Emmas Glück
Emma lebt allein und hoch verschuldet auf einem Bauernhof. Eines Nachts findet sie in einem schrottreifen Ferrari das, was ihr im Leben gefehlt hat: einen Sack voll Geld und einen Mann.
Der junge, todkranke Städter Max wollte sich nach Mexiko absetzen,...
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Emma lebt allein und hoch verschuldet auf einem Bauernhof. Eines Nachts findet sie in einem schrottreifen Ferrari das, was ihr im Leben gefehlt hat: einen Sack voll Geld und einen Mann.
Der junge, todkranke Städter Max wollte sich nach Mexiko absetzen, als seine rasante Fahrt an einem Baum ihr abruptes Ende fand. Nach einer Weile gesellt sich das Glück zu den beiden.
Emmas Glück von Claudia Schreiber
LESEPROBE
Emmas Schlafzimmer war einSaustall: Wäschestücke wucherten aus Schubladen und Schrank, Zeitungshaufen mitunbezahlten Rechnungen waren zu Nachttisch und Hocker geworden, faustgroßeStaubflocken tanzten unterm Bett und blieben an angebissenen Brotresten hängen.Draußen färbte die aufgehende Sonne die Felder rot und der Tau legte sich aufdie Gräser. Emma wickelte sich fest in die Federdecke und ließ sich von ihrdrücken. Sie beneidete ihre Schweine, die draußen Körper an Körper gepresst imfrischen Stroh lagen und im selben Rhythmus atmeten. Ihre Tage waren soherrlich mit Nichtstun gefüllt. Ob spät oder früh, Tag oder Nacht - sielümmelten sich, suhlten, fraßen, kratzten sich den Rücken genüsslich am Gartenzaun,lagen beieinander, Haut an Haut. Und wenn dieses beneidenswerte Leben ihneneine Fettschwarte hatte wachsen lassen, verschaffte Emma ihnen einen herrlichenAbgang: kurz und schmerzlos. Der Sinn ihres Schweinelebens erfüllte sich inhimmlisch guter Wurst. Kein Leben auf Erden schien Emma herrlicher, einfacher, sinnlicher,erfüllter, als auf ihrem eigenen Hof ein Schwein zu sein.
Sie stand auf und ging inihrem verschlissenen Schlafhemd barfuß nach draußen. Der Hahn schritt ihr stolzwie der Dienst habende Offizier des Hofs entgegen. Emma salutierte, worauf erbeflissen zu melden schien: »Keine besonderen Vorkommnisse, Haus und Hofintakt.« Die Katze strich um ihre Beine, bettelte um Zärtlichkeiten und folgteihr in den Garten. Überall blühte es, kräftige Stauden säumten den Holzzaun. Zucchini,Paprika, Lauch, Tomaten - alles gedieh prächtig, nichts war von Schneckenzerfressen oder von Läusen bedroht. Emma pflückte ein paar Himbeeren undsteckte sie in den Mund. Sie genoss es, mit nackten Füßen die Wärme derfeuchten Erde zu spüren. Zufrieden atmete sie die Sommerluft ein undbeobachtete eine Feldlerche, die genau über ihr sang.
Im Stall klopfte sie ihrerKuh zur Begrüßung kräftig auf den Rücken. Um ihren Morgendurst zu stillen,legte sie sich unter den Bauch der Kuh und melkte sich die Milch direkt in denMund. Die Spritzer trafen nicht immer; die Milch kleckerte auf ihre Augen,ihren Hals, versickerte im Ausschnitt ihres Schlafhemds. Wie ein Kind wischtesich Emma den Mund mit dem Unterarm trocken, selig satt. Anschließend schlichsie in den Hühnerstall und holte drei Eier. Wie jeden Morgen schaltete sie inder Küche das Frühstücksfernsehen ein und stellte eine Pfanne auf den Herd. IhrLieblingsmoderator war dran. Er sagte »Guten Morgen, verehrte Zuschauer«. AberEmma hörte aus ihrem Gerät sehr deutlich sein liebevolles und ganz persönliches»Guten Morgen, Emma!«. Sie grüßte zurück, wandte sich anschließend lächelndab, briet die Eier und schnitt Brot auf. In diesem Moment fuhr draußen ein Autovor. Am charakteristischen Klang erkannte sie Henners alte Polizeikarre, einenVW Käfer. Emma wischte ein Guckloch in ihre verschmierte Fensterscheibe, umfestzustellen, ob der Dorfpolizist seine Mütze auf dem Kopf hatte oder nicht.Ohne Mütze kam er in friedlicher Absicht, mit Mütze nervte er. Henner hatte dieMütze auf! Fluchend griff Emma zum Gewehr, das immer geladen neben ihrem Herdstand, und rannte hinaus, barfuß, in milchverschmiertem Hemd und Unterhose. Hennerstand mit einem großen Briefumschlag in der Hand vor seinem grün-weißen Wagen.Er wusste, er hatte sehr schlechte Nachrichten für Emma und er wusste auch, dassEmma es wusste, weshalb er ihr verzieh, dass sie mit geladener Waffe in derHand auf ihn zukam und brüllte: »Willste machen, dass du vom Hof kommst, duSesselfurzer du!«
Der arme Henner standzwischen den Fronten: Hinter ihm erhob sich ein fürchterliches Geschrei. SeineMutter war mitgekommen. Mit ihrem riesigen Hintern quälte sie sich rückwärtsaus dem Käfer, und noch zwischen Sitz und Tür eingeklemmt, keifte sie Emmaschon an: »Mein Henner ist hier als 'ne Amtsperson. Der kann dich verklagen,innen Knast bringen kanner dich fürn Sesselfurzer, von wegenBeamtenbeleidigung, du!« Jetzt erst stand die Alte aufrecht, tauchte aus einergrauen Tabakwolke auf. Ein selbst gedrehter Zigarettenstummel hing in ihremschlaffen Mundwinkel, aus dem zugleich Speichel rann. Sie sog das Nikotin ausdem Stummel, presste ihre alten Augen zu, weil der Qualm die Schleimhäutereizte, und sagte mit verächtlichem Blick auf Emmas verkleckertes Hemd: »Wiedas wieder aussieht!« Mit das war nicht das Hemd, sondern Emma persönlich gemeint;Frauen waren in dieser Gegend sächlich.
© Goldmann
- Autor: Claudia Schreiber
- 2005, 192 Seiten, Maße: 11,3 x 18,2 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442458676
- ISBN-13: 9783442458677
- Erscheinungsdatum: 18.02.2005
3.5 von 5 Sternen
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