I lieg am Ruckn
Erinnerungen an Ludwig Hirsch
In „I lieg am Ruckn" erinnern sich Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten an den großen Liedermacher und Künstler Ludwig Hirsch. Seine Frau Cornelia Köndgen, sein Manager und viele andere gewähren Einblicke in...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „I lieg am Ruckn “
In „I lieg am Ruckn" erinnern sich Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten an den großen Liedermacher und Künstler Ludwig Hirsch. Seine Frau Cornelia Köndgen, sein Manager und viele andere gewähren Einblicke in persönliche Erlebnisse mit dem österreichischen Ausnahmetalent.
Ludwig Hirsch gilt als ein bedeutender Vertreter des Austropop, und seine Lieder erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Im Laufe seines Lebens erhielt er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, die den Freigeist aber nicht davon abhielten, manchmal nur mit seinem langjährigen Bühnenpartner und Gitarristen Johnny Bertl auf Tournee zu gehen. Der ganz große Auftritt war nie seines, und dennoch konnte er problemlos große Konzerthallen füllen. In seinen bissig-sarkastischen Texten und Liedern nahm er oft Bezug zu aktuellen Themen, und sprach unangenehme Wahrheiten an. In „I lieg am Ruckn" erfährt man aber auch viel über den Menschen Ludwig Hirsch. Sein Familienleben und seine langjährige Ehe mit Cornelia Köndgen sind ebenso Thema wie die Nikotinsucht, von der er nie loskam. Weitaus weniger bekannt ist, dass Ludwig Hirsch auch ein talentierter Schauspieler war, der regemäßig im Film oder Fernsehen auftrat.
„I lieg am Ruckn" gibt seltene Einblicke in die Karriere und das Leben eines großen Österreichers. Familie, Freunde und Weggefährten erinnern sich an den Menschen und Künstler Ludwig Hirsch, und lassen uns daran teilhaben. Bestellen Sie jetzt online auf Weltbild.at.
Ludwig Hirsch gilt als ein bedeutender Vertreter des Austropop, und seine Lieder erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Im Laufe seines Lebens erhielt er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, die den Freigeist aber nicht davon abhielten, manchmal nur mit seinem langjährigen Bühnenpartner und Gitarristen Johnny Bertl auf Tournee zu gehen. Der ganz große Auftritt war nie seines, und dennoch konnte er problemlos große Konzerthallen füllen. In seinen bissig-sarkastischen Texten und Liedern nahm er oft Bezug zu aktuellen Themen, und sprach unangenehme Wahrheiten an. In „I lieg am Ruckn" erfährt man aber auch viel über den Menschen Ludwig Hirsch. Sein Familienleben und seine langjährige Ehe mit Cornelia Köndgen sind ebenso Thema wie die Nikotinsucht, von der er nie loskam. Weitaus weniger bekannt ist, dass Ludwig Hirsch auch ein talentierter Schauspieler war, der regemäßig im Film oder Fernsehen auftrat.
„I lieg am Ruckn" gibt seltene Einblicke in die Karriere und das Leben eines großen Österreichers. Familie, Freunde und Weggefährten erinnern sich an den Menschen und Künstler Ludwig Hirsch, und lassen uns daran teilhaben. Bestellen Sie jetzt online auf Weltbild.at.
Klappentext zu „I lieg am Ruckn “
Ludwig Hirsch war Schauspieler, Poet und Liedermacher. Unaufdringlich nah, aber ungemein präsent hat er seine Texte in den Köpfen der Zuhörer verankert. Seine Lieder haben auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Intensität verloren. Dieses Buch versammelt Biografisches, Szenen und Situationen aus der Karriere und dem Leben von Ludwig Hirsch. Es zeigt das Bild eines außergewöhnlichen Künstlers und zurückgezogen lebenden, sensiblen Menschen, der mit seinen Liedern wie »I lieg am Ruckn« oder »Komm großer schwarzer Vogel« Ende der 70er-Jahre wie ein Wintersturm über Österreich kam.Zu Wort kommen unter anderem Cornelia Köndgen, die Ehefrau und Schauspielerin, Moritz, der Sohn, Ludwig Hirschs langjähriger Bühnenpartner und bester Freund, Johnny Bertl, der Entdecker und Manager, Karl Scheibmaier und zahlreiche weitere Weggefährten.
