"Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muß"
Pioniere der Antisemitismusforschung in Deutschland. Dissertationsschrift
Was und von wem wurde mit wissenschaftlichem Anspruch während des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts über Antisemitismus in Deutschland gearbeitet und geschrieben? Welche Ansätze bot die frühe Antisemitismusforschung? Das sind die Leitfragen dieser...
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Produktinformationen zu „"Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muß" “
Was und von wem wurde mit wissenschaftlichem Anspruch während des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts über Antisemitismus in Deutschland gearbeitet und geschrieben? Welche Ansätze bot die frühe Antisemitismusforschung? Das sind die Leitfragen dieser Studie, die ein Stück Kulturund Wissenschaftsgeschichte zugleich bietet. Darüber hinaus schlägt das Buch einen Bogen zur Geschichte des Abwehrkampfs gegen den Antisemitismus bis 1933. Das Fazit: Bereits in der Weimarer Republik existierte ein tiefergehendes Wissen über den Antisemitismus, das jedoch für den Abwehrkampf gegen antisemitische und völkische Bewegungen wenig Perspektiven bieten konnte.
Klappentext zu „"Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muß" “
Was und von wem wurde mit wissenschaftlichem Anspruch während des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts über Antisemitismus in Deutschland gearbeitet und geschrieben? Welche Ansätze bot die frühe Antisemitismusforschung? Das sind die Leitfragen dieser Studie, die ein Stück Kulturund Wissenschaftsgeschichte zugleich bietet. Darüber hinaus schlägt das Buch einen Bogen zur Geschichte des Abwehrkampfs gegen den Antisemitismus bis 1933. Das Fazit: Bereits in der Weimarer Republik existierte ein tiefergehendes Wissen über den Antisemitismus, das jedoch für den Abwehrkampf gegen antisemitische und völkische Bewegungen wenig Perspektiven bieten konnte.
Lese-Probe zu „"Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muß" “
I.EinleitungIm Sommer 1924 schrieb der Philosoph Constantin Brunner einen Essay, in dem er den Judenhass als Ungeheuer bezeichnete, das wenigstens theoretisch besiegt werden müsse. Der Text trägt die Überschrift "Das Unglück unsres deutschen Volkes und unsre 'Völkischen'" und behandelt die antisemitische Bewegung im zeitgenössischen Deutschland. Der in Potsdam lebende Brunner deutete darin an, dass er von den Angriffen der "Völkischen" selbst betroffen war. Als offensiver Kritiker des Antisemitismus, überdies mit jüdischem Hintergrund, war er ihnen ein Dorn im Auge.
Brunner beschäftigte sich spätestens seit der Jahrhundertwende mit dem Antisemitismus und brachte 1918 eine Abhandlung heraus, in der er seine Ursachen, Funktionen und Anziehungskraft beleuchtete. Neben ihm setzten sich seinerzeit auch andere Autoren auf theoretischer Ebene mit der Thematik auseinander. Mit dem Anspruch auf Objektivität versuchten sie sich in einer Analyse und Kritik des Antisemitismus, um dem Rätsel dieses irrationalen Phänomens in einer vermeintlich aufgeklärten Zeit auf die Spur zu kommen. Aus den daraus hervorgegangenen Schriften lässt sich eine gewisse Resignation herauslesen, sobald die Frage nach wirksamen Gegenstrategien gestellt wurde. Die Autoren machten die Erfahrung, dass sich der Antisemitismus weitgehend resistent gegen Aufklärungsversuche verhielt. Brunners Credo, dass man ihn aber wenigstens durch eine kritische Analyse entlarven und damit gewissermaßen theoretisch besiegen müsse, kann deshalb als charakteristisch für die Intention der Schriften seiner Zeit angesehen werden.
Die aus dieser theoretischen Beschäftigung stammenden Schriften in deutscher Sprache, die ich wegen ihres formalen und inhaltlichen Anspruchs als Antisemitismusforschung bezeichnen möchte, bilden den zentralen Gegenstand der vorliegenden Studie. Ihr Hauptziel ist es, eine Übersicht über die Erklärungsansätze zu geben, die vor 1933 entstanden und durch diverse deutsche Verlage verbreitet worden
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sind - bevor der Antisemitismus mit der nationalsozialistischen Machtübernahme zum Staatsprogramm erhoben und damit verstärkt gesellschaftlich bedeutsam wurde. Dabei interessieren weniger die damals tagesaktuellen, auf bestimmte Ereignisse oder Personen bezogenen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, sondern die analytischen und tiefgründigen Darstellungen. Als Startpunkt einer mit wissenschaftlichem Anspruch auftretenden Antisemitismusforschung gilt eine Dissertationsschrift von 1901 über Das Wesen des Antisemitismus. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf der Zeit der Weimarer Republik, da damals die meisten Analysen erschienen.
