eben einfach der Crazy Diamond, er sprühte unerwartet Feuer in alleRichtungen, war aber außerhalb seiner gewohnten Umgebung gereizt undempfindlich. Aus Diamond wurde bald Mondo, und der Name Mondo Davey Kerr bliebihm für den Rest des Schuljahres und bis zur Universität erhalten. Alexschüttelte verwundert den Kopf. Obwohl er nach viel zu viel Bier benebelt war,fragte er sich, was ihre Viererbande all diese Jahre zusammengehalten hatte.Schon beim Gedanken daran stieg eine Wärme in ihm auf, die der heftigen Kälteentgegenwirkte, als er plötzlich über eine hoch stehende Wurzel stolperte, dieunter der weichen Schneedecke verborgen lag. »Scheiße«, murmelte er undrempelte Weird an, der ihm einen gutmütigen Schubs gab, so dass Alexstrauchelnd nach vorn schoss. Er versuchte mit den Armen fuchtelnd dasGleichgewicht zu halten, ließ sich dann vom Schwung weiter torkelnd den Hanghinauftragen, wobei der kalte Schnee auf seinen geröteten Wangen ihn wachmachte. Als er die Kuppe erreichte, sanken seine Beine plötzlich in eineunerwartete Mulde, und er fiel kopfüber hinein. Aber sein Sturz wurde von etwasWeichem gebremst. Alex versuchte verzweifelt sich aufzusetzen und drückte gegendas, worauf er gefallen war. Er spuckte den Schnee aus, rieb sich mitkribbelnden Fingern die Augen und schnaufte durch die Nase, um die eiskaltenschmelzenden Flocken loszuwerden. Als er sich umsah, was ihn so weich hattefallen lassen, erschienen gerade die Köpfe seiner Kameraden am Abhang, die überseine absurde Lage grinsten. Selbst in dem unheimlichen, schwachen Licht aufdem Schnee konnte er erkennen, dass das Hindernis, das seinen Sturz gebremst hatte,nichts Pflanzliches war. Der Umriss eines menschlichen Körpers warunverkennbar. Die schweren weißen Flocken begannen zu schmelzen, sobald sieauftrafen, und so konnte Alexander sehen, dass es eine Frau war, deren nassedunkle Haarsträhnen sich auf dem Schnee wie die Locken der Medusa ausbreiteten.Ihr Rock war bis zur Taille hochgeschoben, ihre schwarzen, bis zu den Knienreichenden Stiefel sahen deshalb an den weißen Beinen umso unpassender aus. Ersah merkwürdige dunkle Flecken auf ihrer Haut, und die helle Bluse klebte engan ihrer Brust. Alex starrte eine Weile darauf, ohne etwas zu begreifen, dannbetrachtete er seine Hände und sah dieselben dunklen Flecken auf seiner eigenenHaut. Blut. In dem Augenblick, als der Schnee in seinen Ohren schmolz und erihr schwaches röchelndes Atmen hörte, kam ihm die Erkenntnis. »Guter Gott«,stotterte Alex und versuchte vor dem entsetzlichen Fund zurückzuweichen. Aberer stieß immer wieder an etwas, das sich wie eine niedrige Steinmauer anfühlte,als er rückwärts kriechen wollte. »Mein Gott.« Er sah verzweifelt hoch, alskönne der Anblick seiner Freunde den Bann brechen und all dies verschwindenlassen. Dann schaute er auf das entsetzliche Bild im Schnee zurück. Es warnicht die Halluzination eines Betrunkenen. Es war Realität. Er wandte sich anseine Freunde. »Hier oben liegt ein Mädchen«, rief er.
© DroemerVerlag
Übersetzung:Doris Styron
Autoren-Porträtvon Val McDermid
Val McDermid wuchs in einem schottischen Bergbaugebiet aufund studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin undals Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freieAutorin in Manchester. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischenAutorinnen im Spannungsgenre - und ist außerdem als Krimikritikerin der BBC,der Times, des Express und der Krimi-Website Tangled Websowie als Jurymitglied mehrerer Krimipreise eine zentrale Figur in derKrimiszene ihres Landes. Val McDermids Romane "Das Lied der Sirenen" und"Schlußblende", zwei spannende Psychothriller um den'Profiler' Tony Hill, verschafften ihr den Durchbruch. "DasLied der Sirenen" gewann den Gold Dagger Award für den besten Kriminalroman desJahres 1995. Ihre beiden Krimiserien mit der Detektivin Kate Brannigan ausManchester bzw. der amerikanischen Journalistin und Detektivin Lindsay Gordonwerden ständig fortgeführt. Val McDermids Bücher wurden nach USA und Kanadaverkauft und außerdem ins Deutsche, Französische, Holländische, Schwedische,Norwegische, Dänische, Finnische, Japanische, Hebräische, Kroatische,Tschechische und Bulgarische übersetzt.