Lese-Probe zu „I lieg am Ruckn “
Bertl/Köndgen/Zahradnik - I lieg am Ruckn - Erinnerungenan Ludwig HirschBitte Einsteigen oder
Was singt der da?
Oma pfüdigott, mach's drüben besser, mach keine Knödeln für die
Engerln, sei so gut! Tu nicht die Heiligen sekkiern, tu nicht den Opa
denunziern; und gehst zum Herrgott auf Besuch - ein guter Tip:
Omama, nimm's Mutterkreuz net mit!
... mehr
Es ging steil die Stufen hinunter, direkt in den Bauch des Wiener
Konzerthauses. Ein langer Gang fuhrte zu den links und rechts
liegenden Aufnahmeraumen. Neonlichter und Lampen tauchten
den Ort in eigentumliches, leicht gelbliches Licht. Viel Braun an
den Wanden und viel vergilbte Farbe. Der Ort trug die Patina, wie
sie Orte, in denen viele Jahre lang die immer gleichen oder sehr
ahnlichen Aufgaben erledigt werden, tragen. Seit 1946, der Krieg
war kaum ein Jahr vorbei, wurde hier, im Keller des Konzerthauses,
wieder Musik aufgenommen. Auf der Strase, da kletterten die
Menschen noch uber den Bombenschutt, wahrend unten Schlager
gesungen wurden.
Gerhard Moshe Mendelson, der legendare Musikproduzent,
Besitzer eines Plattenlabels, Entdecker der Stars, er produzierte
hier viele Schlager, grundete 1946 die Austrophon Schallplatten
Studio Ges.m.b.H und machte Wien zum Schlagernabel. Peter
Kraus nahm in den 50er-Jahren seine grosen Hits in den im Keller
gelegenen Studioraumen ebenso auf wie Peter Alexander und viele
andere Stars ihrer Zeit. Das Austrophon-Studio war in Osterreich
fur Jahrzehnte die erste Adresse, wenn es um Plattenaufnahmen
ging, und Mendelson versorgte von Wien aus die Wirtschaftswunder-
Zeit mit ihrem Soundtrack.
Die schalldichten Wande des Austrophon hatten in all den Jahren
so einiges zu horen bekommen, doch das, was im Jahr 1978
auf den beiden Studer 16-Spur-Maschinen aufgenommen wurde,
war in seiner Art sehr anders.
Der Mann, dessen Lieder sich auf seiner ersten Langspielplatte
wiederfinden sollten und der eben im Studio A mit den Aufnahmen
zugange war, legte damals im Austrophon den Grundstein
zu seiner ausergewohnlichen Karriere. Der Poet, Schauspieler, Texter
und Komponist Ludwig Hirsch - er war genauso alt wie das
Studio, in dem die Aufnahmen stattfanden. Ein Zufall, aber diese
ersten Tage seiner Karriere, hier im bunkerartigen Studio, im
Bauch des beruhmten und legendenumwobenen Hauses, welches
seit jeher unterschiedlichste Arten von Musik lebt wie keine andere
Spielstatte Wiens, sie werden die ersten Tage des Musikerlebens
von Ludwig Hirsch sein.
Die Adresse Lothringerstrase 20 im dritten Wiener Gemeindebezirk,
sie wird im Leben des Ludwig Hirsch eine grose Rolle
spielen. Im Konzerthaus fing es an. In meinem Konzerthaus, wie
er immer wieder sagte. Im Keller gab es das Konzerthaus-Theater.
Dort stand er oft auf der Buhne, in den 70er-Jahren. Mit den anderen
jungen Wilden, die noch nicht in die Traditionsbetriebe durften.
Da unten, da konnten sie sich austoben. Oben, im Mozart-Saal,
stellte er spater seine Lieder zum ersten Mal im grosen Stil dem
Publikum vor. Wieder unten, im Keller, wurden sie professionell
eingefangen, konserviert, um spater zur Vervielfaltigung freigegeben
zu werden.
