Die Geister der Elben / Elbenkinder Bd.6
Nach Estorien, ins Land der Geister, haben sich Daron und Sarwen noch nie gewagt. Dabei vermuten sie, dass dort ihre Eltern als gute Totengeister leben. Doch dann erreicht die beiden Elbenkinder ein dringender Hilferuf aus dem fernen Reich. Die bösartigen...
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Produktinformationen zu „Die Geister der Elben / Elbenkinder Bd.6 “
Klappentext zu „Die Geister der Elben / Elbenkinder Bd.6 “
Nach Estorien, ins Land der Geister, haben sich Daron und Sarwen noch nie gewagt. Dabei vermuten sie, dass dort ihre Eltern als gute Totengeister leben. Doch dann erreicht die beiden Elbenkinder ein dringender Hilferuf aus dem fernen Reich. Die bösartigen Maladran rüsten sich zum Angriff, um Estorien zu erobern und seine Einwohner in ihresgleichen zu verwandeln. Daron und Sarwen müssen all ihre magischen Kräfte aufbieten, um das zu verhindern. Was sie dabei über ihre Eltern erfahren, übersteigt ihre kühnsten Vorstellungen ...
Lese-Probe zu „Die Geister der Elben / Elbenkinder Bd.6 “
Elbenkinder - Die Geister der Elben von Alfred Bekker
Das Reich der Geister
Rarax stieß einen lauten Schrei aus.
Das Riesenfledertier öffnete sein Maul, so weit es konnte, und sog geräuschvoll die kalte Höhenluft ein, die es sogleich wieder herauspresste. Beim Einatmen entstand ein schnarrender Laut und beim Ausatmen ein Ton, der so schrill war, dass jeder Elb davon taub hätte werden können, wenn er sein feines Gehör nicht rechtzeitig abschirmte.
»Er will das einfach nicht, Sarwen!«
»Aber er soll gefälligst dorthin fliegen, wohin wir wollen, Daron!«
Daron und Sarwen, die beiden magisch hochbegabten Enkelkinder des Elbenkönigs Keandir, saßen auf dem Rücken von Rarax, ihrem gezähmten Riesenfledertier, das sich einfach weigerte weiterzufliegen.
Daron schob sich den Dolch zurecht, den er am Gürtel trug, um sich besser nach vorn beugen zu können, ganz weit, bis zum fellbewachsenen Kopf des drachengroßen Flugungeheuers. »Wieso befolgst du meine Gedanken nicht?«, rief er Rarax ins Ohr. »Muss ich dich erst anschreien?«
Das Riesenfledertier antwortete mit einem dröhnenden Laut, der sofort beantwortet wurde, und zwar von einer Herde Riesenmammuts, die in der Tiefe unter ihnen durch die wuchernde Pflanzenwelt des Wilderlandes trampelte. Ein Mannus - so nannte man die sehr seltenen weißen Riesenmammuts - führte die Herde an, die sich offenbar von Rarax' Gedröhne so sehr gestört fühlte, dass alle ihren Rüssel hoben und laut trompeteten.
... mehr
Rarax zuckte regelrecht zusammen und geriet ins Trudeln, weil er für einen Moment seine großen Lederschwingen nicht parallel zueinander bewegte. Er sackte ein ganzes Stück in die Tiefe, geradewegs auf die Riesenmammuts zu, deren Herde ihrerseits vor Schreck nach allen Seiten auseinanderstob.
»Nun gehorche!«, verlangte Daron mit einem sehr intensiven Gedanken. Er sammelte dabei so viel magische Kraft wie möglich, sodass seine Augen vollkommen schwarz wurden und weder die Pupillen noch das Weiße darin zu sehen waren. »Na los, du störrisches Flugvieh!«
»Du hättest ihm nicht ins Ohr schreien sollen!«, beschwerte sich seine Zwillingsschwester Sarwen per Gedankenbotschaft.
Die beiden Geschwister standen sich so nahe, dass sie sich überwiegend auf diese Weise unterhielten, was besonders praktisch war, wenn andere nicht mitbekommen sollten, was sie untereinander austauschten.
»Aber das Biest reagiert nicht mehr auf Gedankenbefehle!«, verteidigte sich der Elbenjunge.