Interview mit Val McDermid
Sie sind in einem kleinen Städtchen an der OstküsteSchottlands aufgewachsen und haben diese Gegend als Schauplatz für Ihr jüngstesBuch "Echo einer Winternacht", gewählt. Was bedeuten Ihnen die OrteIhrer Kindheit? Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken?
Ich habe viele glückliche Erinnerungen an meine Kindheitin Fife. Woran ich mich am lebhaftesten erinnere, istdie Freiheit, die ich dort erfahren durfte. An meinem sechsten Geburtstag bekamich einen Labrador geschenkt. Meine Eltern fanden, dass er sehr gut dazugeeignet wäre, auf mich aufzupassen und mich zu beschützen. Also konnten wirbeide nach Lust und Laune herumstreunen. Das kleine Städtchen, in dem wirwohnten, lag direkt am Meer und war zur anderen Seite von Wald und Wiesenumgeben. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, mit meinem Hund entweder amStrand entlang zu laufen oder im Wald spazieren zu gehen. Wir gingen morgenslos, ich packte etwas Essen ein und ein Buch aus der Bibliothek, dann gingenwir zu einem meiner Lieblingsplätze, ich saß am Strand oder auf einer Lichtungim Wald und las mein Buch. Oft liefen wir kilometerweit. Mir ist nie etwaspassiert. Naja, bis auf einen kleinen Sturz hier undda. Wenn ich jetzt manchmal dorthin zurückkomme, erstaunt es mich immer wieder,dass alles eigentlich viel kleiner ist als in meiner Erinnerung.
Den ersten Versuch, einen Roman zu schreiben, unternahmenSie mit 21 - das Ergebnis bezeichnen Sie selbst als "den typischen Romaneiner 21-Jährigen". Heute sind Sie eine sehr erfolgreiche Autorin, dieunter anderem mit dem Golden Dagger Award ausgezeichnet wurde. Welchen Rat geben Sie jungenAutoren heute mit auf den Weg?
Geht Euren eigenen Weg. Schreibt, wann immer Ihr dieMöglichkeit dazu habt. Hört nur darauf, was Euer Herz und Euer Kopf Euch sagt,und habt vor allem keine Angst, Fehler zu machen.
Auf Ihrer Homepage www.valmcdermid.com kann man Kontakt zuIhnen aufnehmen oder sich im Forum mit anderen Fans austauschen. Was bedeutenIhnen die Reaktionen Ihrer Leser?
Schreiben ist ein sehr einsames Geschäft. Ich verbrachteviel Zeit alleine und missmutig, da ich einfach nicht einschätzen konnte, obdas, was ich schreibe, gut ist oder nicht. Ich zweifelte und war absolutunsicher, ob dieser ganze Haufen von Wörtern irgendwann zu einem Buch werdenwürde. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man dann sieht, dass jemandem einesmeiner Bücher so gut gefällt, dass er sich sogar die Mühe macht, mir dasmitzuteilen. Das macht einem sehr viel Mut. Wir brauchen doch alle ein paarStreicheleinheiten für die Seele. An manchen hoffnungslosen Tagen, wenn mandenkt, dass überhaupt nichts mehr funktioniert, dann sind es oft gerade dieseLeserbriefe, die mir wieder Kraft geben.
"Ein kalter Strom" gehört zu einer Reihe, in derder Profiler Tony Hill und Inspektor Carol Jordan diezentrale Rolle spielen. Bisher sind vier Bücher mit den beiden erschienen.Können Sie uns einen kleinen Ausblick auf weitere Projekte geben?
Momentan arbeite ich an einem Thriller, der für sich alleinesteht. Die Geschichte spielt in der heutigen Zeit, die Wurzeln der Ereignisseliegen jedoch 200 Jahre zurück. Danach werde ich höchstwahrscheinlich einen weiterenTony Hill & Carol Jordan-Band schreiben, und danach wieder einen Roman, derzu keiner Reihe gehört. Ich überlege auch, ob ich mich wieder Kate Brannigan, meiner Privatdetektivin in Manchester, widmensollte. Es wäre interessant zu sehen, wie sie sich mit der Zeit verändert hat.
Journalistin, Drehbuchautorin, Krimikritikerin der BBC,erfolgreiche Schriftstellerin ... - was ist für Sie das Wichtigste im Leben?
Das einzige, was ich je machen wollte, ist, Romane zuschreiben. Und das ist es auch heute noch, was mich morgens aufstehen lässt.Ich habe wirklich großes Glück - ich kann meiner Lieblingsbeschäftigungnachgehen und verdiene auch noch Geld damit!
Die Fragen stellte Mathias Voigt, literaturtest.de.
- Autor: Val McDermid
- 2005, 12. Aufl., 553 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Viola Eigenberz
- Übersetzer: Doris Styron
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 342663158X
- ISBN-13: 9783426631584
- Erscheinungsdatum: 09.11.2005
4.5 von 5 Sternen
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