Ein kalter Strom
Mit Vorliebe ''bestraft'' er Psychologen. Profiler Tony Hill soll den Wahnsinnigen aufspüren und gerät dabei selbst ins Visier des Serienkillers....
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Mit Vorliebe ''bestraft'' er Psychologen. Profiler Tony Hill soll den Wahnsinnigen aufspüren und gerät dabei selbst ins Visier des Serienkillers.
Zur gleichen Zeit ist Hills Kollege Carol Jordan einem internationalen Dealerring auf den Fersen.
Der dritte Hill-Jordan-Fall zum eiskalt kalkulierten Schocker-Preis!
Ein kalter Strom von Val McDermid
LESEPROBE
Die Straße, in der sie wohnte, lag am Stadtrand, wokümmerliche Ausläufer der ländlichen Umgebung noch bis in die Straßen reichtenund nur eine einsame Baumgruppe und verkommene Grasflächen an das erinnerten,was früher hier einmal gewesen war. Diese letzten Überreste freier Natur lagenunerschlossen zwischen bebauten Gebieten und gaben den Hausbesitzern dieIllusion, auf dem Land zu wohnen. Sie konnten in der Dämmerung auf den Waldhinausschauen, sich dabei als Herr über alles fühlen, was vor ihnen lag, undsich so darüber hinwegtäuschen, dass ihre Häuser nur hässliche Klötze mit jezwei Wohn- und drei Schlafzimmern, anderthalb Bädern und einer Einbauküchewaren. Das wiederholte sich die ganze Straße entlang wie nach einem grotesken,geklonten Bauplan. Er begriff nicht, was daran attraktiv sein sollte. Er hättelieber in einer winzigen Wohnung mitten in der Stadt gewohnt, als neben derGeräumigkeit auf diese Weise die Hässlichkeit zu vervielfältigen. Noch besserwar es, eine Kajüte auf einem Schiff zu haben, eine mobile Welt, die mit einemmitreiste und einem jeden Tag eine andere Aussicht bescherte.
Langsam fuhr er die Straße entlang, im diesigen Nieselregenmit eingeschalteten Scheinwerfern, und sah nach den Hausnummern. Nichtsunterschied Margarethe Schillings Haus von denen ihrer Nachbarn. Obwohl dieFarben der Türen und die Stoffmuster der Stores unterschiedlich waren,verschmolz alles irgendwie zu einem formlosen Einerlei. Ihr Auto stand vor derGarage, bemerkte er. Er fragte sich, ob sein eigener Wagen zu sehr auffallenwürde, wenn er ihn auf der Straße parkte, während alle anderen Fahrzeuge inGaragen oder Einfahrten standen. Hinter dem älteren Audi war noch Platz fürseinen Golf, so beschloss er, ihn dort abzustellen.
Mit einer Tüte in der Hand ging er auf die Haustür zu undhoffte, dass die Leute hier im Vorort zu sehr mit den eigenen Dingen zu tunhatten, um ihn zu bemerken. Nicht etwa, dass sie sich an jemand so Belanglosenerinnern würden. An ihm war ja nur sein Inneres bemerkenswert. Er klingelte ander Tür und wartete. Die Tür ging auf und ließ eine Frau mittlerer Statursehen. Nicht zu schwer zum Hochheben, dachte er zufrieden. Ihr blondes, schonergrauendes Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, das Gesicht wirktemüde und abgehärmt. Die Mascara war etwas verschmiert, als hätte sie sichgedankenlos die Augen gerieben. Sie trug eine maßgeschneiderte,anthrazitfarbene Hose und einen kastanienbraunen Chenillepullover, der ihreFigur verbarg. »Herr Hohenstein?«, sagte sie.
Er neigte den Kopf. »Dr. Schilling, ich freue mich sehr, Siekennen zu lernen.«
Sie trat zurück und ließ ihn mit einer einladendenHandbewegung eintreten. »Hier geradeaus«, sagte sie. »Ich hoffe, es macht Ihnennichts aus, wenn wir uns in der Küche unterhalten, aber das ist dergemütlichste Raum im Haus.«
Er hatte gehofft, dass sie ins Arbeitszimmer gehen würden.Aber als sie in die Küche kamen, sah er, dass sie für seinen Zweck ideal war.Ein zerkratzter Tisch aus Kiefernholz stand mitten im Raum, an perfekter Stellefür die Zeremonie, die bevorstand. Später würde er das Arbeitszimmer ausfindigmachen und seine Visitenkarte in ihren Unterlagen hinterlassen. Fürs Erstewürde jedoch die Küche genügen.