Im letzten Moment gewann Daron gerade noch die geistige Kontrolle über das Riesenfledertier zurück. Es streifte mit den Schwingen die Rücken einiger Mammuts, deren Trompeten daraufhin noch etwas lauter und wütender wurde. Aufgescheuchte Jungmammuts flüchteten sich zwischen die säulenartigen Beine ihrer Mütter. Der Trompetenton der kleinen Riesenmammuts war deutlich höher, sodass sich ein so vielstimmiger Klang ergab, wie Daron und Sarwen ihn ansonsten nur aus den Konzertsälen von Elbenhaven kannten, wo manchmal über hundert Elbenmusiker zugleich unterschiedliche Hörner bliesen. Allerdings taten sie das dann sehr viel leiser, schließlich hatten Elben ein recht empfindliches Gehör, und das Publikum wäre bei zu lauter Musik aus dem Saal geflohen.
»Nach oben!«, befahl Daron dem Riesenfledertier, das daraufhin mit ein paar kräftigen Bewegungen seiner großen Lederschwingen wieder an Höhe gewann. Seine heiser klingende, krächzende Stimme übertönte dabei sogar das Trompeten der Mammutherde.
»Vielleicht sollten wir mal irgendwie landen«, schlug Sarwen vor, die sich am dichten Rückenfell des Riesenfledertiers festkrallte. Rarax schoss mit einer derartigen Geschwindigkeit empor, dass der Wind ihr Kleid aus Elbenseide flattern ließ und das lange Haar völlig zerzauste, wobei die spitzen Ohren des Elbenmädchens freigelegt wurden.
»Das ist keine gute Idee, Sarwen. «
»Wieso nicht? Vielleicht kommt Rarax dann wieder zur Vernunft.«
»Aber es sind Trorks in der Nähe.«
»Ich sehe nirgends welche.«
»Ich auch nicht, aber ich höre ihre schleichenden Schritte zwischen dem Getrampel der Riesenmammuts.«
In diesem Augenblick eilten mehrere Trorks aus den dichten Riesenfarnen hervor, zwischen denen sie sich versteckt hatten. Diese fellbehängten, zotteligen Geschöpfe, die wie Mischwesen aus Orks und Trollen wirkten, waren zwar um einiges größer als jeder Elb oder Mensch, aber im Vergleich zu den Riesenmammuts natürlich echte Winzlinge.
Sie mussten also schleunigst fliehen. Auch die großen Keulen, mit denen sie herumfuchtelten, konnten gegen wütende Riesenmammuts wenig ausrichten.
Um die Riesenmammuts zu jagen, gingen Trorks normalerweise auch ganz anders vor und scheuchten die Tiere erst mit Feuer zusammen, um sie dann in Fallgruben zu hetzen.
Aber für die Trorks zwischen den Riesenfarnen war es zu spät, Fackeln zu entzünden. Einer von ihnen schleuderte noch einen Speer, verfehlte aber in seiner Panik selbst das riesige Tier, auf das er gezielt hatte.
Die Trorks waren den Mammuts offenbar gefolgt. Vermutlich hatten sie nur einige wenige Tiere von der Herde trennen wollen. Sich mit ihnen allen anzulegen, war auch den überaus kräftigen Trorks nicht zu empfehlen. Sie flüchteten in alle Richtungen, aber vor allem dorthin, wo dichterer Pflanzenbewuchs herrschte. Bäume gab es im Wilderland kaum, dafür Riesenfarne, gewaltige Büsche und auch fleischfressende Moose. Pflanzen, die in anderen Teilen des Zwischenlandes zum größten Teil längst nicht mehr wuchsen, die sich hier aber aus irgendeinem Grund über die Zeitalter hinweg gehalten hatten.
Die Trorks brüllten sich laut etwas zu, von dem die Zwillinge nur ahnten, was es bedeuten konnte.
Die wütenden Riesenmammuts gaben die Verfolgung schnell auf. Schon deshalb, weil sie keine Lust hatten, sich an den zahlreichen Dornbüschen das Fell aufzureißen.
Auch Rarax wurde etwas ruhiger. Er flog einen weiten Bogen nach Westen.
»Wir hätten den Umweg über das Wilderland besser nicht gemacht«, meinte Daron.