Und im Konzerthaus fand auch alles sein Ende. VIELLEICHT
zum letzten Mal live hies das Programm, das am Muttertag 2011
von Ludwig Hirsch und seinen Musikern Johnny Bertl, Andi Steirer
und Manfred Schweng gespielt wurde.
Dreiunddreisig Jahre bevor es zur traurigen Gewissheit wurde,
dass das Wort VIELLEICHT im Tourneetitels einem SICHER
weichen musste, arbeiteten in den eher spartanisch eingerichte-
ten Regie- und Aufnahmeraumen des Austrophon-Studios B der
Techniker Gregor Hornacek und der Produzent Robert Opratko an
Liedern, die einige Monate spater als die Dunkelgrauen wie ein
Herbststurm uber das Land kommen sollten. In den mit dem gelblichen
Kunstlicht gefluteten Raumen mit den schallschluckenden
und mit zahlreichen kleinen Lochern versehenen Holzpaneelen an
den Wanden, in denen sich der Geruch von Tausenden Zigaretten
der vergangenen Jahrzehnte gesammelt hatte, erzahlte Ludwig
Hirsch seine Geschichten vom bladen Buam, dem netten Herrn
Haslinger, dem Zwerg oder auch die vom Dorftrottel. Hirsch verpackte
seine Figuren in schone, einfache Melodien, Robert Opratko
versah sie mit Streichern und anderen Arrangements, die einen
lieblichen Kontrast zu den morbiden, teils brutalen, zynischen Texten
bildeten. Mit seiner wunderbaren sonoren Stimme schickte er,
der Hirsch, uns Horer dann auf eine Art Geisterbahnfahrt durch
seine Dunkelgrauen Lieder. Mit der Oma tauchten wir ein ins
Grau. Das war noch irgendwie lustig. Bei I lieg am Ruckn wurde
es das erste Mal richtig dunkel. Und traurig. Man spurte die salzigen
Tranen formlich, wie sie auf den frisch aufgeworfenen Grabhugel
fallen, und wahrscheinlich hat dieses Lied auch nicht wenige
Menschen dazu bewogen, testamentarisch eine Einascherung
zu verfugen, wenn es irgendwann so weit sein sollte. Nur nicht da
unten liegen und auf die Wurmer warten mussen. Uberhaupt, die
Strophe mit dem sich in der Erde herumschlangelnden Getier, sie
hat mit Sicherheit seit dem Jahr 1978 so manche Beerdigung in den
Kopfen der Trauergemeinde begleitet. Man will gar nicht wissen,
wie oft dieses Lied als stiller Gast, im Hirn, in den Gedanken mit
bei Begrabnissen war und noch lange sein wird. Gestern, heute,
morgen und auch ubermorgen. I lieg am Ruckn ist so zeitlos wie
das Sterben. Der Soundtrack furs Kopfkino. Wienerischer kann es
gar nicht sein.
Was is'n des, des komische Krabbeln bei die Zehen da vorn?
Jessas Maria, der erste Wurm!
Du liegst da und kannst di net rühren, die Würmer krallen dir ins
Hirn und sie dinieren.
Umdrehen musste man die Platten damals noch. Schwarze Langspielplatten.
30 Zentimeter im Durchmesser. Lange Zeit uninteressant,
und seit drei Jahren fahren so viele wieder drauf ab, auf dieses
pechschwarze Vinyl. Fur die Musik des Ludwig Hirsch war es ohnehin
immer der bessere, viel authentischere Schalltrager als diese
kleinen Silberscheiben.
Bei den Dunkelgrauen Liedern war es, wie wenn du deine
schwarze Platte nimmst. Du setzt die Nadel in die Rille. Und los
geht die Fahrt, wie in der Geisterbahn im Wiener Prater. Nach der
Halfte bist du im ersten Stock der Bahn angelangt, dort wirst du
kurz vom Tageslicht geblendet, bis dann der kleine Wagen wieder
mit dir in die Tiefe rumpelt. Das letzte Lied auf der Platte heist
Happy End. Es ist wie im Film. Ohne Happy End gehst du traurig
aus dem Kino. Hier rattert der Wagen mit diesem Lied in die Zielgerade,
und erst wenn sich die Nadel hebt, entlasst dich der Herr
Hirsch wieder aus seiner in deine Welt.