Er wandte sich zu Margarethe um und sagte lächelnd: »Es istsehr gemütlich hier.«
»Ich bin meistens hier drin«, sagte sie und ging an ihmvorbei zum Herd. »Also, was möchten Sie trinken? Tee, Kaffee? Oder etwasKräftigeres?«
Er maß die Abstände mit dem Blick. Der Kühlschrank war amgünstigsten. »Ein Bier wäre gut«, sagte er, weil er wusste, dass sie ihm dannden Rücken zudrehen musste.
Und so fing alles wieder an. Hände und Hirn funktioniertenin reibungsloser Folge und hielten sich ohne Zögern oder Stocken an eineneingeübten Ablauf. Er beugte sich gerade hinunter, um ihren linken Knöchel andas Tischbein zu binden, als ihn das grelle Klingeln an der Tür hochfahren ließund ihm vor Schreck die Schnur aus der Hand fiel. Sein Herz raste, und erspürte, wie die panische Erregung ihm wie ein Kloß in der Kehle saß. Jemand warda, nur zwanzig Meter entfernt von ihm. Jemand, der erwartete, dass MargaretheSchilling die Tür öffnete. Sie konnte es nicht geplant haben, sagte er sich.Sie wusste, dass er kam, und hatte also niemanden eingeladen. Es musste jemandsein wie die Zeugen Jehovas oder ein Hausierer, versuchte er sich zu beruhigen.Entweder das oder einer der Nachbarn, der Schillings Auto in der Einfahrtgesehen hatte und deshalb erwartete, dass sie zu Hause war. So musste es dochsein, oder?
Es klingelte wieder, diesmal länger. Er wusste nicht, wastun, und trat vom Tisch zurück, wo Margarethe mit ausgestreckten Gliedmaßen undnoch ganz angezogen lag. Was, wenn der Besucher so hartnäckig war, um das Hausherum zur Hinterseite zu kommen? Er brauchte nur einen Blick in die hellerleuchteten Küchenfenster zu werfen. Hastig suchte er nach dem Lichtschalter.Gerade als seine Finger ihn berührten, hörte er ein Geräusch, das ihn noch mehrerstarren ließ als die Türglocke. Das unmissverständliche Klicken einesSchlüssels im Schloss.
Er stand unbeweglich mit trockenem Mund und überlegte, wieer entkommen konnte. Die Haustür ging auf, und eine Männerstimme rief:»Margarethe?« Die Tür schloss sich, dann kamen Schritte auf die Küche zu. »Ichbin s«, hörte er.
Er packte eine schwere gusseiserne Pfanne vom Herd unddrückte sich flach gegen die Wand neben der Tür. Sie öffnete sich, und derSchatten eines großen Mannes erschien auf der Schwelle. Von draußen kam genugLicht, dass der Umriss von Margarethes Körper auf dem Tisch zu erkennen war.»Margarethe?«, sagte der Mann wieder und hob die Hand zum Lichtschalter.
Die Pfanne krachte auf seinen Hinterkopf hinunter, und derMann ging in die Knie wie ein niedergestreckter Stier. Sein Oberkörperschwankte einen Moment, dann sackte er zusammen und landete mit dem Gesichtnach unten auf dem Boden.
Mit lautem Klappern ließ er die Pfanne fallen und schaltetedas Licht wieder an. Der Eindringling lag ausgestreckt auf dem Boden, einRinnsal Blut kam aus der Nase. Es war ihm egal, ob er tot oder bewusstlos war,solange ihm genug Zeit blieb, das zu Ende zu bringen, was er angefangen hatte.Er trat ihm wütend in die Rippen. Scheißkerl. Wofür hielt er sich eigentlich,dass er einfach so hereinstürmte?
Jetzt beeilte er sich, zu seiner Aufgabe zurückzukehren. Erbrachte das Anbinden zu Ende und riss der Frau dann hastig das Klebeband vomMund. Wiederholt musste er nachsehen, ob der Mann noch bewusstlos war, was ihnnoch mehr Zeit kostete. Er machte sich nicht die Mühe, dem Weib zu erklären,warum er an ihr ein Exempel statuierte. Sie hatte seine gewohnte Prozedurgestört und ihm die Freude an seiner guten Arbeit verdorben, sie verdientenicht zu wissen, dass es einen triftigen Grund für das gab, was mit ihrgeschah.