»Wir können einfach nicht weiter nach Osten vordringen, weil Rarax sich aus irgendeinem Grund weigert.«
»Wer hätte das denn wissen können!«, entgegnete Sarwen.
Daron und Sarwen waren im Auftrag ihres Großvaters, des Elbenkönigs Keandir, zur Burg von Norgua geflogen. Dort regierte Herzog Mirgamir im Auftrag des Königs das am weitesten entfernte Herzogtum im Reich der Elben.
Daron und Sarwen hatten Mirgamir eine wichtige Botschaft überbracht, und auf dem Rückweg waren sie einen kleinen Schlenker über das Wilderland geflogen, in dem die beiden Elbenkinder vor längerer Zeit schon einmal gewesen waren, als sie Rarax gerade gezähmt hatten. Das Riesenfledertier war ihnen damals einfach durchgegangen und hatte Daron und Sarwen über dem Wilderland abgeworfen und dort zurückgelassen. Alles andere als ein Zuckerschlecken war es gewesen, Rarax wieder einzufangen und zurück an den Hof von Elbenhaven zu gelangen.
Immerhin gehorchte das Riesenfledertier den beiden Elbenkindern seitdem zumindest einigermaßen, auch wenn es zwischenzeitlich immer mal wieder vorkam, dass es seinen eigenen Kopf unbedingt durchsetzen wollte.
So offenbar auch jetzt.
Sarwen hatte vorgeschlagen, noch einen Abstecher nach Osten zu machen, wo Estorien lag, jenes geheimnisvolle Land, das man auch das Land der Geister nannte.
Aber offenbar ging es Rarax wie vielen anderen Geschöpfen: Er scheute vor diesem Land zurück. Das galt ebenso für die Riesenmammuts und die Trorks, auch sie mieden dieses Gebiet. So war keines der Riesenmammuts nach Osten geflohen, keines hatte die unsichtbare Grenze überschritten, die Estorien vom Rest des Zwischenlandes trennte.
Ob es etwas damit zu tun hatte, dass in Estorien die Zeit langsamer voranschritt als sonst im Zwischenland? Oder wollten all diese Wesen den Eldran nicht zu nahe kommen, jenen durchscheinenden Totengeistern der Elben, die dieses Land zusammen mit den Untertanen von Fürst Bolandor bewohnten?
»Einen Versuch noch!«, wandte sich Sarwen mit einem eindringlichen Gedanken an Daron. »Du weißt, dass ich mir schon lange nichts sehnlicher wünsche, als einmal dieses Land zu besuchen.«
»Und nach unseren toten Eltern zu suchen?«
»Willst du das etwa nicht? Interessiert es dich nicht auch, ob sie wirklich bei den Eldran sind? Und unsere Großmutter Ruwen! Glaubst du nicht, dass Großvater sich darüber freuen würde, wenn wir ihm berichten könnten, dass es ihr als Eldran gut geht?«
»Wir haben schon so oft über all diese Dinge gesprochen, und ich brauche das jetzt nicht alles zu wiederholen, Sarwen. Die Argumente sind nämlich immer dieselben!«
»Ein Versuch noch, Daron! Bitte!«
So als hätte Rarax ihre Gedanken gelesen, knurrte das Riesenfledertier laut auf, anscheinend um klarzumachen, dass es die Grenze nach Estorien einfach nicht überqueren wollte.
»Ein Versuch noch«, lenkte Daron schließlich ein. »Aber den musst du machen.«
Er überließ ihr die Kontrolle über Rarax' Geist.
Das Riesenfledertier schien zu ahnen, was das bedeutete, denn es brüllte protestierend auf, noch ehe Sarwen ihm überhaupt einen Gedankenbefehl hatte geben können. Dann aber gelang es ihr, das Flugungeheuer doch noch dazu zu zwingen, in Richtung Osten zu fliegen.
Es beschleunigte zunächst widerwillig. Doch kurz bevor es die Grenze überflogen hätte, drehte es plötzlich ab, schnellte in einem engen Bogen nach Westen.
Von da an war Rarax nicht mehr zu halten.
Er wurde immer schneller und befolgte keinen einzigen Gedankenbefehl mehr, den Sarwen ihm erteilte.