1978 war ich 20 Jahre alt und musikalisch gepragt und sozialisiert
von Wolfgang Ambros, Georg Danzer und all jenen anderen
osterreichischen Musikerinnen und Musikern, die sich dem
Dialekt zugewandt hatten. Endlich was fur uns, in unserer Sprache
geschrieben und gesungen. Zum Mitsingen, Weinen, Lieben,
Austoben und Absturzen. Erst das, was damals schon als Austropop
tituliert wurde, machte meine personliche Pop- und Rockwelt
komplett.
1978 war ich bereits seit funf Jahren in der Musikwirtschaft tatig
und innerhalb der Branche kannten sich alle gut. Etwas Besseres
kann einem passionierten Plattensammler eigentlich nicht passieren.
In der Kantine im Funkhaus war immer einer der Promo-
ter-Kollegen zu finden und wir tauschten immer wieder Platten aus.
Im Funkhaus in der Wiener Argentinierstrase, im letzten Stock,
direkt unter dem Dach, sas damals der Sender O3. Noch ohne
dem Zusatz Hitradio im Namen. Im Stockwerk darunter waren
Radio Wien, der Kinderfunk und Radio Niederosterreich untergebracht.
Ins Funkhaus wurden von allen Firmen jede Woche Tonnen von
neu erschienenen Platten geschleppt. Mit der Hoffnung auf Radioplay
texteten die Promoter die Redakteure und DJs zu und nicht
jede Platte fand einen Abnehmer. Bevorzugte Transportmittel zum
Plattenschleppen waren Plastiksackerln mit den Logos der Firmen.
Polydor, Ariola, Musica oder WEA, die spatere Warner. EMI nicht
zu vergessen. Meine Sackerln waren in knalligem Orange. CBS
- The Family Of Music stand drauf und in so einem Sackerl verschwand
damals die Platte von Ludwig Hirsch. Die mit den Dunkelgrauen
Liedern. Der Kollege von Polydor hatte sie mir mit den
Worten gegeben: Das musst du dir anhoren ... Sowas hast du noch
nie gehort. Ich hab die Platte genommen und im Gegenzug etwas
anderes uber den Tisch geschoben. Keine Ahnung, was ich damals
fur Hirsch eingetauscht habe, aber ich war in Sachen Hirsch nicht
ganzlich unbeleckt. Ah, das ist doch dieser Schauspieler ..., sagte
ich, dankte und drehte das Plattencover um. Und was stand da?
War da doch tatsachlich ein Lied mit dem Titel Spuck den Schnuller
aus drauf. Ich lachte und las laut vor. Der Kollege von Polydor
sagte nur: Anhoren und ich sag dir nochmal: Sowas hast du noch
nie gehort!
Daheim senkte sich dann die Nadel und es war wie beschrieben:
Bitte einsteigen zur Geisterbahnfahrt. Bei der Omama hab ich
noch geschmunzelt und an meine Oma gedacht. Die war irgendwie
in dem Lied wieder auferstanden, nur mit einem Mutterkreuz
hatte sie nichts am Hut. Bei I lieg am Ruckn hab ich mich an die
Worte des Kollegen erinnert: So was hast du noch nie gehort!
Beim Herrn Haslinger hab ich bei der Szene, wo der Haslinger
vor der Schule steht und sich am Anblick der Taferlklassler erfreut,
noch die Stirn gerunzelt und mich gefragt: Bitte, was singt
der da? Dann ist mir bei der letzten Strophe der Hals trocken geworden.
Nach 50 Minuten Dunkelgrauen Liedern war ich das, was man
heute einen Follower nennen wurde. Ich habe seither jede Platte
erstanden. Und jedes neue Hirsch-Album war wie die Entdeckung
des Jahres, ein fur sich stehendes Werk voller Uberraschungen.
Vieles habe ich verstanden. Einiges blieb mir unverstandlich. Spannend
waren sie alle, die Platten des Ludwig Hirsch.