Es machte ihn wütender, als er es für möglich gehalten hatte,dass er sich jetzt beeilen musste. Es gelang ihm, das Hautabziehen ziemlich guthinzukriegen, aber er arbeitete nicht so exakt, wie er es sich gewünscht hätte.Unter heftigem Fluchen, schließlich war er Schiffer, beendete er die Arbeit inder Küche, wischte jede Oberfläche ab, die er möglicherweise berührt habenkonnte, und gab im Vorbeigehen dem Fremden obendrein noch einen brutalen Trittin die Nieren.
Jetzt musste er nur noch den Hefter unterbringen. Er ranntenach oben und ging, ohne Licht einzuschalten, durch die Zimmer, damit er nichtnoch mehr auf sich aufmerksam machte. Der erste Raum mit einem großen Bett undeiner ganzen Wand eingebauter Kleiderschränke war eindeutig ihr Schlafzimmer.Der zweite sah nach dem Zimmer eines Kindes aus, mit Fußballer-Postern vonWerder Bremen und einer Playstation auf dem Tisch am Fenster.
Das hintere Zimmer war das, was er suchte, es war als Büroeingerichtet. Er zog die Schublade des altmodischen Aktenschranks auf undsteckte den Hefter hinein. Es war ihm inzwischen schon egal, ob es die richtigeStelle war. Er wollte nur fertig sein und raus, bevor alles noch schlimmerwurde.
Ein letzter Blick auf den Fremden zeigte, dass er immer nochbewusstlos war, dann öffnete er vorsichtig die Haustür einen Spalt. Nichtsregte sich. Er sah, dass ein VW Passat vor dem Haus parkte, aber Gott sei Dankstand er nicht vor der Einfahrt. Mit gesenktem Kopf verließ er MargaretheSchillings Haus und eilte zum Auto.
Seine Hände am Steuer waren schweißnass und glatt und seineFinger kribbelig und zittrig. Schweiß rann ihm an den Schläfen herab und insHaar. Er musste sich zurückhalten, in den stillen Vorstadtstraßen nicht zuschnell zu fahren. In seinem Kopf hörte er immer wieder das schrecklicheGeräusch der sich öffnenden Tür, und jedes Mal verkrampfte sich sein Herz vonneuem vor Panik. Die Angst fing an, sich in seinem Inneren einzunisten, und erkämpfte stöhnend dagegen an. Bevor er spürte, dass er wieder regelmäßig atmete,war er schon auf der Straße zum Hafen. Seit er seinen Feldzug begonnen hatte,war er zum ersten Mal direkt auf die Gefahren gestoßen, die es auf demeingeschlagenen Weg gab. Und das mochte er ganz und gar nicht.
© Droemer Knaur
Übersetzung: Doris Styron
Autoren-Porträtvon Val McDermid
Val McDermid wuchs in einem schottischen Bergbaugebiet aufund studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin undals Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freieAutorin in Manchester. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischenAutorinnen im Spannungsgenre - und ist außerdem als Krimikritikerin der BBC,der Times, des Express und der Krimi-Website Tangled Websowie als Jurymitglied mehrerer Krimipreise eine zentrale Figur in derKrimiszene ihres Landes. Val McDermids Romane "Das Lied der Sirenen" und"Schlußblende", zwei spannende Psychothriller um den'Profiler' Tony Hill, verschafften ihr den Durchbruch. "DasLied der Sirenen" gewann den Gold Dagger Award für den besten Kriminalroman desJahres 1995. Ihre beiden Krimiserien mit der Detektivin Kate Brannigan ausManchester bzw. der amerikanischen Journalistin und Detektivin Lindsay Gordonwerden ständig fortgeführt. Val McDermids Bücher wurden nach USA und Kanadaverkauft und außerdem ins Deutsche, Französische, Holländische, Schwedische,Norwegische, Dänische, Finnische, Japanische, Hebräische, Kroatische,Tschechische und Bulgarische übersetzt.
Interview mit Val McDermid
Sie sind in einem kleinen Städtchen an der OstküsteSchottlands aufgewachsen und haben diese Gegend als Schauplatz für Ihr jüngstesBuch "Echo einer Winternacht", gewählt. Was bedeuten Ihnen die OrteIhrer Kindheit? Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken?
