Fettnäpfchenführer Vietnam

Absolute Kaufempfehlung

Warum gibt es in Vietnam zwei Daten im Kalender, wie funktioniert das mit dem Mondkalender, wofür trägt der Vietnamese Mundschutz, wenn nicht wegen Smog Gefahr, warum ist man in einem Reiseführer dankbar um eine Erklärung wie man „…müsste also in der richtigen Straße in den zweiten Weg abbiegen, dann in die erste Gasse und von dieser Gasse nochmals in die erste davon abzweigende Gasse und erst die letzte Zahl ist dann die Hausnummer.“ Wer Antworten auf solche Fragen bekommen oder kuriose Dinge wie, „Und wo bei und in Europa die Selbstbräunerlotionen und Bronzepuder stehen, wird das Sortiment in Vietnam stattdessen mit Angeboten wie der Pinky-Nipples-Creme zum Bleichen der Brustwarzen ergänzt.“, erfahren will, der sollte hier auf jeden Fall zugreifen.

Nach einem Danke und einem Vorwort lässt einen das Autorenduo aus David Frogier de Ponlevoy, der sechs Jahre in Hanoi gelebt hat, und Anemi Wick, die seit zehn Jahren dort lebt und aus Angst vor dem Eigenkulturschock nicht zurück in ihr Heimatland Schweiz ziehen will, auf gut 250 Seiten und in 38 Kapiteln nach Vietnam reisen und dort regelrecht eintauchen. Nach einem neununddreißigsten, das gleichzeitig als Schlusswort und als Hommage an Vietnam dient, schließen sind noch ein Anhang mit Literaturverzeichnis, Listen mit je zehn Dingen, die man dort tun bzw. nicht tun sollte, und ein umfangreiches Glossar an, in dem man alle wichtigen Begriffe noch einmal kurz erklärt bekommt, die im Buch ausführlich beschrieben wurden.

Alle Kapitel beginnen mit einer kleinen, meist amüsanten Episode, die sie entweder Nina, die seit vier Monaten bei einer deutschen Klimaschutzorganisation in Hanoi arbeitet, oder ihrem Jugendfreund Florian, der gerade bei ihr zu Besuch ist und von ihr aus Vietnam erkundet, geschieht. Dieser schließen sich dann Erklärungen aller Art an, wie allgemeine Infos zu dem Thema, Erklärungen, was hier ein Fettnäpfchen war, wo es weshalb zu Missverständnissen kam, Tipps wie man diese vermeiden kann und vieles mehr.

Der Schreibstil liest sich locker leicht und mir hat der Fettnäpfchenführer solchen Spaß bereitet, dass ich ihn wie einen Roman am Stück verschlungen habe. Man darf immer wieder schmunzeln, ganz oft staunen, sich wegträumen und manchmal auch denken, oh zum Glück ist das bei uns nicht so. Gut gefällt mir auch, dass das Autorenduo wirklich alle Themen, auch die zu Politik oder Geschichte, mit leicht verständlichen Worten und alles andere als schnöde langweilig erklärt. So macht Neues Erfahren und Dazu-Lernen Spaß.

Die beiden nehmen einen mit auf Ausflüge in Touristenattraktionen wie das Bergstädtchen Sapa, das perfekt vernetzt ist, welch einen zurückgebliebenen Eindruck es auch machen mag, aber auch auf Märkte wie z.B. in Hanois Mega Markt, bei dem Touristen nicht die Hauptzielgruppe sind und sich durch diese zu wursteln für uns schon mit Extremsport zu vergleichen sind. Man darf sie beim aussichtslosen Unterfangen in einem Baumarkt einen Schraubenzieher zu kaufen, beim Besuch bei Freunden, und auch sogar auf einer Hochzeitsfeier begleiten. Klar geht´s immer wieder zum Essen und auch Probleme beim Klamottenshoppen, wenn man nicht XXS trägt, sind mit dabei. Es fehlen z.B. auch nicht kuriose Erfahrungen mit Handwerkern oder Reinigungspersonal. Das ausgewogene Gleichgewicht und die unheimliche Bandbreite an Erfahrungen haben mir dabei sehr gut gefallen. Versehen mit Tipps wie z.B. für Straßenküchen, bei denen man sich daran wagen kann zu kosten, zum Feilschen oder in der Schlange stehen, Übersetzungshilfen zum Speisenangebot, zu den verschiedenen Arten zu Lächeln oder den zahlreichen Bedeutungen von Jas und Neins, und vielem mehr, kann man sich nach der Lektüre sicher perfekt vorbereit ins Abenteuer stürzen, egal ob man auf Touristenpfaden, oder auch abseits davon wandeln möchte.

Das Büchlein hat auch einiges zur Geschichte, Wirtschaft und Politik des Landes zu bieten, was mir gut gefallen hat. So erfährt man z.B. dass die DDR umfangreiche Wirtschafts- und Entwicklungshilfe geleistet hat, dass die besten Studenten Vietnams mit Auslandsstudien dort belohnt wurden. Auch Themen wie der Vietnamkrieg, der Unterschied zwischen Vertragsarbeitern und Boatpeople, oder auch was sich hinter den offiziellen Schlagworten wie „Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung“ verbirgt, kommen aufs Tapet.

Begeistert bin ich auch von den vielen kleinen Infokästen zu Nischenwissen, die das Lesen so spannend und interessant machen. So erfährt man hier unter anderem dass „Cross-Race Bias“ ein wissenschaftlich belegtes Phänomen ist, dass es einem leichter fällt, sich Gesichter der eigenen ethnischen Gruppe zu merken, als Gesichter fremder Ethnien, oder auch, dass Asiaten zwar genauso viel schwitzen wie wir, dafür aber weniger stinken, weil sie sich in dem kleinen Protein namens ABCC11 von uns unterscheiden. Eine Fülle an Angeberwissen,

Lobend erwähnen möchte ich auch das Layout, was mich völlig überzeugt hat. Mit Tabellen, Infokästen, Zwischenüberschriften und einer angenehmen, augenfreundlich großen Schrift macht schon der erste Blick ins Buch Lust auf Lesen. Toll finde ich auch die großartigen Karikaturen, die Anemi Wick ergänzt, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ein tolles Zuckerl ist in meinen Augen auch das passende Lesezeichen, auf dem 10 DONT`S und DO`S aufgedruckt sind, von denen die Rede war und die man auch im Anhang noch einmal knapp erklärt bekommt. Das handliche Hardcover macht insgesamt einen sehr wertigen Eindruck und daher eignet sich das Büchlein auf jeden Fall auch als prima Geschenktipp.

Wieder einmal bin ich völlig begeistert von einem Titel aus der Reihe Fettnäpfchenführer, alle Daumen hoch und mehr als verdiente fünf Sterne. Hier muss wirklich jeder glücklich werden, egal ob Touri, der eine Reise plant oder in Urlaubserinnerungen schwelgen will, jemand, der sich für längere Zeit ins Land begeben will und auch die, die einfach nur interessiert sind an Land und Leuten.