Auch als Daron es versuchte, reagierte das halb gezähmte Flugungeheuer nicht. Stattdessen stieg es höher und höher. Die Riesenmammuts wurden zu kleinen Punkten am Boden, und schließlich flog Rarax über eine schneeweiße Wolkendecke hinweg.
»Lass uns unsere Kräfte vereinen, Daron! Vielleicht gehorcht er dann!«
»Er ist so voller Angst, dass ich nicht glaube, dass ihn irgendeine Kraft davon abhalten könnte, einfach nur davonzufliegen«, erwiderte der Elbenjunge mit einem skeptischen Gedanken.
»Sollen wir ihn denn einfach gewähren lassen? Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
Daron zuckte mit den Schultern und blickte kurz in die Tiefe. Sie waren inzwischen so hoch gestiegen, dass die Luft ziemlich dünn wurde, sodass kein Mensch längere Zeit hätte existieren können. Den Elbenkindern machte das allerdings nichts aus, ebenso wenig wie die Kälte, die hier herrschte.
»Immerhin fliegt er diesmal in die richtige Richtung«, gab Daron zu bedenken.
»Als er das letzte Mal durchging, war das nicht der Fall.«
© 2011 Schneider Buch
Rarax zuckte regelrecht zusammen und geriet ins Trudeln, weil er für einen Moment seine großen Lederschwingen nicht parallel zueinander bewegte. Er sackte ein ganzes Stück in die Tiefe, geradewegs auf die Riesenmammuts zu, deren Herde ihrerseits vor Schreck nach allen Seiten auseinanderstob.
»Nun gehorche!«, verlangte Daron mit einem sehr intensiven Gedanken. Er sammelte dabei so viel magische Kraft wie möglich, sodass seine Augen vollkommen schwarz wurden und weder die Pupillen noch das Weiße darin zu sehen waren. »Na los, du störrisches Flugvieh!«
»Du hättest ihm nicht ins Ohr schreien sollen!«, beschwerte sich seine Zwillingsschwester Sarwen per Gedankenbotschaft.
Die beiden Geschwister standen sich so nahe, dass sie sich überwiegend auf diese Weise unterhielten, was besonders praktisch war, wenn andere nicht mitbekommen sollten, was sie untereinander austauschten.
»Aber das Biest reagiert nicht mehr auf Gedankenbefehle!«, verteidigte sich der Elbenjunge.
Im letzten Moment gewann Daron gerade noch die geistige Kontrolle über das Riesenfledertier zurück. Es streifte mit den Schwingen die Rücken einiger Mammuts, deren Trompeten daraufhin noch etwas lauter und wütender wurde. Aufgescheuchte Jungmammuts flüchteten sich zwischen die säulenartigen Beine ihrer Mütter. Der Trompetenton der kleinen Riesenmammuts war deutlich höher, sodass sich ein so vielstimmiger Klang ergab, wie Daron und Sarwen ihn ansonsten nur aus den Konzertsälen von Elbenhaven kannten, wo manchmal über hundert Elbenmusiker zugleich unterschiedliche Hörner bliesen. Allerdings taten sie das dann sehr viel leiser, schließlich hatten Elben ein recht empfindliches Gehör, und das Publikum wäre bei zu lauter Musik aus dem Saal geflohen.
»Nach oben!«, befahl Daron dem Riesenfledertier, das daraufhin mit ein paar kräftigen Bewegungen seiner großen Lederschwingen wieder an Höhe gewann. Seine heiser klingende, krächzende Stimme übertönte dabei sogar das Trompeten der Mammutherde.
»Vielleicht sollten wir mal irgendwie landen«, schlug Sarwen vor, die sich am dichten Rückenfell des Riesenfledertiers festkrallte. Rarax schoss mit einer derartigen Geschwindigkeit empor, dass der Wind ihr Kleid aus Elbenseide flattern ließ und das lange Haar völlig zerzauste, wobei die spitzen Ohren des Elbenmädchens freigelegt wurden.