Ich habe viele glückliche Erinnerungen an meine Kindheitin Fife. Woran ich mich am lebhaftesten erinnere, istdie Freiheit, die ich dort erfahren durfte. An meinem sechsten Geburtstag bekamich einen Labrador geschenkt. Meine Eltern fanden, dass er sehr gut dazugeeignet wäre, auf mich aufzupassen und mich zu beschützen. Also konnten wirbeide nach Lust und Laune herumstreunen. Das kleine Städtchen, in dem wirwohnten, lag direkt am Meer und war zur anderen Seite von Wald und Wiesenumgeben. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, mit meinem Hund entweder amStrand entlang zu laufen oder im Wald spazieren zu gehen. Wir gingen morgenslos, ich packte etwas Essen ein und ein Buch aus der Bibliothek, dann gingenwir zu einem meiner Lieblingsplätze, ich saß am Strand oder auf einer Lichtungim Wald und las mein Buch. Oft liefen wir kilometerweit. Mir ist nie etwaspassiert. Naja, bis auf einen kleinen Sturz hier undda. Wenn ich jetzt manchmal dorthin zurückkomme, erstaunt es mich immer wieder,dass alles eigentlich viel kleiner ist als in meiner Erinnerung.
Den ersten Versuch, einen Roman zu schreiben, unternahmenSie mit 21 - das Ergebnis bezeichnen Sie selbst als "den typischen Romaneiner 21-Jährigen". Heute sind Sie eine sehr erfolgreiche Autorin, dieunter anderem mit dem Golden Dagger Award ausgezeichnet wurde. Welchen Rat geben Sie jungenAutoren heute mit auf den Weg?
Geht Euren eigenen Weg. Schreibt, wann immer Ihr dieMöglichkeit dazu habt. Hört nur darauf, was Euer Herz und Euer Kopf Euch sagt,und habt vor allem keine Angst, Fehler zu machen.
Auf Ihrer Homepage www.valmcdermid.com kann man Kontakt zuIhnen aufnehmen oder sich im Forum mit anderen Fans austauschen. Was bedeutenIhnen die Reaktionen Ihrer Leser?
Schreiben ist ein sehr einsames Geschäft. Ich verbrachteviel Zeit alleine und missmutig, da ich einfach nicht einschätzen konnte, obdas, was ich schreibe, gut ist oder nicht. Ich zweifelte und war absolutunsicher, ob dieser ganze Haufen von Wörtern irgendwann zu einem Buch werdenwürde. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man dann sieht, dass jemandem einesmeiner Bücher so gut gefällt, dass er sich sogar die Mühe macht, mir dasmitzuteilen. Das macht einem sehr viel Mut. Wir brauchen doch alle ein paarStreicheleinheiten für die Seele. An manchen hoffnungslosen Tagen, wenn mandenkt, dass überhaupt nichts mehr funktioniert, dann sind es oft gerade dieseLeserbriefe, die mir wieder Kraft geben.
"Ein kalter Strom" gehört zu einer Reihe, in derder Profiler Tony Hill und Inspektor Carol Jordan diezentrale Rolle spielen. Bisher sind vier Bücher mit den beiden erschienen.Können Sie uns einen kleinen Ausblick auf weitere Projekte geben?
Momentan arbeite ich an einem Thriller, der für sich alleinesteht. Die Geschichte spielt in der heutigen Zeit, die Wurzeln der Ereignisseliegen jedoch 200 Jahre zurück. Danach werde ich höchstwahrscheinlich einen weiterenTony Hill & Carol Jordan-Band schreiben, und danach wieder einen Roman, derzu keiner Reihe gehört. Ich überlege auch, ob ich mich wieder Kate Brannigan, meiner Privatdetektivin in Manchester, widmensollte. Es wäre interessant zu sehen, wie sie sich mit der Zeit verändert hat.
Journalistin, Drehbuchautorin, Krimikritikerin der BBC,erfolgreiche Schriftstellerin ... - was ist für Sie das Wichtigste im Leben?
Das einzige, was ich je machen wollte, ist, Romane zuschreiben. Und das ist es auch heute noch, was mich morgens aufstehen lässt.Ich habe wirklich großes Glück - ich kann meiner Lieblingsbeschäftigungnachgehen und verdiene auch noch Geld damit!
Die Fragen stellte Mathias Voigt, literaturtest.de.
- Autor: Val McDermid
- 2004, 619 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Styron, Doris
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 342662740X
- ISBN-13: 9783426627402
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