Jahrzehnte spater: Zweimal durfte ich als Autor fur Ludwig
Hirsch tatig werden. In seinen spateren Jahren fur die Alben In
Ewigkeit Damen und Perlen. Im Zuge dieser Arbeit lernte ich
einen sehr hoflichen, sehr freundlichen und so gar nicht kumpelhaft
auftretenden Mann kennen. Irgendwie war man in seiner Nahe
auch nie in Versuchung geraten zu einem Hey Ludwig, lass uns
auf ein Bier gehen und ein bissl quatschen-Angebot. Er strahlte so
eine Ruhe und kunstlerische Autoritat aus, die einen ihm fast ein
wenig demutig entgegentreten lies. Dazu die Stimme, die gewahlte
Sprache, der Intellekt, der mitschwingt, und dann bist du einfach
nur froh, diesen Menschen kennengelernt zu haben. Eigenartig ist
auch, dass man in seiner Nahe nie auf die Idee gekommen ist, nach
einem gemeinsamen Foto zu fragen. Zumindest mir ist es so gegangen.
Ich hab mich einfach nicht getraut ...
Einmal bat ich ihn, in eine TV-Show zu kommen, die wir seinerzeit
fur TW1, den Vorlaufer des heutigen ORF III, produzierten.
Kein groses Ding, eine kleine Talk-Show mit ein bisschen Musik.
Ludwig Hirsch willigte ein, wollte aber keinen Playback-Auftritt
hinlegen. Akzeptiert. Was tun? Liedtexte lesen? Ja, das konne er
sich gut vorstellen, und so sas er da, im Fruhjahr 2006, bei uns
in dem kleinen Studio und las zwei seiner Texte aus In Ewigkeit
Damen. Es war ein Gansehaut-Moment, und als diese Folge der
kleinen Show dann bei TW1 ausgestrahlt wurde, ging anschliesend
© Carl Ueberreuter Verlag
Es ging steil die Stufen hinunter, direkt in den Bauch des Wiener
Konzerthauses. Ein langer Gang fuhrte zu den links und rechts
liegenden Aufnahmeraumen. Neonlichter und Lampen tauchten
den Ort in eigentumliches, leicht gelbliches Licht. Viel Braun an
den Wanden und viel vergilbte Farbe. Der Ort trug die Patina, wie
sie Orte, in denen viele Jahre lang die immer gleichen oder sehr
ahnlichen Aufgaben erledigt werden, tragen. Seit 1946, der Krieg
war kaum ein Jahr vorbei, wurde hier, im Keller des Konzerthauses,
wieder Musik aufgenommen. Auf der Strase, da kletterten die
Menschen noch uber den Bombenschutt, wahrend unten Schlager
gesungen wurden.
Gerhard Moshe Mendelson, der legendare Musikproduzent,
Besitzer eines Plattenlabels, Entdecker der Stars, er produzierte
hier viele Schlager, grundete 1946 die Austrophon Schallplatten
Studio Ges.m.b.H und machte Wien zum Schlagernabel. Peter
Kraus nahm in den 50er-Jahren seine grosen Hits in den im Keller
gelegenen Studioraumen ebenso auf wie Peter Alexander und viele
andere Stars ihrer Zeit. Das Austrophon-Studio war in Osterreich
fur Jahrzehnte die erste Adresse, wenn es um Plattenaufnahmen
ging, und Mendelson versorgte von Wien aus die Wirtschaftswunder-
Zeit mit ihrem Soundtrack.
Die schalldichten Wande des Austrophon hatten in all den Jahren
so einiges zu horen bekommen, doch das, was im Jahr 1978
auf den beiden Studer 16-Spur-Maschinen aufgenommen wurde,
war in seiner Art sehr anders.
Der Mann, dessen Lieder sich auf seiner ersten Langspielplatte
wiederfinden sollten und der eben im Studio A mit den Aufnahmen
zugange war, legte damals im Austrophon den Grundstein
zu seiner ausergewohnlichen Karriere. Der Poet, Schauspieler, Texter
und Komponist Ludwig Hirsch - er war genauso alt wie das
Studio, in dem die Aufnahmen stattfanden. Ein Zufall, aber diese
ersten Tage seiner Karriere, hier im bunkerartigen Studio, im
Bauch des beruhmten und legendenumwobenen Hauses, welches
seit jeher unterschiedlichste Arten von Musik lebt wie keine andere
Spielstatte Wiens, sie werden die ersten Tage des Musikerlebens
von Ludwig Hirsch sein.