Der Begriff "Antisemitismus" wird in der vorliegenden Untersuchung zeitlich eng gefasst. Es ist damit die spezifische Form gemeint, die seit dem 19. Jahrhundert im Zuge der Emanzipation der Juden entstanden ist und als moderner Antisemitismus bezeichnet werden kann. Im Fokus stehen demnach nicht die Erklärungsansätze für die mittelalterliche Judenfeindschaft, sondern Interpretationen des zeitgenössischen Antisemitismus, den die Autoren zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbst erlebten. Häufig war er mit pseudowissenschaftlichen Rassentheorien verknüpft und von religiös motivierten Vorwürfen weitgehend losgelöst. Wie aber zu zeigen sein wird, waren zugleich auch andere Spielarten virulent. Eine weitere, auf den Inhalt bezogene Abgrenzung des Begriffs soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Die damaligen Antisemitismusforscher boten hierfür eigene und zuweilen ganz unterschiedliche Deutungen an.
Historischer Hintergrund
Das antisemitische Treiben stieß von Anfang an auf offene Kritik, schließlich entwickelte sich der Antisemitismus Reinhard Rürup zufolge als Protestbewegung gegen die Ideen von 1789 und somit gegen die liberale Staats- und Gesellschaftsordnung. Diese Bewegung griff die jüdische Bevölkerung als Vertreter der modernen Entwicklung an. Es schien also naheliegend, dass sich die liberal-demokratischen Kräfte als G
Der Begriff "Antisemitismus" wird in der vorliegenden Untersuchung zeitlich eng gefasst. Es ist damit die spezifische Form gemeint, die seit dem 19. Jahrhundert im Zuge der Emanzipation der Juden entstanden ist und als moderner Antisemitismus bezeichnet werden kann. Im Fokus stehen demnach nicht die Erklärungsansätze für die mittelalterliche Judenfeindschaft, sondern Interpretationen des zeitgenössischen Antisemitismus, den die Autoren zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbst erlebten. Häufig war er mit pseudowissenschaftlichen Rassentheorien verknüpft und von religiös motivierten Vorwürfen weitgehend losgelöst. Wie aber zu zeigen sein wird, waren zugleich auch andere Spielarten virulent. Eine weitere, auf den Inhalt bezogene Abgrenzung des Begriffs soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Die damaligen Antisemitismusforscher boten hierfür eigene und zuweilen ganz unterschiedliche Deutungen an.
Historischer Hintergrund
Das antisemitische Treiben stieß von Anfang an auf offene Kritik, schließlich entwickelte sich der Antisemitismus Reinhard Rürup zufolge als Protestbewegung gegen die Ideen von 1789 und somit gegen die liberale Staats- und Gesellschaftsordnung. Diese Bewegung griff die jüdische Bevölkerung als Vertreter der modernen Entwicklung an. Es schien also naheliegend, dass sich die liberal-demokratischen Kräfte als G
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Inhaltsverzeichnis zu „"Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muß" “
InhaltI.Einleitung7
II.Von der Erfahrung zur Theorie31
1.Biographische Hintergründe31
2.Erfahrung des Antisemitismus63
3.Stil und Rhetorik der Schriften74
III.Antisemitismustheorien revisited85
1.Babel der Terminologie85
2.Geschichte(n) der Judenfeindschaft92
3.Vom religiösen Ursprung des Antisemitismus113
4.Antisemitismus als Gruppenphänomen134
5.Juden als Fremde157
6.Antisemitismus als Aberglaube181
7.Psychologische Erklärungsversuche202
8.Verstrickungen von Nationalismus
und Antisemitismus244
9.Kritik an den Rassentheorien und Bezüge zur Rassenkunde276
10.Zusammenfassung der Erkenntnisse319
IV.Von der Theorie zur Praxis337
1.Zur Gefahreneinschätzung337
2.Überlegungen zu Handlungsmöglichkeiten 352
3.Zur zeitgenössischen Bedeutung der Forschung 393
V.Ausblick411
Abkürzungen 427
Quellen und Literatur428
Danksagung457
Personenregister 459
Autoren-Porträt von Franziska Krah
Franziska Krah promovierte am Lehrstuhl für deutsch-jüdische Geschichte der Universität Potsdam.
Bibliographische Angaben
- Autor: Franziska Krah
- 2017, 466 Seiten, Maße: 14,4 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593506246
- ISBN-13: 9783593506241
- Erscheinungsdatum: 06.01.2017
Pressezitat
»Warum, so fragt man sich nach der Lektüre der Dissertation von Franziska Krah, hat es eigentlich so viele Jahrzehnte gedauert, bis sich die Antisemitismusforschung wieder ihrer Wurzeln erinnert und auf jene Texte zurückgreift, die vor der Katastrophe entstanden sind?« Stefanie Schüler-Springorum, H-Soz-Kult, 10.09.2019»Wer sich des Gegenstands annimmt, wird dabei an diesem Buch zukünftig nicht mehr vorbeikommen.« Sebastian Voigt, Soziopolis, 05.04.2018»Franziska Krah öffnet den Blick auf die Geschichte und die argumentative Struktur theoretischer Konzepte, die teilweise sehr dem zeitgenössischen Kontext der Zwischenkriegszeit verpflichtet waren, teilweise aber noch bis heute Anwendung finden. So wie die Studie damit Einblick in den theoretischen Stand der frühen Antisemitismusforschung gewährt, erfährt damit die Theorie selbst - der Versuch theoretisierender Reflexion - Würdigung als Versuch zur Bewältigung der Ohnmachtserfahrung, die der Antisemitismus den Juden aufzwang.« Fabian Weber, Medaon»Eine beeindruckende und kenntnisreiche Arbeit.« Hannes Tulatz, haGalil
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