»Das ist keine gute Idee, Sarwen. «
»Wieso nicht? Vielleicht kommt Rarax dann wieder zur Vernunft.«
»Aber es sind Trorks in der Nähe.«
»Ich sehe nirgends welche.«
»Ich auch nicht, aber ich höre ihre schleichenden Schritte zwischen dem Getrampel der Riesenmammuts.«
In diesem Augenblick eilten mehrere Trorks aus den dichten Riesenfarnen hervor, zwischen denen sie sich versteckt hatten. Diese fellbehängten, zotteligen Geschöpfe, die wie Mischwesen aus Orks und Trollen wirkten, waren zwar um einiges größer als jeder Elb oder Mensch, aber im Vergleich zu den Riesenmammuts natürlich echte Winzlinge.
Sie mussten also schleunigst fliehen. Auch die großen Keulen, mit denen sie herumfuchtelten, konnten gegen wütende Riesenmammuts wenig ausrichten.
Um die Riesenmammuts zu jagen, gingen Trorks normalerweise auch ganz anders vor und scheuchten die Tiere erst mit Feuer zusammen, um sie dann in Fallgruben zu hetzen.
Aber für die Trorks zwischen den Riesenfarnen war es zu spät, Fackeln zu entzünden. Einer von ihnen schleuderte noch einen Speer, verfehlte aber in seiner Panik selbst das riesige Tier, auf das er gezielt hatte.
Die Trorks waren den Mammuts offenbar gefolgt. Vermutlich hatten sie nur einige wenige Tiere von der Herde trennen wollen. Sich mit ihnen allen anzulegen, war auch den überaus kräftigen Trorks nicht zu empfehlen. Sie flüchteten in alle Richtungen, aber vor allem dorthin, wo dichterer Pflanzenbewuchs herrschte. Bäume gab es im Wilderland kaum, dafür Riesenfarne, gewaltige Büsche und auch fleischfressende Moose. Pflanzen, die in anderen Teilen des Zwischenlandes zum größten Teil längst nicht mehr wuchsen, die sich hier aber aus irgendeinem Grund über die Zeitalter hinweg gehalten hatten.
Die Trorks brüllten sich laut etwas zu, von dem die Zwillinge nur ahnten, was es bedeuten konnte.
Die wütenden Riesenmammuts gaben die Verfolgung schnell auf. Schon deshalb, weil sie keine Lust hatten, sich an den zahlreichen Dornbüschen das Fell aufzureißen.
Auch Rarax wurde etwas ruhiger. Er flog einen weiten Bogen nach Westen.
»Wir hätten den Umweg über das Wilderland besser nicht gemacht«, meinte Daron.
»Wir können einfach nicht weiter nach Osten vordringen, weil Rarax sich aus irgendeinem Grund weigert.«
»Wer hätte das denn wissen können!«, entgegnete Sarwen.
Daron und Sarwen waren im Auftrag ihres Großvaters, des Elbenkönigs Keandir, zur Burg von Norgua geflogen. Dort regierte Herzog Mirgamir im Auftrag des Königs das am weitesten entfernte Herzogtum im Reich der Elben.
Daron und Sarwen hatten Mirgamir eine wichtige Botschaft überbracht, und auf dem Rückweg waren sie einen kleinen Schlenker über das Wilderland geflogen, in dem die beiden Elbenkinder vor längerer Zeit schon einmal gewesen waren, als sie Rarax gerade gezähmt hatten. Das Riesenfledertier war ihnen damals einfach durchgegangen und hatte Daron und Sarwen über dem Wilderland abgeworfen und dort zurückgelassen. Alles andere als ein Zuckerschlecken war es gewesen, Rarax wieder einzufangen und zurück an den Hof von Elbenhaven zu gelangen.
Immerhin gehorchte das Riesenfledertier den beiden Elbenkindern seitdem zumindest einigermaßen, auch wenn es zwischenzeitlich immer mal wieder vorkam, dass es seinen eigenen Kopf unbedingt durchsetzen wollte.
So offenbar auch jetzt.
Sarwen hatte vorgeschlagen, noch einen Abstecher nach Osten zu machen, wo Estorien lag, jenes geheimnisvolle Land, das man auch das Land der Geister nannte.
Aber offenbar ging es Rarax wie vielen anderen Geschöpfen: Er scheute vor diesem Land zurück. Das galt ebenso für die Riesenmammuts und die Trorks, auch sie mieden dieses Gebiet. So war keines der Riesenmammuts nach Osten geflohen, keines hatte die unsichtbare Grenze überschritten, die Estorien vom Rest des Zwischenlandes trennte.