Die Adresse Lothringerstrase 20 im dritten Wiener Gemeindebezirk,
sie wird im Leben des Ludwig Hirsch eine grose Rolle
spielen. Im Konzerthaus fing es an. In meinem Konzerthaus, wie
er immer wieder sagte. Im Keller gab es das Konzerthaus-Theater.
Dort stand er oft auf der Buhne, in den 70er-Jahren. Mit den anderen
jungen Wilden, die noch nicht in die Traditionsbetriebe durften.
Da unten, da konnten sie sich austoben. Oben, im Mozart-Saal,
stellte er spater seine Lieder zum ersten Mal im grosen Stil dem
Publikum vor. Wieder unten, im Keller, wurden sie professionell
eingefangen, konserviert, um spater zur Vervielfaltigung freigegeben
zu werden.
Und im Konzerthaus fand auch alles sein Ende. VIELLEICHT
zum letzten Mal live hies das Programm, das am Muttertag 2011
von Ludwig Hirsch und seinen Musikern Johnny Bertl, Andi Steirer
und Manfred Schweng gespielt wurde.
Dreiunddreisig Jahre bevor es zur traurigen Gewissheit wurde,
dass das Wort VIELLEICHT im Tourneetitels einem SICHER
weichen musste, arbeiteten in den eher spartanisch eingerichte-
ten Regie- und Aufnahmeraumen des Austrophon-Studios B der
Techniker Gregor Hornacek und der Produzent Robert Opratko an
Liedern, die einige Monate spater als die Dunkelgrauen wie ein
Herbststurm uber das Land kommen sollten. In den mit dem gelblichen
Kunstlicht gefluteten Raumen mit den schallschluckenden
und mit zahlreichen kleinen Lochern versehenen Holzpaneelen an
den Wanden, in denen sich der Geruch von Tausenden Zigaretten
der vergangenen Jahrzehnte gesammelt hatte, erzahlte Ludwig
Hirsch seine Geschichten vom bladen Buam, dem netten Herrn
Haslinger, dem Zwerg oder auch die vom Dorftrottel. Hirsch verpackte
seine Figuren in schone, einfache Melodien, Robert Opratko
versah sie mit Streichern und anderen Arrangements, die einen
lieblichen Kontrast zu den morbiden, teils brutalen, zynischen Texten
bildeten. Mit seiner wunderbaren sonoren Stimme schickte er,
der Hirsch, uns Horer dann auf eine Art Geisterbahnfahrt durch
seine Dunkelgrauen Lieder. Mit der Oma tauchten wir ein ins
Grau. Das war noch irgendwie lustig. Bei I lieg am Ruckn wurde
es das erste Mal richtig dunkel. Und traurig. Man spurte die salzigen
Tranen formlich, wie sie auf den frisch aufgeworfenen Grabhugel
fallen, und wahrscheinlich hat dieses Lied auch nicht wenige
Menschen dazu bewogen, testamentarisch eine Einascherung
zu verfugen, wenn es irgendwann so weit sein sollte. Nur nicht da
unten liegen und auf die Wurmer warten mussen. Uberhaupt, die
Strophe mit dem sich in der Erde herumschlangelnden Getier, sie
hat mit Sicherheit seit dem Jahr 1978 so manche Beerdigung in den
Kopfen der Trauergemeinde begleitet. Man will gar nicht wissen,
wie oft dieses Lied als stiller Gast, im Hirn, in den Gedanken mit
bei Begrabnissen war und noch lange sein wird. Gestern, heute,
morgen und auch ubermorgen. I lieg am Ruckn ist so zeitlos wie
das Sterben. Der Soundtrack furs Kopfkino. Wienerischer kann es
gar nicht sein.
Was is'n des, des komische Krabbeln bei die Zehen da vorn?
Jessas Maria, der erste Wurm!
Du liegst da und kannst di net rühren, die Würmer krallen dir ins
Hirn und sie dinieren.
Umdrehen musste man die Platten damals noch. Schwarze Langspielplatten.
30 Zentimeter im Durchmesser. Lange Zeit uninteressant,
und seit drei Jahren fahren so viele wieder drauf ab, auf dieses
pechschwarze Vinyl. Fur die Musik des Ludwig Hirsch war es ohnehin
immer der bessere, viel authentischere Schalltrager als diese
kleinen Silberscheiben.
Bei den Dunkelgrauen Liedern war es, wie wenn du deine
schwarze Platte nimmst. Du setzt die Nadel in die Rille. Und los
geht die Fahrt, wie in der Geisterbahn im Wiener Prater. Nach der
Halfte bist du im ersten Stock der Bahn angelangt, dort wirst du
kurz vom Tageslicht geblendet, bis dann der kleine Wagen wieder
mit dir in die Tiefe rumpelt. Das letzte Lied auf der Platte heist
Happy End. Es ist wie im Film. Ohne Happy End gehst du traurig
aus dem Kino. Hier rattert der Wagen mit diesem Lied in die Zielgerade,
und erst wenn sich die Nadel hebt, entlasst dich der Herr
Hirsch wieder aus seiner in deine Welt.
1978 war ich 20 Jahre alt und musikalisch gepragt und sozialisiert
von Wolfgang Ambros, Georg Danzer und all jenen anderen
osterreichischen Musikerinnen und Musikern, die sich dem
Dialekt zugewandt hatten. Endlich was fur uns, in unserer Sprache
geschrieben und gesungen. Zum Mitsingen, Weinen, Lieben,
Austoben und Absturzen. Erst das, was damals schon als Austropop
tituliert wurde, machte meine personliche Pop- und Rockwelt
komplett.
1978 war ich bereits seit funf Jahren in der Musikwirtschaft tatig
und innerhalb der Branche kannten sich alle gut. Etwas Besseres
kann einem passionierten Plattensammler eigentlich nicht passieren.
In der Kantine im Funkhaus war immer einer der Promo-
ter-Kollegen zu finden und wir tauschten immer wieder Platten aus.
Im Funkhaus in der Wiener Argentinierstrase, im letzten Stock,
direkt unter dem Dach, sas damals der Sender O3. Noch ohne
dem Zusatz Hitradio im Namen. Im Stockwerk darunter waren
Radio Wien, der Kinderfunk und Radio Niederosterreich untergebracht.
Ins Funkhaus wurden von allen Firmen jede Woche Tonnen von
neu erschienenen Platten geschleppt. Mit der Hoffnung auf Radioplay
texteten die Promoter die Redakteure und DJs zu und nicht
jede Platte fand einen Abnehmer. Bevorzugte Transportmittel zum
Plattenschleppen waren Plastiksackerln mit den Logos der Firmen.
Polydor, Ariola, Musica oder WEA, die spatere Warner. EMI nicht
zu vergessen. Meine Sackerln waren in knalligem Orange. CBS
- The Family Of Music stand drauf und in so einem Sackerl verschwand
damals die Platte von Ludwig Hirsch. Die mit den Dunkelgrauen
Liedern. Der Kollege von Polydor hatte sie mir mit den
Worten gegeben: Das musst du dir anhoren ... Sowas hast du noch
nie gehort. Ich hab die Platte genommen und im Gegenzug etwas
anderes uber den Tisch geschoben. Keine Ahnung, was ich damals
fur Hirsch eingetauscht habe, aber ich war in Sachen Hirsch nicht
ganzlich unbeleckt. Ah, das ist doch dieser Schauspieler ..., sagte
ich, dankte und drehte das Plattencover um. Und was stand da?
War da doch tatsachlich ein Lied mit dem Titel Spuck den Schnuller
aus drauf. Ich lachte und las laut vor. Der Kollege von Polydor
sagte nur: Anhoren und ich sag dir nochmal: Sowas hast du noch
nie gehort!
Daheim senkte sich dann die Nadel und es war wie beschrieben:
Bitte einsteigen zur Geisterbahnfahrt. Bei der Omama hab ich
noch geschmunzelt und an meine Oma gedacht. Die war irgendwie
in dem Lied wieder auferstanden, nur mit einem Mutterkreuz
hatte sie nichts am Hut. Bei I lieg am Ruckn hab ich mich an die
Worte des Kollegen erinnert: So was hast du noch nie gehort!