Ob es etwas damit zu tun hatte, dass in Estorien die Zeit langsamer voranschritt als sonst im Zwischenland? Oder wollten all diese Wesen den Eldran nicht zu nahe kommen, jenen durchscheinenden Totengeistern der Elben, die dieses Land zusammen mit den Untertanen von Fürst Bolandor bewohnten?
»Einen Versuch noch!«, wandte sich Sarwen mit einem eindringlichen Gedanken an Daron. »Du weißt, dass ich mir schon lange nichts sehnlicher wünsche, als einmal dieses Land zu besuchen.«
»Und nach unseren toten Eltern zu suchen?«
»Willst du das etwa nicht? Interessiert es dich nicht auch, ob sie wirklich bei den Eldran sind? Und unsere Großmutter Ruwen! Glaubst du nicht, dass Großvater sich darüber freuen würde, wenn wir ihm berichten könnten, dass es ihr als Eldran gut geht?«
»Wir haben schon so oft über all diese Dinge gesprochen, und ich brauche das jetzt nicht alles zu wiederholen, Sarwen. Die Argumente sind nämlich immer dieselben!«
»Ein Versuch noch, Daron! Bitte!«
So als hätte Rarax ihre Gedanken gelesen, knurrte das Riesenfledertier laut auf, anscheinend um klarzumachen, dass es die Grenze nach Estorien einfach nicht überqueren wollte.
»Ein Versuch noch«, lenkte Daron schließlich ein. »Aber den musst du machen.«
Er überließ ihr die Kontrolle über Rarax' Geist.
Das Riesenfledertier schien zu ahnen, was das bedeutete, denn es brüllte protestierend auf, noch ehe Sarwen ihm überhaupt einen Gedankenbefehl hatte geben können. Dann aber gelang es ihr, das Flugungeheuer doch noch dazu zu zwingen, in Richtung Osten zu fliegen.
Es beschleunigte zunächst widerwillig. Doch kurz bevor es die Grenze überflogen hätte, drehte es plötzlich ab, schnellte in einem engen Bogen nach Westen.
Von da an war Rarax nicht mehr zu halten.
Er wurde immer schneller und befolgte keinen einzigen Gedankenbefehl mehr, den Sarwen ihm erteilte.
Auch als Daron es versuchte, reagierte das halb gezähmte Flugungeheuer nicht. Stattdessen stieg es höher und höher. Die Riesenmammuts wurden zu kleinen Punkten am Boden, und schließlich flog Rarax über eine schneeweiße Wolkendecke hinweg.
»Lass uns unsere Kräfte vereinen, Daron! Vielleicht gehorcht er dann!«
»Er ist so voller Angst, dass ich nicht glaube, dass ihn irgendeine Kraft davon abhalten könnte, einfach nur davonzufliegen«, erwiderte der Elbenjunge mit einem skeptischen Gedanken.
»Sollen wir ihn denn einfach gewähren lassen? Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
Daron zuckte mit den Schultern und blickte kurz in die Tiefe. Sie waren inzwischen so hoch gestiegen, dass die Luft ziemlich dünn wurde, sodass kein Mensch längere Zeit hätte existieren können. Den Elbenkindern machte das allerdings nichts aus, ebenso wenig wie die Kälte, die hier herrschte.
»Immerhin fliegt er diesmal in die richtige Richtung«, gab Daron zu bedenken.
»Als er das letzte Mal durchging, war das nicht der Fall.«
© 2011 Schneider Buch
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Autoren-Porträt von Alfred Bekker
Wenn ein Junge den Namen "Der die Elben versteht" (Alfred) erhält und in einem Jahr des Drachen (1964) an einem Sonntag geboren wird, ist sein Schicksal vorherbestimmt: Er muss Fantasy-Autor werden! Die Romane um "Das Reich der Elben" und die "Drachenerde" haben Alfred Bekker einem großen Publikum bekannt gemacht, und seine Bücher für junge Leser gelten als spannendes Lesefutter, dem auch Lesemuffel kaum widerstehen können.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alfred Bekker
- Altersempfehlung: 10 - 99 Jahre
- 2011, 204 Seiten, Maße: 15,6 x 21,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Schneiderbuch
- ISBN-10: 3505125601
- ISBN-13: 9783505125607
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