Beim Herrn Haslinger hab ich bei der Szene, wo der Haslinger
vor der Schule steht und sich am Anblick der Taferlklassler erfreut,
noch die Stirn gerunzelt und mich gefragt: Bitte, was singt
der da? Dann ist mir bei der letzten Strophe der Hals trocken geworden.
Nach 50 Minuten Dunkelgrauen Liedern war ich das, was man
heute einen Follower nennen wurde. Ich habe seither jede Platte
erstanden. Und jedes neue Hirsch-Album war wie die Entdeckung
des Jahres, ein fur sich stehendes Werk voller Uberraschungen.
Vieles habe ich verstanden. Einiges blieb mir unverstandlich. Spannend
waren sie alle, die Platten des Ludwig Hirsch.
Jahrzehnte spater: Zweimal durfte ich als Autor fur Ludwig
Hirsch tatig werden. In seinen spateren Jahren fur die Alben In
Ewigkeit Damen und Perlen. Im Zuge dieser Arbeit lernte ich
einen sehr hoflichen, sehr freundlichen und so gar nicht kumpelhaft
auftretenden Mann kennen. Irgendwie war man in seiner Nahe
auch nie in Versuchung geraten zu einem Hey Ludwig, lass uns
auf ein Bier gehen und ein bissl quatschen-Angebot. Er strahlte so
eine Ruhe und kunstlerische Autoritat aus, die einen ihm fast ein
wenig demutig entgegentreten lies. Dazu die Stimme, die gewahlte
Sprache, der Intellekt, der mitschwingt, und dann bist du einfach
nur froh, diesen Menschen kennengelernt zu haben. Eigenartig ist
auch, dass man in seiner Nahe nie auf die Idee gekommen ist, nach
einem gemeinsamen Foto zu fragen. Zumindest mir ist es so gegangen.
Ich hab mich einfach nicht getraut ...
Einmal bat ich ihn, in eine TV-Show zu kommen, die wir seinerzeit
fur TW1, den Vorlaufer des heutigen ORF III, produzierten.
Kein groses Ding, eine kleine Talk-Show mit ein bisschen Musik.
Ludwig Hirsch willigte ein, wollte aber keinen Playback-Auftritt
hinlegen. Akzeptiert. Was tun? Liedtexte lesen? Ja, das konne er
sich gut vorstellen, und so sas er da, im Fruhjahr 2006, bei uns
in dem kleinen Studio und las zwei seiner Texte aus In Ewigkeit
Damen. Es war ein Gansehaut-Moment, und als diese Folge der
kleinen Show dann bei TW1 ausgestrahlt wurde, ging anschliesend
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Autoren-Porträt von Johnny Bertl, Cornelia Köndgen, Andy Zahradnik
Geboren 1958 in Wien, ist seit 1973 in der Musikbranche tätig, arbeitet heute auch als Autor und Musikjournalist. Er hat u. a. Bücher über den Komponisten Ralph Siegel, die österreichische Hitparade und die Schlagersängerin Monika Martin veröffentlicht sowie zahlreiche Drehbücher für Musik-TV und Bühnenshows geschrieben. 2001 wurde er mit dem Amadeus Austrian Music Award als "Musikpartner des Jahres" ausgezeichnet. Cornelia Köndgen, geboren 1953, ist Schauspielerin und Autorin. Sie war seit 1977 mit dem verstorbenen Liedermacher Ludwig Hirsch verheiratet. Der Ehe entstammt ein Sohn. 2013 erschien ihr Buch "Mit einem kleinen Schuss ins Rot". Johann M. Bertl, Gitarrist, Komponist und Plattenproduzent, er begleitete Ludwig Hirsch 36 Jahre hindurch auf der Gitarre und trat mit dem Publikumsliebling in mehr als 4000 Konzerten auf.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Johnny Bertl , Cornelia Köndgen , Andy Zahradnik
- 2016, 3. Aufl., 176 Seiten, Maße: 15,4 x 22,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Carl Ueberreuter Verlag
- ISBN-10: 3800076500
- ISBN-13: 9783800076505
- Erscheinungsdatum: 26.01.2016
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